Bismarcks Außenpolitik - wieso verließ man diesen Weg?

Bakkushan

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Hallo,

ich habe eine Frage zu Bismarcks Außenpolitik und dem, was danach passierte.
Bismarck schaffte erfolgreiche Bündnisse und wollte ja die Isolation Frankreichs unter anderem erreichen.
Im Großen und Ganzen funktionierte das ja auch recht gut.
Aber den Nachfolger Bismarcks (Graf Leo von Caprivi) erneuerte diesen Rückversicherungsvertrag nicht und des kommt zum Russisch-französischen Zweibund.
Auch danach sorgt Kaiser Wilhelm 2 ja nicht gerade für eine gute Außenpolitik und verschlechtert das britische Verhältnis zu Deutschland.
Das verstehe ich nicht ganz. Bismarck war doch auf einem guten Weg, warum wurde danach alles so stark verändert, anstatt auf diesem Weg zu bleiben?

Grüße :)
 
Im Großen und Ganzen funktionierte das ja auch recht gut. ...
Aber den Nachfolger Bismarcks (Graf Leo von Caprivi) erneuerte diesen Rückversicherungsvertrag nicht und des kommt zum Russisch-französischen Zweibund.
Auch danach sorgt Kaiser Wilhelm 2 ja nicht gerade für eine gute Außenpolitik und verschlechtert das britische Verhältnis zu Deutschland.
Das verstehe ich nicht ganz. Bismarck war doch auf einem guten Weg, warum wurde danach alles so stark verändert, anstatt auf diesem Weg zu bleiben?

Die Aussenpolitik 1871-1914 ist ein kompliziertes Feld.

Bismarcks "System der Aushilfen" in der letzten Phase der Kanzlerschaft näherte sich vermutlich dem Ende der Möglichkeiten. Das wurde so auch in der Diplomatie im Deutschen Reich so gesehen, davon sind nachträgliche "Verklärungen" zu unterscheiden.

Das Verhältnis zu Großbritannien wurde sicher zuvor durch einige koloniale Reibereien in Afrika beeinträchtigt, letztlich entscheidend für den Gegensatz war hier die deutsche Flottenrüstung nach 1906. Bezüglich der russischen Wendung sind das gespannte Verhältnis zu Österreich-Ungarn und die Interessenkonflikte auf dem Balkan wichtig.

zur weiteren Vertiefung diese links:

http://www.geschichtsforum.de/f58/zweiverband-frankreich-ru-land-29575/
http://www.geschichtsforum.de/f58/n...-ckversicherungsvertrages-mit-russland-31698/
http://www.geschichtsforum.de/f58/g...rreichs-1871-anfang-des-deutschen-bels-33777/

Vielleicht kannst du danach Deine Frage ergänzen oder vertiefen.
 
Hallo,

ich habe eine Frage zu Bismarcks Außenpolitik und dem, was danach passierte.
Bismarck schaffte erfolgreiche Bündnisse und wollte ja die Isolation Frankreichs unter anderem erreichen.
Im Großen und Ganzen funktionierte das ja auch recht gut.
Aber den Nachfolger Bismarcks (Graf Leo von Caprivi) erneuerte diesen Rückversicherungsvertrag nicht und des kommt zum Russisch-französischen Zweibund.
Auch danach sorgt Kaiser Wilhelm 2 ja nicht gerade für eine gute Außenpolitik und verschlechtert das britische Verhältnis zu Deutschland.
Das verstehe ich nicht ganz. Bismarck war doch auf einem guten Weg, warum wurde danach alles so stark verändert, anstatt auf diesem Weg zu bleiben?

Grüße :)

Das funktionierte nicht, da Bismarck für jedes Bündnis Zugeständnisse machen musste.
Das Reich war dem Imperialismus der anderen europäischen Mächte hilflos entgegengestellt.
Auch hat sich Bismarck oft in seinen Bündnissen verstrickt.
Auf der einen Seite gesteht er Russland Interessen im Mittel und Schwarzen Meer zu, auf der anderen Seite zieht er mit dem Mittelmeerbund die potentiellen Feinde Russlands auf seine Seite.
Bismarck musste sich also stets jedes Bündnis mit Zugeständnisse in Sachen Gebieten oder Vorherrschaft teuer erkaufen und konnte selbst nicht beim Erwerb von Kolonien mitmischen.
Hauptsächlich hat sein System irgendwann nicht mehr funktioniert, da die anderen Mächte Europas nicht an Frieden interessiert waren.
Die Franzosen warteten auf den richtigen Moment zuschlagen zu können und auch die anderen Mächte wollten kein Deutsches Reich in ihrer Mitte haben, das wirtschaftlich die anderen Mächte überholte.
Dazu muss man sich nur den berühmten Zeitungsartikel "Deutschland muss zerstört werden" durchlesen, der noch im 19. Jahrhundert geschrieben wurde und auf Cato Schrift gegen Punien zurückgeht.

Insgesamt sind folgende Dinge für den Zusammenbruch der Bündnissysteme zusammenzufassen:
- der naive Kaiser Wilhelm II.
- der deutsche Drang nach Kolonien, der nicht mehr gestoppt werden konnte
- das Kriegs und Rachesüchtige Frankreich
- das sich wirtschaftlich und durch die Flottenrüstung später auch bedroht gefühlte England
- Österreich - Ungarns aggressive Verhalten, dass auch auf die Deutsch Russischen Beziehungen negativ wirkte
 
Das funktionierte nicht, da Bismarck für jedes Bündnis Zugeständnisse machen musste.
Das Reich war dem Imperialismus der anderen europäischen Mächte hilflos entgegengestellt.
Auch hat sich Bismarck oft in seinen Bündnissen verstrickt.
Auf der einen Seite gesteht er Russland Interessen im Mittel und Schwarzen Meer zu, auf der anderen Seite zieht er mit dem Mittelmeerbund die potentiellen Feinde Russlands auf seine Seite.
Bismarck musste sich also stets jedes Bündnis mit Zugeständnisse in Sachen Gebieten oder Vorherrschaft teuer erkaufen und konnte selbst nicht beim Erwerb von Kolonien mitmischen.
Hauptsächlich hat sein System irgendwann nicht mehr funktioniert, da die anderen Mächte Europas nicht an Frieden interessiert waren.
Die Franzosen warteten auf den richtigen Moment zuschlagen zu können und auch die anderen Mächte wollten kein Deutsches Reich in ihrer Mitte haben, das wirtschaftlich die anderen Mächte überholte.
Dazu muss man sich nur den berühmten Zeitungsartikel "Deutschland muss zerstört werden" durchlesen, der noch im 19. Jahrhundert geschrieben wurde und auf Cato Schrift gegen Punien zurückgeht.

Insgesamt sind folgende Dinge für den Zusammenbruch der Bündnissysteme zusammenzufassen:
- der naive Kaiser Wilhelm II.
- der deutsche Drang nach Kolonien, der nicht mehr gestoppt werden konnte
- das Kriegs und Rachesüchtige Frankreich
- das sich wirtschaftlich und durch die Flottenrüstung später auch bedroht gefühlte England
- Österreich - Ungarns aggressive Verhalten, dass auch auf die Deutsch Russischen Beziehungen negativ wirkte

Da holtst Du ja gleich eine Menge Klischees und Legenden hervor. ;) Vielleicht benutzt du einmal Du einmal die Suchfunktion im Forum, ansonsten wäre Überblicksliteratur zu empfehlen.

Speziell zu Frankreich ab 1911:
Wilsberg, Klaus: Terrible ami - aimable ennemi - Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914, PHS 49.

Zu Teilen der britischen Politik und Presse zB:
Plass, Jens B.: England zwischen Russland und Deutschland - Der persische Golf in der britischen Vorkriegspolitik 1899-1907, dargestellt nach englischem Archivmaterial.
Fröhlich, Michael : Von Konfrontation zur Koexistenz - die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884-1914

Das Reich war dem Imperialismus der anderen europäischen Mächte hilflos entgegengestellt.
Das ist bezüglich der stärksten Landmacht Europas 1890-1914, insbesondere nach dem russischen Kollaps 1905, vermutlich ironisch gemeint =).

Im Forum findest Du einige Hinweise zu Rüstung und Militärmacht. Du kannst aber auch retrograd schließen: die "hilflose" Macht schaffte es gemeinsam mit Ö/U 1914/17, gegen drei Großmächte plus Mitstreiter zu bestehen.

Der wirtschaftliche Gegensatz ist übrigens in der politischen Historie nicht als relevant nachweisbar.
Hoffman, Ross J. S.: Great Britain and the German Trade Rivalry 1875-1914


Wenn Dir die Speziallektüre zu breit gestreut erscheint, ist dieses sehr zu empfehlen: Das vergangene Reich - Google Bücher
 
Da holtst Du ja gleich eine Menge Klischees und Legenden hervor. ;) Vielleicht benutzt du einmal Du einmal die Suchfunktion im Forum, ansonsten wäre Überblicksliteratur zu empfehlen.
Das sind keine Klischees, diese Dinge sind alle belegbar.
Es gibt Berichte über französische Schulen, an denen systematisch den Kindern eingetrichtert wurde, Deutschland sei der Feind und man müsse Rache nehmen, oder französische Schriftsteller, die die Heimkehr Elass Lothringens als falsch verurteilen und eine Revanche als notwendiges Mittel ansehen.
Speziell zu Frankreich ab 1911:
Wilsberg, Klaus: Terrible ami - aimable ennemi - Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914, PHS 49.
Frankreich hatte schon längst vor 1911 Rachegedanken.
Zu Teilen der britischen Politik und Presse zB:
Plass, Jens B.: England zwischen Russland und Deutschland - Der persische Golf in der britischen Vorkriegspolitik 1899-1907, dargestellt nach englischem Archivmaterial.
Fröhlich, Michael : Von Konfrontation zur Koexistenz - die deutsch-englischen Kolonialbeziehungen in Afrika zwischen 1884-1914
All diese Bücher habe ich nicht, also sind sie als Quellenmaterial ungeeignet.
Zeige lieber mit Internetquellen auf welche meiner Aussagen falsch sind und komm nicht mit "das ist ein Klischee" Sprüchen.
Für soetwas habe ich keine Zeit.

Das ist bezüglich der stärksten Landmacht Europas 1890-1914, insbesondere nach dem russischen Kollaps 1905, vermutlich ironisch gemeint =).
Ein klasse Argument Bismarckspolitik der Friedenssicherung sei irgendwann hilflos geworden:
Er hatte die größte Armee.
Es ging eben darum einen Krieg zu vermeiden.

Im Forum findest Du einige Hinweise zu Rüstung und Militärmacht. Du kannst aber auch retrograd schließen: die "hilflose" Macht schaffte es gemeinsam mit Ö/U 1914/17, gegen drei Großmächte plus Mitstreiter zu bestehen.
Hilflos war nicht auf militärische Mittel bezogen, da hast du dich vertan.
Das Ziel für das Reich musste die Friedensicherung sein, da ist Krieg wohl kein sehr gutes Mittel für solch ein Ziel, oder ?

Der wirtschaftliche Gegensatz ist übrigens in der politischen Historie nicht als relevant nachweisbar.
Hoffman, Ross J. S.: Great Britain and the German Trade Rivalry 1875-1914
Doch ist er.
Anhand von Exportzahlen, anhand von britischen und deutschen Medien.
Ein Beweis dafür, das britische Handelsmarkengesetz, das uns das "Made in Germany" gebracht hat.
Damals ein Mittel um Deutsche Ware zu boykottieren.
Wer keine Konkurrenz zwischen britischer und deutscher Wirtschaft erkennen will, der ist ein Blender und Verblendeter.
Nach dem Stolz der Engländer war dies bestimmt ihr zweiter Kriegsgrund.
Wenn Dir die Speziallektüre zu breit gestreut erscheint, ist dieses sehr zu empfehlen: Das vergangene Reich - Google Bücher
Tut mir Leid, ich habe keine Zeit Bücher über die Zeit des Imperialismus zu lesen.
Die Werke die ich gelesen habe Reichen mir vollkommen aus, um Kriegsgründe für den ersten Weltkrieg einordnen zu können :)
Bismarck hat den Weltkrieg nur aufgeschoben, aber seine Ursachen beseitigen konnte er nicht, das konnte niemand.
 
All diese Bücher habe ich nicht, also sind sie als Quellenmaterial ungeeignet.
Zeige lieber mit Internetquellen auf welche meiner Aussagen falsch sind und komm nicht mit "das ist ein Klischee" Sprüchen.
Für soetwas habe ich keine Zeit.

Na klar, bloß weil du Quellen nicht besitzt sind sie ungeignet?!
Deiner Logik folgend: Ich besitze Caesars Gallischen Krieg nicht, deswegen muss er für die Betrachtung jener Geschehnisse vollends außer Acht gelassen werden... :still:


Tut mir Leid, ich habe keine Zeit Bücher über die Zeit des Imperialismus zu lesen.
Die Werke die ich gelesen habe Reichen mir vollkommen aus, um Kriegsgründe für den ersten Weltkrieg einordnen zu können :)
Bismarck hat den Weltkrieg nur aufgeschoben, aber seine Ursachen beseitigen konnte er nicht, das konnte niemand.

Vielleicht solltest du das besser mal tun. Und die Bücher die du gelesen hast würden mich interessieren.
 
Das sind keine Klischees, diese Dinge sind alle belegbar.
Es gibt Berichte über französische Schulen, an denen systematisch den Kindern eingetrichtert wurde, Deutschland sei der Feind und man müsse Rache nehmen, oder französische Schriftsteller, die die Heimkehr Elass Lothringens als falsch verurteilen und eine Revanche als notwendiges Mittel ansehen.


Was passierte eigentlich noch mal genau am Sedanstag jedes Jahr in Deutschland? Es ist mir irgendwie gerade entfallen.


All diese Bücher habe ich nicht, also sind sie als Quellenmaterial ungeeignet.

Ich habe hier selten eine so ehrlich selbstentlarvende Aussage gelesen.

Bismarck hat den Weltkrieg nur aufgeschoben, aber seine Ursachen beseitigen konnte er nicht, das konnte niemand.

Nun, Kriege sind keine Naturgesetze, die Frage ob Krieg zu führen ist oder nicht, ist immer eine Entscheidungsfindung. Diese olle These "Ja, man ist halt in den Krieg hineingeschlittert und plötzlich war er dann eben da" ignoriert, dass da bei den kriegführenden Nationen Menschen an den entsprechenden Schaltstellen saßen, die ein Interesse daran hatten Krieg zu führen oder ihn nicht zu verhindern.
 
Ich habe hier selten eine so ehrlich selbstentlarvende Aussage gelesen.

:rofl::rofl::rofl: In der Kürze liegt die Würze. :devil:

vonLevinski schrieb:
All diese Bücher habe ich nicht, also sind sie als Quellenmaterial ungeeignet.

Und ich überlege mir gerade, ob ich Zeit für die Antwort einsetze. Vorher würde ich aber gerne wissen, ob @vonLevinski [ist eigentlich "von Lewinski" = "von Manstein" gemeint?] überhaupt Fachliteratur gelesen hat, die wird er uns dann sicher noch angeben.
 
@vonLevinski:
Da Du eine offensichtliche Distanz zu gedruckten Quellen deutlich äußerst, wäre es natürlich hilfreich die Quellen im Internet offen zu legen, die Deine etwas eigenwillige Interpretation Bismarck`scher Außenpolitik dokumentieren.

Interessant sind natürlich auch die wenigen gedruckten Quellen, auf die sich Deine umfassende Beurteilung der nationalen Verflechtungen des auslaufenden 19. Jahrhundert in Europa stützt.

Ohne eine ausreichende Offenlegung Deiner geistigen Quellen wird man Deine Ausführungen als sehr idiosynkratische Interpretationen Bismarckscher Politik einzustufen haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun habe ich eine Weile überlegt, ob man auf einen solchen Beitrag überhaupt anworten soll. Zwei von @vonLewinski aufgegriffene Legenden scheinen mir aber ganz interessant. Beide wurden besonders in den 1920er von der deutschen Kriegsschuldliteratur (siehe unten) "gepflegt" und wurden von einiger populärwissenschaftlichen Literatur in neuerer Zeit wieder aufgewärmt:

Das sind keine Klischees, diese Dinge sind alle belegbar.... Doch ist er. ..
Anhand von Exportzahlen, anhand von britischen und deutschen Medien.
Ein Beweis dafür, das britische Handelsmarkengesetz, das uns das "Made in Germany" gebracht hat.
Damals ein Mittel um Deutsche Ware zu boykottieren.
Wer keine Konkurrenz zwischen britischer und deutscher Wirtschaft erkennen will, der ist ein Blender und Verblendeter.
Nach dem Stolz der Engländer war dies bestimmt ihr zweiter Kriegsgrund.
Das ist propagandistischer Unsinn ohne Beleg durch eine politische Wirkungsstudie für diesen britischen Protektionismus, der im fraglichen Zeitraum offensichtlich der schwächste in Europa. Aber wie heißt es treffend: die Halbwahrheit ist ein schlimmerer Feind der Wahrheit als die Lüge.

Erstens: Es gibt selbstredend britischen Protektionismus und in bestimmten Bereichen einen deutsch-britischen ökonomischen Gegensatz (ebenso übrigens wie eine beidseitige Abhängigkeit!).
Es gibt aber keine relevante Querverbindung zwischen Protektionismus und deutsch-brit. politischen Gegensätzen 1871-1913, nicht einmal in den afrikanischen Konflikten, wo man dieses am ehesten vermuten könnte (lediglich in der Spätphase bei der Eskalation im Mittleren Osten, da war das Kind allerdings schon im Brunnen, im Übrigen wurde exakt hier die russische Bedrohung weit höher eingeschätzt). Bestimmte Literatur weicht deshalb fälschlicherweise und offenbar gerne auf britische Presse, Wahlkampf, Stammtisch etc. aus, zitiert diese und stellt sie als tragende Säule der britischen Politik dar. Die britische Außenpolitik kann abseits kolonialer Rohstoffinteressen in der Frage von Handelsbilanzen sogar als a-ökonomisch bezeichnet werden. Wenn man sich überhaupt auf dieses Glatteis begeben will: die ökonomisch größere Bedrohung - als vom Deutschen Reich - kann den USA und Rußland (-> Persien, Indien, China) zugewiesen werden.

Zweitens: Empfehlenswert ist mal, die oben zum Ausdruck kommende eingeschränkte Sichtweise zu öffnen, es gibt da so viel Interessantes, zB die britische Bewunderung für deutsche Wirtschaftserfolge, die politische Debatte um das Kopieren der Grundlagen der deutschen Volkswirtschaft, etc.:
Hollenberg: Englisches Interesse am Kaiserreich: die Attraktivität Preussen-Deutschlands für konservative und liberale Kreise in Grossbritannien 1860-1914
Studien für deutsch-britische Beziehungen unterhalb der großen Politik - Verbände, Wirtschaft etc. - kann ich gerne bei Bedarf empfehlen, falls Dich das Thema wirklich interessiert.

Deine "Exportzahlen" würde ich gerne kommentieren. Gibst Du dazu mal einen Überblick im fraglichen Zeitraum, mit einer Wertung der Probleme für die britische Wirtschaft?


Es gibt Berichte über französische Schulen, an denen systematisch den Kindern eingetrichtert wurde, Deutschland sei der Feind und man müsse Rache nehmen, oder französische Schriftsteller, die die Heimkehr Elass Lothringens als falsch verurteilen und eine Revanche als notwendiges Mittel ansehen.
Frankreich hatte schon längst vor 1911 Rachegedanken.

ElQ hat schon treffend auf entsprechende deutsche antifranzösische "Tendenzen" in der öffentlichen Meinung hingewiesen, es gibt hier keine großen Unterschiede. Bzgl. der französischen Rüstung - und ihres reaktiven Charakter, da das Land weder industriell noch von der Mannschaftskapazität dem Deutschen Reich nach 1871 annähernd gewachsen war - ist das hier interessant:
Krumeich, Gerd: Aufrüstung und Innenpolitik in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg
Saatmann, Inge: Parlament, Rüstung und Armee in Frankreich 1914/18 (auch zur Vorgeschichte) sowie
Förster, Stig: Der doppelte Militarismus - die deutsche Heeresrüstungspolitik 1890-1913


Dennoch ist ja die dahinter stehende Aussage ganz interessant. @vonLewinski spricht den französischen Revanchismus nach 1871 an, und die Frage seiner Relevanz für die französische Politik, zB im Hinblick auf Elsaß-Lothringen, seine Bedeutung in der öffentlichen Meinung etc.

Abseits von der teilweise auch offiziösen deutschen Nachkriegs-/Niederlagen-/Verdrängungs-Propaganda ist das eine interessante Fragestellung. Dazu gibt es einige Untersuchungen.

Falls @vonLewinski die Frage also über Klischees und Legendenbildung hinaus interessiert - da er sich angabegemäß gern mit Fragen des Nationalismus beschäftigt - kann ich dazu gerne einige Untersuchungen heraussuchen, die dieses Problem detailliert behandeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo, könntet ihr bitte mal aufhören, hier nur auf vonLevinski rumzuhacken und auf die eigentliche Frage zurückkommen?

Soviel ich weiß hatte das ganze auch mit der Psyche von Wilhelm 2. zu tun. Er selbst hatte aufgrund seines gelähmten Armes einen gewissen Minderwertigkeitskomplex und wollte, als er selbst Kaiser wurde, vollständig selbst regieren und sah in der politischen Rolle des Reichskanzlers vor allem einen Vertreter seiner Vorstellungen. Das passte aber gar nicht zu der politischen Rolle, die Bismarck bis dahin vertrat, sodass er diesen durch den "willigeren" Leo von Caprivi ersetzte.

Davon abgesehen war bismarcks Politik immer mehr nur noch an der Absicherung des geschaffenen orientiert, Wilhelm 2. wollte jedoch über ein Weltreich regieren mit allem was dazu gehörte (z.b. Kolonien, Flotte, ...).

Gruß, Robert.
 
Auf die Kolonien hätte das Deutsche Reich erst Pfeifen können, hat nur Ärger gemacht und Geld gekostet.

Mir fehlt leider der Franzose nicht ein der sagte, wir brauchen Kolonien koste es was es wolle.
 
Davon abgesehen war bismarcks Politik immer mehr nur noch an der Absicherung des geschaffenen orientiert, Wilhelm 2. wollte jedoch über ein Weltreich regieren mit allem was dazu gehörte (z.b. Kolonien, Flotte, ...).Gruß, Robert.

Die wesentlichen kolonialen Erwerbungen stammen aus 1884/85.

Die Hinzuerwerbungen Wilhelms II nach Bismarck betreffen nur einige Fleckchen, zB Inselchen im Pazifik und Tsingtao.
 
Soviel ich weiß hatte das ganze auch mit der Psyche von Wilhelm 2. zu tun. Er selbst hatte aufgrund seines gelähmten Armes einen gewissen Minderwertigkeitskomplex und wollte, als er selbst Kaiser wurde, vollständig selbst regieren und sah in der politischen Rolle des Reichskanzlers vor allem einen Vertreter seiner Vorstellungen.

Die Behinderung wird oft und gern angeführt, gerade auch weil sich John Röhl diesem Punkt angenommen hat. Ich habe da etwas Bauchschmerzen und meine, da wird zu schnell etwas anscheinend Offensichtliches bemüht - schließlich ist das simple "Küchenpsychologie", so wie man Napoleon seine Großmannssucht wegen seiner geringen Körpergröße unterstellt. Nichts davon ist bewiesen. Ich wäre vorsichtig Behinderten oder irgendwelchen Randgruppen bestimmte Charaktereigenschaften zuzuschreiben und als Tatsache hinzustellen....

Weiterhin kommt in deinem Posting ein zweiter Punkt, der offenbar zum heute vermittelten, üblichen Schulwissen gehört. Tatsächlich sah sich Wilhelm als von Gott berufener Repräsentant eines starken und mächtigen Deutschland. Der Kanzler war nur Erfüllungsgehilfe. Somit war es völlig natürlich, daß er das nach aussen darstellte, was er als seine Aufgabe empfand. Wir dürfen nicht mit heutigem Maßstab denken, wo Deutschland sich auch nach der Wiedervereinigung gern zurücknimmt, nachdem es Jahrzehnte als Schuldiger der Weltkriege "kleine Brötchen backen" mußte.

Zu Wilhelms Regierungszeit war das anders. Das Reich war wirtschaftlich und militärisch bereits eine der "Weltmächte". Es ging also nicht darum es zu werden, sondern im politischen Ringen mit den anderen zu bestehen (oder auch zu wachsen). Dass Wilhelm /und seine Berater!) sich dabei oft sehr ungeschickt verhalten haben, ist klar. Er hätte sich klügerweise öfter an die politischen Ziele Bismarcks erinnern müssen und eher zum Bewahren als zum Verstärken trachten sollen. Aber er wurde nicht wegen seiner Klugheit, Kompetenz und Geschicktheit gewählt, sondern rutschte in die Aufgabe per Geburt herein...

Nebenbei: Das Zerwürfnis mit Bismarck kam ja auch nicht wegen der Außenpolitik, sondern wegen der Innenpolitik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe das in den wesentlichen Punkten ähnlich wie Arne.

Dass bereits eine "Deutsche Großmacht" vorlag, ist ein wichtiger Punkt, der die konfliktgeladenen Teile der Außenpolitik auf andere interessante Aspekte lenkt:

- die Erscheinungsformen des Kolonialismus/Imperialismus nach 1890, die sich wesentlich auf die handelspolitische, finanzielle, investive, personelle (zB durch Berater, anwesendes Militär etc.) Penetration von schwachen Staaten konzentrierte

- die Besonderheit, dass die frühere deutsche Quasi-Hegemonialstellung in Mitteleuropa als stärkste Militärmacht durch die Veränderung der Bündniskonstellationen und durch die Aufholjagd der übrigen Nationen bröckelte (deren Veränderung war aber vor 1890 im Kern angelegt, und sie war mE wesentlich durch wirtschaftliche Rahmenbedingungen beeinflusst)

- dass nach 1890 die latenten Konflikte (potenzielle Fettnäpfchen) iVm den bereits vorhandenen deutschen Kolonien nunmehr aufbrachen (vermutlich hätte Bismarck ein Südwestafrika bei Gelegenheit für eine Annäherung Großbritanniens weggetauscht). Dazu kamen unfassbare Tolpatschigkeiten, zB die fallweise deutsche Interessenbündelung in Zentralafrika mit Frankreich gegen Großbritannien in der Frage des Upper Nile/Suez, die ähnliche Aufregung wie die Krüger-Depesche verursachte.
 
Arne schrieb:
Weiterhin kommt in deinem Posting ein zweiter Punkt, der offenbar zum heute vermittelten, üblichen Schulwissen gehört. Tatsächlich sah sich Wilhelm als von Gott berufener Repräsentant eines starken und mächtigen Deutschland. Der Kanzler war nur Erfüllungsgehilfe. Somit war es völlig natürlich, daß er das nach aussen darstellte, was er als seine Aufgabe empfand. Wir dürfen nicht mit heutigem Maßstab denken, wo Deutschland sich auch nach der Wiedervereinigung gern zurücknimmt, nachdem es Jahrzehnte als Schuldiger der Weltkriege "kleine Brötchen backen" mußte.

Eigentlich war Wilhelm II., zumindest in politischen Machtfragen, den Absolutismus verhaftet. Da hatte seine "Modernität dann ihre Grenzen.
 
Eigentlich war Wilhelm II., zumindest in politischen Machtfragen, den Absolutismus verhaftet. Da hatte seine "Modernität dann ihre Grenzen.

Gut formuliert. Obwohl er begeistert die moderne Technik und Wissenschaft förderte und neugierig begleitete oder in sozialen Fragen viel fortschrittlicher als Bismarck war, hing er doch am alten Monarchismus-Gedanken. Ein konstitutioneller Monarch mag ihm wie ein Kastrat vorgekommen sein...
 
vonLevinski schrieb:
Bismarck hat den Weltkrieg nur aufgeschoben, aber seine Ursachen beseitigen konnte er nicht, das konnte niemand.

Eine krasse Aussage. Ich bin der Meinung, das der Weg zum Weltkrieg ganz gewiss nicht vorgezeichnet war. Niemand konnte 1890 voraussehen, das sich beispielsweise Walfisch und Bär arrangieren und im Weltkrieg auf der gleichen Seite fechten würden.

Was die Zukunft bringen würde, das war offen!
 
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