Bismarcks Grundlinien in Bezug auf den Zweibund und den Rückversicherungsvertrag

KennyTheKid

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Hallo,

ich habe vor 2 Monaten mein Geschichtsabi geschrieben. Ich habe ein doch ziemlich gutes Gefühl, wäre über eine Punktzahl unter 13 doch recht enttäuscht. Heute kam es allerdings zu einem doch recht interessanten Zwischenfall.

Die dritte und wichtigste Frage der Klausur lautete ungefähr:
Erläutere inwieweit Otto von Bismarck seine politischen Richtlinien, nach dem Berliner Kongress, erfolgreich umgesetzt hat, in besonderer Berücksichtigung auf den Zweibund und dem Rückversicherungsvertrag.

Nun so gut wie alle in unserem Geschichts-LK haben in dieser Fragestellung, Bismarck mit diesen Verträgen in den höchsten Tönen gelobt (wie auch ich), da es zu der Zeit nach dem Zusammenbruchs des Dreikaiservertrages (resultierend war der politischen Distanzierung von Österreich-Ungarn und Russland), keine andere Möglichkeit gab eine 3-2 Situation in Europa herzustellen. Zudem konnte eine Annährung Russlands an Frankreich nur so verhindert werden, was zeitgleich einer Isolierung Frankreichs bewirken sollte.
Natürlich habe ich in der Klausur auch die anderen Verträge zu der Zeit vermerkt, wie z.B. die Meerentante.
Meiner Meinung nach, hat es Bismarck mit großen Geschick erreicht, eine äußerst schwierige Situation für Deutschland, in eine politisch günstige Situation schaffen. Somit ist er seiner Grundlinien (die im Kissinger Vertrag niederschrieben sind) eingehalten, mit dem Bedenken, dass es keine, und ich betone keine, andere Möglichkeit gab eine ähnliche Situation herzustellen wie zu Zeiten des Dreikaiserabkommens.


Nun habe ich heute erfahren, dass einer meiner Freunde der geschrieben hat, dass es Bismarck schlecht gemacht hat, eine recht gute Klausur geschrieben haben soll.
Ein anderer jedoch hat im prinzip das gleiche wie ich geschrieben und auch dieser hat vom Lehrer die Bestätigung bekommen, dass dieser eine gute Klausur geschrieben hat.

Nun meine Fragen an euch, was ihr nun zu der Aufgabe sagen würdet und wir ihr meine (grobe) Begründung findet.

danke im vorraus und lieben Gruß

Kenny
 
Nun habe ich heute erfahren, dass einer meiner Freunde der geschrieben hat, dass es Bismarck schlecht gemacht hat, eine recht gute Klausur geschrieben haben soll.
Ein anderer jedoch hat im prinzip das gleiche wie ich geschrieben und auch dieser hat vom Lehrer die Bestätigung bekommen, dass dieser eine gute Klausur geschrieben hat.

Vielleicht habt ihr einfach einen guten Geschichtslehrer, der die Noten nicht danach vergibt, wer das in seinen Augen "richtige" Bild von der Geschichte vertritt, sondern danach, wer stringent argumentieren kann.

Ich würde mir also nicht allzu große Sorgen machen, zumal ich deine "grobe" Argumentation für recht schlüssig halte.
 
re: Bismarcks Grundlinien

Hinsichtlich seiner Ausführungen im sog. Kissinger Diktat ist es Bismarck schon gelungen seine Zielvorstellungen umzusetzen. Allerdings sollte man nicht vergessen, daß nach dem für Russland entäuschend verlaufenden Berliner Kongress der Zwang Deutschlands zu Bündnissen erst eintrat - Frankreich stand als Gegner fest und Russland war verärgert. Die in den darauf folgenden Jahren von Bismarck praktizierte "Paktomanie" war in ihrem Ergebnis instabil:
1. im System waren Staaten mit gegenseitigen Interessen verbunden (Ö mit R - Balkan; Ö mit Italien - Adria)
2. durch die enge Verbindung mit Ö bürdete sich D auch die Probleme des Vielvölkerstaates auf
3.das Bündnissystem konnte nur so lange erfolgreich sein, so lange sich seine Voraussetzungen nicht änderten: d.h. der Konflikt zw. GB und RR in Asien, der Konflikt zw. Ö und R auf dem Balkan, der durch das beidseitige Bündnis mit D neutralisert wurde und nach diplomatischer Konfliktlösung strebende Politiker.

So ist der Zusammenbruch des Bündnissen nach Bismarck auch auf seine fehlende Tragkraft zurückzuführen.
 
So ist der Zusammenbruch des Bündnissen nach Bismarck auch auf seine fehlende Tragkraft zurückzuführen.
So kann man es natürlich sehen. Ich sehe es eher so, dass die Bündnisse von Bismarck gepflegt wurden und hätten weiter gepflegt werden müssen. Und damit sind nicht nur die Befindlichkeiten des Bündnispartners zu berücksichtigen, sondern eben auch die Beziehungen der anderen Großmächte untereinander.

Und eben da fehlte in der Zeit nach Bismarck das Verständnis in der deutschen Politik. Die Saturiertheit Deutschlands bezog sich halt nur auf die Landesgrenzen. Diplomatisch war viel zu machen, aber eben durch sinnvolle Aktivität und nicht durch das spätere Säbelrasseln (welches zum Teil ja gar nicht so gemeint war, aber eben einen Eindruck in der Welt hinterließ).

Solwac
 
Die Pflege der Bündnisse in der Zeit imperialistischer Macht- und Kolonialpolitik ist allerdings eine schwierige Sache, da unterschiedliche machtpolitische Interessen aufeinander trafen, und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit. Berücksichtigt man zudem die gesellschaftlichen (Militarismus, Nationalismus, Sozialdarwinismus), wirtschaftlichen (Entwicklung zur führenden Industrienation auf der Suche nach Absatzmärkten) und innenpolitischen (persönliches Regiment W.II) Bedingungen dt. Außenpolitik nach 1890 war Bismacks Politik der Satuiertheit nicht mehr zeitgemäß.
 
wie ich sehe habe ich mit diesem Thema eine heiße Diskussion verursacht =)
trotz all dieser informativen Beiträge von euch, fällt es mir schwer eine wirkliche Antwort zu finden (außer der ersten).

Anscheinend gibt es zu der Aufgabenstellung keine "richtige" Antwort, sondern es wurde nach der Meinung des jeweiligen Schülers gefragt. Diese Antwort sollte dann jeder Schüler anhand seines Wissens dann schlüssig beantworten.
Liege ich damit richtig?
 
Anscheinend gibt es zu der Aufgabenstellung keine "richtige" Antwort, sondern es wurde nach der Meinung des jeweiligen Schülers gefragt. Diese Antwort sollte dann jeder Schüler anhand seines Wissens dann schlüssig beantworten.
Liege ich damit richtig?

Das ist jedenfalls mein Verständnis von den Aufgaben eines Geschichtslehrers, wenn es um Bewertungen geht. Allerdings sollte der Schüler auch zeigen können, dass er sein Wissen erweitert, also dazugelernt hat.
 
Entscheidend bei dieser Frage dürfte sein, dass du in der Lage bist ein differenziertes Urteil abzugeben. Das schließt sowohl Lob als auch Tadel der bismarckschen Außenpolitik ein. Wichtig bei der Bewertung sind aber vor allem die Gründe, die Dich dazu bewegt haben zu dieser Einsicht zu gelangen - und da kann man an den tatsächlichen Ereignissen und deren Folgen nicht vorbei.
 
Wichtig bei der Bewertung sind aber vor allem die Gründe, die Dich dazu bewegt haben zu dieser Einsicht zu gelangen - und da kann man an den tatsächlichen Ereignissen und deren Folgen nicht vorbei.

was genau meinst du damit? Findest du meine Argumentation, weshalb ich Bismarcks Handeln für richtig halte, für nicht schlüssig?
 
Deine Argumentation ist schon schlüssig und Bismarcks Handeln in Bezug auf den neu entstandenen Machtfaktor Deutsches Reich 1871 hervorzuheben, indem er dessen Satuiertheit und Friedenswillen betonte. Mit "differenziert" meine ich, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt.
Beispiel 1:
Sein Ziel bestand darin die Interessensgegensätze und Rivalitäten der Mächte so zu lenken, dass für diese keine Möglichkeit besteht sich gegen das DR zu verbünden. Auf der einen Seite ist das natürlich clever auf der anderen aber auck kritikwürdig, da Interessensgegensätze nicht abgbaut werden, was zu einem dauerhaften und stabileren Bündnissystem geführt hätte.
Beispiel 2:
Bismarcks Bündnissystem bezog sich nur auf militärische Auseinandersetzungen vor allem zur Abwehr eines Zweifrontenkrieges. Das ist ihm durch sein ausgeklügeltes Bündnissystem gelungen. Andererseits wird dadurch die militärische Aufrüstung Bestandteil des Systems.
Beispiel 3:
Da FR als Gegner feststeht, bestand Bismarcks Aufgabe darin FR zu isolieren - das hat er geschafft. Andererseits - da er keinen Ausgleich mit FR suchte - fiel oder stand Bismarcks Bündnissystem mit dem Verhältnis zu RR, welches aufgrund der Erfahrungen während des Berliner Kongresses, im DR keinen zuverlässigen Partner mehr sah.

Inwieweit solche Ausführungen bei der Bewertung deines Abiturs allerdings eine Rolle spielen, vermag ich nicht zu sagen.
 
Da FR als Gegner feststeht, bestand Bismarcks Aufgabe darin FR zu isolieren - das hat er geschafft. Andererseits - da er keinen Ausgleich mit FR suchte - fiel oder stand Bismarcks Bündnissystem mit dem Verhältnis zu RR, welches aufgrund der Erfahrungen während des Berliner Kongresses, im DR keinen zuverlässigen Partner mehr sah.

Also Bismarck hat in Rahmen seiner Möglichkeiten nach der desaströsen "Krieg in Sicht Krise" schon versucht, insbesondere als Ferry französischer Ministerpräsident war, mit Frankreich einigermaßen auszukommen. So hat er beispielsweise Frankreichs Kolonialpolitik untersützt. Ein regelrechter Ausgleich mit Frankreich wäre wohl nur dann möglich gewesen, wenn Deutschland Elsaß-Lothringen zurückgegeben hätte und das war damals unrealistisch gewesen, weil so ein Verzicht war nach Lage der Dinge weder beim Militär, noch bei Staat oder in der deutschen Gesellschaft durchsetzbar war.

Der Hinweis auf dem Berliner Kongress greift m.E. doch etwas zu kurz. Die Russen haben gerne mit dem Argument gearbeitet, Deutschland sei wegen der Zurückhaltung Russlands währen des Krieges von 1870 gegen Frankreich Dankbarkeit schuldig. Sie übersehen aber, das Bismarck die Russen sofort diesen "Dank" abgestattet hat. Das Zarenreich hat die Gunst der Stunde genutzt und die Bestimmungen des Pariser Vertrages von 1856 nach dem Krimkrieg, die praktisch eine Entmilitarisierung des Schwarzen Meeres vorsahen, einseitig gekündigt. Auf einer anschließenden Konferenz wurde dies von den Mächten, mit aktiver Unterstützung Bismarcks, geschluckt.

In der russischen Presse aber auch in der Gesellschaft gewann der Hass auf Deutschland ab den 1880zigern immer mehr an Boden. Deutschland wurde pauschal für alle Probleme und Schwierigkeiten die Russlands Groß- ja Weltmachtstellung betrafen, verantwortlich gemacht. Bismarck war das bevorzugte Objekt der Feindseligkeit. Russland brauchte Deutschlands Rückendeckung in Bulgarien und in der Frage der Meerengen. Gerade über die bulgarische Frage kam es immer wieder zu Reibungen zwischen Russland und Österreich-Ungarn. Österreich wollte gerne schon damals gerne unbedingte Rückendeckung von Deutschland, die Bismarck aber nicht zu geben bereit war. Auf der anderen Seite wollte die Russen von Bismarck mehr Unterstützung, als dieser geben konnte, um nicht im Konflikt mit Österreich-Ungarn zu kommen. Dabei hatte Bismarck schon die ganze Zeit über die russische Position unterstützt. Aber das war den Russen nicht genug. Des Weiteren war Russland permanent auf deutsches Kapital und Deutschland als Abnehmer seiner agrarwirtschaftlichen Produkte angewiesen und dieser Tatsache war man sich in Rußland bewußt, das Bismarck dies ausnutzte, um auf Russland bei entsprechenden Bedarf Druck auszuüben.
 
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Des Weiteren war Russland permanent auf deutsches Kapital und Deutschland als Abnehmer seiner agrarwirtschaftlichen Produkte angewiesen und dieser Tatsache war man sich in Rußland bewußt, das Bismarck dies ausnutzte, um auf Russland bei entsprechenden Bedarf Druck auszuüben.

Genau hier irrte aber Bismarck.
Die Handelskonflikte mit dem RR und noch mehr das Lombardverbot erwiesen sich als kontraproduktiv und als deren Folge es zu einer Entfremdung zwischen dem DR und dem RR und einer Annährung zwischen der FR und dem RR kam.
 
Genau hier irrte aber Bismarck.
Die Handelskonflikte mit dem RR und noch mehr das Lombardverbot erwiesen sich als kontraproduktiv und als deren Folge es zu einer Entfremdung zwischen dem DR und dem RR und einer Annährung zwischen der FR und dem RR kam.

Das Lombardverbot wurde im November 1887 verfügt und so konnte die Pariser Börse für die Berliner Börse einspringen. Aber ob hier schon die Annäherung zwischen dem Zarenreich und Frankreich begann, will ich einfach dahingestellt lassen. Russland hat in der Vergangheit jedenfalls französische Bündnisfühler abgelehnt, da man sich in Petersburg sehr sicher war, wenn es zur kriegerischen Auseinandersetzung mit Deutschland kommen würde, ist Paris auch ohne Bündnis dabei.

Im gleichen Jahr wurde im Juni aber der Rückversicherungsvertrag abgeschlossen, der 1890 auf Betreiben Giers vorzeitig, unter Wegfall des Zusatzprotkolls Bulgarien und die Meerengen betreffend, verlängert werden sollte. Hinter dem Lombardverbot steckten wohl auch Waldersee, mit dem Argument, deutsches Kapital würde somit die russischen Eisenbahnverbindungen an die Grenze finanzieren.
 
Das Lombardverbot wurde im November 1887 verfügt und so konnte die Pariser Börse für die Berliner Börse einspringen. Aber ob hier schon die Annäherung zwischen dem Zarenreich und Frankreich begann, will ich einfach dahingestellt lassen.

Da die wechselseitigen finanziellen Abhängigkeiten eine der Säulen war, auf dem der Zweiverbund praktisch beruhte, sehe ich das Lombardverbot als eine der wichtigsten Stationen auf dem Weg zum Abschluss und der Erhaltung von diesem.

Russland hat in der Vergangheit jedenfalls französische Bündnisfühler abgelehnt, da man sich in Petersburg sehr sicher war, wenn es zur kriegerischen Auseinandersetzung mit Deutschland kommen würde, ist Paris auch ohne Bündnis dabei.

Ein Bündnis in Friedenszeit bot aber einen unzweifelhaften Anwuchs an Sicherheit.

Im gleichen Jahr wurde im Juni aber der Rückversicherungsvertrag abgeschlossen, der 1890 auf Betreiben Giers vorzeitig, unter Wegfall des Zusatzprotkolls Bulgarien und die Meerengen betreffend, verlängert werden sollte. Hinter dem Lombardverbot steckten wohl auch Waldersee, mit dem Argument, deutsches Kapital würde somit die russischen Eisenbahnverbindungen an die Grenze finanzieren.

War ihm nicht klar, das die Franzosen sehr gern die Rolle der Reichsdeutschen bei diesem Eisenbahnbau übernehmen würden, was für das Deutsche Reich definitiv nur negativ gewesen wäre?
Die Führung des Deutschen Reiches scheint zu damaligen Zeit, auch schon unter Bismarck keine kluge Langzeitaußenpolitik betrieben zu haben.
 
Da die wechselseitigen finanziellen Abhängigkeiten eine der Säulen war, auf dem der Zweiverbund praktisch beruhte, sehe ich das Lombardverbot als eine der wichtigsten Stationen auf dem Weg zum Abschluss und der Erhaltung von diesem.

Da folgst du ganz der Linie von Hans Ulrich Wehler, der auch der Meinung ist, das Russlands Einsteig in dem französsichen Kapitalmarkt die Einleitung der französsichen-russischen Alianz markiert. Anzumerken ist heribei aber, das Bismarck 1889 durchaus bereit war, russische Eisenbahnobligationen an der Berliner Börse notieren zu lassen.

Ich denke aber auch, das auch das AA ein Rolle gespielt hat. Nehmen wir beispielsweise den Geheimrat Holstein. Er war schon immer ein Gegner der Annäherung an Russland und als die Frage der vorzeitigen Verlängerung aufs Tapet kam, hat er die entscheidenen Fäden gezogen. Holstein hatte über Eulenburg Möglichkeiten den Kaiser zu manipulieren. Des Weiteren war er auch mit dem Staatssekretär im AA Adolf Marschall von Bieberstein persönlich bekannt. Bieberstein und Holstein vertraten in außenpolitischen Fragen die gleiche Meinung. Auch Raschdau und Berchem schlossen sich Holstein an. Bismarck hat definitiv nicht oder viel zu spät gemerkt, wem er da im AA sitzen hatte; er war einfach zu häufig zu lange krankheitsbedingt nicht präsent.

Es waren Bieberstein und Holstein die Caprivi davon überzeugten, das de Rückversicherungsvertrag nicht verlängert werden dürfe.

Ein Bündnis in Friedenszeit bot aber einen unzweifelhaften Anwuchs an Sicherheit

Natürlich, aber die Russen haben es lange Zeit "billiger" gewollte und bekommen.

War ihm nicht klar, das die Franzosen sehr gern die Rolle der Reichsdeutschen bei diesem Eisenbahnbau übernehmen würden, was für das Deutsche Reich definitiv nur negativ gewesen wäre?
Die Führung des Deutschen Reiches scheint zu damaligen Zeit, auch schon unter Bismarck keine kluge Langzeitaußenpolitik betrieben zu haben.

Waldersee und einige andere Herren vertraten die Auffassung, das der Zweifrontenkrieg ohnhin unvermeidlich sein.
 
Da folgst du ganz der Linie von Hans Ulrich Wehler, der auch der Meinung ist, das Russlands Einsteig in dem französsichen Kapitalmarkt die Einleitung der französsichen-russischen Alianz markiert.

Es ist ja auch zweifellos ein sehr wichtiges einleitendes Element für den Zweiverbund gewesen.

Anzumerken ist heribei aber, das Bismarck 1889 durchaus bereit war, russische Eisenbahnobligationen an der Berliner Börse notieren zu lassen.

Diese Maßnahme war wohl einfach nicht mehr ausreichend genug, um die russisch-französische Annährung effektiv zu stoppen, die in diesem Jahr bei der Lösung der Krise um die Aschinov-Expedition weiter bestättigt wurde.

Perhaps the most conspicuous result of the Sagallo incident was its effect on relations between France and Russia. The Ashinov affair did not constitute a serious threat to the new entente between the two powers. As French diplomatic sources clearly reveal, the only real problem between the two governments was one of communications. Not only had France and Russia virtually agreed upon a common policy with regard to Ashinov before the incident occurred, but their behaviour in the course of Sagallo’s aftermath was the very model of accommodation and amity.

The Tsar personally harboured little sympathy for the unsuccessful Ashinov. Upon hearing the news of Sagallo, he pronounced it “a sad and stupid comedy.” More important, Alexander insisted publicly that Ashinov, and not the French authorities in Obok, should bear the responsibility for the affair. He went so far as to authorize his government to publish an official statement which recognized French sovereignty over Sagallo and which reaffirmed the opinion that the French had acted entirely within their rights in forcing Ashinov to respect the laws of the locality. No effort was spared to make known the Russian government’s disgust with Ashinov and to expose him as a useless ruffian.

The government of France was equally prompt and solicitous in its pronouncements. Regrets were hurriedly expressed to the Russians for the loss of life, and the French National Assembly even took the unusual step of passing a vote of sympathy. In order to repair as much damage as possible, the French were quick to draw the distinction between their opposition to Ashinov and their attitude toward the Russian spiritual mission. So as to emphasize their friendly disposition toward the latter, French authorities in Obok reportedly offered Father Paissi a caravan to facilitate his voyage to Ethiopia.

In sum, there is good reason to believe that the net result of Sagallo was to enhance Franco-Russian amity. Given the cooperative and obliging manner in which the issue was treated by both powers, it is possible to regard the Ashinov affair as a successful test of the viability of the Franco-Russian rapprochement. As such it did much to create a favourable climate for the close Franco-Russian cooperation which characterized the entire record of Imperial Russian involvement in north eastern Africa.

Sagallo: Russian Colony in Africa War and Game

Bismarck hätte mehr anbieten müssen, wenn er wieder die Gunst Petersburg haben wollte.

Ich denke aber auch, das auch das AA ein Rolle gespielt hat. Nehmen wir beispielsweise den Geheimrat Holstein. Er war schon immer ein Gegner der Annäherung an Russland und als die Frage der vorzeitigen Verlängerung aufs Tapet kam, hat er die entscheidenen Fäden gezogen. Holstein hatte über Eulenburg Möglichkeiten den Kaiser zu manipulieren. Des Weiteren war er auch mit dem Staatssekretär im AA Adolf Marschall von Bieberstein persönlich bekannt. Bieberstein und Holstein vertraten in außenpolitischen Fragen die gleiche Meinung. Auch Raschdau und Berchem schlossen sich Holstein an. Bismarck hat definitiv nicht oder viel zu spät gemerkt, wem er da im AA sitzen hatte; er war einfach zu häufig zu lange krankheitsbedingt nicht präsent.

Es waren Bieberstein und Holstein die Caprivi davon überzeugten, das de Rückversicherungsvertrag nicht verlängert werden dürfe.

Ich glaube nicht, das Bismarck, der zur selben Zeit eine Annährung an Britannien versuchte, auch bei einer stärkeren Präsenz im AA einen entscheidenden Unterschied gemacht hätte.
Eine gewisse Entfremdung scheit mir unausweichlich gewesen zu sein.
 
Großfürst Pavel schrieb:
Diese Maßnahme war wohl einfach nicht mehr ausreichend genug, um die russisch-französische Annährung effektiv zu stoppen, die in diesem Jahr bei der Lösung der Krise um die Aschinov-Expedition weiter bestättigt wurde.

Meiner Meinung nach bleibt das Jahr 1890 ausschaggebend. Das Lombardverbot hat sicher zu einer gewissen Eintrübung der Beziehungen geführt. So waren gleich nach Bekanntwerden in den russichen Medien wieder nationalisitische-panslawistische Reaktionen zu konstatieren. Auf der anderen Seite waren die deutschen Zollerhöhungen wenig hilfreich. Aber der entscheidene Knackpunkt war die doppelte Zurückweisung der Verlängerung des Rückversicherungsvertrages durch die unverantwortliche Politik des AA im Jahre 1890. Ohne jede Not, wurde hier ein ganz wichtiger Pfeiler von Bismarcks Bündnispolitik preisgegeben. Auf der anderen Seite hat man aber nichts bekommen. Resultat: Man saß zwischen allen Stühlen. Das war der Auftakt zur Selbstisolation oder Auskreisung.

Großfürst Pavel schrieb:
Ich glaube nicht, das Bismarck, der zur selben Zeit eine Annährung an Britannien versuchte, auch bei einer stärkeren Präsenz im AA einen entscheidenden Unterschied gemacht hätte.
Eine gewisse Entfremdung scheit mir unausweichlich gewesen zu sein

Die Frage, die sich mir stellt, ist, wie ernst waren diese Bündnisfühler Bismarcks überhaupt gewesen. Denn Großbritanniens Lage war zu der Zeit doch so, das man eine feste Bindung an einer anderen Kontinentalmacht nicht benötigte. Großbritannien verfügte über einen genügend großen weltpolitischen Spielraum. Das dürfte auch Bismarck ganz klar gwesen sein und deshalb hielt sich seine Enttäusch wohl auch in Grenzen, da sich die angebliche mutmaßliche Kriegsgefahr durch Frankreich als unzutreffend erwiesen hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
[FONT=&quot]Ich hatte mit dem Rückversicherungsvertrag schon immer meine Probleme und bin auch der Auffassung, dass er zu Recht nicht verlängert worden ist. Er passt nicht zur Mittelmeerentente (Dardanellen-Frage) und zum Zweibund. Gerade letzteres wird deutlich in dem öffentlichen Aufschrei nach Bekanntgabe des Inhalts des Rückversicherungsvertrages 1896 durch die Hamburger Nachrichten. Der Rückversicherungsvertrag hatte aufgrund seiner Widersprüchlichkeit keine wirkliche politische Grundlage. Er war zu sehr an die Person Bismarcks geknüpft (und damit an die Amtszeit des 1815 geborenen, also einer Bedingung, die bald entfallen musste). Die Tragfähigkeit solcher inkonsistenten Vertragssysteme im Ernstfall darf bezweifelt werden (er war zur Verhinderung des Ernstfalls angelegt, gelingt das nicht, war er ohnehin wertlos).[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Bismarck dachte preußisch (Sebastian Haffner hat ein Kapitel über die Einigungskriege zutreffend mit „Preußen erobert Deutschland“ überschrieben), für ihn war Preußen-Deutschland saturiert. Es war Bismarck, die bei der Reichseinigung mit den Nationalliberalen zusammenarbeitete und das Reich hatte – wohl auch notwendigerweise – eine deutlich nationale Komponente. Aber auch das Reich gab sich saturiert (Kriegsziele sind im Ersten Weltkrieg nach Kriegsausbruch, im sog. Septemberprogramm, formuliert worden), keine Selbstverständlichkeit angesichts der vielen Deutschen außerhalb des Reiches. Es ist kein Zufall, dass das Verhältnis zu Österreich-Ungarn immer enger (und am Ende durch ungeschickte Politik zum Nibelungenverhältnis, also zu eng) wurde. Hinzu kommt, dass im autoritären Kaiserreich die Beachtung der Volksstimmung nach meinem Eindruck wichtiger war wie in parlamentarisch verfassten Staaten.[/FONT]
[FONT=&quot] [/FONT]
[FONT=&quot]Das Reich in der Nach-Bismarck-Zeit war ein anderes als vorher, die Interessen eines Industriestaates (bei Bismarck erst noch in der Entwicklung) und die mit der Industrialisierung verbundene Machtausweitung mussten politisch beachtet werden. Hans A’s Ausführungen Beschreibung (Beitrag #03) teile ich vollumfänglich. Ein gut nachlesbares Beispiel für die internationale Ausrichtung bietet die über books.google.de aufrufbaren Seiten 60, 61 von Conrad/Osterhammel, Das Kaiserreich transnational. Danach soll die Firma Krupp zeitweise mehr als 80% ihrer Produkte ins Ausland verkauft haben (der französische Konkurrent Schneider-Creuzot 50%, der englische Vickers 33%).[/FONT] Diese Machtverhältnisse galt es in politische Abmachungen umzusetzen.

[FONT=&quot]Eine andere Frage ist was man anstelle der Verlängerung des Rückversicherungsvertrages hätte machen müssen. Ich persönlich kann Bülows „Politik der freien Hand“ (also sich nicht in Streitereien der Großmächte hineinziehen zu lassen) für durchaus für richtig. Die Möglichkeit Bündnisse zumindest vorzubereiten (tragfähige Bündnisse brauchen Vorbereitung, da sie auch innenpolitische sowie Wirkungen zu und zwischen fremden Mächten haben) hätte genutzt werden können bzw. nach der Ära Bülow genutzt werden müssen. Die Mittelmeerentente selbst sowie aufstrebende Mächte (Japan) zeigten Möglichkeiten auf.[/FONT]
 
Sicher, der Rückversicherungsvertrag ist hinsichtlich der Mittelmeerentente ein Widerspruch. Und Österreich-Ungarn wäre sicher alles andere als begeistert gewesen, wenn man Kenntnis von dem geheimen Zusatzprotokoll gehabt hätte.

Nur, ist hierbei zu beachten, das einer Entwicklung, die Annäherung zwischen Frankreich und Russland, die 1892/94 in eine Militärkonvention einmündete, Vorschub geleistet wurde. Eine überaus fatale Entwicklung für das Deutsche Reich. Der Draht nach Petersburg wurde hier ohne jede Not und vollkommen überflüssig von deutscher Seite nicht verlängert.

Interessant ist auch die Betrachtungsweise der Diplomaten des AA, die sich u.a. davor fürchteten, ineinander widersprechenden Bündnissen vertreten zu sein. Bismarcks Ziel war es eben den Krieg zu verhindern und dafür war fast jedes Mittel seiner Sicht hilfreich. Holstein und Co. hingegen sahen bei der Analyse dieses Komplexes immer „nur“ die Möglichkeit des Krieges.
Eine gewisse Unaufrichtigkeit bzw. Unehrlichkeit muss der neuen kaiserlichen Regierung auch attestiert werden. Schweinitz versicherte in Petersburg, das man nach wie vor zu Petersburg die allerbesten Beziehungen wünsche und sich nichts ändern, gerade auch hinsichtlich Bulgariens, würde. Reuß in Wien sprach eine andere Sprache. Er signalisierte, dass für den Falle eines Angriffes Österreich-Ungarn auf eine noch rückhaltlosere deutsche Unterstützung zählen könne. Wilhelm II. führte gegenüber den Militärs aus, wenn die Russen in Bulgarien einmarschieren, sei der casus foederis mit Österreich-Ungarn gegeben.
 
HansA schrieb:
Allerdings sollte man nicht vergessen, daß nach dem für Russland entäuschend verlaufenden Berliner Kongress der Zwang Deutschlands zu Bündnissen erst eintrat -

Enttäuschend ist gut. Immerhin ist Russland gegenüber Österreich-Ungarn und Großbritannien wortbrüchig geworden.

Nachdem in November 1877 klar war, dass die Russen den Krieg gewonnen hatten, war man im russischen Hauptquartier entschlossen, Tabula rasa im Sinne einer panslawistischen Lösung auf dem Balkan anzustreben. Es sollte eine territoriale Neuordnung vorgenommen werden, die den Abmachungen von Reichsstadt und Budapest mit Österreich-Ungarn verstieß.


Es sollte ein Großbulgarien geschaffen werden. Dieses sollte eine „nationale „ Regierung verpasst bekommen und über eigene Truppen verfügen. Damit dies entsprechend den russischen Vorstellungen umgesetzt wird, sollte Bulgarien für die nächsten Jahre von russischen Truppen besetzt bleiben. Bulgarien sollte sich geographisch von den Küsten des Schwarzen Meeres und der Ägäis bis hinauf nach Serbien und Albanien erstrecken. Das widersprach den Abmachungen zwischen Salisbury und Ignatiew.

Bosnien und Herzegowina sollten autonome Provinzen werden. Österreich-Ungarn wurde lediglich das Recht eingeräumt diese Provinzen zeitlich befristet militärisch zu besetzen. Reichsstadt und Budapest sahen aber vor, das Bosnien und die Herzegowina an Österreich-Ungarn fallen sollten, wenn die Russen sich Bessarabien schlucken.

Dass das erbitterten Widerstand in Wien und London hervorrufen würde, war vollkommen klar. Und für Bismarck wurde die Sitaution sehr schwierig, denn das hier ein Sprengsatz für das Dreikaiserbündis liegt, war ihm vollkommen klar. Wenn die lage entschärft werden sollte, mussten Russland Zugeständnisse machen.
 
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