Blühender Fernhandel im Mongolenreich - Wahrheit oder Mythos?

Naja, auch das lateinische Schriftsystem wird in unterschiedlichsten, nicht miteinander verwandten Sprachen verwendet

Es wurde aber doch nicht zu diesem Zweck erfunden, sondern es war so wie überall: Die Sprecher des latinischen Dialekts haben das italische Schriftsystem ihrer Nachbarn übernommen und für ihre eigenen Zwecke ein wenig angepasst. Und später haben Angeln, Franken und diverse andere Völker wiederum die lateinische Schrift benutzt und entsprechend angepasst, um ihre eigenen Sprachen und Dialekte zu verschriftlichen.

Etwas ganz anderes wäre es gewesen, wenn die Römer gesagt hätten: Wir schaffen jetzt eine neues Schriftsystem, weder syrisch noch griechisch noch demotisch noch lateinisch (!), das sich aber zur Verschriftlichung aller Verkehrssprachen des Imperiums eignet. Auf diese Idee sind die Römer nicht gekommen.
 
Das könnte fortgesetzt werden, aber wichtiger ist, dass es überall, wo Menschen leben, zivilisatorische Leistungen gibt.

Das ist erst einmal nur eine These und eine gewagte dazu (hat auch der Nationalsozialismus "zivilisatorische Leistungen" hervorgebracht?).

Der erstmalige Bau einer festen Stadt oder die Adaption einer Schrift vollzog sich in der größeren chinesischen Kultursphäre, in denen beides bereits seit Jahrtausenden üblich gewesen war. Gemessen daran, daß den Mongolen die Finanzkraft des größeren Teils Asien zur Verfügung stand, waren das mikroskopische Leistungen.

Und wenn auf der Sollseite Ausmordungen und Verwüstungen ganzer Landstriche stehen, dann ist die zivilisatorische Gesamtbilanz zweifelsohne desaströs.

Jedenfalls hatte ich um belastbare empirirische Indizien oder Beweise für einen florierenden Handel entlang der Seidenstraße zur Mongolenzeit gebeten. Etwa Bilanzen aus den italienischen Handelsstädten, die damals schon mit einer geordneten Buchführung anfingen. Die scheint es also nicht zu geben.
 
...aber man konnte unter den Großkhanen und ihren Nachfolgern für ca. 100 Jahre relativ gefahrlos von Peking/Beijing bis ans Mittelmeer reisen. Das ist natürlich auch für den Handel gut...

Sicher. Aber das ist eher eine notwendige, denn hinreichende Bedingung für eine Ausweitung des Fernlandhandels. Es kommt immer darauf an, ob von der relativen Reisesicherheit auch tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Mit der Zerstörung zahlreicher Städte und Stapelplätze entlang der Seidenstraße war die infrastruktrurelle Grundlage in weiten Abschnitten gar nicht mehr gegeben. Das Räuberwesen dürfte durch die Traumatisierung, Entwurzelung und Verarmung der überlebenden Bevölkerung eher angewachsen sein. Nur weil es mangels konkurrierender Staaten keine zwischenstaatliche Konflikte in der Pax Mongolica mehr gab, heißt das ja nicht, daß die Gewalt auf niedriger Intensitätsschwelle auch zurückging. Um die in den Griff zu bekommen, bedarf es einer engmaschigen Raumordnungsstrategie mit Polizeitruppen und einer funktionsfähigen Justiz. Dinge, von denen die mongolischen Oberherrscher kaum etwas verstanden.
 
Jedenfalls hatte ich um belastbare empirirische Indizien oder Beweise für einen florierenden Handel entlang der Seidenstraße zur Mongolenzeit gebeten. Etwa Bilanzen aus den italienischen Handelsstädten, die damals schon mit einer geordneten Buchführung anfingen. Die scheint es also nicht zu geben.
Vorsicht, nicht so schnell schießen. Bilanzen gehören normalerweise nicht zu den Quellen, die für Editionen geschaffen sind - jedenfalls nicht vor dem 19. Jhdt. Archive waren bis vor knapp 150 Jahren noch keine Versorgungsanstalten für Historiker sondern dienten dem Zweck der Städte und Unternehmen (und früher auch der Klöster), noch heute ist die Hauptaufgabe der kommunalen und staatlichen sowie unternehmerischen Archive Daseinsvorsorge und erst in zweiter Instanz Berietstellung von Archivalien für die historische Forschung (wenngleich Archive heute nicht einfach kassieren dürfen, was aus der staatlichen Daseinsvorsorge entfällt, sondern prüfen müssen, ob das Material für Historiker späterer Generationen relevant ist). Sprich: Erst seit knapp 120 Jahren beschäftigen sich Historiker mit nichteditierten und nicht für die Edition geschaffenen Quellen. D.h. noch lange nicht, dass sie auch ediert sind. Hinzu kommt dann noch das Problem der Zugänglichkeit für den internationalen oder gar deutschen Markt. Sprich: Wenn Venedig Bilanzen aus dem 14. Jhdt. herausgibt - gibt die Stadt die dann auf italienisch (was vielleicht 20 % der deutschen Historiker verstehen) heraus oder auf englisch (was zumindest formal annähernd 100 % der deutschen Historiker verstehen sollten)? Wenn Halab (Aleppo - Archivwesen ist in arabischen Ländern gar nicht so verbreitet, da es hier auch im Mittelalter kaum Klöster gab, die als Institutionen Archive anlegten) Bilanzen des 14. Jhtds. herausgäbe, wären die Editionen dann auf Arabisch (was nun mal immer noch ein Orchideenfach ist) oder auf Französisch (die Sprache sollten die meisten Historiker in Deutschland können)?
Bilanzen sind sehr sperrige Quellen. Ich habe mal ein Seminar zu Steuerschatzunglisten besucht. Für mich waren das hauptächlich Zahlenkolonnen, mit denen ich wenig anfangen konnte. Für den Seminarleiter, einen emeritierten Professor und pensionierten Leiter des Archivs, waren das Schätze, aus denen er soziale Verhältnisse etc. herauslesen konnte. Ich sag mal so: Ein Feld-, Wald- und Wiesen-Historiker, wie ich einer bin, kann mit Bilanzen nicht viel anfangen. Ein dezidierter Wirtschaftshistoriker, der sich mit Makro- und Mikroökonomie auskennt, der wirtschaftliche Kennzahlen lesen kann, bei dem sieht das natürlich anders aus.
Die meisten Wirtschaftshistoriker befassen sich doch am ehesten mit der neueren und neuesten Wirtschaftsgeschichte. Historiker, die auf die Wirtschaft des Mittelalters und obendrein noch auf den asiatischen Raum beschränkt sind, dürftest du einfach nicht so leicht finden. Deshalb geh mal nicht vorschnell davon aus, dass entsprechende Bilanzen nicht existieren, sondern für den Fall, dass sie existieren, dass sie kaum bearbeitet werden bzw. ihre Bearbeitung in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen wird.
Wahrscheilicher ist es, dass du für den Zeitraum mit historiographischen, also erzählenden, für die Edition gedachten Quellen wirst arbeiten müssen.
 
Jedenfalls hatte ich um belastbare empirirische Indizien oder Beweise für einen florierenden Handel entlang der Seidenstraße zur Mongolenzeit gebeten.
Nur weil es mangels konkurrierender Staaten keine zwischenstaatliche Konflikte in der Pax Mongolica mehr gab, heißt das ja nicht, daß die Gewalt auf niedriger Intensitätsschwelle auch zurückging. Um die in den Griff zu bekommen, bedarf es einer engmaschigen Raumordnungsstrategie mit Polizeitruppen und einer funktionsfähigen Justiz. Dinge, von denen die mongolischen Oberherrscher kaum etwas verstanden.
einerseits postulierst du, dass die Staaten oder Reiche/Reichsteile der mongolischen Oberherrscher quasi keine "ordentliche" Verwaltung etc gehabt haben sollen, andererseits verlangst du Belege, die just aus einer solchen (nach deiner Einschätzung nicht vorhandenen) Verwaltung stammen müssten - das erscheint mir widersprüchlich.
Das hohe Mittelalter und Spätmittelalter ist doch die Zeit der Fugger und Wälser, der Hanse, der italienischen Stadtstaaten (als mediterranen Handelsmächten), kurzum der mitteleuropäische und mediterrane Handel blühte in dieser zeit doch auf - und dieser Handel fand vermutlich nicht abgekoppelt von der Seidenstraße etc statt. Wäre letztere als pars pro toto für den Handel mit Orient und Asien durch die Mongolenherrschaft gekappt gewesen, hätte dann den Handel so florieren können?
 
Das Räuberwesen dürfte durch die Traumatisierung, Entwurzelung und Verarmung der überlebenden Bevölkerung eher angewachsen sein. Nur weil es mangels konkurrierender Staaten keine zwischenstaatliche Konflikte in der Pax Mongolica mehr gab, heißt das ja nicht, daß die Gewalt auf niedriger Intensitätsschwelle auch zurückging. Um die in den Griff zu bekommen, bedarf es einer engmaschigen Raumordnungsstrategie mit Polizeitruppen und einer funktionsfähigen Justiz. Dinge, von denen die mongolischen Oberherrscher kaum etwas verstanden.

Da du so sehr auf Belege pochst, hast du hierfür sicher welche.
 
Der erstmalige Bau einer festen Stadt oder die Adaption einer Schrift vollzog sich in der größeren chinesischen Kultursphäre, in denen beides bereits seit Jahrtausenden üblich gewesen war.

Woher kommt eigentlich die Idee, dass der Wert einer zivilisatorischen Leistung sinken würde, nur weil sie keine gänzliche Neuerung ist, sondern Vorbilder hat?

Jedenfalls hatte ich um belastbare empirirische Indizien oder Beweise für einen florierenden Handel entlang der Seidenstraße zur Mongolenzeit gebeten. Etwa Bilanzen aus den italienischen Handelsstädten, die damals schon mit einer geordneten Buchführung anfingen. Die scheint es also nicht zu geben.

Selbst wenn es solche Bilanzen aus den italienischen Seestädten gäbe, was würdest du damit anfangen wollen?
Die würden ja allenfalls etwas über den Handel der Seestädte mit der Levante aussagen.

Selbstredend kann aber das Handelsvolumen zwischen Zentralasien und der Levante angestiegen sein, ohne dass sich das Handelsvolumen zwischen der Levante und den italienischen Seestädten signifikant erhöht hat.
 
Folker E. Reichert, Begegnungen mit China - Die Entdeckung Ostasiens im Mittelalter, Sigmaringen 1992 hat eine Liste europäischer Reisender in Ost- und Zentralasien 1242-1448 zusammengestellt, die 126 Einträge umfasst.
Etwa 30 Kaufleute sind namentlich genannt, die meisten aus Genua, einige aus Venedig, nur einzelne aus anderen Städten (Modena, Piacenza, Pola).
Die ersten Namen sind Nicolò und Maffeo Polo (ab 1261), nach 1363 ist nur noch ein einziger Kaufmann "Nie-gu-len" (Niccolo?) in einer chinesischen Quelle bezeugt.
 
Die ersten Namen sind Nicolò und Maffeo Polo (ab 1261), nach 1363 ist nur noch ein einziger Kaufmann "Nie-gu-len" (Niccolo?) in einer chinesischen Quelle bezeugt.
Da 1368 nach jahrelangen Unruhen die mongolische Yuan-Dynastie in China endete, würde das für einen relativ ausgeprägten Fernhandel während der Pax Mongolica sprechen.
 
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