Bonifatius und die Reichs- und Kirchenpolitik

Ashigaru

Premiummitglied
Hier brauche ich dringend mal etwas Hilfe, sitze schon lange an diesem Kapitel einer meiner Arbeiten fest.

Die Missionen des Bonifatius (und vorher des Willibrord) um 700/720 stellten schon etwas neuartiges dar.
Bonifatius (abgesehen vielleicht von der Mission bei den Friesen vor seinem Martyrium) missionierte nur auf Reichsgebiet und nur in Regionen, in denen das Christentum schon bekannt war. Das geschah in enger Anbindung mit dem Reich.
Mir sind einige Zusammenhänge nicht ganz klar:

- Einerseits ist mir schon bewusst, weshalb die Karolinger, besonders Karlmann, speziell Bonifatius so unterstützten. Die Bischöfe des Merowingerreichs verhielten sich wie Feudalherren und waren so gesehen eher Konkurrenten der Karolinger, die sich zudem auf eine sehr grobe Art im Kern des Reiches in dieser Zeit viele Klöster aneigneten. Aber warum passten die kirchenpolitischen Vorstellungen der Karolinger so gut mit Bonifatius theologischen Ideen zusammen?

- Daran anknüpfend: Mir ist klar, welchen Nutzen Bonifatius vom Reich hatte. Nicht so klar ist mir aber, inwieweit die Karolinger von der Arbeit des Bonifatius profitierten? Ebenso, wieso es nach dem Tod Karl Martells zu einer Wandlung gegenüber Bonifatius kam, der zwar von jenem unterstützt wurde. Aber erst nach dessen Tod hatte er (für wenige Jahre) weitgehend freie Hand bei seinen organisatorischen Vorstellungen.

- Inwieweit unterschied sich die angelsächsische Kirche von der fränkischen in Organisation und Vorstellungen?

- Was blieb wirklich von der Tätigkeit des Bonifatius? Klar ist, dass vor den Sachsenkriegen Hessen und Thüringen wirklich endgültig christianisiert waren, und dass Bonifatius unheimlich viele Gründungen (auch erfolglose) vorwies. Aber inwiefern setzten sich auch seine theologischen Vorstellungen durch?

Und schließlich: warum spielten die Reichsklöster Fulda, Hersfeld und Lorsch nach dem Tod des Bonifatius so eine große Rolle? Die Fuldaer Äbte tauchen ja schon wenig später als Berater Karls des Großen auf.

Ich weiß, dass sind ne Menge Fragen, zum Teil auch sehr spezielle. Ich freue mich über jede Hilfe.
 
Dass du weitere Informationen brauchst, ist in der Tat ein seltener Fall, lieber Ashigaru.Vielleicht kann ich mit meinen bescheidenen Kräften ein wenig zur Aufhellung beitragen.

Das zeitweilige Bündnis zwischen Karolingern und Bonifatius lockerte sich in der Tat, als die Hausmeier darangingen, seit 747 unter Pippin III. ihre Herrschaft auszuweiten und zum Königtum zu steigern. Bonifatius konnte daher 745 und 747 keine Synoden mehr abhalten, die unter karolingischer Autorität standen. 748 berief Pippin III. selbst ein Konzil ein und wandte sich auch in kirchenrechtlichen Fragen direkt an den Papst, der Bonifatius nur von seiner Antwort unterrichtete. Bonifatius war damit beiseite geschoben, doch ist ungeachtet dessen festzustellen, dass sein Missionswerk tiefe Wurzeln geschlagen hatte.

Die karolingischen Herrscher führten die Reform der fränkischen Kirche behutsam weiter und zwar mit vorwiegend fränkischen Kräften einer jüngeren Generation, die die Vorrangstellung der Karolinger nicht mehr in Zweifel zog und die Auflösung der Machtbastionen rivalisierender adliger Familien erst ermöglichte. Pippin III. errang für seine Dynastie 751 die Königskrone ohne Hilfe des Bonifatius, der in Friesland als Märtyrer von Heiden erschlagen wurde.

Die wesentliche Leistung des Bonifatius dürfte darin liegen, die fränkischen Kirchen auf die römischen Normen ausgerichtet und so auf ihre universale Aufgabe vorbereitet zu haben. Als Organisator wuchs Bonifatius - neben anderen - in eine Rolle als Baumeister des Abenlandes hinein. Als Missionar hingegen schloss er lediglich eine Lücke im hessisch-thüringischen Grenzraum. Sein Ehrenname "Apostel der Deutschen" entstammt einer anderen Zeit und verrät die veränderten Grundlagen der Verbindung des transalpinen Raums zum Heiligen Stuhl in Rom.
 
Da ich eine Überblicksvorlesung zur Merowinger-Karolingerzeit besucht habe, kann ich dir ein paar Titel aus der Literaturliste nennen, welche dir vielleicht weiterhelfen können:

Angenendt, Arnold: Pirmin und Bonifatius. Ihr Verhältnis zu Mönchtum, Bischofsamt und Adel, in: Mönchtum Episkopat und Adel (Nr.84), S.251-304.

Angenendt, Arnold: Willibrord im Dienste der Karolinger, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 175 (1973), S.63-113.

Bonifatius: vom angelsächsischen Missionar zum Apostel der Deutschen, hg. von Michael Imhof, Petersberg 2004.

Jarnut, Jörg: Bonifatius und die fränkischen Reformkonzilien (743-748), in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung 76 (1979), S.1-26, wieder in: Ders. Herrschaft (Nr. 108), S.161-186.

Padberg, Lutz E.: Bonifatius, Missionar und Reformer, München 2003.

Schieffer, Theodor: Winfrid Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas, Freiburg 1954.

Schüssler, Heinz Joachim: Die fränkische Reichsteilung von Vieux-Poitiers (742) und die Reform der Kirche in den Teilreichen Karlmanns und Pippins. Zu den Grenzen der Wirksamkeit des Bonifatius, in: Francia 13 (1985), S.47-112.

Staab, Franz: Die Gründungen der Bistümer Erfurt, Büraburg und Würzburg durch Boinifatius im Rahmen der fränkischen und päpstlichen Politil, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 40 (1988), S.31-41.




Sonst kann ich dir wohl nicht weiterhelfen, da ich nicht wirklich viel über dieses Thema weiß.

Bonifatius Aufgabe war ja die Einrichtung von neuen Bistümern in Gebieten, die von den Schülern Columbans missionierten Christen keltischer/iroschottischer Glaubensrichtung bewohnt wurden, um sie an die römische Kirche anzubinden und somit besser ins fränkische Reich zu integrieren.

Auch nach Karl Martell stieß Bonifatius noch auf Widerstand, da er die von Karl Martell entfremdeten Güter zurückforderte. Aus diesem Grund mußte er sich mit dem noch sehr unbedeutendem Bistum Mainz begnügen und bekam nicht den zentralen Bischofssitz in Köln.

Der Aufstieg des Klosters Fulda gelang durch seine Exemtion 751 und durch seine Bedeutung als Wallfahrtsort. Den Wiki-Artikell (http://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Fulda#Geschichte) kennst du bestimmt schon, immerhin hat er eine Literaturangabe.
 
Der Aufstieg des Klosters Fulda gelang durch seine Exemtion 751 und durch seine Bedeutung als Wallfahrtsort.

Das klärt noch nicht ganz meine Fragen, weshalb die Reichsklöster rasch so bedeutend wurden und zu den wichtigsten frühen Territorialbesitzern in Hessen. Übrigens wurde die Exemtion durch Pippin III. 763 noch einmal aufgehoben (was er genau genommen nicht durfte) und zwei Jahre später zurückerstattet. In dieser Episode liegt m.E. irgendwo der Knackpunkt.
 
Fulda wurde schnell bedeutend, weil Sturmi dort tätig war. Ihm gelang die Übertragung des Bonifatius nach Fulda. Der Knackpunkt: Sturmi gehörte zu Karls vertrautem Umfeld. Schenkungen an Fulda führten zu Reichtum und Macht. Fulda erlangte durch königliche und päpstliche Vorrechte rasch eine besondere Stellung: 751 unmittelbar dem Papst unterstellt, 765 Reichsabtei, 774 Verleihung der Immunität. Einhard kam aus dem Kloster Fulda, und unter Hrabanus Maurus erlangte die Klosterschule eine führende Stellung in Europa.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bedeutung erlangten in jener Zeit viele Reichsabteien, die hinsichtlich ihrer geistlichen und später auch wirtschaftlichen Bedeutung dem Reich nützten. Das waren nicht nur Fulda und Hersfeld, sondern z.B. auch Prüm, Stablo, Reichenau, St. Gallen, Luxeuil und andere.
 
Ashigaru schrieb:
Warum spielten die Reichsklöster Fulda, Hersfeld und Lorsch nach dem Tod des Bonifatius so eine große Rolle?
Diese Einsiedeleien hatten tatsächlich anfangs keine so große Bedeutung. Die Benediktinerabtei Lorsch, gegründet im Jahr 764, galt später im frühen Mittelalter aber als reichstes und bedeutendstes Kloster des Abendlandes. Mit dem Tod des Bonifatius stand die Bedeutung dieser Reichsklöster in keinem unmittelbaren Zusammenhang, einmal abgesehen von dem Streit zwischen Mainz und Fulda um den Leichnam des Bonifatius.
Ashigaru schrieb:
Aber warum passten die kirchenpolitischen Vorstellungen der Karolinger so gut mit Bonifatius theologischen Ideen zusammen?
Bistumsherrschaften hatten sich in Gallien während des Niedergangs der Merowinger unter der Vorherrschaft jeweils einer Sippe ausgebildet, die geistliche Leitungsaufgaben und politische Verwaltung in ihrer Hand vereinigte. Diese Staaten im Staate wurden von Karl Martell und seinen Nachfolgern zerschlagen.
Ashigaru schrieb:
Nicht so klar ist mir aber, inwieweit die Karolinger von der Arbeit des Bonifatius profitierten?
Das enggeknüpfte Netz auch und vor allem der staatstragenden Bischofsherrschaften, die häufig genug durch Kriegerbischöfe vergegenwärtigt wurden, bewahrte den Herrscher vor neuerlichen Aufständen insbesondere neustrischer Adelsteile.
Ashigaru schrieb:
Ebenso, wieso es nach dem Tod Karl Martells zu einer Wandlung gegenüber Bonifatius kam, der zwar von jenem unterstützt wurde, aber erst nach dessen Tod hatte er (für wenige Jahre) weitgehend freie Hand bei seinen organisatorischen Vorstellungen.
Nicht zu übersehen ist, daß Karl etwa freigewordene Bistümer gegen die kanonischen Gebote in Eigenregie nahm und den entsprechenden Nutzen aus ihnen zog. Karl schuf sich in den Jahrzehnten der eigenen Machterweiterung eine schlagkräftige Truppe, die er mit Wohltaten versorgte. Diese Wohltaten waren nicht zuletzt aus Kirchenbesitz. Die Hinwendung zu kirchlichen Einrichtungen, die bereits in der Zeit Karl Martells sichtbar wurde und keineswegs nur im Zugriff auf Kirchengut bestand, erfuhr unter seinen Söhnen eine beachtliche Steigerung. Pippin, der in St. Denis aufgewachsen war, und mehr noch Karlmann, der wohl in Echternach, dem Ausgangsort der Friesenbekehrung, erzogen worden war, öffneten Ohr und Herz der angelsächsischen Glaubensverkündigung, die vor allem in den jüngst oberflächlich bekehrten Gegenden rheinabwärts auf die Ausgestaltung einer Kirchenverwaltung drängte und überdies im Gleichklang mit Rom auf eine Erneuerung der fränkischen Landeskirche hinarbeitete. Insbesondere Bonifatius erwies sich bei diesen Vorhaben als treibende Kraft und als Vermittler.
Ashigaru schrieb:
Aber inwiefern setzten sich auch seine theologischen Vorstellungen durch?
Im April 743 fand eine erste fränkische Synode nach acht Jahrzehnten Stillstand unter Vorsitz des Bonifatius im Reichsteil Karlmanns statt, deren Ergebnisse dieser in Gestalt eines Erlasses verkündete. Auch im folgenden Jahr kam es in Les Estinnes im Hennegau und in Soissons zu weiteren, gleichzeitigen Synoden und im Jahr 745 gar zu einer gesamtfränkischen Versammlung, der beide Hausmeier vorstanden. In der Folge kam es zur Stärkung der Bischofsgewalt, zur Hebung der Sittlichkeit der Geistlichkeit und zur Bekämpfung heidnischer Bräuche.

Quelle: Dieter Hägermann, Karl der Große, Berlin 2000
 
Mit dem Tod des Bonifatius stand die Bedeutung dieser Reichsklöster in keinem unmittelbaren Zusammenhang, einmal abgesehen von dem Streit zwischen Mainz und Fulda um den Leichnam des Bonifatius.

Das stimmt, aber ich glaube schon, dass Fulda von Anfang an bzw. spätestens nach 765 (als Pippin der Jüngere mit Sturmi "Frieden schloss) ein höchst bedeutendes Kloster war. Es war eines der ersten Klöster, dass die Exemtion erhielt. Mir ist aber nicht klar, warum das so war.

Diese Staaten im Staate wurden von Karl Martell und seinen Nachfolgern zerschlagen.

Stimmt ja nicht ganz. Wie ich gestern gelesen habe, hatten die Hausmeier eine Doppelstrategie: die linksrheinischen Bischöfe wurden durch fränkische Parteigänger ersetzt, die sich genau so feudal gebärdeten wie ihre romanischen Vorgänger. Beispiel dafür ist das Bistum Trier, ein Jahrhundert in der Hand der Widonen. Bei der Mission rechts des Rheins wurden die (angelsächsischen) Missionare unterstützt. Besonders bei Karl Martell lässt sich gut sehen, wie er zwischen den Interessen der linksrheinischen Bischöfe und der Missionare abwägte.

Das enggeknüpfte Netz auch und vor allem der staatstragenden Bischofsherrschaften, die häufig genug durch Kriegerbischöfe vergegenwärtigt wurden, bewahrte den Herrscher vor neuerlichen Aufständen insbesondere neustrischer Adelsteile.

Der neustrische Adel hatte aber rechts des Rheins sowieso nichts zu melden.

Auch im folgenden Jahr kam es in Les Estinnes im Hennegau und in Soissons zu weiteren, gleichzeitigen Synoden und im Jahr 745 gar zu einer gesamtfränkischen Versammlung, der beide Hausmeier vorstanden. In der Folge kam es zur Stärkung der Bischofsgewalt, zur Hebung der Sittlichkeit der Geistlichkeit und zur Bekämpfung heidnischer Bräuche.

Ja, nur brachen die Synoden bald darauf ja ab und Bonifatius wurde auf den Bischofssitz von Mainz "abgeschoben." Mich interessiert mehr, was von den Regeln und Ideen des Bonifatius - fest gehalten im Concilium Germanicum - sich tatsächlich durchsetzte, auch ca. 50 Jahre später.
 
Ashigaru schrieb:
Es war eines der ersten Klöster, dass die Exemtion erhielt. Mir ist aber nicht klar, warum das so war.
Winfried wurde in Rom von Gregor II. im Jahr 719 unter Verleihung des Namens Bonifatius mit der Bekehrung der Germanen beauftragt. Bei einem zweiten Aufenthalt in Rom im Jahr 722 wurde er zum Bischof geweiht und im Jahr 732 zum Erzbischof und päpstlichen Vikar des ganzen ostfränkischen Bekehrungsgebiets erhoben. In den Jahren 742-47 erneuerte er das Kirchenwesen im Frankenreich Karlmanns und Pippins. Der heilige Bischof Bonifatius begab sich zum Frankenkönig Karlmann und sprach demütig und weise zu demselben: "Zu eurer immerwährenden Wiedervergeltung gedenke ich, wenn es so im Willen des allmächtigen Gottes liegt und eure Hilfe dazukommt, im östlichen Teil eures Reiches ein Leben für Mönche zu bewirken und eine Einsiedelei zu gründen, was in vergangener Zeit vor uns niemand begonnen hat. ... Jetzt bitten wir eure Frömmigkeit uns jenen Ort zu schenken, damit wir in ihm, durch euch geschützt, Christo dienen können." Als der König dies vernommen, war er über den Wink Gottes erfreut und alle Fürsten seines Hofes versammelnd eröffnete er ihnen die von ihm gebilligte Bitte des Bischofs und übergab in ihrem Beisein dem heiligen Bischof den geforderten Ort mit den Worten: "Der von Dir erbetene Ort, der, wie du versicherst, Eiloha genannt wird und am Ufer des Flusses Fulda liegt, sowie alles was ich dort heutigen Tages als Eigentum zu besitzen vermeine, gebe ich ganz und gar aus meinem Recht in das Recht des Herrn ..." Seine Hauptfürsorge widmete Bonifatius nun der Ausgestaltung des im Jahr 744 gegründeten Klosters Fulda. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, Bonifatius übernahm erst im Jahr 747 das Bistum Mainz, Fulda konnte kein Bischofssitz werden; daher blieb nur die Exemtion (Ausgliederung).
Ashigaru schrieb:
Wie ich gestern gelesen habe, hatten die Hausmeier eine Doppelstrategie: die linksrheinischen Bischöfe wurden durch fränkische Parteigänger ersetzt, die sich genau so feudal gebärdeten wie ihre romanischen Vorgänger.
Sie wurden allerdings von Karl Martell eingesetzt, und hatten sein Vertrauen in Kriegszügen erworben.
Ashigaru schrieb:
Beispiel dafür ist das Bistum Trier, ein Jahrhundert in der Hand der Widonen.
Trier wurde erst nach dem Jahr 772 zerschlagen, das entfernte Chur als Herrschaftsraum der Victoriden gar erst mit der Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung um das Jahr 806, was heftige Klagen auslöste.
Ashigaru schrieb:
Besonders bei Karl Martell lässt sich gut sehen, wie er zwischen den Interessen der linksrheinischen Bischöfe und der Missionare abwägte.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn ausgerechnet Utrecht zum Ausgangsort der Bekehrungstätigkeit wurde.
Ashigaru schrieb:
Der neustrische Adel hatte aber rechts des Rheins sowieso nichts zu melden.
In Neustrien lag der Herrschaftsraum der Merowinger.
Ashigaru schrieb:
Mich interessiert mehr, was von den Regeln und Ideen des Bonifatius - fest gehalten im Concilium Germanicum - sich tatsächlich durchsetzte, auch ca. 50 Jahre später.
Die Gebote des heiligen Benedikt setzten sich letztendlich durch, obwohl auch Karl der Große noch den Bischöfen das Tragen von Waffen und die Jagd verbieten mußte. Mehr hierzu: http://www.heiliger-bonifatius.de/home/html/leben___werk.html#CG
 
Part 1

Das meiste ist bereits gesagt worden, trotzdem möchte ich ein paar Anmerkungen schreiben:
Hier brauche ich dringend mal etwas Hilfe, sitze schon lange an diesem Kapitel einer meiner Arbeiten fest....

Deine Fragen sind sehr speziell und mein Versuch zu antworten ist entsprechend lang. Ich versuche einige wichtige Schlagworte anzusprechen und in einen Kontext zu bringen. Auf die Gefahr hin meine Position von der Fränkischen Ethnogese teils zu wiederholen.

Die Missionen des Bonifatius (und vorher des Willibrord) um 700/720 stellten schon etwas Neuartiges dar.
Bonifatius (abgesehen vielleicht von der Mission bei den Friesen vor seinem Martyrium) missionierte nur auf Reichsgebiet und nur in Regionen, in denen das Christentum schon bekannt war. Das geschah in enger Anbindung mit dem Reich.
Mir sind einige Zusammenhänge nicht ganz klar:

- Einerseits ist mir schon bewusst, weshalb die Karolinger, besonders Karlmann, speziell Bonifatius so unterstützten. Die Bischöfe des Merowingerreichs verhielten sich wie Feudalherren und waren so gesehen eher Konkurrenten der Karolinger, die sich zudem auf eine sehr grobe Art im Kern des Reiches in dieser Zeit viele Klöster aneigneten. Aber warum passten die kirchenpolitischen Vorstellungen der Karolinger so gut mit Bonifatius theologischen Ideen zusammen?
Zuerst hatte Bonifatius mit dem mächtigen Hausmeier und Verwandten/Vorgänger von Karlmann: Karl Martell zu tun. Er war ein Kegel des ursprünglichen Hauses der Arnulfinger und Pippiniden aus dem die späteren Karolinger erwuchsen. Karl Martell hat Bonifatius auch nicht allzu sehr unterstützt, weil ihn andere Sorgen plagten. Er begann das fränkische Heer, das bisher allein auf seine Fußstreiter gesetzt hatte in ein "vorritterliches Reiterheer" umzubilden. Auf diese Weise besiegte er die Araber bei Tours & Poitiers 732. Um diese Umstellung zu finanzieren und zu ermöglichen musste er den gleichen Weg gehen, den nach ihm im Feudalzeitalter viele Herrscher gingen um ihre Ritterheere zu bilden: Lehen schaffen, die es Kriegern ermöglichen Ritter zu werden. Woher aber das Land nehmen? Er beschwor zwar einen Konflikt mit der Kirche hervor, doch er enteignete Kirchenbesitz für seine Krieger. Ein Fakt der ihm in katholischen Kreisen noch heute anhängt. Das führt zur nächsten Frage:

- Daran anknüpfend: Mir ist klar, welchen Nutzen Bonifatius vom Reich hatte. Nicht so klar ist mir aber, inwieweit die Karolinger von der Arbeit des Bonifatius profitierten? Ebenso, wieso es nach dem Tod Karl Martells zu einer Wandlung gegenüber Bonifatius kam, der zwar von jenem unterstützt wurde. Aber erst nach dessen Tod hatte er (für wenige Jahre) weitgehend freie Hand bei seinen organisatorischen Vorstellungen.
Die fränkische Kirche folgte seit der Taufe Chlodwigs d. Gr. dem katholischen Ritus. Ein geschickter Schachzug, denn er ließ seine Reichskirche nicht wirklich dem römischen Papst unterstellen, sondern bildete eine eigene Landeskirche heraus. Zurzeit von Bonifatius bedeutete dieser Sonderstatus, dass es in der fränkischen Reichskirche zahlreiche Besonderheiten gab die ihm ein Gräuel waren! Eigentlich war der König quasi Herr über diese Kirche und nutzte sie um die Dynastie der Merowinger zu stützen und ihre Posten mit Anhängern zu besetzen die letztlich wie Lehnsträger arbeiteten und wenig bis gar keine Intention für eine breitere Missionierung hatten.
Zur Zeit des Bonifatius waren die Merowinger nur noch Schattenkönige. Sie hatten effektiv keine Macht mehr über ihre Landeskirche und die Hausmeier profitierten nur indirekt von ihren Einrichtungen. Durch die Enteignungen aber kamen die Karolinger in weit unmittelbareren Genuss kirchlichen Besitzes. Ein Beispiel das Schule machen sollte: Es begann eine Art von Ausverkauf der fränkischen Reichskirche unter den Großen des Reiches. Wie gesagt war Karl Martell nicht von Anfang an anerkannt: Nicht mal in seiner eigenen Sippe! Für die inzwischen recht selbstständig gewordenen Herzöge der Randgebiete des Reiches waren die Hausmeier wenig mehr als Ihresgleichen: Herzöge von Franzien! Sie versuchten die Kirche in ihrem Bereich in ihren Griff zu bekommen. Teils mit Erfolg auch im Sinne von Christianisierung, teils auch mehr politisch. So sprach etwa der bayrische Herzog in Rom beim Papst vor um einen bayrisches Erzbistum einrichten zu dürfen, just um den Zeitpunkt als Bonifatius wieder einmal in Rom zum Rapport war um mit erweiterten Vollmachten in den Norden zurück zu kehren. Welchen Sinn machte aber ein eigenes Erzbistum? Nach kanonischem Recht kann ein Erzbischof aus eigenem Recht Bischöfe weihen. Ein eigenes Erzbistum, unterstützt vom römischen Papst war also eine hervorragende Methode um in einem Herzogtum die bisherige fränkische Reichskirche auszuschalten: Ein erster und wichtiger Schritt zur Unabhängigkeit vom fränkischen Reich!? Eine gesteigerte Hausmachtspolitik geschah ebenso in anderen Herzogtümern. Dies kostete einen großen Teil der Energie von Karl Martell um sich gegen diese Herren innerhalb des Frankenreiches durchzusetzen. Ein Blick auf seine Feldzüge sollte genügen!
Damit sollte klar sein welchen Nutzen die Karolinger von Bonifatius hatten. Ohne Zweifel waren religiöse Missstände in der fränkischen Landeskirche eingerissen die über das in Rom noch erträgliche Maß hinausgingen. Diese wurden von Bonifatius weitgehend abgestellt. Zu Lebzeiten des Karl Martell konnten die kirchlichen Ideen des Angelsachsens aufgrund von machtpolitischen Problemen nicht auf besondere Gegenliebe treffen, bei seinen Söhnen aber überwog der Wunsch die herrenlos gewordene fränkische Reichskirche mittels seiner Reformen zu erneuern und sie dabei als Machtinstrument karolingischer Hausmachtspolitik dem alten Königtum zu entwinden. Jetzt erst waren sie in jeder Hinsicht Herren im fränkischen Reich! Dabei möchte ich den Karolingern, (besonders Karlmann) keineswegs eine religiöse Motivation für ihre Handlungsweise absprechen! Der Rückzug Karlmanns aus der Politik als er Mönch wurde, beeinträchtigte die Stellung von Bonifatius nahezu ebenso sehr, wie er die Stellung von Karlmanns Bruder Pippin erhöhte. Es ist beispielsweise keinesfalls sicher, dass sich Karlmanns Thronverzicht auch auf die Ansprüche seiner Kinder mit bezog. Pippin erlaubte nicht, dass die Nachkommen Karlmanns, sobald sie mündig waren in ihr Erbe setzen konnten. Für Pippin war dies eine entscheidende Vorbedingung um sich später zum König salben zu lassen.
 
Part 2

- Inwieweit unterschied sich die angelsächsische Kirche von der fränkischen in Organisation und Vorstellungen?
Das genau zu differenzieren dürfte spätestens nur noch Kirchenhistoriker beantworten können. M.E. ist die Frage vermutlich sogar zu eng gefasst um sie verstehen zu können. Faktisch handelnde „Kirchen“ dieser Zeit waren meiner Ansicht nach 4 kirchliche Ausrichtungen. Ich hole daher nochmals weiter aus, weil die Grenzen fließend sind:
Als die christliche Urkirche durch die Folgen der konstantinschen Reformen in die Reichspolitik des römischen Reiches eingebunden wurde, entstand aus ihr eine reichsweite, allumfassende Kirchenorganisation mit erheblichen Möglichkeiten. Versuchten doch die spätrömischen Kaiser mit ihrer Hilfe das wankende Römische Reich zu festigen. Tatsächlich überstand die kirchliche Organisation den Kollaps des Reiches weit besser als zumindest der westliche Teil des alten Reiches. Diese „Reichskirche“ stand im bewussten und erheblichen Gegensatz zu den meist arianischen „Stammeskirchen“ der germanischen Völkerwanderungszeit. Die Reichskirche gewann, nicht zuletzt durch den Erfolg der katholischen Auslegung den Frankenkönig Chlodwig zum katholischen Bekenntnis zuzuführen. Als Kompromiss erlaubte man dem Franken eine Sonderstellung mit hohem königlichem Einfluss auf kirchliche Positionen, während die Liturgie auf römischen Vorbildern basierte. Das erlaubte die Fiktion der Einheit.
Im Wesentlichen blieb die feste Kirchenorganisation auch nachher nahezu auf die Grenzen des ehemaligen römischen Imperiums begrenzt: Eine weitere Fiktion der Einheit, hatten sich doch längst Gegensätze zwischen der Westkirche unter dem Primat der Bischöfe von Rom als Päpste und der im alten Sinne als Stütze des (jetzt byzantinischen) oströmischen Reiches herausgebildet. Die Kaiser von Byzanz verlangten weiterhin Einfluss auf die Kirche, genau wie die Franken dies in ihrem Königreich erfolgreich behauptet hatten. Im ganzen Gebiet des ehemaligen Imperiums war für neu geweihte Bischöfe in ihrem Amtseid eine Formel vorgesehen, in dem die Treue zu den (byzantinischen) Kaisern enthalten war. Diese Formel leisteten fränkische Bischöfe nicht, für sie war der fränkische König bindend!
Indirekt kann man also auch die fränkische Kirche durchaus als katholische Kirche ansehen. Man sollte nicht vergessen das in der Zeit von Bonifatius der römische Papst in direkter Konfrontation mit dem Kaiser von Byzanz stand (Gregor II. wegen Tributforderungen, sein Nachfolger Gregor III. wegen dem byzantinischen Bilderstreit mit Kaiser Leo III. den er sogar exkommunizierte). Auch fielen damals unglaublich viele ehemalige Provinzen des römischen Imperiums der stürmischen Expansion der Mohammedaner zum Opfer, darunter die stark christianisierten nordafrikanischen Küsten und Spanien. Gerade Nordafrika war lange eine große Stütze der westlichen Reichskirche und damit der Päpste gewesen. Es gab aber noch eine Kirche, die rein gar nichts mit der ehemals imperialen Kirche zu tun hatte!

Gemeint ist die Iroschottische Kirche, auch Keltische Kirche genannt. Irland hatte niemals zum römischen Imperium gehört, war aber schon in der ausgehenden Antike christianisiert worden. Während der Völkerwanderung war dieses Gebiet nicht von den fremden Wanderungen betroffen, im Gegenteil siedelten sich die Skoten von Irland kommend im heutigen Schottland an! Im 5. Jahrhundert wurden die Iroschotten durch während ihrer Beutezüge in Britannien gemachten christlichen Sklaven missioniert. Eine interessante Parallele zur Gotenmission mit ihrem Höhepunkt in Bischof Wulfia übrigens. Im Gegensatz zu den Goten (und später zeitweise der meisten Germanenstämme) übernahmen die Iroschotten aber die Lehre der Trinität und nicht die arianische Variante! Die Iroschotten erhielten wesentliche Impulse aus der Ostkirche, vor allem aus dem syrischen Raum. Dort und in Ägypten war das Ideal des Mönchstums entstanden, welches wohl bei den westlichen Kelten auf besonders fruchtbaren Boden viel. Hier war der Kernpunkt ihrer Kirche zu finden! Ihre Klöster wurden zu einem Hort der Gelehrsamkeit. Man kannte im Gegensatz zur Kirche des ehemaligen Imperiums aber keine höhere Hierarchie oberhalb von Bischöfen. Auch Kleriker standen nicht außerhalb normalen Rechts, sie durften auch durchaus in der Schlacht kämpfen. Diese Mönche waren leicht an ihrer anderen Frisur von „römischen Mönchen“ zu unterscheiden und wurden von missionarischem Eifer beseelt überall in Nordeuropa angetroffen. Diese Kirche war der echte Gegenentwurf zur Kirche des Mittelmeeres. Zum Leidwesen des Papstes leisteten sie dem Christentum viele wertvolle Dienste, ließen sich aber nicht in die bestehende Organisation einreihen! Die Bedeutung der keltischen Kirche in der frühen Christianisierung Mittel- und Nordwesteuropas wird leicht übersehen. Ihre Klöster entstanden auch auf dem Festland und während der Missionierung der Angelsachsen in England. Nachteilig wirkte sich die mangelnde organisatorische Tiefe der keltischen Kirche darin aus, die Missionserfolge nachhaltig zu festigen. Nur wo Klöster hinterlassen wurden blieb der Einfluss lange bestehen. Die fränkische Reichskirche oder die fränkischen Großen ließ die Iroschotten gewähren, banden sie sogar örtlich in ihre Pläne ein

Erst jetzt komme ich zu der Angelsächsischen Kirche! Papst Gregor I. (gen. Der Gr.: 540 bis 604, dem Begründer der Gregorianik) hatte eine Vision die fernen Angelsachsen christianisieren zu lassen. Interessanterweise begannen fast zur gleichen Zeit iroschottische Missionare mit dem gleichen Projekt von einer anderen Richtung aus! Gregor wusste um die Bedeutung von Klöstern für nachhaltige Missionsarbeit. Aus altem senatorischen Adel stammend wurde eine politische Laufbahn durch die Gotenkriege in Italien immer Aussichtsloser. Dem Trend der Zeit entsprechend wandelte er die elterliche Villa auf dem Monte Celino in ein Benediktinerkloster um und führte es zur Blüte. Später als Papst bildete dieses Kloster sein „Eigenkloster“ und Stütze zur Christianisierung der Angelsachsen. Er sandte 40 Benediktiner unter Leitung von Abt Augustin von dieser Kaderschmiede zu diesem Zwecke in den Norden aus. Dort bekamen sie es mit der direkten Konkurrenz der iroschottischen Mission zu tun. Beide Auslegungen stritten um die Vorherrschaft in England, die erst mit der Synode von Whitby (664) zugunsten der päpstlichen Missionare entschieden wurde.
Gregor forderte die größtmögliche Anpassung der Predigt an die Landessitten, ganz im Gegensatz zu den Iroschotten. Er verlangte nicht die Zerstörung heidnischer Tempel, sondern ihre Umwandlung in christliche Kirchen. Ebenso waren die Benediktiner bereit Feierlichkeiten der Bevölkerung einen christlichen Rahmen zu geben. Einen ganz bedeutsamen Anteil an der Christianisierung Englands hatten benediktinische Frauenklöster, deren Äbtissinnen sehr gelehrt und geistig hoch stehend waren. In der Folge wurde die angelsächsische Kirche fest an den Papst in Rom gebunden. Auch Bonifatius ist ein Produkt dieses Prozesses! Dadurch auch sein starker Gegensatz zu den Iroschottischen Mönchen. Bonifatius leistete in Rom vor seiner Ernennung als Bischof einen besonderen Treueid. Auch er musste nicht auf den Kaiser schwören, dafür aber ging er die schriftliche Verpflichtung ein, er werde mit Bischöfen, die nicht „die alten Einrichtungen der heiligen Väter“ beachten keine Gemeinschaft zu haben. Gerne wird diese Verpflichtung im Kontext mit den sittlich fragwürdigen Elementen in der fränkischen Reichskirche gesehen, sie ist aber direkt auch gegen die iroschottische Mission gerichtet mit der er im direkten, fast schon ererbten Gegensatz stand!
Eine Welle gut ausgebildeter Kleriker und Mönche konnte so herangebildet werden, die sich auch bald bereit erklärten auf dem Festland zu missionieren. Wie die Iroschotten erfüllte auch sie starker Missionseifer. Die festen Mönchsregeln erlaubten ihrer Mission aber den Aufbau von sicheren Missionsbasen und tiefer gehenderen Unterweisung im neuen Glauben. Sie reagierten auch flexibler auf örtliche Eigenheiten und waren fest in die hierarchische Ordnung der katholischen Kirche eingebunden. Diese Benediktiner gehorchten dem Papst und waren nicht an örtliche Fürsten gebunden, wie die führenden Repräsentanten der fränkischen Reichskirche an ihren König, an ihre Gönner und an ihre adeligen Familien! Die reichhaltigen Bibliotheken Roms und der katholischen Kirche stand diesen Mönchen offen sich zu bilden und zu studieren. Dabei vergaßen sie nicht zu kopieren und das Wissen in ihre Klöster mit zu nehmen. Der 735 gestorbene angelsächsische Mönch Beda galt zu seiner Zeit als der gebildetste Zeitgenosse. Das war die Basis aus der heraus Bonifatius seine Reform begann.

Um auf Deine Frage zurückzukommen: Die angelsächsische Kirche unterschied sich auf dem ersten Blick kaum von der fränkischen Kirche. Liturgien und Organisationsform waren sehr ähnlich. Der Unterschied liegt in den angesprochenen Details. Die Angelsachsen waren ebenso eifrige Missionare wie die Iroschotten, ganz im Gegensatz zu den kaum missionierenden Franken. Wenn die Franken missionierten, griffen sie auf Mönche des Mittelmeerraumes und der britischen Inseln zurück (Iroschotten wie Angelsachsen!). Das Mönchstum hatte im Frankenreich noch keine aktive, sich überall selbst tragende Ausstrahlung angenommen. Genau dieses Mönchstum war jedoch der Schlüssel für eine nachhaltige Missionstätigkeit.

@Bischofseid von Bonifatius
Der Bischofseid des hl. Bonifatius
30. XI. 722
Im Namen des Herrn und unseres Erlösers Jesus Christus!
Im VI. Regierungsjahr des erhabenen, von Gott gekrönten Kaisers Leo -
im VI. Jahr nach seinem Konsulat - und
im IV. Regierungsjahr seines Sohnes und Mitkaisers, des erhabenen Konstantin -
in der VI. Indiction
ICH,
BONIFATIUS,
DURCH GOTTES GNADE BISCHOF
GELOBE
DIR, heiliger APOSTELFÜRST PETRUS
und Deinem Stellvertreter,
dem heiligen PAPST GREGOR,
und SEINEM NACHFOLGERN
bei der unteilbaren DREIFALTIGKEIT
dem VATER + dem SOHN + dem HL. GEIST +
und bei diesem Deinem HOCHHEILIGEN LEIB:
In voller Treue und Einheit zum heiligen katholischen Glauben zu stehen und mit Gottes Beistand in der Einheit dieses Glaubens, auf dem ohne Zweifel alles Heil der Christen beruht, zu verharren -
In keiner Weise jemals irgendwelche Machenschaften gegen die Einheit der gemeinsamen und allgemeinen Kirche zuzustimmen - sondern, wie ich gesagt habe, meinen Glauben, meine Glaubensreinheit und meinen Beistand Dir und dem Wohl Deiner Kirche, der von Gotte dem Herrn die Gewalt zu binden und zu lösen verliehen ist, und Deinem eben genannten Stellvertreter und seinen Nachfolgern in allem zu weihen. -
Mit Bischöfen jedoch, die gegen die altehrwürdigen Satzungen der heiligen Väter verstoßen, keinerlei Gemeinschaft und Verbindung zu halten - ihrem Treiben vielmehr Einhalt zu tun, soweit ich vermag, oder zumindest meinem Apostolischen Herrn gewissenhaft darüber zu berichten. -
Sollte ich - was fern sein möge! - jemals versuchen, in irgendeiner Weise oder in irgendeiner Absicht oder aus irgendeinem Anlaß, gegen den Inhalt dieses Versprechens zu verstoßen, dann möge ich im ewigen Gerichte schuldig befunden werden und der Strafe des Ananias und der Saphira verfallen, die durch falsche Angaben über ihren Besitz Dich zu betrügen versuchten.
Diese eidliche Erklärung habe ich,
der unwürdige Bischof Bonifatius,
eigenhändig niedergeschrieben und
auf Deinen hochheiligen Leib gelegt.
Gott zum Zeugen und Richter anrufend
habe ich den vorstehenden Eid geleistet
und ich gelobe, ihn zu halten.
(entnommen: http://www.heiliger-bonifatius.de/home/html/leben___werk.html#Eid)
 
Part 3

Und schließlich: warum spielten die Reichsklöster Fulda, Hersfeld und Lorsch nach dem Tod des Bonifatius so eine große Rolle? Die Fuldaer Äbte tauchen ja schon wenig später als Berater Karls des Großen auf.

Ich weiß, dass sind ne Menge Fragen, zum Teil auch sehr spezielle. Ich freue mich über jede Hilfe.
Das ist ein noch längeres Thema, ergibt sich in Ansätzen bereits durch meine Ausführungen zum Nachwirken von Bonifatius. Fulda wurde von Bonifatius als Musterkloster seiner Mission und Reformation, sowie als sein Eigenkloster gegründet. Als Eigenkloster stand es außerhalb der normalen kirchlichen Organisation der Bistümer! Der von ihm eingesetzte erste Abt Sturmi verstand es diese Sonderstellung trotz mancher Rückschläge gegen den Nachfolger des Bonifatius im Amte des Bischofs: Lullus zu verteidigen. Lulls hatte versucht sich das Kloster ebenfalls als Eigenkloster zu sichern. In Fulda blieb die angelsächsische Tradition noch sehr lange erhalten und die Verbindungen zu den Klöstern der Inseln intakt. Es wurde wirklich das von ihm erstrebte „Musterkloster“. Das begründete auch den wachsenden Einfluss dieser Gründung in der Reichs- & Kirchenpolitik! Die Klosterschule von Fulda erreichte ein sehr hohes Niveau und wirkte noch lange nach. Dem späteren Abt Hraban wurde gar der Beiname "praeceptor Germaniae" verliehen und machte Fulda "zu einem der wichtigsten Kulturzentren des Abendlandes" (Loris Sturlese). Er war ein typischer Vertreter der Karolingischen Renaissance und trat von seinen Ämtern zurück als er infolge innerdynastischer Wirren (der Karolinger) zu sehr auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Nicht zu unterschätzen ist auch die bald einsetzende Heiligenverehrung in Fulda, wo Bonifatius beigesetzt wurde. In Fulda wurde eine Schrift über die Wundertaten verbreitet, die bereits während des Transports seiner Leiche nach Fulda gewirkt worden waren – nicht ohne Seitenhiebe auf Lulls…
Hersfeld, ebenfalls eine Gründung die von Bonifatius initiiert wurde, konnte von seinem kirchlichen Nachfolger Lullus als Eigenkloster organisiert werden, nachdem ihm Fulda verwehrt geblieben war. Es war im bewussten Machtpolitischen Gegensatz zu Fulda ausgerichtet. Lullus war ebenfalls Angelsachse und setzte die Reformpolitik seines Vorgängers fort. Es gelang ihm endgültig Mainz (seinen Bischofssitz auf dem schon Bonifatius gesessen hatte) zum Erzbistum zu erheben. Dadurch stiegen das Ansehen und die Anziehungskraft von Hersfeld als Kloster erheblich an! Lullus war gegenüber den fränkischen Eigenheiten weit weniger unnachgiebig als Bonifatius. In Folge dessen erreichte er einen Ausgleich mit der karolingischen Dynastie und blickte auch weniger nach Rom als Bonifatius es getan hatte. Für Hersfeld zahlte sich dies mit reichen Schenkungen, besonders durch Karl d. Gr. aus!
Zu Lorsch kann nur wenig gesagt werden, weil vieles Unklar geblieben ist. Vielleicht hilft der Link weiter? http://www.kloster-lorsch.de/kloster/ursprung.html

@Reichsklöster:
Durch die hohen Ehren die den genannten Reichsklöstern von den Karolingern zugestanden wurden, wuchsen Grundbesitz, Anziehungskraft und Reichtum der Gründungen sprunghaft an und weit über die für Musterklöster einst gedachte Rolle hinaus. Derart großer kirchlicher Besitz musste auch rein weltlich organisiert werden. Hatten die frühen Karolinger die Klöster genutzt um ihre Hausmacht und das fränkische Reich zu festigen sowie die Christianisierung der Länder und Ausbildung von Priestern/Mönchen voranzutreiben, gab ihnen Karl der Große auch rein politische Bedeutung. Er sah den gewaltigen Landbesitz und die Chance diesen für die militärische Kraft seines Reiches heranzuziehen. Die Klöster mussten fortan auch gepanzerte Reiter für sein Heeresaufgebot stellen. Schon der erste Abt des Klosters Fulda (Sturmi) verstarb als er gegen seinen Willen an der Spitze eines Fuldaer Aufgebotes in Sachsen Kriegsdienst leisten musste. Der weltliche Aufstieg Fuldas als herrschaftlicher Mittelpunkt eines Streubesitzes ist Beispielhaft für ähnliche Entwicklungen. Der Abt als Gefolgsmann und damit Reichsbeamter des König/Kaisers musste zwangsläufig andere Interessen haben als der Konvent der Mönche seines Klosters! So wurde später streng zwischen dem nur zum Konvent gehörenden Besitz und einem Abtsbesitz (als Lehnsträger des Reiches) unterschieden. Durch den angehäuften Reichtum konnte man es sich nicht nur leisten zu Lebzeiten Karls d. Gr. hier die größte Kirche nördlich der Alpen zu errichten, sondern auch die von Karl geforderte militärische Leistung zu erbringen und dem Wunsche des Bonifatius gemäß ein Zentrum von Literatur und Bildung im östlichen Frankenreich zu werden. Es sollte nicht allzu lange dauern bis man versuchte diese Macht im Wettstreit mit anderen Reichsfürsten um die Gunst der Könige einzusetzen, indem man ihm immer mehr Krieger stellte. Durch die „interne Teilung“ des Besitzes in einen Herrschaftlichen „Abtsbesitz“ und den eigentlich klösterlichen „Konventsbesitz“ waren die Grundlagen dafür sehr schnell gelegt worden.
 
Zu Lebzeiten des Karl Martell konnten die kirchlichen Ideen des Angelsachsens aufgrund von machtpolitischen Problemen nicht auf besondere Gegenliebe treffen, bei seinen Söhnen aber überwog der Wunsch die herrenlos gewordene fränkische Reichskirche mittels seiner Reformen zu erneuern und sie dabei als Machtinstrument karolingischer Hausmachtspolitik dem alten Königtum zu entwinden. Jetzt erst waren sie in jeder Hinsicht Herren im fränkischen Reich!

Ich würde Karl Martell eher als eine Art "Moderator" sehen. Ich denke, er ließ es (im Gegensatz zu seinen Söhnen), nicht zu, dass es aufgrund der kirchenterritorialen Politik zu einem Konflikt zwischen Bonifatius und den linksrheinischen Bischöfen kam. Allerdings stellte er Bonifatius schon früh (723) unter seinen Schutz, und er ließ ihm freie Hand in einem relativ großen Missionsgebiet. Der Konflikt innerhalb der fränkischen Kirche ab 742 entbrannte ja eher wegen der Frage der etablierten Bistümer. Interessant, aber für mich bisher kaum geklärt (und zum Glück auch nicht so wichtig für mich), ist die Frage, weshalb Bonifatius nach der für ihn enttäuschenden Ernennung zum Bischof in Mainz völlig "kapitulierte" und zwei seiner neu gegründeten Bistümer, nämlich Büraburg und Erfurt, prompt in das alte Bistum Mainz eingliederte - nur Steigerung der persönlichen Macht oder standen da auch andere Motive dahinter.

Wie gesagt war Karl Martell nicht von Anfang an anerkannt: Nicht mal in seiner eigenen Sippe! Für die inzwischen recht selbstständig gewordenen Herzöge der Randgebiete des Reiches waren die Hausmeier wenig mehr als Ihresgleichen: Herzöge von Franzien! Sie versuchten die Kirche in ihrem Bereich in ihren Griff zu bekommen.

Der Konflikt zwischen Hausmeiern und Herzögen ist ein Grundzug des frühen 8. Jahrhunderts. Dennoch bin ich nicht so sicher, ob die Herzöge (was aus ihrer Sicht vielleicht ein Fehler war) sich besonders um die Kirche bemühten. In der Vita des Bonifatius schmäht Willibald die Herzöge Theotbald und Heden II., weil diese durch ihre schlechte Politik Menschen zu den Sachsen getrieben hätten. Abgesehen davon gab es sehr wahrscheinlich in den ersten Missionsgebieten des Bonifatius keine Herzöge mehr, da Karl Martell nach Ansicht vieler Forscher das Herzogtum,das Thüringen und den mainfränkischen Raum umfasst hatte, abgeschafft hatte. Das ist natürlich sehr interessant: Genau in diesem Raum entstehen die Bistümer Erfurt und Würzburg, dazu kommt noch Hessen mit der Büraburg. Vielleicht vertrauten Karlmann und Pippin bewußt bei der territorialen Neuorganisation dieser Gebiete auf die angelsächsischen Mönche. Wegen ihrer Waffenlosigkeit und der strengen Einhaltung des Zölibats konnten sie ihnen in diesem lange umstrittenen Gebiet nicht gefährlich werden. Immerhin entstanden ja dann auch die Reichsklöster Fulda und etwas später Lorsch und Hersfeld, die bald zu den größten Territorialherren im hessisch-fränkischen Raum zählten, aber auch den Karolingern sehr nahe standen und zu einem Teil hier sicher auch die Reichsverwaltung übernahmen (wenn man etwa bedenkt, dass die Reichsannalen in Fulda entstaden).
 
@Karl Martell: Sehe ich genauso.

@Herzöge:
Der Konflikt zwischen Hausmeiern und Herzögen ist ein Grundzug des frühen 8. Jahrhunderts. Dennoch bin ich nicht so sicher, ob die Herzöge (was aus ihrer Sicht vielleicht ein Fehler war) sich besonders um die Kirche bemühten. In der Vita des Bonifatius schmäht Willibald die Herzöge Theotbald und Heden II., weil diese durch ihre schlechte Politik Menschen zu den Sachsen getrieben hätten. Abgesehen davon gab es sehr wahrscheinlich in den ersten Missionsgebieten des Bonifatius keine Herzöge mehr, da Karl Martell nach Ansicht vieler Forscher das Herzogtum,das Thüringen und den mainfränkischen Raum umfasst hatte, abgeschafft hatte. Das ist natürlich sehr interessant: Genau in diesem Raum entstehen die Bistümer Erfurt und Würzburg, dazu kommt noch Hessen mit der Büraburg. Vielleicht vertrauten Karlmann und Pippin bewußt bei der territorialen Neuorganisation dieser Gebiete auf die angelsächsischen Mönche. Wegen ihrer Waffenlosigkeit und der strengen Einhaltung des Zölibats konnten sie ihnen in diesem lange umstrittenen Gebiet nicht gefährlich werden. Immerhin entstanden ja dann auch die Reichsklöster Fulda und etwas später Lorsch und Hersfeld, die bald zu den größten Territorialherren im hessisch-fränkischen Raum zählten, aber auch den Karolingern sehr nahe standen und zu einem Teil hier sicher auch die Reichsverwaltung übernahmen (wenn man etwa bedenkt, dass die Reichsannalen in Fulda entstaden).
Diese Sichtweise betreffend Hessen und Franken hat einiges für sich!
Fränkische Herzöge handelten unterschiedlich. In Aquitanien gab es nicht viel zu missionieren. In Burgund und wenig vor Bonifatius auch im alemannischen Raum dagegen wurde die Missionierung und Christianisierung von den Herzögen bewußt gefördert. Auch Bayern war darin sehr weit fortgeschritten bevor Bonifatius auftauchte. Im Herzogtum der Alemannen war die Christianisierung besonders schleppend gewesen. Ohne Christianisierung konnte es auch keine kirchliche Organisation geben auf die sich ein Herzog hätte stützen können.

Übrigens wurden besonders fränkische Kleriker aus den Klöstern der ehemaligen Herzöge zu fähigen Gegnern des Bonifatius. Ihnen konnte man den sittlichen Verfall (wie etwa bei den Bischöfen von Mainz oder Trier) nicht vorwerfen. Letztlich führten sie das Reformwerk des Bonifatius auch nach dessen Tod wieder weiter! Der Angelsachse war vielleicht auch zu undiplomatisch gewesen um diese positiven Keime der fränkischen Landeskirche für sich einzunehmen? Bonifatius stützte seine Mission im Wesentlichen auf Reichsfremde (eben Angelsachsen)! Erst nachdem sich ihm in Rom Lullus und Sturmi sowie andere Gefolgsleute angeschlossen hatten erweiterte er maßgeblich die Basis seiner Getreuen. Eine Folge seines Eides?
 
tejason schrieb:
Der Angelsachse war vielleicht auch zu undiplomatisch gewesen, um diese positiven Keime der fränkischen Landeskirche für sich einzunehmen?
Nein, denn Bonifatius schuf sich mächtige weltliche Feinde durch seine Bemühungen zur Erneuerung der fränkischen Landeskirche.
tejason schrieb:
Erst nachdem sich ihm in Rom Lullus und Sturmi sowie andere Gefolgsleute angeschlossen hatten erweiterte er maßgeblich die Basis seiner Getreuen. Eine Folge seines Eides?
Nein, Lullus war ein angelsächsischer Missionar, der der engste Mitarbeiter des Bonifatius wurde; und Sturmi wurde Bonifatius nach Egils Lebensschilderung des heiligen Vorstehers Sturmi bereits als Kind übergeben.
Ashigaru schrieb:
Interessant, aber für mich bisher kaum geklärt (und zum Glück auch nicht so wichtig für mich), ist die Frage, weshalb Bonifatius nach der für ihn enttäuschenden Ernennung zum Bischof in Mainz völlig "kapitulierte" und zwei seiner neu gegründeten Bistümer, nämlich Büraburg und Erfurt, prompt in das alte Bistum Mainz eingliederte - nur Steigerung der persönlichen Macht oder standen da auch andere Motive dahinter.
Lullus wurde im Jahr 754 als Bonifatius Nachfolger Aufseher von Mainz. Unter seiner Leitung wurde das Sprengel durch die Angliederung von Erfurt und Büraburg vergrößert.
 
@ Horst: die vorherrschende Meinung ist aber, dass Bonifatius Erfurt und Büraburg noch selbst nach 747 aufgelöst hat.
 
Ebenso wie das fast gleichzeitig eingerichtete Sprengel Erfurt, hatte das Sprengel Büraburg nicht sehr lange Bestand. Nach der Erhebung von Büraburg bei Fritzlar durch Bonifatius im Jahre 742 zum Sprengel war Witta dort der erste und einzige Aufseher. Im Jahr 747 wurde Bonifatius Aufseher von Mainz und in Folge dessen wurden die beiden Sprengel immer mehr in die Mainzer Diözese eingebunden. Bereits nach dem Tod des ersten Aufsehers Witta im Jahre 747 wurde das Sprengel nicht neu besetzt, bis allmählich das Fritzlarer Archidiakonat St. Peter, in weiten Teilen, die Nachfolge des Sprengels Büraburg antrat. Es behielt zunächst aber als Chorbistum (bis 786) eine gewisse Eigenständigkeit und seine herausragende kirchliche Bedeutung für Niederhessen. Als feststand, daß sein Schüler Lullus sein Mainzer Nachfolger werden würde, ließ Bonifatius die Sprengel Büraburg und Erfurt im Verband der Diözese Mainz eingliedern. Lullus vergrößerte daraufhin das Sprengel Mainz erheblich durch die Vereinigung mit den Sprengeln Büraburg bei Fritzlar und Erfurt.
 
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