borussianischer Patriotismus?

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Gibt es eigentlich irgendeine Buch oder ein eine Rede oder sonst ein Schriftstück, das überliefert ist, indem sich ein Preuße über die Reichsgründung beschwert?

Viele preußische Gebiete waren vor Bismark schließlich nie im Gebiet "deutscher Nation" gewesen und man kann sich vorstellen, dass einigen Preußen Deutschnationalismus so fremd war wie nur irgendeine Ideologie. Allerdings habe ich dazu nichts gefunden.

Wo war es also, das preußische Unbehagenen gegen die Gründung des neuen Flächenstaates "Deutschland" (das es so historisch auch nie zuvor gab)?
 
Dass die Polen als teil Deutschlands behandelt wurden ist mir voll bewusst (das ist iÜ heute mit den Sorben immernoch der Fall und bedeutet ja nicht, dass es kein Unbehagen mit der "Wiedervereinigung" gab).

Es geht aber darum, dass es vor 1871 sicher Leute gab, die sich in erster Linie als Preußen, Bayern, Schwaben usw. sahen und nicht in erster Linie als Deutsche.
 
Es geht aber darum, dass es vor 1871 sicher Leute gab, die sich in erster Linie als Preußen, Bayern, Schwaben usw. sahen und nicht in erster Linie als Deutsche.

Bei den Bayern und Schwaben trifft das denke ich eher weniger zu, da diese im Gebiet des Deutschen Bundes lagen.
Preußen lag dagegen teilweise nicht im Deutschen Bund. In diesen Gebieten gab es sicherlich eine geringere Verbundenheit mit Deutschland.


Liebe Grüße
Saturn14
 
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Dass die Polen als teil Deutschlands behandelt wurden ist mir voll bewusst (das ist iÜ heute mit den Sorben immernoch der Fall und bedeutet ja nicht, dass es kein Unbehagen mit der "Wiedervereinigung" gab).

Werden die Sorben unterdrückt?

Wo war es also, das preußische Unbehagenen gegen die Gründung des neuen Flächenstaates "Deutschland" (das es so historisch auch nie zuvor gab)?


Tje nun, dem Wilhelm zB war das gar nicht soo recht, "König von Preußen" war ihm was, den Charakter-Major "Deutscher Kaiser" hätte er sich geschenkt.

Ich denke mal, so ganz schlecht haben es die "Polen" in der Provinz Posen doch nicht erwischt. Aber ich will hier keine "Kiste" aufmachen.

Es geht aber darum, dass es vor 1871 sicher Leute gab, die sich in erster Linie als Preußen, Bayern, Schwaben usw. sahen und nicht in erster Linie als Deutsche

Aber natürlich gab und gibt es die, der württembergische Minister Mittnacht zB war der Meinung, dass der Bund "Deutsches Reich" auch durchaus wieder aufgelöst werden könne.
Auch gab es bis ins Dritte Reich gar keine "deutsche Staatsbürgerschaft"
 
Das Problem war eher, dass sie keine Preußen sein wollten, und daher auch kein preußisch dominiertes Deutschland wollten.
In der bayrischen Folklore hat sich der Preiß als Feindbild ja bis heute erhalten.
Aber die Bayern waren nicht die einzigen. Dort hatte man schon länger das "Vergnügen":
Rheinprovinz ? Wikipedia
Provinz Westfalen ? Wikipedia
Provinz Sachsen ? Wikipedia

Eine der Auswirkungen:
Königsallee (Düsseldorf) ? Wikipedia

Auch die da diskutierte Karikatur bringt es ganz gut auf den Punkt:
http://www.geschichtsforum.de/f60/deutschlands-zukunft-karikatur-von-1864-a-19701/
 
Werden die Sorben unterdrückt?

Das habe ich nicht behaupten wollen.

Tje nun, dem Wilhelm zB war das gar nicht soo recht, "König von Preußen" war ihm was, den Charakter-Major "Deutscher Kaiser" hätte er sich geschenkt.

Mir ging es um Ablehung der deutschen Reichsgründung von preußischer Seite.

Ich denke mal, so ganz schlecht haben es die "Polen" in der Provinz Posen doch nicht erwischt. Aber ich will hier keine "Kiste" aufmachen.

Naja. Es gab historisch eine große Auswanderung aus den Ostgebieten, aber nicht nur die polnischen, auch z. B. Ostpreußen, ins Ruhrgebiet. Das wurde durch die Freizügigkeit begünstigt.
 
Mir ging es um Ablehung der deutschen Reichsgründung von preußischer Seite.

Klar, die hätten ein Großpreußen bevorzugt.

Nach 1866 gab es zweifellos ein Machtvakuum in Mitteleuropa. Sprich Süddeutschland. Österreich ist gezwungenermaßen ausgestiegen, Preußen noch nicht ein, ein "Südbund" sollte gegründet werden.
Und ausgerechnet in der Situation hat der Dritte Napoleon angefangen mit Säbelrasseln und lautstark von der Rheingrenze geträumt.
Und plötzlich gab es keine weitere Option mehr. Nur noch ein neues 2. Kaiserreich.
 
Viele preußische Gebiete waren vor Bismark schließlich nie im Gebiet "deutscher Nation" gewesen
So viele nun auch nicht.
Im wesentlichen nur zwei: Ostpreußen und Posen/Pomerellen (also der preußische Teil Polens).
Ostpreußen war so weitgehend deutsch geprägt, daß man dort m. W. überhaupt keine Probleme mit der Reichsgründung hatte.
Dito die deutschen Bewohner in Posen/Pomerellen.

Weniger begeistert waren nur die polnischen Einwohner dieser Provinzen. Aber das hatte vor allem damit zu tun, daß sie überhaupt zu Preußen/Deutschland gehörten, und nicht zu einem selbständigen Polen. D.h. die Reichsgründung war keine wesentliche Änderung für sie.
 
Klar, die hätten ein Großpreußen bevorzugt.

Richtig. Mir ist da eine Anekdote in Erinnerung, wonach sich mal ein oldenburgischer Minister beim Herrn B. über irgendwas beschwerte. So könne es nicht gehen, schließlich habe Oldenburg 1866 auf preußischer Seite gestanden. Des Kanzlers Antwort läßt tief blicken: "Ja, leider."
 
Richtig. Mir ist da eine Anekdote in Erinnerung, wonach sich mal ein oldenburgischer Minister beim Herrn B. über irgendwas beschwerte. So könne es nicht gehen, schließlich habe Oldenburg 1866 auf preußischer Seite gestanden. Des Kanzlers Antwort läßt tief blicken: "Ja, leider."


Die Annektion Hannovers hat den Entscheidungsträgern wohl auch gezeigt, dass der Großpreussische Weg, der falsche war.

Nach der Schlacht bei Tauberbischofsheim Anno 66 hat der liberale Stuttgarter Beobachter einen Partisanenkrieg gegen die Preussen mit ihrem Kartätschen-Prinzen gefordert.
1867 während der Luxemburg-Krise einen Präventiv-Krieg an der Seite Preussens gegen das bonapartische Frankreich.
Man beachte den grundlegenden Sinneswandel innerhalb 12 Monaten.
 
Wo war es also, das preußische Unbehagenen gegen die Gründung des neuen Flächenstaates "Deutschland" (das es so historisch auch nie zuvor gab)?

Ironischerweise war es Bismarck selbst, der genau dieses Unbehagen äußerte. 1866 schrieb er dem preußischen Botschafter in Paris:

"Unser preußisches Bedürfnis beschränkt sich auf die Disposition über die Kräfte Norddeutschlands in irgendeiner Form... Ich spreche das Wort Norddeutscher Bund unbedenklich aus, weil ich es, wenn die nötige Konsolidierung des Bundes gewonnen werden soll, für unmöglich halte, das süddeutsch-katholisch-bayrische Element hinzuzuziehen. Letzteres wird sich von Berlin aus noch für lange Zeit nicht gutwillig regieren lassen."
 
, für unmöglich halte, das süddeutsch-katholisch-bayrische Element hinzuzuziehen. Letzteres wird sich von Berlin aus noch für lange Zeit nicht gutwillig regieren lassen."


Gar keine Frage, nichts konnte die Süddeutschen an die Seite Preußens bringen. Außer den Franzosen.
Und dass die Habsburger in ihrer Agonie dem Napoleon auch noch Süddeutschland verscheuern wollten, hat der Sache den Rest gegeben.

Es gab plötzlich keine Trias und kein Österreich mehr, es gab nur noch den Anschluss an Berlin, zähneknirschend.
 
Na ja, Baden gehört ja auch zu den Süddeutschen und die konnten gar nicht schnell genug Mitglied im Norddeutschen Bund werden. Bismarck müsste sie immer wieder vertrösten.
 
König Wilhelm I (ab 1871 auch Kaiser) sah sich wohl mehr als Preuße als als Deutscher.

Kurz aus der Wiki übernommen, anläßlich der Kaiserproklamation in Versailles:

Wilhelm fürchtete, dass die deutsche Kaiserkrone die preußische Königskrone überschatten würde. Am Vorabend der Proklamation meinte er:

„Morgen ist der unglücklichste Tag meines Lebens! Da tragen wir das preußische Königtum zu Grabe.“

– Wilhelm I.
Wilhelm war wenig motiviert, Kaiser zu werden; er achtete den Titel des preußischen Königs höher.
au: Wilhelm I. (Deutsches Reich) – Wikipedia

Hierin spiegelt sich die Befürchtung, dass neben die preußische Identität eine deutsche tritt, wobei letztere die erste ablösen könnte. Gleichzeitig war Preußen aber auch der größte Bundeestaat im neuen Reich, konstitutionell war der König von Preußen der deutsche Kaiser. Auch war der preußische Ministerpräsidente zugleich auch Reichskanzler (bzw. umgekehrt), ohne dass es konstitutionell so zwangsläufig geregelt war. Die Reichsgründung 1871 als kleindeutsche Lösung mag man auch als großpreußische Lösung auffassen.
 
König Wilhelm I (ab 1871 auch Kaiser) sah sich wohl mehr als Preuße als als Deutscher.

Wobei die "Identität" mehrfach durchbrochen ist. Bei Wilhelm I. kann man das starke Wirken und Selbstverständnis des ursprünglichen "monarchischen Prinzip" erkennen, das sich vielfältig im "Gottesgnadentum" spiegelt. Ein Anspruch an sich, an die Gesellschaft, es als legitim und legal zu respektieren, aber auch an die Legitimität und Legalität anderer Herrscher. Erkennbar in seinen Vorstellungen zu den dynastischen Aspekten im Vorlauf zum preußisch-österreichisch-dänischen und dem preußisch/deutsch-französischen Krieg.

Ein zweiter Aspekt ist die mehrfach gebrochene Identität durch das aristokratisch - junkerhafte - "Alt-Preussische", das modernistische und auch konservative preußische Verständnis des Staates und nicht zuletzt durch die Identitäten der neuen Gebiete im Westen. In der sich u.a. eine bürgerliche, industrielle teils auch liberale Identität stärker spiegelte.

Bismarck ist in seiner Regierungszeit mit allen "Identitäten" konfrontiert worden. Und teils mußte er sich gegen das monarchische Prinzip durchsetzen oder auch gegen das "Alt-Preußische".

Jenseits der unterschiedlichen Sichten war das einigende Band des Nationalismus stärker und hat jene Form von "Patriotismus" erzeugt, bei dem individuelles Handeln - auch als utilitaristisches Handeln (Gewinnmaximierung etc.) zu verstehen - und das staatliche, nationale Interesse zusammen hingen.

In diesem Sinne definierte Bismarck durch seine politischen Vorgaben einen "Korridor" an gesellschaftlichen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Handlungsmöglichkeiten, die seinem Verständnis von "preußisch-deutscher Staatsraison" entsprachen. Und grenzte folgerichtig auch diejenigen aus, die er als Gefährdung ansah, im Rahmen des "Kulturkampfes" und der "Sozialistengesetze".
 
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