Botanische Gärten im Kolonialzeitalter

Raquel Ibn Esra

Neues Mitglied
Welche Rolle spielten die Botanischen Gärten im Kolonialzeitalter bezüglich Pflanzentransfer und vor allem Akklimatisation für neue Gegenden? Also Kaffee gab es ursprünglich nur im Jemen. Dann schmuggelten die Niederländer ein paar Pflanzen heraus und züchteten diese für neue Gegenden, zunächst bauten sie ihn in Java an, dann in Surinam. Welcher Garten war das? Was gibt es noch für Beispiele? Welche Rolle spielten die Königlichen Gärten in Kew (bei London), welche der in Leiden?
Für schnelle Hilfe, Tipps und auch viele Fragen bin ich sehr dankbar.
 
Kaffee aus Äthiopien

Ja, stimmt, der Kaffee kam ursprünglich aus Äthiopien. Die Frage ist nur, warum gab es ihn in der Iberischen Phase nicht mehr in Äthiopien, sondern nur in Jemen?
 
Vielleicht findest du hier weitere Informationen:


Wendt, Reinhard 1999
Globalisierung von Pflanzen und neue Nahrungsgewohnheiten: zur Funktion
botanischer Gärten bei der Erschließung natürlicher Ressourcen der überseeischen
Welt, in: „Überseegeschichte. Beiträge der jüngeren Forschung“, S.206-222.*


Ich drück dir die Daumen :friends:
 
Iberische Phase

Hallo Turandokht,

mit Iberischer Phase meine ich die Zeit, in der die Spanier und die Portugiesen als Kolonisatoren aktiv waren - im Gegensatz zur Nordwesteuropäischen Phase (Niederländer, Engländer, Franzosen u. a.).
Warum nicht die Äthiopier, sondern der Jemen mit Kaffee gehandelt hat und Äthiopien als eigentliches Ursprungsland überhaupt keine Rolle spielte, weiß ich auch nicht. Das war ja die Frage.

Gruß und danke

RIE
 
Warum nicht die Äthiopier, sondern der Jemen mit Kaffee gehandelt hat und Äthiopien als eigentliches Ursprungsland überhaupt keine Rolle spielte, weiß ich auch nicht. Das war ja die Frage.

Nur so als Thesen:
These 1: Äthiopien ist das erste christliche Land gewesen und es ist bis heute christlich geblieben. Die umgebenen Länder, v.a. nach Indien und nach Europa hin, sind aber alle muslimische Länder. Möglicherweise hat man den Äthiopiern schlicht nicht erlaubt, nach Indien und Europa zu handeln und diese konnten nur innerafrikanisch ihren Kaffee handeln.

These 1b: Äthiopien hatte durch die Islamisierung seinen Küstenzugang verloren. Es konnte daher gar keinen fernhandel treiben.

These 2: Die Rundumverfügbarkeit des Kaffees in Äthiopien ließ die Äthiopier gar nicht auf den Gedanken kommen, dass Kaffee ein Luxusgut sein könnte, auf welches sie das Monopol hätten, worauf aber die Jemeniten kamen, welche den Kaffee zunächst nicht städnig verfügbar hatten.
 
Hallo Turandokht,

mit Iberischer Phase meine ich die Zeit, in der die Spanier und die Portugiesen als Kolonisatoren aktiv waren - im Gegensatz zur Nordwesteuropäischen Phase (Niederländer, Engländer, Franzosen u. a.).
Warum nicht die Äthiopier, sondern der Jemen mit Kaffee gehandelt hat und Äthiopien als eigentliches Ursprungsland überhaupt keine Rolle spielte, weiß ich auch nicht. Das war ja die Frage.

Gruß und danke

RIE
Ach so, das hatte ich nicht so verstanden.
In der Periode, um die es Dir geht - also 15.-17. Jh. ungefähr - hatte sich das christliche Äthiopien (=das Hochland, in dem auch Kaffee wächst) nach außen ziemlich abgeschottet. Das ging auf den Einfluß der Portugiesen, vor allem den mit ihnen gekommenen Jesuiten, im 16. Jh. zurück. König Susneyos (Anfang 16. Jh.) hatte versucht, das katholische Christentum in seinem Reich durchzusetzen. Damit hat er aber so viele Gruppen gegen sich aufgebracht (äthiopisch-orthodoxen Klerus, Adel usw.), daß er zur Abdankung gezwungen wurde. Sein Sohn Fasilides wurde sein Nachfolger und verbannte alle Portugiesen inklusive Jesuiten aus dem Land. Er verfolgte danach eine sehr nach innen gerichtete Politik, und der ausländische Einfluß in Äthiopien ging zurück.
Außerdem hatte das christliche Äthiopien selber keinen Zugang zum Meer. Die Hauptstadt war zu der Zeit in Gondar, was eher im nordwestlichen Teil des heutigen Äthiopien liegt, also sehr weit weg vom Roten Meer. In den Küstenregionen stritten sich regelmäßig die Portugiesen und die Osmanen um die Vorherrschaft und damit die Kontrolle über den Seehandel dieser Gegend. Später, so ab zweite Hälfte 18. Jh., waren die einzelnen Regionalherrscher Äthiopiens ohnehin damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen.
Alles in allem war der Fernhandel für ein paar Jahrhundert nicht das Hauptgeschäft der äthiopischen Hochlandbewohner. Im Land selber wurde und wird aber immer Kaffee getrunken.
Man vermutet auch, daß die Zubereitung von Kaffee aus gerösteten Bohnen von den Arabern erfunden wurde und daß sie dann erst im spätern Mittelalter so in Äthiopien in Mode kam. Auch heute noch werden in manchen Gegenden die grünen Kaffeebohnen in Butter gekocht und gegessen. Möglicherweise war das früher eher so üblich.
Dadurch, daß die Araber eine so elaborierte Kaffeekultur entwickelt hatten und den Kaffee im Jemen anbauen konnten, war Äthiopien als Kaffee-Exporteur auch gar nicht nötig. Die Osmanen konnten einfach auf die jemenitischen Produzenten zurückgreifen.
 
Welche Rolle spielten die Botanischen Gärten im Kolonialzeitalter bezüglich Pflanzentransfer und vor allem Akklimatisation für neue Gegenden? Also Kaffee gab es ursprünglich nur im Jemen. Dann schmuggelten die Niederländer ein paar Pflanzen heraus und züchteten diese für neue Gegenden, zunächst bauten sie ihn in Java an, dann in Surinam. Welcher Garten war das? Was gibt es noch für Beispiele? Welche Rolle spielten die Königlichen Gärten in Kew (bei London), welche der in Leiden?
Für schnelle Hilfe, Tipps und auch viele Fragen bin ich sehr dankbar.

Bei dem Thema fällt mir ein, dass ich schon lange mehr über die Geschichte von einigen Pflanzen wissen möchte.
Nach der Klostergartenphase des Mittelalters, bei der es in erster Linie um Sammlung und Anbau von Pflanzen mit medizinischen Anwendungsmöglichkeiten ging, waren die herrschaftlichen Pflanzensammlungen an Schlössern die Vorläufer der botanischen Gärten.
Dort wurden möglichst exotische Pflanzen ausgestellt als Statussymbol aber auch aus Begeisterung über die Entdeckungen in der neuen Welt.
Bei mehrjährigen Gehölzen aus tropischen Ländern wurde ein erheblicher technischer Aufwand betrieben, um diese nicht frostharten Pflanzen über den Winter zu bringen.
Die Pillnitzer Kamelie ? Wikipedia ist über Kew nach Dresden gekommen und wird jeden Winter aufwändig geschützt.
Im Teneriffa Botanischer Garten „El Botanico“ - Sehenswürdigkeiten auf Teneriffa ist die Gewöhnung von tropischen Pflanzen an nördlichere Breiten ein Ziel der Sammlung.
 
Genuß- und Nahrungsmittel

Hallo Rena8,

bei dem Thema geht es weniger um Zierpflanzen, sondern eher um Gewürze und Genussmittel. Kew spielte wohl eine wichtige Rolle bei der Züchtung von Kakaopflanzen; Leiden akklimatisierte zuerst die Kartoffel; wobei Carolus Clusius erst später "Direktor" in Leiden wurde; 1588 war er noch in Wien. Was jetzt stimmt, weiß ich leider auch nicht.
Wichtig sind auch die Botanischen Gärten, die zum "System Kew" oder auch Leiden gehörten, wie z. B. der Botanische Garten auf Java (damals Niederländisch-Indien) oder der Garten in Kalkutta. Welche Beispiele gibt es hier?
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Meuerei auf der Bounty. Die Bounty stach 1789 von Tahiti mit Kurs auf Jamaika in See, beladen mit mehr als tausend Setzlingen des Brotfruchtbaumes, die zur Lösung des Ernährungsproblems auf der Insel beitragen sollten.
<style>{mso-style-parent:""; margin:0cm; margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:12.0pt; font-family:"Times New Roman"; mso-fareast-font-family:"Times New Roman";} @page Section1 {size:612.0pt 792.0pt; margin:70.85pt 70.85pt 2.0cm 70.85pt; mso-header-margin:36.0pt; mso-footer-margin:36.0pt; mso-paper-source:0;} div.Section1 {page:Section1;} -</style>
In welchem Garten wurden zum Beispiel Kaffeepflanzen akklimatisiert, die von Jemen nach Java kamen und dann nach Surinam? Wo Tee- oder Schokoladenpflanzen?
Gruß
RIE
 
In welchem Garten wurden zum Beispiel Kaffeepflanzen akklimatisiert, die von Jemen nach Java kamen und dann nach Surinam?

Das ist ein interessanter Aspekt der Wirtschaftsgeschichte. Vermutlich kamen sie nicht vom Jemen, sondern von den Philippinen oder von Celebes nach Java, dort in die Gegend um Batavia (Jakarta). So genau scheint das nicht bekannt zu sein:
Ruf/Siswoputranto: Cocoa cycles - the economics of cocoa supply

dort S. 316-317.
Cocoa cycles: the economics of cocoa ... - Google Bcher
 
Ich fürchte, man kann auch keine allgemeinen Festlegungen treffen. Sinn der botanischen Gärten war ja zu versuchen, ob allerlei fremde Gewürze und Arzneien auch in Europa überleben könnten. Die meisten Setzlinge überlebten jedoch nur in speziellen Herbatorien und konnten nie flächig eingesetzt werden, außer man fand eine Kolonie, die entsprechende Wachstumsbedingungen lieferte.
Dennoch hat man immer auch in den Kolonien versucht neuartige und tropische Gewächse flächig anzubauen. Dabei entschied jedoch oft das Glück, oder vielmehr die Neigung einer Pflanze sich anzupassen und auch mit widrigeren Bedingungen fertigzuwerden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben