Bundeswehr und NVA; erlebter Kalter Krieg

Xander

Aktives Mitglied
Hallo Leute,
ich möchte hier mal ein Thema aufmachen, in dem Leute aus ihrer Dienstzeit bei der NVA oder Bundeswehr während des Kalten Krieges berichten. Dabei sollten hier nur Geschichten gepostet werden, die die besondere Situation im Kalten Krieg schildern.



Vielleicht gibt es ja neben mir noch weitere Überlebende dieser Epoche, die hier etwas erzählen können!? :winke:


Hoffe es kommt einiges Interessantes zusammen!


Gruß
Andreas





Hier meine Story:



Oldenburg im November 1982 (das Land wurde noch nicht am Hindukusch verteidigt).
Ein mehrtägiges Manöver mit Panzern im Raum Oldenburg-Wildeshausen ist angesetzt. Ich hatte dieses Event als Panzerfahrer mitgemacht.
Unser Zug stellte den Angreifer (Rotland) dar und war am ersten Tag recht erfolgreich, erfolgreicher, als es die Manöverleitung geplant hatte.


Am zweiten Tag wurden unsere "erfolgreichen" Angriffe plötzlich gestoppt und es hieß, wir sollten uns in einem bestimmten Wald sammeln (Foto). Dort trafen nach und nach weiter Fahrzeuge diverser Kompanien ein. Alle waren wegen des plötzlichen Übungsabbruches recht ratlos. War „Rotland“ zu gut? Fast einen halben Tag saßen wir in dem Wald fest. Keine neuen Befehle, keine Infos. Gammeln bei nasskaltem Wetter war angesagt.


Endlich am späten Nachmittag sickerten erste Nachrichten durch: es war der 10.11. und Breschnew war gestorben! Um den Ostblock und die führungslose UdSSR nicht zu provozieren und nicht den Eindruck von Angriffsvorbereitungen zu erwecken, wurden im Westen alle Übungen abgebrochen! Sensible Zeiten!

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Nun,da habe ich genau den umgekehrten Fall:Ich war 1977/78 in Wetzlar bei einer Artillerie-Spezialeinheit und erinnere mich an ein besonderes Manöver. daß im nordfränkischen Raum ablief. Wir waren in Funkwagen unterwegs und jeder dieser Wagen stand stellvertretend für eine oder zwei ganze Einheiten und so haben wir mit 20 Funkwagen ein ganzes Großmanöver simuliert Natürlich mit dem Wissen,daß die Jungs von der NVA mithörten und annahmen,daß hier tatsächlich die halbe Bundeswehr auf dem Marsch war. Und nachdem,was von dort aufgefangen wurde,wurde dieses ziel wohl auch erreicht.Die waren recht aufgeregt.
Es war am 30. April 1978 und gerade hatten sich in Afghanistan Taraki,Amin und Karmal an die Macht geputscht.Ich nehme heute an das "Scheinmanöver" diente der Ablenkung des Warschauer Paktes, den man damit am Eingreifen im mittleren Osten hindern wollte.

An was ich mich auch erinnere war,daß man die heimischen Terroristen der RAF als gemeiner Soldat als größere Bedrohung ansah als die russische Armee -die griff bekanntlich zwar am Freitag mittag an,wenn die Bundeswehr heimfuhr, blieb aber im Stau am Kirchheimer Dreieck stecken.
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin

hier noch eine weiter Geschichte aus meiner Dienstzeit.

Meine 3 Monate Grundausbildung hatte ich 1982 in Schwanewede (nördl. Bremen) geleistet.
In dieser Zeit war mein Vater für mehrere Wochen in Moskau und Leningrad auf Dienstreise. Von ihm bekam ich alle paar Tage Briefe und Postkarten.

In der Kaserne war es üblich, dass beim Antreten vor dem Mittagessen die Post verteilt wurde. Meine Post aus der UdSSR wurde mir nicht direkt gegeben, sondern es hieß dann immer: „Panzerschütze I. die Post beim Kompaniechef abholen! Marsch, marsch!!!“

Beim Kompaniechef gab es dann, neben der Post, einen kommentarlosen kritischen Blick mit auf den Weg!

Ich habe keine Ahnung, ob die Briefe geöffnet wurde, sie sahen jedenfalls ungeöffnet aus!? Irgendwie total albern. Die Aktion sollte wohl nur demonstrieren „dich haben wir unter Beobachtung“.

Interessant war zudem, dass sowohl mein Vater als auch sein Geschäftspartner in Moskau im 2.Weltkieg bei Leningrad gekämpft hatten und beide nun einen Sohn hatten, der gerade seinen Wehrdienst bei den Panzern absolvierte. Bei reichlich Vodka wurde da recht ausgiebig philosophiert und gehofft, dass wir nicht eines Tages aneinanderrasseln würden.

Gruß
Andreas
 

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An was ich mich auch erinnere war,daß man die heimischen Terroristen der RAF als gemeiner Soldat als größere Bedrohung ansah als die russische Armee -die griff bekanntlich zwar am Freitag mittag an,wenn die Bundeswehr heimfuhr, blieb aber im Stau am Kirchheimer Dreieck stecken.

Na, ja, nach meiner Erfahrung war die Sowjetarmee eindeutig besser als die NVA, was sich mir bei einem Manöver an der Oder darstellte - und ganz klar der Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Soldaten geschuldet war.
Daher hieß es allgemein, dass die NVA - im Falle eines Angriffes - durchhalten müsse, bis eine (richtige) Armee zur Stelle wäre.

Meine Erinnerungen an den kalten Krieg betreffen 2 Punkte:

Wir wurden - besonders bei Wachdienst im Feldlager - angehalten (vergattert), auf Fahrzeuge ausländischer militärischer Verbindungsmissionen (Amerik., Briten, Franzosen) zu achten, die den gesperrten militärischen Bereich verletzten. Bei Sichtung wurde dann versucht, diese einzukeilen und an der Weiterfahrt zu hindern. Mehr durfte die NVA allerdings nicht. Die "Verhaftung" nahmen dann die Sowjets (Alliierte Macht) vor.

Unter anderem vor Feiertagen wurde immer ein sogenannter "Sicherheitsbefehl" ausgerufen/-gegeben. Mit der Folge, dass die 15 % Urlaubsquote peinlichst genau eingehalten wurde. Das war absolut nervig und in unseren Augen auch völlig unsinnig. Wir wußten natürlich, dass Freitag Mittag bei der BW Feierabend war. Welche Truppe hätte also Weihnachten angreifen sollen? Na, ja, jetzt ist es Geschichte.

Grüße
excideuil
 
naa, das Theater hatten wir denn mit sowjetischen Beobachtern.
Interessant waren immer die Manöverberichte über die NVA im Zusammenspiel mit der "Glorreichen Sowet-Union" in der aktuellen Kamera. Haben zwar nicht alle geguckt, aber die, die´s geguckt haben, hats beruhigt.
Soo hätten die die 70 km pro Einheit und 200 km Gesamtvorstoß im Ernstfall nie geschaft.
Dafür sind denn doch zuviele "grundlos" ausgefallen. Es rauchte hier und klemmte da
 
Na, ja, nach meiner Erfahrung war die Sowjetarmee eindeutig besser als die NVA, was sich mir bei einem Manöver an der Oder darstellte - und ganz klar der Rücksichtslosigkeit gegenüber ihren Soldaten geschuldet war.
Daher hieß es allgemein, dass die NVA - im Falle eines Angriffes - durchhalten müsse, bis eine (richtige) Armee zur Stelle wäre.

Eine derartige Aussage überrascht mich. Für welchen Zeitraum gilt das und an welchem Vergleich hat sich das Urteil festgemacht.

War die Rote Armee besser, weil sie rücksichtsloser war?
 
...
Wir wurden - besonders bei Wachdienst im Feldlager - angehalten (vergattert), auf Fahrzeuge ausländischer militärischer Verbindungsmissionen (Amerik., Briten, Franzosen) zu achten, die den gesperrten militärischen Bereich verletzten. Bei Sichtung wurde dann versucht, diese einzukeilen und an der Weiterfahrt zu hindern. Mehr durfte die NVA allerdings nicht. Die "Verhaftung" nahmen dann die Sowjets (Alliierte Macht) vor. ...

Moin

Finde es interessant, dass die Westbeobachter derart behindert werden durften!
Umgekehrt im Westen sah es so aus, dass wir das Auftauchen der sowjetischen Beobachter umgehend zu melden hatten. Auf keinen Fall durften wir sie behindern (es sei denn, sie wollten z. B. ein Kasernengelände betreten).

Gruß
Andreas
 
Eine derartige Aussage überrascht mich. Für welchen Zeitraum gilt das und an welchem Vergleich hat sich das Urteil festgemacht.

War die Rote Armee besser, weil sie rücksichtsloser war?

Das ist in meinen Augen nicht überraschend.
Schon als kleiner Bub habe ich die russischen Regulierer, die an Kreuzungen ausgestellt wurden, und dann tagelang nicht versorgt wurden, erlebt. Die dann froh waren, wenn eine Frau aus meinem Dorf ihnen was zu essen brachte...

Die Sowjetarmee war härter als die NVA. Da galt Dienst stehen noch dem Wort entsprechend: Weißes Quadrat, in dem der UvD stand!
Ich könnte dies nicht berichten, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte. Im Rahmen eines Sportwettkampfes zwischen den Partnerregimentern durften wir einen Kompaniebereich besichtigen. War die NVA karg, waren die Sowjets spartanisch.

Wie auch immer, wir haben sportlich verloren.

Eines muss man den Sowjets lassen, sie sind gastfreundlich. Und das russische Brot aus der Feldbäckerei ist unübertroffen.

Das Manöver Anfang der 80iger an der Oder sah vor, dass NVA und Sowjets je ein Brückenglied zur Brücke zusteuern. Die Sowjets waren vor uns fertig. Im Pontonbrückenbau um Längen! Und das geht nicht, ohne die Sicherheit der Soldaten zu negieren.

Grüße
excideuil
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin

Finde es interessant, dass die Westbeobachter derart behindert werden durften!
Umgekehrt im Westen sah es so aus, dass wir das Auftauchen der sowjetischen Beobachter umgehend zu melden hatten. Auf keinen Fall durften wir sie behindern (es sei denn, sie wollten z. B. ein Kasernengelände betreten).

Gruß
Andreas

Sie durften behindert werden, wenn sie die ausgeschilderten militärischen Sperr-Bereiche, die für sie tabu waren befuhren. Wie gesagt, festnehmen durften sie nur die Sowjets. Im Grunde also nur ein alliiertes Katze und Maus Spiel.

Grüße
excideuil
 
Das ist in meinen Augen nicht überraschend.
Schon als kleiner Bub habe ich die russischen Regulierer, die an Kreuzungen ausgestellt wurden, und dann tagelang nicht versorgt wurden, erlebt. Die dann froh waren, wenn eine Frau aus meinem Dorf ihnen was zu essen brachte...

Die Sowjetarmee war härter als die NVA. Da galt Dienst stehen noch dem Wort entsprechend: Weißes Quadrat, in dem der UvD stand!
Ich könnte dies nicht berichten, wenn ich es nicht selbst gesehen hätte. Im Rahmen eines Sportwettkampfes zwischen den Partnerregimentern durften wir einen Kompaniebereich besichtigen. War die NVA karg, waren die Sowjets spartanisch.

Wie auch immer, wir haben sportlich verloren.

Eines muss man den Sowjets lassen, sie sind gastfreundlich. Und das russische Brot aus der Feldbäckerei ist unübertroffen.

Das Manöver Anfang der 80iger an der Oder sah vor, dass NVA und Sowjets je ein Brückenglied zur Brücke zusteuern. Die Sowjets waren vor uns fertig. Im Pontonbrückenbau um Längen! Und das geht nicht, ohne die Sicherheit der Soldaten zu negieren.

Grüße
excideuil

@excideuil

Du hast vollkommen recht. Die Situation der sowjetischen Soldaten (Mannschaftsdienstgrade) in der DDR (GSSD) war katastrophal und inhuman. Zwei Jahre Dienstzeit ohne Ausgang und m.w. nur zweimal Urlaub, Kompanieschlafsaal etc.

Ich persönlich hatte als Soldat bei den GT niemals Kontakt zu sowjetischen Soldaten, da man uns auf den negativ Kontakt vorbereiten mußte, und zwar verstärkte Grenzsicherung infolge von bewaffneten Dersertionen. Ich erinnere auch einige derartige Alarmsituationen.

Zurück zu Deinem Manöver. Was meinst Du, welcher NVA General hätte karrieretechnisch eine bessere Leistung in einem Manöver im Vergleich zu sowjetischen Einheiten "überlebt"?

M. :winke:
 
Zurück zu Deinem Manöver. Was meinst Du, welcher NVA General hätte karrieretechnisch eine bessere Leistung in einem Manöver im Vergleich zu sowjetischen Einheiten "überlebt"?

Das kann ich für die Linieneinheiten (Mot-Schützen, Panzer) natürlich nicht beantworten.

Das Pontonregiment in Havelberg unterstand direkt dem Militärbezirk V in "Neubrandweindorf" (Neubrandenburg) und wurde kommandiert von einem Urgestein. Der war Oberst und damit am Ende seiner Karriere. Und ob wir besser oder schlechter im Vergleich mit den Sowjets waren hat meines Wissens keinen wirklich interessiert. Die hohen "Tiere" wussten doch selbst, wie der Hase lief und zeitlich haben wir für NVA-Verhältnisse eine klasse Leistung abgeliefert.

Entscheidend war der "Regimenter" allerdings bei der Regimentsübung. Erfolg wurde organisiert. Und der "Alte" kannte jeden bis einschließlich Gen.Oberst Stechbarth (Chef der Landstreitkräfte), mit dem er per du war. Klar wie die Übung bei bester Bewirtung der Generale endete. Mit "Sehr gut".

Sicher, ist nicht so die Antwort, die du dir erhofft hast, aber so wie sich die Truppe mir damals dargestellt hat, war vieles von sehr guten Beziehungen abhängig.

Grüße
excideuil
 
Nun ja, Vitamin B hilft nur dem , der´s hat :)). War aber bei der BW ähnlich.

Garnicht lustig war´s bei Uns, wenn mal wieder einer in Öbisfelde afgewacht ist. Mit der Bundesbahn nis Branschweig und in Zivil mit BW Gepäck in Peine einschlafen.
3 Tage später über Helmstedt zurück mit Hilfe der Feldjäger.

Ihr könnt Euch meine Erleichterung vorstellen, als ich vom Dienst kommend, mit vollem Seesack in Vorsfelde auf dem Abstellgleis auf gewacht bin !!
 
Nun ja, Vitamin B hilft nur dem , der´s hat :)). War aber bei der BW ähnlich.

Garnicht lustig war´s bei Uns, wenn mal wieder einer in Öbisfelde afgewacht ist. Mit der Bundesbahn nis Branschweig und in Zivil mit BW Gepäck in Peine einschlafen.
3 Tage später über Helmstedt zurück mit Hilfe der Feldjäger.

Ihr könnt Euch meine Erleichterung vorstellen, als ich vom Dienst kommend, mit vollem Seesack in Vorsfelde auf dem Abstellgleis auf gewacht bin !!

ist damit gemeint, daß Bw-Soldaten in dienstfreier Zeit im Zug verschlafen haben und erst jenseits (d. h. östlich) der deutsch-deutschen Grenze aufgewacht sind?
 
Ich leistete in den 80er Jahren meinen Wehrdienst bei einer Begleitbatterie ab, die ein Sondermunitionslager bewachte.

Im Sondermunitionslager befand sich "Ich-darf-nicht-darüber-sprechen"-Munition. Wenn im Manöver deren Verschuss geübt wurde, konnte man regelmäßig folgendes beobachten: vor dem Abschuss gab es ABC-Alarm, den Abschussmechanismus betätigte ein US-Soldat und nach dem Abschuss ertönte der Ruf "Blitz" mit Uhrzeitvariationen ("Uhrzeit" war die Richtung, in die man sich auf den Boden werfen musste). Es war ein offenes Geheimnis, dass wir atomare Gefechtsfeldmunition bewachten.

Das Lager befand sich in einiger Entfernung von unserer Kaserne in einem Wald. Es hatte drei Bereiche, die jeweils mit hohen Zäunen und Stacheldraht gesichert waren. Es gab einen äußeren Bereich, einen Rundgang und einen Innenbereich sowie einen Wachgebäudekomplex und zwei Wachtürme. Im Innenbereich befanden sich die beiden Munitionsbunker. Über den Zutritt ins Lager entschieden die deutschen Soldaten, über den Zutritt in den Innenbereich US-Soldaten. Diese befanden sich im Gebäudekomplex durch eine abschliessbare Tür von BW-Soldaten getrennt. Für den Alarmfall bzw. den Alarmübungsfall gab es Türen über die der Innenbereich von den BW-Soldaten direkt betreten werden konnte. Hierüber musste allerdings den GIs Bescheid gegeben werden.

Der Dienst sah meist so aus, dass wir eine Woche Wachdienst hatten und dann eine Woche dienstfrei (zur Erholung) zzgl. normalen Urlaub. Einen großen Teil der BW-Zeit befand ich mich also zu Hause. Dafür war der Wachdienst stressig (wenn man wie ich einen ambitionierten stellv. Zugführer hatte) und lausig (wenn man in der anderen Hälfte des Zuges war). Während des Wachdienstes war im Tageswechsel die eine Hälfte des Zuges im Lager, währenddessen die andere Hälfte in der Kaserne Bereitschaftsdienst hatte. Bereitschaftsdienst bedeutete, dass man überall zusammen hinging und das gesamte Geraffel (Waffen, Helm, ABC-Tasche, etc.) mit sich herumschleppte. Für die Soldaten der anderen Einheiten in der Kaserne waren wir wohl einfach nur die "Spinner".

Mein (stellv.) Zugführer war ambitioniert, dh. es wurde jeden Tag "Alarm" geübt. Da anfänglich niemand wusste, was man eigentlich tun musste, wurde wiederholt und wiederholt und wiederholt (häufig in der Nacht) bis alles so funktionierte wie sich der Herr Zugführer dies (warum auch immer) vorstellte. Die GIs werden sich ihren Teil gedacht haben, wenn mal wieder einer nachts an die Tür klopfte und erklärte, was der Lärm im Innenbereich zu bedeuten hatte. Regelmäßig gab es auch für den Bereitschaftsdienst Übungsalarme. Dann fuhr die sich in der Kaserne befindliche Zughälfte ins Lager und nahm dort entsprechende Positionen ein. Lustig wurden diese Alarmfahrten, wenn die Amerikaner am Kasernentor mit Trompetenspieler ihre Flagge einholten, die Soldaten in den anderen Fahrzeugen alle ausstiegen, um ihren Respekt zu erweisen, infolgedessen der gesamte Bereich verstopft war und wir angedonnert kamen, um innerhalb der Zeitvorstellungen des Herrn Zugführers beim Lager zu sein.

An den normalen BW-Aktionen wie "Nato-Alarm" nahmen wir nicht teil. Wir hatten unsere eigenen Manöver. Da tauchten dann Amerikaner mit Stoppuhren auf, die prüften, ob auch alle Anforderungen/Szenarien innerhalb einer bestimmten Zeitspanne erfüllt wurden. Und da meine Zughälfte als besonders flott galt, "durften" wir das tun, währenddessen sich die andere Zughälfte nach dem Stand der Dinge erkundigte.

Bei einem größeren Manöver musste das gesamte Lager innerhalb einer bestimmten Zeitspanne geräumt werden. Das wurde im Vorfeld intensiv geübt. Als es dann so weit war, funktionierte eigentlich alles am Schnürchen, bis auf die Ausnahme, dass die Handvoll Amerikaner, die eigentlich nur ein "Wohnmobil" mit Essen und Schlafsack bepacken mussten, mit 45 Minuten Verspätung aus der Kaserne eintrafen. Da war der neue Zeitrekord dahin. Währenddessen wir warteten und warteten, lagen beim Zugführer die Nerven blank. Dem für den Manöverbeitrag der Amerikaner zuständigen junge Lieutenant wurde brüllend mitgeteilt dass sein Sergeant am nächsten Baum aufgehängt würde und als der dann endlich eintraf, flog ihm prompt ein handtellergroßer Dreckklumpen entgegen.

Im Manöver wurde mit Funkstille Richtung WESTEN in Kolonne gefahren. Im Ernstfall wäre die Sondermunition wohl verschossen worden, wenn die Rote Armee Rheinnähe erreicht hätte.
 
Abgesang des WP

Herbst 1989:

Zu dieser Zeit diente ich als Wachleiter der Backbordwache im Funkraum eines Zerstörers. Den KW-Empfänger hatte ich - zum Widerwillen meiner Truppe - auf die "Stimme der DDR" eingestellt. Entgegen den Berichten in ARD und ZDF mit Demonstrationen und Flüchtlingswelle, war auf dem DDR-Sender noch immer heile Welt. Die LPG "Frohe Zukunft" hatte den Plan deutlich übererfüllt. Das Schlachtgewicht der Mastschweine war innerhalb eines Jahres um x KG und y Gramm gestiegen.
:respekt:

Nach dem Wachwechsel switchte die Steuerbordwache stets auf einen peppigen dänischen Musiksender.
:nono:

Die Woche vom 09.10. bis zum 14.10. lagen wir in der Neustädter Bucht, es war zum wiederholten Male das allseits verhasste Schiffsicherungstraining angesagt. Auch eine der unvermeidlichen Seenotrettungsübungen fand statt. Ein Rauchgenerator sorgte für die nötige spektakuläre Kulisse und die für die Brandbekämpfung nicht erforderlichen Besatzungsteile sammelten an den Ausbootungsstellen. Der polnische Marineschlepper "Piast" - zuvor lediglich ein aufmerksamer Beobachter - kam nun auf Megaphonrufweite heran.

"Können wir Ihnen helfen?" kam vom Polen.
"Danke nein, es handelt sich nur um eine Übung" gaben wir zurück.
"Soll ich mich als Schlepperhilfe bereithalten?"
"Danke, es ist nur eine Übung, Schlepperhilfe ist nicht nötig".
"Brauchen Sie vielleicht Proviant?"
Hähh, 30 Minuten Fahrzeit zu einem deutschen Hafen und Lebensmittel?
"Nein, vielen Dank für Ihr Angebot".
"Brauchen Sie vielleicht ... "
"Vielen Dank, aber wir sind rundum versorgt. Einen schönen Tag noch. Ende".

So waren die Polen, schon längst hatten die sich innerlich aus dem Warschauer Pakt verabschiedet.

Eine Geleitzugübung am 13.11.1989 in der Ostsee südlich von Malmö. Zwei Zerstörer und eine Fregatte der Bundesmarine eskortierten einen Marinetanker und ein Troßschiff. Eine sowjetische Fregatte der MIRKA-Klasse beobachtete uns pflichtgemäß aber sichtlich gelangweilt. Gemäß den Vereinbarungen zwischen WP und NATO hielt er den aus Sicherheitsgründen vereinbarten Mindestabstand pingelig ein.

Von achtern kam ein Schnellboot der OSA-Klasse schnell näher und jagte tollkühn zwischen unseren gemächlich fahrenden Verband hindurch. Es war die "Albert Gast" der Volksmarine. Er kam bei uns achtern auf der Steuerbordseite auf, um dann kurz hinter unserem Heckspiegel nach Backbord zu ziehen. Danach heizte er an unserer Backbordseite entlang. Bei der Bundesmarine war es Pflicht, DDR-Kriegssschiffe mit den gleichen Ehrenbezeugungen zu grüßen wie eigene Schiffe. Also kam die Durchsage "Front nach Backbord". Wie bei der NVA üblich, ignorierten die DDR-Offiziere natürlich diese Ehrenbezeugung. Auf dem Achterschiff jedoch meinten zwei Soldaten uns den Mittelfinger zeigen zu müssen. Ja so kannten wir unsere roten Vettern von der Volksmarine. Stets vollendet höflich. Dann zog die "Albert Gast" kurz vor unserem Bug wieder nach Steuerbord. Unser alter NO meinte nur trocken: "3 x AK voraus und die NVA hat statt einem kurzen Schnellboot zwei sehr kompakte Boote". Aber so was hätte die Bundesmarine nie getan - wir waren ja eine Marine mit guten Manieren.:kuscheln:

Am Wochenende wieder an Land - es wird wohl der 19. November gewesen sein - war ich aus irgend einem mir entfallenen Grund in Lübeck. Die ganze Stadt war vollkommen mit Trabbis und Wartburg zugeparkt. Am Lübecker Bahnhof ging ich in einem Zeitschriftenladen. Vor der Tür stand eine alte Dame mit einer Bananenkiste. Als ich vorbei ging, bot die Dame mir eine Banane an. Perplex nahm ich das Geschenk an. Daraufhin fragte die Dame "Haben Sie ihr Begrüßungsgeld schon abgeholt?". Nun musste ich doch sofort nachschauen, ob vielleicht jeweils die drei Streifen von meinem Turnschuh abgefallen waren. Die schwarze Lederjacke hätte man ja auch problemlos für DDR-Ware halten können.

P.S.: Obwohl wir natürlich geplant hatten, die "Albert Gast" am 03.10.1990 zu besuchen und bei der feierlichen Flaggenhissung der 'BRD'-Flagge dabei zu sein, wurde uns dieses Vergnügen genommen. Am 01.10.1990 stellte die NVA das Schnellboot ausser Dienst. So entging sie dem Schmach, die Flagge des Klassenfeindes hissen zu müssen. Nun ja, Schwamm drüber.
 
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Moin

Finde es interessant, dass die Westbeobachter derart behindert werden durften!
Umgekehrt im Westen sah es so aus, dass wir das Auftauchen der sowjetischen Beobachter umgehend zu melden hatten. Auf keinen Fall durften wir sie behindern (es sei denn, sie wollten z. B. ein Kasernengelände betreten).

Gruß
Andreas

Ein Franzose ist bei so einer Aktion mal umgekommen.
 
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