Burschenschaften

RiOn

Neues Mitglied
hallo ich wollte ma so die meinungen zum thema burschenschaften hören.....wie findet ihr sie oder wie interpretiert ihr sie?
 
Kommt drauf an, worauf du hinaus willst. Interessieren dich Burschenschaften eher aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Bedeutung in der Gesellschaft, ihren politischen Einflüssen, namhafte Mitglieder von Burschenschaften oder doch der größtenteils braune Sumpf der davon heute noch übrig ist?
 
Die ersten Burschenschaften entstanden nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon, wobei sich v.a. Studenten aus den Freikorps zusammentaten. Sie setzten sich v.a. für einen deutschen Staat im Rahmen einer konstitutionellen Demokratie ein. Auf den Programmen vieler Bruderschaften wurde u.a. auch die Pflicht des einzelnen sich für die Gesellschaft als Ganzes einzusetzen betont. Im Vordergrund stand jedoch die vaterländische Gesinnung, die zum ersten Mal im Großen beim Wartburgfest (17. Oktober 1817) demonstriert wurde. Beim Wartburgfest kam es auch zu einer Bücherverbrennung undeutscher Schriften (z.B. der Code Napoleon, aber auch Schriften jüdischer Autoren). Im Rahmen des Wartburgfestes wurde auch ein gemeinsames politisches Programm aller Burschenschaften festgelegt, die hauptsächlich nationalstaatlich/liberal ausgelegt waren, aber in das Konstrukt einer Monarchie eingebettet waren.

Bereits im Jahr 1819 kam es bei den sog. Hep-Hep-Krawallen zu Ausschreitungen von Burschenschaftlern und Bürgern zu Anschlägen auf Juden. Nach dem Attentat eines Burschenschaftlers auf Kotzebue im gleichen Jahr (sein Werk "Geschichte des deutschen Reichs" stand auch auf dem Verbrennungsindex der B.) wurden die Burschenschaften an den Universitäten verboten und deren bekannte Mitglieder beobachtet und z.T. auch verfolgt. Erst mit der Pariser Julirevulotion wurden die Verbote wieder gelockert und da viele Burschenschaftler während der 48er Revolution besonderen Einsatz zeigen wurden die Verbote von der Nationalversammlung wieder aufgehoben.

Mit der Einigung des deutschen Reiches 1871 zogen sich die Burschenschaften aus dem aktiven politischen Leben vermehrt zurück, hatten passiv aber durchaus noch Einfluss auf das politische Geschehen. In der Weimarer Rebublik schlug sich v.a. die sog. Deutsche Burschenschaft auf die Seite der nationalistischen Republikgegner und vertrat einen ausgeprägten Antisemitismus. Demzufolge wurde die Machtergreifung Hitlers vom Großteil der Mitglieder Deutscher Burschenschaften begrüßt und z.T. gar mitgetragen. Auch die Organisation der frühen Bücherverbrennungen wurde teilweise von den Deutschen Burschenschaften organisiert und durchgeführt. Die Burschenschaften wurden durch das Naziregieme zunächst gefördert, nach und nach aber unter Druck gesetzt sich dem NS-Studentenbund einzugliedern.

Nach 1945 wurden viele Burschenschaften neu gegründet und sind heute wieder im Dachverband der Deutschen Burschenschaften zusammengefasst, wobei die Deutsche Burschenschaft ihr altes Programm wieder aufleben ließ. Einige örtliche Burschenschaften werden aufgrund rechter Gesinnung sogar durch den Verfassungsschutz übertwacht.

Neben diesen "klassischen" Burschenschaften gibt es allerdings noch konfessionelle und liberale Dachverbände von Studentenverbindungen die oft auch unter der Bezeichnung "Burschenschaft" laufen und politisch nicht im rechtsradikalen Bereich anzusiedeln sind.

Einige namhafte Burschenschaftler:
Konrad Duden
Otto Loewi
Theodor Mommsen
Franz Oppenheimer
Ferdinand Porsche
Max Weber
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Theodor Storm
Eberhard Diepgen
Ferdinand Lassalle
Gustav Stresemann

Zum nachklicken:
http://www.burschenschaften.info/
http://www.burschenschaft.de/geschichte/geschichte.htm#index1
http://www.frankfurter-verbindungen.de/korporierte/
http://www.taz.de/pt/2002/10/12/a0353.nf/text.ges,1

Zum nachlesen:
Diana Auth, Alexandra Kurth: "Männerbündische Burschenherrlichkeit. Forschungslage und historischer Rückblick"
Dietrich Heither, Gerhard Schäfer: "Studentenverbindungen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus"
 
Lili schrieb:
Einige namhafte Burschenschaftler:
Konrad Duden
Otto Loewi
Theodor Mommsen
Franz Oppenheimer
Ferdinand Porsche
Max Weber
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Theodor Storm
Eberhard Diepgen
Ferdinand Lassalle
Gustav Stresemann

... und zum Beispiel Karl Marx ;)
 
Die ersten Burschenschaften entstanden nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon, wobei sich v.a. Studenten aus den Freikorps zusammentaten. Sie setzten sich v.a. für einen deutschen Staat im Rahmen einer konstitutionellen Demokratie ein. Auf den Programmen vieler Bruderschaften wurde u.a. auch die Pflicht des einzelnen sich für die Gesellschaft als Ganzes einzusetzen betont. Im Vordergrund stand jedoch die vaterländische Gesinnung, die zum ersten Mal im Großen beim Wartburgfest (17. Oktober 1817) demonstriert wurde. Beim Wartburgfest kam es auch zu einer Bücherverbrennung undeutscher Schriften (z.B. der Code Napoleon, aber auch Schriften jüdischer Autoren). Im Rahmen des Wartburgfestes wurde auch ein gemeinsames politisches Programm aller Burschenschaften festgelegt, die hauptsächlich nationalstaatlich/liberal ausgelegt waren, aber in das Konstrukt einer Monarchie eingebettet waren.

Bereits im Jahr 1819 kam es bei den sog. Hep-Hep-Krawallen zu Ausschreitungen von Burschenschaftlern und Bürgern zu Anschlägen auf Juden. Nach dem Attentat eines Burschenschaftlers auf Kotzebue im gleichen Jahr (sein Werk "Geschichte des deutschen Reichs" stand auch auf dem Verbrennungsindex der B.) wurden die Burschenschaften an den Universitäten verboten und deren bekannte Mitglieder beobachtet und z.T. auch verfolgt. Erst mit der Pariser Julirevulotion wurden die Verbote wieder gelockert und da viele Burschenschaftler während der 48er Revolution besonderen Einsatz zeigen wurden die Verbote von der Nationalversammlung wieder aufgehoben.

Mit der Einigung des deutschen Reiches 1871 zogen sich die Burschenschaften aus dem aktiven politischen Leben vermehrt zurück, hatten passiv aber durchaus noch Einfluss auf das politische Geschehen. In der Weimarer Rebublik schlug sich v.a. die sog. Deutsche Burschenschaft auf die Seite der nationalistischen Republikgegner und vertrat einen ausgeprägten Antisemitismus. Demzufolge wurde die Machtergreifung Hitlers vom Großteil der Mitglieder Deutscher Burschenschaften begrüßt und z.T. gar mitgetragen. Auch die Organisation der frühen Bücherverbrennungen wurde teilweise von den Deutschen Burschenschaften organisiert und durchgeführt. Die Burschenschaften wurden durch das Naziregieme zunächst gefördert, nach und nach aber unter Druck gesetzt sich dem NS-Studentenbund einzugliedern.

Nach 1945 wurden viele Burschenschaften neu gegründet und sind heute wieder im Dachverband der Deutschen Burschenschaften zusammengefasst, wobei die Deutsche Burschenschaft ihr altes Programm wieder aufleben ließ. Einige örtliche Burschenschaften werden aufgrund rechter Gesinnung sogar durch den Verfassungsschutz übertwacht.

Neben diesen "klassischen" Burschenschaften gibt es allerdings noch konfessionelle und liberale Dachverbände von Studentenverbindungen die oft auch unter der Bezeichnung "Burschenschaft" laufen und politisch nicht im rechtsradikalen Bereich anzusiedeln sind.

Einige namhafte Burschenschaftler:
Konrad Duden
Otto Loewi
Theodor Mommsen
Franz Oppenheimer
Ferdinand Porsche
Max Weber
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Theodor Storm
Eberhard Diepgen
Ferdinand Lassalle
Gustav Stresemann

Zum nachklicken:
http://www.burschenschaften.info/
http://www.burschenschaft.de/geschichte/geschichte.htm#index1
http://www.frankfurter-verbindungen.de/korporierte/
http://www.taz.de/pt/2002/10/12/a0353.nf/text.ges,1

Zum nachlesen:
Diana Auth, Alexandra Kurth: "Männerbündische Burschenherrlichkeit. Forschungslage und historischer Rückblick"
Dietrich Heither, Gerhard Schäfer: "Studentenverbindungen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus"

Wobei anzumerken ist, dass in Deutschland nur 10-15% der Studentenverbindungen Burschenschaften sind. In Österreich sind es noch weniger, und in der Schweiz gibt es keine Burschenschaften.
So einfach war aber die Geschichte in den 1930er Jahre aber nicht. Es gab wohl einige, Hitlerfreundliche Burschenschaften, doch waren sie, im gesamten gesehen, bloss eine Minderheit. Spätestens ab 1935 mit der verschärften "Gleichmachungs-Politik" wurden alle Studentenverbindungen, einschliesslich der Burschenschaften, enteignet, aufgehoben und teilw. verfolgt. Nach 1945 folgten viele Burschenschaften einem nationalistischen, aber nicht nationalsozialistischen Kurs. Es gibt aber bis heute leider einige, welche dem Traum des sogenannten "3. Reiches" nachhängen. Diese Wenigen bescheren aber leider den schlechten Ruf über alle Verbände.
 
Es gibt aber bis heute leider einige, welche dem Traum des sogenannten "3. Reiches" nachhängen. Diese Wenigen bescheren aber leider den schlechten Ruf über alle Verbände.

Geht der Blick nur zurück ins 3. Reich ?
Liegt es vielleicht an der unzureichenden Geschichtsaufarbeitung schon des 19. Jahrh. einiger Burschenschaften ?
Schon in der Jenaer Urburschenschaft war den Juden, die maßgeblich die neue intellektuelle Elite des Vormärz bilden, die Mitgliedschaft verwehrt, obwohl diese prozentual stark schon an den Befreiungskriegen beteiligt waren .
Nationalistisch - rassische Ressentiments waren von Anbeginn ein Merkmal vieler Burschenschaften.
 
Geht der Blick nur zurück ins 3. Reich ?
Liegt es vielleicht an der unzureichenden Geschichtsaufarbeitung schon des 19. Jahrh. einiger Burschenschaften ?
Schon in der Jenaer Urburschenschaft war den Juden, die maßgeblich die neue intellektuelle Elite des Vormärz bilden, die Mitgliedschaft verwehrt, obwohl diese prozentual stark schon an den Befreiungskriegen beteiligt waren .
Nationalistisch - rassische Ressentiments waren von Anbeginn ein Merkmal vieler Burschenschaften.

Nun, Nationalistisch eingestellt war die Urburschenschaft um 1815 bestimmt, da gerade dies ja das Ziel der Bewegung war: Eine eigene Nation, eine eigene Identität. Die "Kleinstaaterei" wurde bekämpft. Es galt diese "aufzugeben" zugunsten eines einheitlichen "Deutschlands", was 1871 auch grösstenteils erfüllt wurde.
Dass Juden der Urburschenschaft nicht beitreten durften, beruht auf das damaligen "christliche Prinzip" der Burschenschaft. Die christliche Religion wurde von den Gründern ebenso wichtig eingeschätzt wie die Idee eines deutschen Staates. Wobei es auch beim christlichen Glauben Differenzen gab. So wurden die Studenten der Universitäten von Wien und Freiburg im Br. als Katholiken bewusst nicht an das Wartburger Fest von 1817 eingeladen.
Bei den meisten Burschenschaften, welche sich nach der Auflösung der Urburschenschaft (1819) wieder formierten, wurde das gemeinsame Prinzip (Glaube und Nationalstaat) aufgegeben, weshalb sich dann vorwiegend konfessionelle oder nationale Burschenschaften bildeten, wobei letztere in der Mehrheit waren, da konfessionelle Verbindungen das Menurprinzip zumeist grundsätzlich ablehn(t)en. Aber das Juden nicht in die Urburschenschaft eintreten konnten, würde ich nicht unbedingt als Merkmal von rassischen Ressentimenten bezeichnen. Wohl mag bei einzelnen Mitgliedern dies eine Rolle gespielt haben, im Ganzen war wohl das christliche Prinzip für den Nichteintritt entscheidend, Bei den später national eingestellten Burschenschaften konnten Juden bei den meisten normal Mitglied werden, wobei sich auch speziell jüdische Korporationen bildeten.
 
Bei den später national eingestellten Burschenschaften konnten Juden bei den meisten normal Mitglied werden, wobei sich auch speziell jüdische Korporationen bildeten.

Na ja, anfangs war das durchaus möglich. Viele Verbindungen (um das ganze mal etwas allgemeiner zu halten) hatten damals vor dem 3. Reich Jüdische Mitglieder.
Aber schon davor gab es Antisemitische Tendenzen, siehe: Jüdische Studentenverbindung
Und noch ein Auszug aus der Wikipedia:
1920 beschloss die „Deutsche Burschenschaft“ auf dem Eisenacher Burschentag den Ausschluss aller Juden und mit Juden Verheirateten.
Eigentlich schon ein sehr krasser Zug.
 
Wenn man von heutigen Burschenschaften spricht - wer ist da gemeint ?

Da es Studenten-Corps und ! Burschenschaften gibt !
Die Tradition ist ähnlich lang.

Diese haben durchaus unterschiedliche Zielsetzungen - die Corps sind
zumeist sogar apolitisch verfasst ( obwohl sie teilweise noch schlagende
Verbindungen sind ) Es gibt sogar Corps für weibliche Studenten !
 
Wenn man von heutigen Burschenschaften spricht - wer ist da gemeint ?
Da es Studenten-Corps und ! Burschenschaften gibt !
Die Tradition ist ähnlich lang.

Da hast du völlig recht, aber ich denke nicht, das sich Corps Studenten auf die Jenaer Urburschenschaft beziehen. ;)
Es gibt da nebenbei noch andere Strömungen, man denke an die ganzen Schwarzen Verbindungen, die Christlichen, die Sängerschaften usw...
Das Problem ist eben das heut zu Tage alle Verbindungsstudenten in einen Topf geworfen werden. Mir ging es aber "nur" um Burschenschaften.

Diese haben durchaus unterschiedliche Zielsetzungen - die Corps sind
zumeist sogar apolitisch verfasst ( obwohl sie teilweise noch schlagende
Verbindungen sind ) Es gibt sogar Corps für weibliche Studenten !

In der Tat sind die meisten Studentenverbindungen unpolitisch. Einzig die Burschenschaften im DB, der Deutschen Burscheschaft, (und früher der VVDSt) haben einen politischen Bezug drin.
 
Schwarze Verbindungen sind Studentenverbände, welche offiziell keine Farben besitzen, z.B. der KV (Kartellverband katholischer deutscher Studentenvereine). Wobei es die Bandbreite gibt von denen, die gar keine Verbindungsfarben tragen, bis zu jenen, bei denen die Farben nur öffentlich nicht getragen werden dürfen.
Dies dürfte sich wohl hauptsächlich auf die Situation vor 1968 beziehen, nach welcher die Farben auch an der Universität während den Vorlesungen getragen wurden, während die schwarzen Verbindungen die Farben nur an eigenen Anlässen im Verbindungshaus trugen.
 
Interessant ... aber irgendwie merkwürdig.
In Österreich sind "schwarze Verbindungen" schlichtweg die landläufige Bezeichnung aller katholischen (und Habsburgtreuen) Studenten- (CV) bzw. Mittelschul- (Gymnasial-/MKV-) Verbindungen.
Diese konnten entstehen, blühen und gedeihen in der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs, weil die aus der Urburschenschaft sich entwickelnden nationalen Hochschülerschaften einige Jahre nach 1848 offiziel verboten waren, für deutschnationale Gymnasialverbindungen galt das Verbot sogar für die gesamte Regierungszeit Franz Josephs in der K.u.K.- Monarchie.
 
Dies dürfte sich wohl hauptsächlich auf die Situation vor 1968 beziehen, nach welcher die Farben auch an der Universität während den Vorlesungen getragen wurden, während die schwarzen Verbindungen die Farben nur an eigenen Anlässen im Verbindungshaus trugen.

Also, "Schwarze" Verbindungen entwickelten sich schon bedeutend früher.
Sie entstanden als eine Art Gegenbewegung zu den bis dato bekannten Corps und Burschenschaften. Sie trugen keine Bänder oder Mützen und lehnten in der Regel die Mensur ab.
Aber, was die Farben bzw Couleur betrifft, gibt es da in der Tat einige Abstufungen. Es gibt Verbindungen die ihre Farben ganz abgelegt haben (also auch keine Fahne mehr), ebenso ihren Zirkel. Im Gegensatz dazu gibt es auch Verbindungen die Farbenführend sind, also Fahne, Zipfel und Anstecknadel (oder ähnliches) haben.

Wie ist das in Österreich?
 
Wie war das für Österreich?

Wie gesagt: interessant. Ich habe von diesen farb(en)losen "schwarzen Verbindungen", wie ihr sie beschreibt (klingen fast ein wenig freimaurerisch) für Österreich nie gehört, was nicht heißt, dass es nicht auch in den zwei ältesten deutschen Universitätsstädten (Prag und Wien) ;) von diesen welche gegeben hat. Bekanntheit oder besser Namhaftigkeit haben sie jedenfalls nicht erreicht.
Die rein burschenschaftliche Bewegung kommt nun mal definitiv aus euren mittel-norddeutschen Landen und Uni-Städten und hat für Wien und Prag lange eine gewisse Exotik beibehalten, hier blühten nach 1815 noch lange vorrangig Verbindungen nach dem althergebrachten Muster der Corps und Landsmannschaften. Klar: wir befinden uns hier im Kernland Metternich'scher Politik. Aber auch in einer grundsätzlich anderen Mentalität und Verhaltensweise. Der Österreicher ist ein gelernter Psychologe multinationalen Zusammenlebens. Liberale Bünde (ohne jedwede rassistisch-antsisemitische Tendenz) sind typisch für Wien oder Graz. Auf's fechten verzichten auch viele Verbindungen.
Bezeichnend ist aber, dass Hochschülerbünde nach den Idealen und mit all den Commersgesängen der Jenenser Nationalisten mit einiger Verspätung und Modifizierung (und auch Extremisierung) erst zur Zeit der "nationalistischen Zentrifuge" in der Donaumonarchie in größerer Menge entstanden (1870er-90er Jahre), als Österreichs Reichsrat von den nationalistischen Abgeordneten (vor allem der Tschechen und später auch Deutschen Böhmens und grundsätzlich eigentlich von den Ungarn) lahmgelegt war und sich die polit. Stagnation in einer explosiven Vereinsgründerzeit (Schul-, Kulturvereine, Studentenverbindungen etc.) Luft machte.
Wichtig dabei ist, dass das Verbot bzw. die Überwachung sämtlicher nationalen Kulturvereine, so natürlich auch deutschnationaler Burschenschaften nicht mehr aufrecht zu erhalten war und nach 1848 bis zur Regierung Taffee Stück für Stück gelockert worden waren.

Die teils extremistische (und selbstverständlich der kleindeutschen Lösung zugeneigten) Note in diesen Vereinsgründungen (darunter die Burschenschaften) verdanken wir einerseits der regressiven Unterdrückungs- und Restaurationspolitik von einem 3/4, wenn nicht ganzen Jahrhundert. Nicht alleine Metternich für die Regierungen Franz I und seines Sohnes Ferdinands, sondern vor allem Franz Josephs (bzw. seiner Mutter Sophie) erste zwei Regierungsjahrzehnte sind in ihrer erzkatholischen Rückwärtsgewandtheit, die man auch später nie wirklich abschütteln wollte, von beispielloser Antifortschrittlichkeit in Europa gewesen. Anstatt sich dem Feind jeder multikulturellen Gesellschaft, dem Nationalismus, zu stellen, wurde er in konspirative Hinterzimmer gedrängt, wo natürlich die extremen Flügel die Vereine zu dominieren begannen.

Viel machtloser war man aber andererseits gegenüber denen, die die nationalistischen Feuerchen von außen her anfachten.
Während die Vereine im Land scharf überwacht wurden, flossen (als Förderer des Deutschnationalismus') skurilerweise aus dem deutschen Reich ungehindert und zunehmend unverschämt kleindeutsch-nationale Töne, Schriften und sogar politische Noten nach Österreich (- in einer Diktion, die in ihrer Schärfe in Österreich bis dahin unbekannt war!). Auch das dt. Reich teilte Österreich ständig nach seinen Plänen auf.
Verständlich aber wiederum, dass man als Deutschsprachiger das willhelminische Deutschland als Garantie-/Vater-Schutz-Land ansah: die Agitation seitens Russlands mit seinem blutigen Panslawismus-Programm, die italienische Irredenta und all die anderen kleinen Balkan-Nationalismen waren eine derart schrille, alles darin Verständliche und Lösbare verzerrende Kakophonie, dass einem als Deutscher in dieser Monarchie längst Angst und Bange geworden war.

Aber, was die Farben bzw Couleur betrifft, gibt es da in der Tat einige Abstufungen. Es gibt Verbindungen die ihre Farben ganz abgelegt haben (also auch keine Fahne mehr), ebenso ihren Zirkel. Im Gegensatz dazu gibt es auch Verbindungen die Farbenführend sind, also Fahne, Zipfel und Anstecknadel (oder ähnliches) haben.

Wie ist das in Österreich?

Ich bin nicht der Kenner der Szene, aber es wird hier nicht anders (gewesen) sein, denke ich... Ein Bund, der weder Farben, Mütze, Band, Fahne führt, käme mir allerdings anachronistisch vor. Ein Ablegen aller Farben, Zeichen würde einer Stillegung der Verbindung gleichkommen, nicht?
Aber, ganz ehrlich, ich kann der Mehrzahl der heutigen Studentenverbindungen in Österreich, ob deutschnational oder katholisch-österreichisch nicht mehr allzuviel abgewinnen. Besonders die CV-Unkultur des Postenschachers, die seit den Tagen der letzten Habsburger ungebrochen blüht, hat etwas unseriöses und mancherorts sogar richtig ekles.
 
Interessant ... aber irgendwie merkwürdig.
In Österreich sind "schwarze Verbindungen" schlichtweg die landläufige Bezeichnung aller katholischen (und Habsburgtreuen) Studenten- (CV) bzw. Mittelschul- (Gymnasial-/MKV-) Verbindungen.
Diese konnten entstehen, blühen und gedeihen in der Regierungszeit Kaiser Franz Josephs, weil die aus der Urburschenschaft sich entwickelnden nationalen Hochschülerschaften einige Jahre nach 1848 offiziel verboten waren, für deutschnationale Gymnasialverbindungen galt das Verbot sogar für die gesamte Regierungszeit Franz Josephs in der K.u.K.- Monarchie.

Ich denke, in diesem Falle ist die landläufige mit der "offiziellen" Bedeutung nicht identisch, macht aber Sinn.
Während der Regierungszeit wahr es aber umgekehrt! Obwohl die Burschenschaften zunächst verboten waren, wurden sie doch toleriert und von der mehrheitlich liberalen Regierung ab ca. 1870 gefördert. Obwohl der Kaiser selbst erzkatholisch war, waren die Lehrstühle der Universitäten hauptsächlich mit liberalen Professoren besetzt, welche sich während des Kulturkampfes klar auf die Antikirchliche Seite legten. Die Burschenschaften und Corps wurden bis ca. 1914 unterstützt, während die Katholischen Verbindungen, als nichtschlagend, als Minderwertig betrachtet wurden. Die AV Austria zu Innsbruck ist die älteste CV (bzw. ÖCV) Verbindung in Österreich. Ihre wechselvolle Geschichte zeigt in den ersten 50 Jahren viele Repressalien auf, so etwa, dass ihren Altherren Lehrstühle an der Universität verweigert wurden, sowie tätliche Angriffe auf die Aktiven.
Bezeichnend für diese Zeit ist auch der Umstand, dass laut Militärgesetz in Österreich-Ungarn das Duell unter Offizieren verboten war, ein Offizier in der Praxis aber unehrenhaft aus dem Militär entlassen wurde, wenn er einer Duellforderung nicht nachkam.
 
Ich bin nicht der Kenner der Szene, aber es wird hier nicht anders (gewesen) sein, denke ich... Ein Bund, der weder Farben, Mütze, Band, Fahne führt, käme mir allerdings anachronistisch vor. Ein Ablegen aller Farben, Zeichen würde einer Stillegung der Verbindung gleichkommen, nicht?
Aber, ganz ehrlich, ich kann der Mehrzahl der heutigen Studentenverbindungen in Österreich, ob deutschnational oder katholisch-österreichisch nicht mehr allzuviel abgewinnen. Besonders die CV-Unkultur des Postenschachers, die seit den Tagen der letzten Habsburger ungebrochen blüht, hat etwas unseriöses und mancherorts sogar richtig ekles.

Hallo ning

Es gibt in Österreich mindestens acht nichtfarbentragende Verbindungen, z.B. die A.K.V. Tirolia in Innsbruck und die A.V. Austria in Graz. Im Vergleich zu den Farbentragenden sind sie aber schon in der kleinen Minderheit.

Nun, es kommt darauf an, wie sich ein Bund definiert.
Primär definiert sich ja ein Bund durch das Lebens-freundschaftsprinzip, dass man gemeinsam, unabhängig des Alters, gemeinsame Interesssen hat und zusammen Anlässe macht. Dass man also nicht bloss ein Teil einer Masse ist, sondern gemeinschaftlich Anlässe veranstaltet.
Die Farben sind natürlich, vor allem in der Öffentlichkeit, der sichtbare Ausdruck dieses Prinzips, doch er ist nicht unbedingt notwendig, um eine Verbindung zu bezeichnen.
 
Also, mal zur doch arg pauschal gestellten Eingangsfrage zurück: Als ehemaliger Turnerschafter finde ich natürlich auch Burschenschaften erstmal gut. Ich gehe sowieso davon aus, dass mit "Burschenschaften" hier alle studentischen Korporationen gemeint sind. Ganz im Gegensatz zu Lilis These vom heutigen "braunen Sumpf" mußte ich allerdings bei vielen Bünden vor allem in der BRD eine nahezu devote Zeitgeisterei und Traditionsvergessenheit feststellen. In Österreich scheint mir dies nicht der Fall zu sein.
 
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