Byzantinische Diplomaten

dekumatland

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aus der Belletristik, der schöngeistigen Literatur:
Felix Dahn "Kampf um Rom" 1876
In ein schlechtes Licht rückt Dahn, der nicht nur Schriftsteller, sondern hauptsächlich Rechtswissenschafter und Historiker war, den byzantinischen Gesandten Petros Patrikios – Wikipedia in seinem bis heute beliebten "Professorenroman" um die edlen Goten und die tückischen Romäer (Oströmer/Byzantiner) Petros erscheint als verschlagen, habgierig, intrigant, aber zugleich seinen diplomatischen Aufgaben (Verhandlungen mit Theodahad) wie geheimdiplomatischen Ränken (dass er im Auftrag von Kaiserin Theodora heimlich die Ermordung der Gotenregentin Amalaswintha einfädeln soll, ist fiktiv) intellektuell nicht gewachsen: alle Nase lang ist ihm der römische Antiheld Senator Cethegus (abgesehen vom überlieferten Namen eine fiktive Figur) überlegen und lässt Petros stets peinlich auflaufen. Dahn hatte als Historiker über die Quellen zu den Gotenkriegen gearbeitet, kannte Prokop, Petros, Iordanes etc, aber das hinderte ihn nicht, entgegen der historischen Quellen seinen Roman-Petros noch im ersten Gotenkrieg im Bergwerk enden zu lassen - tatsächlich lebte Petros unbehelligt und wohlhabend genug bis um 565.
Jewgeni Samjatin "Geißel Gottes" 1935
Zur Weltliteratur zählt Samjatins geniale Dystopie "Wir" (1920) und ebenso sein merkwürdig gestalteter historischer Roman "Geißel Gottes" (1935) dessen eine Hälfte sich mit Priskos – Wikipedia und dessen andere Hälfte sich mit Attila befasst. Samjatin verwendet die Historie um Hunnenkönig Attilas beginnende Karriere als Folie, um einen historischen Bruch / Achsenzeit im Gegenüberstellen von Priskos (untergehende zivilisierte Gelehrsamkeit) und Attila (barbarischer Kraftmensch, spätantiker Macciavelli quasi) symbolisch darzustellen. Der Leser blickt durch Priskos Augen auf eine dekadente, perverse und moralisch kranke Wohlstandszivilisation und wird danach ihren personifizierten Untergang kennen lernen. Samjatin geht es weder um historische Akkuratesse noch die Darstellung einer solchen, er setzt die historischen Kenntnisse (wer und wo war der Diplomat Priskos - was hat Attila so alles angestellt) voraus, um den Untergang der dekadenten Bourgeoisie erstaunlicherweise nicht dem Klassenkampf das Proletariats als moralische Leistung und Verbesserung, sondern der ungebändigten Wildheit zuzuschreiben - wie in B. Prus´Faraon ist hier die Historie Verschlüsselung der Gegenwart: Samjatin lehnt hier, wie in "Wir", deutlich den Leninismus.-Stalinismus ab. - für uns interessant, dass dazu partout ein byzantinischer Diplomat herbeigezogen wird.

Soweit die mir bekannten byzantinischen Diplomaten in der Belletristik.

Freilich gibt es d.h. gab es auch die echten, die realen. Gestaunt habe ich, dass Tante Wiki gleich 13 Diplomaten (sic! nicht Gesandte oder sonstwas, sondern Diplomaten) aufzählt: Kategorie:Byzantinischer Diplomat – Wikipedia
Darunter sogar der Stiefsohn von General/Feldherr Belisar, dem Vandalen- und Gotensieger: Photios (Stiefsohn des Belisar) - der hatte eine recht holperige Biografie...
Die Kreuzzüge, aber auch der permanente Druck an den Grenzen beutelte das oströmische Reich gehörig, dass es immer kleiner und am Ende erobert wurde, ist bekannt genug und muss nicht erwähnt werden. Erwähnenswert aber ist, dass die byzantinischen Diplomaten für uns oft genug historische Quellen überliefert haben! Dank Priskos kennen wir den "Hof" des Hunnenkönigs, dank der zu den Persern gesandten Diplomaten kennen wir Details der sassanidischen Herrschaft - und aus der melancholischen Spätphase des byzantinischen Reichs haben wir eine bedrückend "aktuell" anmutende Quelle: Manuel Chrysoloras – Wikipedia - man könnte zynisch nichts neues unter der Sonne anmerken und das für geistreich halten, dem kultivierten Manuel wie auch seinem Chef, dem Kaiser Manuel II. (Byzanz) – Wikipedia war gewiß nicht nach Scherzen, Bonmots und Causerien zumute:
Im Jahr 1393 entsandte der byzantinische Kaiser Manuel II. Palaiologos Chrysoloras in diplomatischer Mission nach Westeuropa. Politisch erschien dieser Schritt notwendig, da die Bedrohung durch die Türken die weitere Existenz des Reiches ernsthaft in Frage stellte. Die diplomatische Mission bestand in Geldsammlungen und in der Suche nach möglichen Bündnispartnern im Falle bewaffneter Auseinandersetzungen.
(dass der byzantinische Diplomat, ein sehr kultivierter Schöngeist, an den europäischen Höfen des Spätmittelalters unangenehm aufgefallen wäre, ist nicht überliefert, sonderlichen Erfolg mit seinem Hilfeersuchen hatte er allerdings kaum)

Interessant auch als Einstieg dieser Tante Wiki Kurzartikel: Byzantinische Diplomatie – Wikipedia aus diesem ein köstliches Zitat:
.Die byzantinische „Abteilung Barbaren (scrinium barbarorum)“ war der erste Auslandsgeheimdienst, der Informationen über Rivalen des Reiches aus allen denkbaren Quellen gesammelt hat.[3]
:D das klingt ja geradezu nach byzantinischem Barbaren-James-Bond :D Spaß beiseite: dazu mehr Infos wären gewiß spannend.
 
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Fällt unter "Byzantinische Diplomaten" auch die Praxis prominente Damen des oströmischen Hofes an ausländische Herrscher zu verheiraten, die dort sicher nicht entgegen byzantinischen Sinne agierten?
  • Theophanu wurde als "Nichte"* von Kaiser Johannes Tzimekes 972 an Otto II. (HRR) verheiratet. Nach dem Tod ihres Mannes regierte sie für ihren minderjährigen Sohn Otto III. und signierte in dieser Zeit Urkunden in männlicher Form als Theophanius.
  • Maria Palaiologina war die uneheliche Tochter von Kaiser Michael VIII. Palaiologos, dem griechischen Kaiser, der Konstantinopel von dem Lateinischen Kaiserreich zurückeroberte. Michael wollte ein Bündnis mit den mongolischen Ilchanen und plante Maria mit dem Khan Hülegü zu verheiraten. Hülegü starb aber vor der Hochzeit und Maria heiratete stattdessen 1265 seinen Erben Abaqa**. Die Ilchane unterstützten auch durch ihre Fürsprache Byzanz gegen die Mameluken. Sie kehrte nach Abaqas Tod nach Byzanz zurück, wurde aber 1307 erneut diplomatisch aktiv, um mit den Osmanen zu verhandeln.
* ob Theophanu tatsächlich die Nichte von Johannes Tzimekes war oder in einem anderen Verwandtschaftsverhältnis stand, wissen wir nicht.
** Damit heiratete sie auch in die Familie Kublai Khans ein - die oströmisch-chinesischen Gesandtschaften könnten ebenfalls interessant sein.
 
„Abteilung Barbaren (scrinium barbarorum)“ das klingt ja geradezu nach byzantinischem Barbaren-James-Bond :D Spaß beiseite: dazu mehr Infos wären gewiß spannend.
Hast du dir die englische wiki dazu mal angesehen? Dort steht zwar auch nicht sonderlich viel, aber immerhin, dass es je eine Abteilung für die vier Diozösen (nicht bischöffliche, sondern byzantinische Verwaltungseinheiten) Asia, Pontus, Oriens und Thrakien und Illyricum gab. Die Aufgaben werden kurz mit Übersetzungen, Kommunikation und Korrespondenz sowie Aufklärung und Spionage umschrieben.
 
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