Chatten, Chauken, Angrivarier - Welcher Stamm siedelte in meiner Umgebung?

daimos

Mitglied
Ich habe folgendes Problem: In einem neuen Buch, das von einem Arbeitskreis zur Geschichte meines Wohnortes herausgegeben wird, steht auch etwas über die angebliche Stammeszugehörigkeit meiner Region. In diesem Buch wird die These vertreten, dass es sich wohl um Chatten oder Chauken handelte.
Jetzt bin ich leider fast völliger Laie auf diesem Gebiet, aber ich hab immerhin soweit recherchiert, dass die Chauken eher an der Nordsee und die Chatten eher in Nordhessen zu suchen waren. Als weitere Stämme bleiben mir dann noch Cherusker und Angrivarier, von denen ich ursprünglich ausgegangen war. Geografisch gelegen ist es südlich des Steinhuder Meeres, nördlich von Hameln und östlich der Porta Westfalica, also ganz am Rand des Mittelgebirges. Vielleicht helfen auch die Heisterburg und die Wirkesburg, die in der Nähe lagen.

Habe ich mich jetzt völlig geirrt? Welcher Stamm hätte denn bei mir siedeln können?
 
daimos schrieb:
Ich habe folgendes Problem: In einem neuen Buch, das von einem Arbeitskreis zur Geschichte meines Wohnortes herausgegeben wird, steht auch etwas über die angebliche Stammeszugehörigkeit meiner Region. In diesem Buch wird die These vertreten, dass es sich wohl um Chatten oder Chauken handelte.

Auch für Thesen gibt es Begründungen; hat der Arbeitskreis Literaturhinweise gegeben?
 
Leider gibt es keien genauen Quellenangaben, soll heißen, dass sie lediglich ein Quellenverzeichnis am Ende angegeben haben.

Ich hab jetzt noch mal den Text genauer gelesen, dort ist von Tacitus, Plinius und Ptolemäus die Rede. Allerdings widerspricht sich der Text teilweise selbst. Einmal sollen es Chauken oder Chatten gewesen sein, an anderer Stelle ist dann von Cheruskern die Rede. Ich bin verwirrt! :huh:
 
Es könnte hilfreich sein den Text dieses Arbeitskreises zu kennen mit dem er seine Zuweisung begründet. Zwischen den Zeiten des Ptolemäus und jenen des Tacticus können durch den zeitlichen Abstand beispielsweise durchaus Bevölkerungsbewegungen statt gefunden haben.
 
Wenn der Arbeitskreis in deinem Wohnort tätig ist, dann kannst du dich doch einfach mal erkundigen, wie die für den Text Verantwortlichen zu ihrer These gelangten.
 
Die Chatten saßen in Nord- und Mittelhessen bis zum Limes. Sie sollen aber vom Norden eingewandert sein. Vielleicht haben sie vorher in Südniedersachsen gesessen und der Autor kommt so auf seine Aussage.:confused:
 
daimos schrieb:
....Als weitere Stämme bleiben mir dann noch Cherusker und Angrivarier, von denen ich ursprünglich ausgegangen war. Geografisch gelegen ist es südlich des Steinhuder Meeres, nördlich von Hameln und östlich der Porta Westfalica, also ganz am Rand des Mittelgebirges. Vielleicht helfen auch die Heisterburg und die Wirkesburg, die in der Nähe lagen.

Habe ich mich jetzt völlig geirrt? Welcher Stamm hätte denn bei mir siedeln können?

In der Nähe der Heisterburg liegt heute Bad Nenndorf und Feggendorf. Für das Gebiet kommen für die Zeitenwende nur die Cherusker und die Angrivarier in Frage.
Meiner Ansicht nach gehörte das Tal zwischen Deister und Süntel zum Gebiet der Angrivarier. Es endete beim heutigen Altenhagen (siehe "Kukesburg"=Grenzburg). Ansonsten saßen die Angrivarier höchswahrscheinlich im heutigen Schaumburger Gebiet und ihre Fläche bedeckte Minden, Stadthagen, Nienburg und Bad Oeynhausen.
Der Deister hat einige heidnische Stätten (z.B. Alte Taufe, Teufelskammer,...) und wird in den "Heimatbüchern" als cheruskisch beschrieben. Die Heisterburg stammt höchstwahrscheinlich nicht aus der Zeit der Zeitenwende, sondern 2./3.Jh.. Die Wirkesburg scheint älteren Datums, wurde aber auch noch nicht untersucht.
 
Vielleicht war die Koordination der einzelnen Autoren etwas suboptimal. Hier mal signifikante Stellen im Buch:

"In der Parisius-Sammlung [Heimatforscher um 1900] ist zu lesen: Chauci ... populus inter Germanos noblissimus quique manitudinem suam malit justitia tueri (Germania 35) = Die Chauken sind das edelste Volk unter den Germanen, das seine Größe durch Gerechtigkeit zu behaupten vorzieht. - Bis zum Ende des zweiten Jahrhunderts verschwanden die Namen der übrigen westdeutschen Stämme, und an ihre Stelle trat seit etwa 300 n. Chr. der Sammelname Sachsen. [...] Er [Ptolemäus] war der Erste, der eine Karte Germaniens mit eingetragenen Völkernamen entwarf. Er gab es Wohnsitz der Sachsen den südlichen Teil der Kimbrischen Halbinsel, also Holstein, an."

Es folgt einige Seiten danach die Beschreibung der Stämme und Gaue:
"Um die Zeitenwende lebten nach römischen Aufzeichnungen in unserer Heimat die Cherusker. Ihr Gebiet reichte im Süden bis an den Fluss Diemel in Hessen und grenzte damit an das Gebiet der Chatten. Im Südosten wurde das Cheruskerland durch den Harz begrenzt. Gegen Westen, in der Gegend der Ems- und Lippe-Quellen, reichten ihre Dörfer bis an das Gebiet der Brukterer. [...] Im Norden, in der Nähe des Steinhuder Meeres, trennte sie ein Grenzwall von den Angrivariern. Das Deister-Süntel-Tal lag also mitten im Herzland der Cherusker. [...] Die Macht der Cherusker zerfiel, und ihr Reich wurde von Süden her durch die Chatten und von Norden her durch die Chauken um 98 n. Chr. übernommen. Dadurch wurden auch die sogenannten Angrivarier asimiliert. [...] Die Bezeichnung "Saxones" ist sicher schon älter, denn in dem Wort steckt das lateinische Wort saxum = Stein."

Als die vier sächsischen Stämem nennen sie dann West- und Ostfalen, Nordalbingier und die Engern (und nicht mehr wie zuvor den Begriff "Angrivarier").


@Mercy

Ja, ich werde wohl mal mit ein, zwei Autoren sprechen. An anderer Stelle gibt es auch widersprüchliche Angaben über das Wappen.


@Cherusker

Vielen Dank für Antwort, das könnte der Realität schon sehr nahe kommen. Ich bin eigentlich auch von Angrivariern ausgegangen.
 
Die Mitarbeiter des Arbeitskreises berufen sich wohl auf Tacitus. Nach dem Niedegang der Cherusker, sollen die Chauken und Chatten nun eine gemeinsame Grenze haben. Das Problem dieser Aussage, unabhängig davon, ob sie nun stimmt oder nicht, ist, daß Tacitus nirgends beschreibt, wo diese Grenze lag. Somit könnte dein Gebiet, laut Tacitus, sowohl eindeutig chattisch, wie auch eindeutig chaukisch, sowie teils chaukisch oder chattisch gewesen sein. Nun kenne ich nicht die genaue Fundsituation deiner Region. Hilfreich wären eindeutig nordseegermanische Funde. Die Chatten hingegen wären wenig eindeutig durch archäologische Funde zu verifizieren.
Es ist allerdings nicht richtig, wenn dort steht Chatten und Cherusker hätten das Reich der Cherusker übernommen. Ein solches Reich hat nicht bestanden. Man kann m.e. von einem Arminius-Reich sprechen, doch auch dies wäre wohl zu viel. Selbst Arminius war nur Herr (Anführer) über Teile der Cherusker. Langobarden, Semnonen u.a. waren nicht unterworfen, sondern hatten sich, vielleicht sogar nur in Teilen, ihm angeschlossen. Auch eine Assimilierung der Angrivarier ist zumindest fraglich. Ich befürchte bei der Sachsengeschichte ist dein Arbeitskreis auch nicht unbedingt auf dem neuesten Stand.
 
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