Chinas Seefahrtspolitik nach 1433 ?

Louis le Grand

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Jürgen schrieb:
Konnte eine arabische Dhau vielleicht noch mit den kleineren Schiffstypen mithalten, so gab es für die großen europäischen Segelschiffe keine aussereuropäische Konkurrenz, zumal die Chinesen ihre Hochseeflotte bereits eingestampft hatten.

Die Chinesen hatten Schiffe mit über hundert Metern Länge, mit neun Masten und Schotten gebaut. Aber sie hatten zur fraglichen Zeit den Schiffsbauern unter Androhung der Todesstrafe verboten, Schiffe mit mehr als drei Masten zu bauen. So war ihr Schiffsbautechnisches know-how über den Generationswechsel verloren gegangen.


Louis le Grand schrieb:
So ganz stimmt das ja nicht. Zu allererst eingestampft hat keiner was. China baute nur einfach keine neue Hochseeflotte, weil die Konfuzianer am Hof einfach nicht einsahen, warum sie so viel Geld ausgeben sollten für nichts. Denn die Hochseeflotten waren staatlich finanziert, sie brachten aber nichts ein, sondern kosteten nur extrem viel.

Am Anfang des 16. Jahrh. reaktivierte man aber die Handelsflotte wieder, aber bitte nicht mit Staatsgeldern. Der bisher illegal weitergeführte Seehandel wurde wieder erlaubt, musste aber über staatl. überwachte Seehäfen laufen. Man störte sich an den einströmenden Portugiesen und wie diese sich in den ostasiatischen Seehandel einmischten. Lange Rede, kurzer Sinn, es gelang Chinas Händlern um 1530 wieder die Kontrolle über den Seehandel an sich zu reissen. Man baute also munter wieder große Handelsdschunken. Gleichzeitig wurde die chin. Kriegsflotte wieder aktiviert, um die jap. Piraten zu vertreiben. Es gab mehrere Seeschlachten zwischen China und Japan, wobei die Chinesen die meisten jap. Schiffe (die viel kleiner waren) versenkten.

Besonders im späten 17. und 18. Jahrh. war China die Seefahrernation Ostasiens schlechthin, dann auch wieder mit staatl. Förderung (aber immer über offizielle Häfen). Aber nie wieder wurde eine reine Staats-Handelsflotte wie unter Zheng He geschaffen, denn sowas war viel zu teuer und unprofitabel.

Dann etwas zur Größe der Schiffe. Die Chinesen mögen unter Zheng He sehr große Schiffe gebaut haben, aber praktische Schiffe waren das nicht. Sie schlichen über die Weltmeere und waren ewig unterwegs. Um es nochmal zu unterstreichen: Das waren vom Staat finanzierte und gebaute Flotten. Folglich hatten diese in erster Linie polit. Zielen zu dienen: Nämlich durch die gigantische Größe zu beeindrucken und einzuschüchtern. Die Ming als Herren Asiens zu probagieren. Mit großem Erfolg, aber mit einem dicken roten Minus unterm Strich. Die Waren die gehandelt wurden, dienten nicht dem Profit, sondern der Refinanzierung und trotzdem reichte es nicht. Wenn man bedenkt, dass mitunter 30.000 bis 40.000 Menschen mitfuhren. Die wollten bezahlt und versorgt werden.

Nein, das alles kostete so viel, dass kein späterer Kaiser für sowas Geld ausgeben wollte. Zumal sich die frühen Ming als neue Herrscher erst einmal zu profilieren suchten, und jedem zu sagen versuchten, dass China nach den Mongolen wieder da ist. Die Kaiser danach hatten das doch gar nicht mehr nötig. China entsandte seine millionenmannstarken Armeen und war wieder der unangefochtene Hegemon Asiens und das bis weit ins 19. Jahrh., da brauchte man sich nicht mehr profilieren, ergo keine Imagekampagne à la Zheng He und Kaiser Yongle veranstallten. Man wusste wer man war und der rest Asiens wusste das auch.


Ich habe mal nachgeschaut was es mit dem angeblichen „Einstampfen“ auf sich hat.

Also auch nach dem Tod von Zheng He 1433, blieb China die bedeutendste und aktivste Seemacht in Ostasien. Der Seehandel wurde nicht verboten, große Hochseedschunken wurden nicht verboten und China betrieb auch keine wirkliche Isolationspolitik. Erst unter Kaiser Jiajing geschah derartiges. Dieser ziemlich eigenwillige Kaiser verbot seinen Untertanen 1525 den Hochseehandel und ließ besagte Dschunken zerstören. Hintergrund war ein Streit mit Japan. Japanische Piraten machten die Küsten Chinas unsicher. Kaiser Jiajing forderte von Japan die Unterbindung dieser Aktivitäten, aber das im Bürgerkrieg versinkende Japan konnte gar nicht gegensteuern, was den Chinesen egal war. Sie brachen den gesamten Handel mit Japan ab und verhängten einen allumfassenden Handelsboykott über Japan. Das galt für alle chinesischen Vasallen, ergo den größten Teil Ostasiens. Die Japaner waren aber scharf auf Waren aus China, insbesondere die Luxusartikel. Wodurch die japanischen Übergriffe nur noch zunahmen und die Chinesen munter Schmuggel betrieben. Die Zerstörung von Hochseedschunken war vor allem der Versuch die chinesischen Schmuggler zu treffen.

Mit dem Tod Kaiser Jiajings änderte sich das alles sehr schnell wieder. Die Verbote wurden schon 1567 von Kaiser Longqing wieder vollständig zurückgenommen. Die knapp 40 Jahre Zwangspause schadeten Chinas Rolle als wichtigster Wirtschafts- und Seemacht in Asien interessanter Weise überhaupt nicht, da ja der offizielle Hochseehandel einfach durch Schmuggelei ersetzt wurde.

Unterm Strich sollte man also die Aufgabe der Handelsexpeditionen durch den Kaiserhof nach Zheng Hes Tod und ein vorrübergehendes Verbot von Hochseehandel tunlichst nicht in den selben Topf werfen. Schon aus zeitlichen Gründen nicht.

An der einen oder anderen Stelle ist das auch dort beschrieben:

http://de.wikipedia.org/wiki/Zhengtong
http://de.wikipedia.org/wiki/Jiajing
http://de.wikipedia.org/wiki/Longqing
 
Der englische Wikipedia-Artikel über Zheng He bringt das ganze auch nochmal sehr schön auf den Punkt:

One popular belief holds that after Zheng He's voyages, China turned away from the seas and underwent a period of technological stagnation. Although historians such as John Fairbank and Joseph Needham popularized this view in the 1950s, most current historians of China question its accuracy. They point out that Chinese maritime commerce did not stop after Zheng He, that Chinese ships continued to dominate Southeast Asian commerce until the 19th century and that active Chinese trading with India and East Africa continued long after the time of Zheng He. The travels of the Chinese junk Keying to the United States and England between 1846 to 1848 testify to the power of Chinese shipping until the 19th century.
...
More fundamentally, unlike the later naval expeditions conducted by European nations, the Chinese treasure ships appear to have been doomed in the long run because the voyages lacked any economic motive. They were primarily conducted to increase the prestige of the emperor and the costs of the expeditions and of the return gifts provided to foreign royalty and ambassadors more than offset the benefit of any tribute collected. Thus when China's governmental finances came under pressure (which like all medieval governments' finances they eventually did), funding for the naval expeditions melted away. In contrast, by the 16th century, most European missions of exploration made enough profit from the resulting trade and seizure of native land/resources to become self-financing, allowing them to continue regardless of the condition of the state's finances.
 
Literaturhinweis: Im letzten National Geographic Deutschland war eine sehr schöne Reportage über Zheng He`s Reisen. :hoch:
Zur Zeit lese ich das Buch: "1421 - Als China die Welt entdeckte" von Gavin Menzies. Ich bin zwar noch nicht mal zur Hälfte mit dem Buch durch, kann aber schon sagen das es sehr spannend und interresant geschrieben ist! :hoch:
 
SamnuSupay schrieb:
Literaturhinweis: Im letzten National Geographic Deutschland war eine sehr schöne Reportage über Zheng He`s Reisen.

Du meinst diese Artikel:
http://www.nationalgeographic.de/php/magazin/topstories/2006/01/topstory3.htm
http://www7.nationalgeographic.com/ngm/0507/feature2/index.html

Ich habe das Heft auch und den Artikel dort natürlich aufmerksam gelesen. Informativ und schön geschrieben, aber der eine oder andere kleine Fehlerteufel - historischer Natur - war schon zu finden. Etwas bitter empfand ich, dass der Artikel zum Schluss wieder was davon faselt, China hätte sich nach Zheng He einem Isolationismus hingegeben und sich von den Weltmeeren abgewandt. Was so in keinster Weise stimmt.

SamnuSupay schrieb:
Zur Zeit lese ich das Buch: "1421 - Als China die Welt entdeckte" von Gavin Menzies. Ich bin zwar noch nicht mal zur Hälfte mit dem Buch durch, kann aber schon sagen das es sehr spannend und interresant geschrieben ist!

Nimm das Buch aber bitte nicht zu ernst. Gavin Menzies behauptet da nämlich, dass die Chinesen unter Zheng He Amerika entdeckt hätten. Was wohl mit ziemlich großer Wahscheinlichkeit reine Phantasie ist und bleibt.

Das Buch When China Ruled the Seas von Louise Levathes ist da schon sehr viel besser.

Zwecks Spekulationen über sonstige Reisen des Zheng He findet sich sich auch dort etwas:

http://de.wikipedia.org/wiki/Zheng_He

:winke:
 
passend zum thema gab es heute einen artikel in der taz:


"Chinas Kolumbus hatte Plan von Amerika
Eine in China veröffentlichte Kopie einer historischen Weltkarte von 1418 beweist angeblich, dass der chinesische Admiral Zhang He als Erster Amerika entdeckte. Egal ob das stimmt oder nicht, es lässt sich so schön von Pekings Propaganda nutzen

AUS PEKING GEORG BLUME
UND JOHANN VOLLMER
Das britische Wirtschaftsmagazin Economist hat "frische und dramatische Beweise" angekündigt. Es titelt: "China schlug Kolumbus" und darf dafür vorabdrucken. Nun steht gestern der chinesische Rechtsanwalt und Kunstsammler Liu Gang, ein vornehmer Mann mittleren Alters, in einem kleinen Pekinger Buchladen für Ausländer und präsentiert eine Weltkarte. Der Anwalt will erklären, dass nicht Christoph Kolumbus, sondern der chinesische Admiral Zheng He Amerika schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts entdeckte.
Liu wirkt nervös. Hinter ihm hängt ein brauner Papierbogen im Zeitungsformat. Er habe ihn vor fünf Jahren bei einem Händler in Schanghai erstanden, erzählt Liu. Vermutlich gäbe es noch viele ähnliche Karten. Die Chinesen legten nur keinen Wert auf sie. Er aber habe ihren Wert gefühlt. "Zheng He hat die Welt entdeckt", ist sich Liu sicher. Der Beweis stecke in dieser Karte.
Sie ist schön anzusehen. Die Umrisse aller fünf Kontinente sind erkennbar. Liu erklärt die Vermerke der Karte: "Die Menschen tragen Federschmuck", sei für Nordamerika eingetragen. In Australien seien die Menschen nackt bis auf einen Lendenschurz, stände dort. Verfasst wurde alles vom Hofzeichner Mo Yi Tong für den Kaiser Zhu Di der Ming-Dynastie 1763. Doch entscheidend, so Liu, sei ein Vermerk des Verfassers auf der Karte links unten, in dem dieser sein Werk als wahrheitsgemäße Kopie einer Karte von 1418 ausweist.
1418: Da gab es diese Welt in westlichen Augen noch nicht. Erst 1492 entdeckte Kolumbus Amerika, 1497 umrundete Vasco de Gama das Kap der guten Hoffnung, 1770 erreichte James Cook Australien. Waren die Chinesen schon überall vor ihnen da?
Die Theorie ist nicht neu. Admiral Zheng He unterstand 1405 bis 1431 eine Flotte von über 300 Schiffen. Sieben große Expeditionen - in den Pazifik, den Indischen Ozean und den Persischen Golf - sind historisch belegt. Zheng streifte gar die Ostküste Afrikas. Eine Fahrt nach Amerika ist nicht überliefert. Liu glaubt seiner Karte: "Warum sollte der Zeichner den Kaiser anlügen? Darauf stand die Todesstrafe."
Der Zeitgeist gibt ihm recht. Warum sonst wurde das Buch "1421: Das Jahr, in dem China die Welt entdeckte" des britischen Hobbyhistorikers Gavin Menzies ein Bestseller? Und beginnt nicht jede Wirtschaftsanalyse über China damit, dass im Osten lange die größte Wirtschaftsmacht regierte. Warum sollte sie nicht auch Amerika entdeckt haben? China kann doch schon wieder alles. Zweifeln daran können nur Experten. Anders als Liu hat Peking längst erkannt, dass es für Zhengs Verklärung zum chinesischen Kolumbus keiner Beweise bedarf. Vielmehr geht es um die Neuerfindung von Tradition, um die Bestimmung Zhengs zum friedlichen Weltentdecker im Gegensatz zu den blutigen europäischen Konquistadoren.
In diesem Propagandakrieg bietet Liu gute Schützenhilfe. Aber der ahnt das nicht. Er ist einfach entzückt von seiner Karte. Ihr Titel "Generaldarstellung der integrierten Welt".
taz vom 17.1.2006, S. 9, 101 Z. (TAZ-Bericht), GEORG BLUME / JOHANN VOLLMER"
 
SamnuSupay schrieb:
passend zum thema gab es heute einen artikel in der taz:

Mit dem Thema "Chinas Seefahrtspolitik nach 1433" hat das nicht viel zu tun.

Die Diskussion über die Karte von 1763 läuft hier:

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=9002



taz schrieb:
Das britische Wirtschaftsmagazin Economist hat "frische und dramatische Beweise" angekündigt.

Die "dramatischen Beweise" sind eine Lachnummer. Den "Economist"-Artikel habe ich dort verlinkt.



Noch ein kleiner Hinweis:
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