Colonel House und die Möglichkeit einer Allianz im Jahr 1913

Es ist ja weder im Abkommen von 1898, noch im Abkommen von 1913 festgehalten worden, dass die Teilung der portugiesischen Kolonien unmittelbar angestrebt würde, sondern beide Abkommen regelten nach meiner Kenntnis lediglich welches Szenario greifen würde, wenn sich Lissabon gezwungen sehen würde, die Kolonien abzutreten.

Genau. Nur, man kann natürlich sicherstellen, das dieser Fall eben nicht eintritt.
 
Heißt man hätte der britischen Bevölkerung dauernd jedes Jahr auf's neue erklären müssen, warum keine größeren Mittel für soziale Wohltaten bereitgestellt werden können, man aber gleichzeitig den portugiesischen Kolonialbesitz finanzierte.
Das wäre irgendwann sicherlich nicht mehr zu vermitteln gewesen.

Die britische Bevölkerung musst, ebenso wie die deutsche, noch ganz andere Kröten schlucken. Was meinst du wohl, was für ungeheure Mittel das maritime Wettrüsten gekostet hat? Und der Krieg ist nicht wegen diesem unsinnigen Rüsten ausgebrochen.
 
Da missverstehst du mich. Aber London verpflichtete sich 1899 eben dazu, die Unverletzlichkeit der portugiesischen Kolonien zu verteidigen; also letzten Endes auch dafür Sorge zu tragen, das die Abmachung von 1898 erst gar nicht zur Anwendung kommt.

Nein.
London verpflichtete sich dadurch lediglich eine Umverteilung der portugiesischen Kolonien auf kriegerischem Weg nicht zuzulassen.
Und das wird eher im Zusammenhang mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg im Vorjahr und der gewaltsamen Demontage/Umverteilung des spanischen Kolonialreichs zu sehen sein, als damit grundsätzliche deutsche Zugewinne verhindern zu wollen.

Der Vertrag von Windsor verpflichte Großbritannien nicht portugals Staatsdefizit zu finanzieren.

Er verpflichtete Großbritannien auch nicht Portugal davon abzuhalten die Kolonien zu veräußern.

Und er verbot auch nicht die Teilung dieser Gebiete, für den Fall, dass Lissabon sie abtreten würde, denn damit wären sie ja nicht mehr Teil des portugiesischen Kolonialreichs gewesen und keiner entsprechenden Garantie mehr unterfallen.
 
Die britische Bevölkerung musst, ebenso wie die deutsche, noch ganz andere Kröten schlucken. Was meinst du wohl, was für ungeheure Mittel das maritime Wettrüsten gekostet hat? Und der Krieg ist nicht wegen diesem unsinnigen Rüsten ausgebrochen.

Ja, beim Flottenwettrüsten war es aber auch relativ einfach das der Bevölkerung zu vermitteln, weil das unmittelbar die eigene Landesverteidigung betraf.
Das wäre bei der Finanzierung der portugiesischen Kolonien aber nicht der Fall gewesen.
Denk mal 10 Jahre zurück, welchen Unmut es hier in Sachen Schuldenschnitt für Griechenland etc. gab.

Das gleiche hätte der britischen Regierung mittelfristig auch bevor gestanden, mit dem Unterschied, dass die Bevölkerung die das hätte bezahlen sollen bei weiten nicht so wohlhabend und gut abgesichert war, wie sie das um das Jahr 2010 war.
 
Lichnowsky und Sir Edward waren sich im März 1914 einig, dass das wichtigere Ziel der Verhandlungen, nämlich die Besserung der Beziehungen erreicht und damit die Entwicklung , die mit der Londoner Botschafterkonferenz begonnen habe, konsequent und zufriedenstellend weitergeführt worden sei.

Von diesem Gesichtspunkt aus sei daher die Sache als freundschaftliches Geschäft zwischen Deutschland und England nicht mehr so notwendig wie vordem.

Und Sir Edward ließ Goschen wissen, nichts tun noch wenn ich`s vermeiden kann, etwas zu veröffentlichen, was geeignet wäre Bethmann oder Jagow in dieser Sache Verlegenheiten zu bereiten. Dies wäre aber mit Sicherheit in einem "Sturm der Entrüstung" auf die deutsche öffentliche Meinung auszuüben, wäre bekannt geworden, dass ein Festhalten ab den Bestimmungen des Windsor Vertrages im Grunde die deutsch-englischen Abkommens zumindest relativiert.

Schöllgen, Imperialismus und Gleichgewicht, S.346
 
Dies wäre aber mit Sicherheit in einem "Sturm der Entrüstung" auf die deutsche öffentliche Meinung auszuüben, wäre bekannt geworden, dass ein Festhalten ab den Bestimmungen des Windsor Vertrages im Grunde die deutsch-englischen Abkommens zumindest relativiert.

Ich denke ob man das für eine Relativierung hält oder halten könnte, hängt sehr davon ab, was man in diese Abkommen hineininterpretiert.

Die beiden Abkommen von 1898 und 1913 konnten natürlich den Eindruck erwecken es gäbe eine stillschweigende Übereinkunft zwischen Deutschland und Großbritannien, eben den behandelten Fall herbeizuführen.

Eine solche Interpretation vorausgesetzt, hätte der Windsor-Vertrag natürlich eine Relativierung dargestellt oder als solche aufgefasst werden können.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Bei einer nüchterneren Betrachtungsweise, die nicht davon ausgeht, dass ein solches Szenario von britischer Seite her angestrebt würde, sondern die davon ausgeht, dass die Verträge von 1898 und 1913 für die britische Seite lediglich Eventualszenarien und Rückfalloptionen für den Fall darstellten, dass es dauerhaft keine ausreichende öffentliche Unterstützung zur Finanzierung Portugals geben würde, besteht eine solche Relativierung oder deren Anschein eigentlich nicht.
 
Gerade gefunden.

Der deutsche Gesandte Rosen in Lissabon führt am 30.Mai 1914 das Folgende aus:

Die Gründe welche für oder gegen die Unterzeichnung und die dadurch unvermeidliche Veröffentlichung des deutsch-englischen Abkommens sprechen, müssen von zwei Gesichtspunkten aus geprüft werden., dem der Wirkung auf die internationale Politik und dem des Rückhalts, den die Bekanntgabe voraussichtlich in Deutschland wecken würde.

Unter den Wirkungen nach außen ist in erster Linie die Frage zu prüfen, ob bei gleichzeitiger Bekanntgabe des Windsor Vertrages das deutsch-englische Abkommen überhaupt noch realisierbar wäre, das heißt, ob es anzunehmen ist, dass England einer allmählichen auf Festsetzung in den portugiesischen Kolonien abzielende Politik Deutschlands Hindernisse in den Wege legen oder nach Möglichkeit unterstützen würde. Der Windsor Vertrag garantiert den Besitzstand Portugals, also auch dessen Kolonien. Daß dieser Vertrag zu dem Geist und Wortlaut des ein Jahr früher abgeschlossenen deutsch-englischen Abkommens in flagranten Widerspruch steht und somit auf den ersten Blick einen Beweis englischer Perfidie zu liefern scheint, liegt auf der Hand. Man geht wohl nicht zu weit, wenn man sagt, das er das deutsch-englische Abkommen aufhebt. Wenn man der neuere Vertrag den älteren aufhebt, so ist dies bei dem jetzigen deutsch-englischen Abkommen gegenüber den Windsor Vertrag ebenfalls der Fall. [...]
Das Abkommen mit England ist das Beste, was die Kaiserliche Politik - soweit sie eine schaffende und erwerbende sein kann - seit dem großen Zeiten der Gründung des Reiches geleistet hat.

Rosen empfiehlt also trotz aller Bedenken das Abkommen zu unterzeichnen.

GP, Band 37/1, Dokument 14710
 
Am 27.Juli 1914, unmittelbar vor Ausbruch des Weltkrieges, hatte Bethmann dann Lichnowsky doch noch angewiesen, den Vertrag zu unterzeichnen.
Voraussetzung hierfür war die englische Unterstützung für eine deutsch-portugiesische Eisenbahnkonzession, was sicher nicht einfach werden würde, da sich in Portugal entsprechenden Widerstand bemerkbar machte.

GP Band 37/1, Dokument 14715
 
@Turgot

Ich bitte dich an dieser Stelle einfach mal mit die Passage des Windsor-Vertrags zu nennen, die mit den deutsch-britischen Absprachen unvereinbar ist, wenn man im Bezug auf die deutsch-britischen Absprachen Grundsätzlich unterstellt, dass:

- Die englische Seite kein gesteigertes Interesse daran hatte die portugiesischen Kolonien aufzuteilen.
- Die englische Seite diesen Fall auch nicht herbeiführen wollte
- Die englische Seite aber nicht sicher war, ob sich das dauerhaft verhindern ließ (Haushaltsdebatten, öffentliche Meinung).
- Die englische Seite wünschte im Fall, dass wenn sie es nicht verhindern konnte, die deutsche Seite an der Abwicklung der portugiesischen Kolonien zu beteiligen um die Beziehungen aufzubessern und sich auf diesem Weg möglicherweise einen Teil seiner Investitionen zurück zu holen.

Ich würde mal meinen, wenn man diese 4 Punkte voraussetzt, stehen die Verträge von 1898 und 1913 in überhaupt keinem Widerspruch zum Windsor-Vertrag.
 
@Shingami:
Da du ja den Thread hier gekapert hast und in eine bestimmte Richtung lenken möchtest, eine kleine Bitte.
Bis jetzt arbeitest du völlig quellenlos und mit vielen "eigenen" Auslegungen. Das ist sicher auch legitim. Turgot gibt sich hingegen sehr viel Mühe seine Aussagen zu belegen. Eine Argumentation hat mit der Nennung von Quellen deutlich mehr Gewicht.
 
@Turgot

Ich bitte dich an dieser Stelle einfach mal mit die Passage des Windsor-Vertrags zu nennen, die mit den deutsch-britischen Absprachen unvereinbar ist, wenn man im Bezug auf die deutsch-britischen Absprachen Grundsätzlich unterstellt, dass:

- Die englische Seite kein gesteigertes Interesse daran hatte die portugiesischen Kolonien aufzuteilen.
- Die englische Seite diesen Fall auch nicht herbeiführen wollte
- Die englische Seite aber nicht sicher war, ob sich das dauerhaft verhindern ließ (Haushaltsdebatten, öffentliche Meinung).
- Die englische Seite wünschte im Fall, dass wenn sie es nicht verhindern konnte, die deutsche Seite an der Abwicklung der portugiesischen Kolonien zu beteiligen um die Beziehungen aufzubessern und sich auf diesem Weg möglicherweise einen Teil seiner Investitionen zurück zu holen.

Ich würde mal meinen, wenn man diese 4 Punkte voraussetzt, stehen die Verträge von 1898 und 1913 in überhaupt keinem Widerspruch zum Windsor-Vertrag.

Ich hatte eigentlich die leise Hoffnung gehabt, das dir die Aussagen eines schwergewichtigen und unmittelbar Beteiligten, ich meine hier konkret Sir Edward, englischer Staatssekretär des Äußeren, als Beleg ausreichen würde. Auch Friedrich Rosen, deutscher Gesandter in Lissabon, sollte wissen wovon er redet.

Die deutsch-englischen Abmachungen habe ich, aber ich ich muss schauen, ob ich den vollständigen Vertragstext des Windsor Vertrages habe bzw. ausfindig machen kann. Du argumentiert hier allerdings vollständig freihändig, ohne jede Quelle.
 
So weit mir bekannt hat der Mann doch anno 1914 kräftig am Zustandekommen des "Septemberprogramms" mitgewirkt?

Das würde ich als die Position eines Hardliners im Krieg und als die eines Scharfmachers im Hinblick auf Kriegszielvorstellungen etc. bezeichnen wollen, denn bescheiden war diese Skizze ja nun nicht unbedingt ausgefallen.

OK, verstehe den Hinweis. Zustimmen würde ich, dass das Septemberprogramm eine Verschärfung gegenüber der Positionen vom Kriegsbeginn war. Die Positionen des Septemberprogramms waren waren aber auch eine Zusammenfassung der Sichten, die mehrheitsfähig in der deutschen Politik und bei KW II. sein mußten. Und somit ist Riezler zwar der "Autor", aber er formuliert dass, was Bethmann als Konsens für politisch notwendig erachtet hatte. Gleichzeitig gab es deutlich radikalere Positionen, die Bethmann nicht aufgegriffen hat. Und somit Riezler nicht im Septemberprogramm ausformuliert hat.

Ich will dazu die Darstellung von Piper zitieren, der es m.E. gut darstellt.

"Reichskanzler Bethmann Hollweg, der bei Kriegsbeginn ob des zu erwartenden Blutvergießens in Tränen ausgebrochen war und auch jetzt lieber früher als später Frieden geschlossen hätte, befand sich im Großen Hauptquartier in Luxemburg. Seinem Stellvertreter in Berlin, dem Staatssekretär des Innern Clemens von Delbrück, übersandte er eine »vorläufige Aufzeichnung über die Richtlinien unserer Politik beim Friedensschluss«."....

"Im Vergleich zu diesen sich gegenseitig an Radikalität und Irrealität übertrumpfenden Kriegszielprogrammen war der Entwurf des Reichskanzlers geradezu gemäßigt, so anspruchsvoll er dem heutigen Leser auch erscheinen mag.162 Das Septemberprogramm, das bewusst ein »vorläufiges« sein wollte, war in gewisser Weise eine moderierende Gesamtschau dessen, was damals im politischen Berlin gedacht und gefordert wurde, und ein Versuch, den im Burgfrieden gefundenen Konsens nicht zu gefährden. Bethmann Hollweg war bemüht, das Wohlwollen des Kaisers nicht aufs Spiel zu setzen und gleichzeitig Akzeptanz bei den Sozialdemokraten zu finden."

"Mit dem Septemberprogramm, das den Schwerpunkt nicht auf territoriale Expansion legte, sondern durch eine Zoll- und Wirtschaftsunion die Vorherrschaft des Deutschen Reiches in Europa sichern wollte, konnte er leben."

"Das Septemberprogramm entsprach den Intentionen von Leuten wie Walther Rathenau, der Bethmann Hollweg nahestand und als Leiter der Kriegsrohstoffabteilung eine Stimme von erheblichem Gewicht hatte."


Allerdings war Anfang Februar 1915 auch Riezler in seiner Position der allgemeinen Verschärfung der Kriegsziele gefolgt. Es ist aber wieder zu betonen, dass dennoch Riezler eher zum gemäßigten Spektrum gehörte, allerdings hatte sich das gesamte Meinungsspektrum insgesamt radikalisiert. Das relativiert ihn als "Scharfmacher". Eher Anfang 1915 ein "besonnener Scharfmacher" unter "radikalen Scharfmachern".

"Kurt Riezler dagegen wiederholte in einer Denkschrift vom 15. Februar 1915 die Forderung nach deutscher Suprematie über Belgien, der Friedensschluss müsse sich »auf einer mittleren Linie zwischen Annexion und Freiheit Belgiens bewegen«. Belgien sollte ein deutscher Bundesstaat »im weiteren Sinne« werden."

Das ist im Kontext der Petition der sechs großen Wirtschaftsverbände im März 1915 zu sehen, die maximale annexionistische Ziele propagierten in enger Zusammenarbeit mit dem Alldeutschen Verband. Nicht selten geben die Radikalsten die Richtung der Politik vor. So auch in diesem Fall.

Piper, Ernst. Nacht über Europa: Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs, Ullstein. S. 80ff
 
Zuletzt bearbeitet:
Am 28.März 1914 schreibt der englische Botschafter Goschen an seinem Chef Sir Edward, das er einen Brief von dem deutschen Staatssekretär des Äußeren erhalten hat.

Jagow schreibt, das er über das Abkommen hinsichtlich der portugiesischen Kolonien sprechen möchte. Wie wir aus Lichnowsky Berichten wissen, legt Sir Edward erheblichen Wert darauf, das unsere Übereinkommen veröffentlich werden. Obwohl wir der Ansicht waren, das dies unseren Interessen widerstreite, hatten wir uns doch darein gefügt, der Veröffentlichung des Abkommens zuzustimmen, als wir vom Bestehen eines 1899 zwischen der britischen und portugiesischen Regierung geschlossenen Vertrages hörten, eines Vertrages der die alten, dem Datum nach einige Jahrhunderte zurückliegende englisch-portugiesische Bündnisverträge erneuerte. Durch diesen Vertrag, gewöhnlich Windsor Vertrag genannt, verbürgt die britische Regierung Portugal auf ewig dessen ganzes Gebiet einschließlich der Kolonien. Nun beabsichtigt Sir Edward Grey nachdem was nach dem, was er zu Lichnowsky gesagt hat, auf Verlangen der portugiesischen Regierung diesen Vertrag zu veröffentlichen.
Sie sind mit unserer öffentlich Meinung genügend vertraut, um sich eine Vorstellung von der unheilvollen Wirkung machen zu können, die hier die Veröffentlichung jenes Vertrages, sei es vor oder gleichzeitig mit unserem Abkommen, hervorrufen wird. Es unterliegt kein Zweifel, daß man uns vorwerfen wird, mit Großbritannien einen Narrenhandel geschlossen zu haben - und das ein heftiges geschreib anheben wird gegen das Albion, das man der Doppelzüngigkeit beschuldigen wird, weil es nur ein Jahr nach Abschluß unseres Abkommen von 1898 - die portugiesische Regierung gegen den Verlust ihrer kolonien gesichert habe. Weit entfernt zu einen rapprochement zwischen den beiden Ländern beizutragen, wird unser Kolonialabkommen unter diesen Umständen eine stärkere Abkühlung zur Folge haben.

Jagow weist noch darauf hin, das er auch an eine Agitation gegen Bethmann glaubt.

BD, Band 10/2/2, Dokument 370
 
ie Positionen des Septemberprogramms waren waren aber auch eine Zusammenfassung der Sichten, die mehrheitsfähig in der deutschen Politik und bei KW II. sein mußten. Und somit ist Riezler zwar der "Autor", aber er formuliert dass, was Bethmann als Konsens für politisch notwendig erachtet hatte. Gleichzeitig gab es deutlich radikalere Positionen, die Bethmann nicht aufgegriffen hat.

Ja; entspricht im Wesentlichen dem, was ich weiter oben zum Ausdruck gebracht habe.
 
Ja, beim Flottenwettrüsten war es aber auch relativ einfach das der Bevölkerung zu vermitteln, weil das unmittelbar die eigene Landesverteidigung betraf.

Den wahren Zweck der Flotte konnte und hatte man der deutschen Öffentlichkeit nicht erzählt.
Der aufmerksame Beobachter konnte sich sicher auch so seinen Reim machen.

Für die Verteidigung der deutschen Küsten benötigt man keine Schlachtflotte von 60 Großkampfschiffen. Sicherung deutscher Handelsinteressen? Ging bisher wunderbar auch ohne eigene riesige Flotte. Die Engländer war hier durchaus hilfreich; ihre Stützpunkte standen den deutschen Schiffen offen. Schutz der Kolonien? Wie das? Ohne eigene Stützpunkte und Kohlestationen?
Zugang zu den deutschen Häfen freihalten? Ist bekanntermaßen im Weltkrieg gescheitert. Warum? Man wußte zwar um die Absichten der englischen Fernblockade, hat diese aber anscheinend nicht ernst genug genommen.

Tirpitz ging es immer um so viele Linienschiffe in so hoher Anzahl wie möglich? Nur wie sollten diese letzendlich eigentlich ihre operativen Aufgaben denn wenn es tatsächlich so weit gekommen ist zwischen Helgoland und Themse wahrnehmen. Von Tirpitz ist hier Schweigen zu registrieren; nur über den Bau wurde nachgedacht, nicht über den Einsatz.
 
Um noch einmal auf die Ursprungsfrage zurückzukommen.
Gibt es irgendwo Material zu Colonel House.
In der frz. Wikipedia steht allerdings, die Unterredung wäre 1911 vonstatten gegangen.
Aber in der frz. Wiki steht nur von einem Bündnis von USA, Deutschland und GB Japan wird nicht erwähnt.
Mich würde schon interessieren, was auf amerikanischer Seite so gedacht wurde
 
Für die Verteidigung der deutschen Küsten benötigt man keine Schlachtflotte von 60 Großkampfschiffen.
Ich sprach da auch von den britischen Sicherheitsinteressen, nicht von den Deutschen und dass es für die britische Seite wohl relativ einfach war den Ausbau der Flotte mit Notwendigkeiten bezüglich der Landesverteidigung zu rechtfertigen.

Die Finanzierung der eigenen Seeherrschaft und Landesverteidigung ließ sich vor der britischen Bevölkerung sicherlich einfacher rechtfertigen, als die Finanzierung des portugiesischen Kolonailreichs, zumal die Alternative zur Aufrechterhaltung der Seeherrschaft auf der britischen Seite nur in der Einführung der Wehrpflicht hätte bestehen können und daran war die Mehrheit der britischen Bevölkerung sicherlich nicht interessiert.



Tirpitz ging es immer um so viele Linienschiffe in so hoher Anzahl wie möglich? Nur wie sollten diese letzendlich eigentlich ihre operativen Aufgaben denn wenn es tatsächlich so weit gekommen ist zwischen Helgoland und Themse wahrnehmen. Von Tirpitz ist hier Schweigen zu registrieren; nur über den Bau wurde nachgedacht, nicht über den Einsatz.

Den Vorwurf finde ich etwas schwierig, weil man sich dann die Frage stellen müsste ob es eines Einsatzes überhaupt bedurfte.
Man könnte sich diese Flotte sicherlich auch im Rahmen des Konzepts einer Präsenzflotte denken, deren einziger Zweck darin besteht, so viele maritime Kapazitäten des Gegenüber zu binden wie möglich.

Damit allein konnte man sicher keinen erfolgreiche Krieg gegen GB führen, aber damit konnte man möglicherweise anderen Akteuren ermöglichen einigermaßen erfolgreich gegen Großbritannien an anderer Stelle zu aggieren.

Die britische Vorstellung des "two-power-standard" zielte ja genau dahin einer solchen Konstellation entgegen zu wirken.

Und wenn man das als Tirpitz Vorstellung einmal annimmt, würde ich meinen, dass es von der diplomatischen Situation abhängt ob diese Konzeption sinnvoll ist oder nicht.

So lange Deutschland die einzige veritable Seemacht war, mit der GB politisch über kreuz lag, konnte das nicht funktionieren.
Hätte sich die Situation dahin geändert, dass sich die Briten noch mit einer anderen Seemacht überworfen hätte, die einen Krieg zwischen Deutschland und GB und die Bindung weiter Teile der britischen Flotte in der Nordsee hätte nutzen können um dadurch andere exponierte Positionen des Empire zu bedrohen, wäre das möglicherweise ein sinnvolles Konzept gewesen.
 
Aber in der frz. Wiki steht nur von einem Bündnis von USA, Deutschland

......was allerdings dann völlig illusorisch gewesen wäre, weil es der amerikanischen politischen Szene und der amerikanischen Bvölkerung nicht vermittelbar gewesen wäre.

Da hätten einfach die bis in die Frühzeit der USA zurückgehenden und im Grunde bis 1945 wirksamen Traditionenslinien der US-Amerikanischen Außenpolitik, sich in die europäischen Auseinandersetzungen nicht mit hinein ziehen zu lassen, total dagegen gestanden.

Engeres Zusammengehen mit GB oder Japan wären von dem her sicherlich einfacher zu vermitteln gewesen und wenn man Deutschland einbindenn wollte, wäre das ggf über ein Kartell der Seemächte gegangen, aber kaum realistischer Weise auf dem weg eines direkten militärischen Bündnisses zwischen diesen zwei Aktueren.

Sollte sowas mal aufgegriffen worden sein, wird man es vor dem Hintergrund der realen politischen Handlungsmöglichkeiten in den USA und der Notwendigkeit auch die innenpolitischen Faktoren zu berücksichtigen getrost als fixe Idee ohne nennenswerte Signifikanz betrachten können.

Mich würde schon interessieren, was auf amerikanischer Seite so gedacht wurde

Da würde ich allerdings dazu raten das Bild zu erweitern und sich insgesamt die innenpolitischen Prämissen anzusehen.
Sich in die Gedankenwelt einzelner Akteure hinein zu vertiefen, mag interessant sein, wenn man sich näher für deren persönlichen Hintergrund interessiert.
Ansonsten ließt man sich bei deren Gedanken möglicherweise Skizzen an, wie sich einzelne Akteure den politischen Idealzustand gegebenenfalls wünschten, während man die politischen Hindernisse aber ausblendet.

Das ist (und dass bitte ich nicht als persönlichen Anwurf aufzufassen) das Problem, was ich mit der Herangehensweise von @Turgot manchmal habe.
Das ist am Ende oft eine Argumentationsweise die sehr weit in ideengeschlichtlichen Bahnen verläuft und der ideellen Ebene gegenüber der materiellen Ebene zuweilen ein größeres Gewicht beimisst, als ihr eigentlich zukommt.
 
Hallo Shinigami,
Danke für Deine ausführliche Betrachtung. Ich finde es ja schon ganz interessant, wie du die Dinge interpretierst und
kommentierst. Wichtig ist dabei immer, dass die Dinge auch eine Basis haben. Eine Basis wäre zB. eine Quelle.
So kann man dann direkt nachvollziehen, wie die handelnden Personen die Dinge selber gesehen haben. Eine Interpretation ohne Basis ist immer schwierig, weil sie eben nur den eigenen Horizont wiederspiegelt und dabei leicht
die Gedanken und die Handlungsspielräume und Handlungsmuster der damaligen Personen konsequent ausblendet.
Kannst du denn zu Colonell House etwas beitragen? Das war ja meine Frage :)
 
Zurück
Oben