Commodus' Ermordung: Bad oder Bett?

Eine abweichende Version bietet übrigens Aurelius Victor in seiner Kaisergeschichte: Zuerst wurde Commodus vergiftet, was aber nicht wirkte, weil er zu viel gegessen hatte. Da er aber über Bauchschmerzen klagte, riet ihm der Arzt, der zu den Verschwörern gehörte, auf die Palaestra zu gehen. Dort erwürgte ihn dann der Diener, der ihn salben sollte.
Generell zeichnet sich Victors Werk allerdings nicht durch übermäßige Zuverlässigkeit aus, sodass man dieser Variante wohl nicht weiter Beachtung schenken muss.
 
Sag das nicht, gerade solche kleinen Nebensätze sind es, die den Archäologen brennend interessieren, helfen sie ihm doch bei der Verortung von Geschehnissen und der Interpretation von Baubefunden.
Auf dem Palatin wäre es natürlich spannend, zu schauen, was mit der Palästra gemeint ist, und die Bezeichnung "auf die Palästra" zu gehen, ließe sich derartig interpretieren, daß der Kaiser vielleicht aus den Speisesälen des sogenannten abgesenkten Peristyls hinaufgehen sollte.
Was die Zuverlässigkeit von Quellen angeht, da würde ich erstmal nichts ausschließen, bis sich das genaue Gegenteil beweisen läßt. Auch Iohannes Malalas wurde lange geschmäht, erfuhr aber in den jüngsten Jahren auch wieder eine Aufwertung.
 
Iohannes Malalas habe ich nicht gelesen, den kann ich nicht aus eigener Anschauung beurteilen. Aber Aurelius Victors Kaisergeschichte ist schon fehlerhaft und weicht öfters von den Darstellungen in den anderen Quellen ab und enthält auch eindeutige chronologische Fehler. Gerade die Darstellung der Ermordung des Commodus und der Zeit der darauffolgenden kurzlebigen Kaiser, aber auch der Severerdynastie, unterscheidet sich in mehreren Punkten von den untereinander in den meisten Punkten übereinstimmenden und auch plausibleren Darstellungen bei Cassius Dio, bei Herodian und in der Historia Augusta.
 
Warum eigentlich macht er diese Fehler? Victor ist nicht so weit weg vom Geschehen und ein gebildeter Mann. Hat er andere Quellen? Oder hat er Dinge nicht richtig verstanden, falsch interpretiert oder abgeschrieben?
 
Schwer zu sagen, wahrscheinlich von allem ein bisschen etwas. Z. B. gibt er die Dauer von Regierungszeiten oft falsch an, das kann bloße Schlamperei gewesen sein. Auch chronologische Fehler kann man auf Schlamperei zurückführen, z. B. stellt er es so hin, als habe Hadrian fast während seiner ganzen Herrschaft die Regierung dem Aelius Caesar überlassen und sich selbst in Tibur nur dem Vergnügen gewidmet. Teilweise folgte er wohl auch einfach tendenziösen Darstellungen, z. B. stellt er es (nicht als einziger Autor) als Faktum hin, dass Caracalla mit seiner Stiefmutter verheiratet gewesen sei* oder dass Elagabal der Sohn von Caracalla gewesen sei. Bei anderen Fehlern hat er sich wohl entweder selbst vertan oder folgte schlechten Vorlagen, z. B. wird Severus Alexander bei ihm in Britannien ermordet, und auch die Geschichte der Gordiane stellt er anders (und etwas konfus) als die anderen bekannten Quellen dar. Aber sogar bei Ereignissen, die fast noch Zeitgeschichte waren, etwa den Machtkämpfen in den Jahren zwischen Diokletians Rücktritt und Konstantins Alleinherrschaft, unterlaufen ihm Fehler.
Ich weiß nicht, wie die moderne Forschung sein Werk bewertet, aber ich finde ihn schlechter als die Historia Augusta, zumindest für die Zeit bis 238.

* Er beschreibt trotz der sonstigen Knappheit des Werks sogar recht ausführlich und anschaulich, wie die Iulia Domna den Caracalla verführt und scharf macht, indem sie sich von ihm "zufällig" nackt erwischen lässt, ihn dann fragt, ob ihm gefalle, was er sehe, und ihn dann auffordert, sie sich einfach zu nehmen. - In Wahrheit war Iulia Domna obendrein nicht seine Stiefmutter, sondern seine leibliche Mutter.
 
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Am zuverlässigsten müsste eigentlich Cassius Dio sein, denn bei ihm als Senator ist die Chance groß, dass er während der Ereignisse in Rom weilte. Umso bedauerlicher, dass von seiner Darstellung nur Exzerpte erhalten sind.
Kleine Korrektur (hatte ich damals leider überlesen): Cassius Dio muss während Commodus' Ermordung ziemlich sicher in Rom gewesen sein, da er am nächsten Tag im Senat anwesend war, wie sich aus seiner Darstellung der Ereignisse eindeutig ergibt.
Umso bedauerlicher, dass er keine brauchbare Aussage über den Ort der Ermordung macht.
 
Bei Caracalla war es weder Bad noch Bett, aber der Busch, wohin er sich zur Pinkelpause verzogen hatte. Dort wurde er erstochen. Gestern vor 1800 Jahren.
 
Selbst wenn jemand vor Ort war, würde ich seine Aussage kritisch sehen. Er muss keineswegs Augenzeuge gewesen sein. Abgesehen davon, kann er die Dinge auch falsch verstanden haben, und wenn er sich nicht gleich Notizen dazu gemacht hat, wie zuverlässig ist die Erinnerung.:D
 
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