Darstellung aus der Goldenen Haggadah

Vielen Dank für die fachlichen Ausführungen, dekumatland! Ehrlich gesagt, habe ich vor meinem ersten Posting die bekannten Arten mittelalterlicher Notationen kurz durchgeschaut und nichts annähernd Ähnliches gefunden.

Du hast absolut recht, die damaligen Illustratoren waren äußerst raffiniert und dachten um sieben Ecken, inkl. der gebotenen Gottesfürchtigkeit. Für eine Art der Notation spricht auch aus meiner Sicht die Blickrichtung der ›Perkussionistinnen‹, die bei einem Instrument schwierig zu erklären wäre. Auch die Zählerei auf den Fingern auf dem ersten Bild scheint, meinen Verdacht zu bestätigen. Was mich aber am meisten daran zweifeln lässt, ist die Form des Dings: warum auf allen hier gezeigten Bildern mehr oder weniger quadratisch, wenn es sich um eine Notation handelt? Klar, das Quadrat ist viereckig und es geht dem Anschein nach um die Zahl Vier. Aber warum auch auf den anderen Bildern dieses Format? Würden die Figuren nicht überall auf das Ding starren, würde sogar mir die Interpretation als Instrument problemlos einleuchten.
 
- die Innovationen der Notationsweisen betrafen leider nur die "Kirchenmusik", also befanden sich in klerikalem Kontext: schmucklos (kein weltliches Instrumenten-tschingbum), kunstvoll (mehrstimmig), ad gloriam dei nur im liturgischen Brimborium (Mönchschöre), kurzum in der Kirche. Ohne Laute, Kastagnette, Tamburin und schon gar nicht von der Damenwelt aufgeführt ;)
In den Illustrationen zu den Cantigas de Santa Maria sineine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Instrumente dargestellt.


des sicherlich klerikalen Illustrators, [...] weil der klerikale Illustrator das abbildet, was er für religiös vertretbar und quasi realistisch für weltliches Musizieren hält. [...] nur der kirchlichen Vokalmusik vorbehaltene Notation handeln könnte, [...], dass die mittelalterlichen klerikalen Illustratoren oft genug raffiniert, frech, überraschend, humorig, hochgelehrt und in Sachen Ornamentik brillant sein konnten, und es würde mich auch nicht wundern, wenn die heiligen Damen aus der Bibel da aus der Reihe tanzend für weltliches Tschingbum ein eigentlich dem Kirchengesang vorbehaltenes "Notenheft" haben dürfen :)[...][/quot3]Klerikal und kirchlich klingt so nach Katholizismus. Es ist eine Haggadah, also eine jüdische HS.


QUOTE="dekumatland, post: 877467, member: 18918"]
***) wo ist diese Illustration gefertigt worden?
in Katalonien,
 
Diese Adufe – Wikipedia ist wohl so ein Instrument, welches Material zum Schütteln enthält.
Der Artikel schreibt von einer arabischen ad-Duff aber wird nicht konkreter als es maurisch zu bezeichnen aber selbst dies ist zu ungenau ,den in den anderen Magrebstaaten wird m.E. diese Trommel nicht eingesetzt.
Klar, das Quadrat ist viereckig und es geht dem Anschein nach um die Zahl Vier. Aber warum auch auf den anderen Bildern dieses Format? Würden die Figuren nicht überall auf das Ding starren, würde sogar mir die Interpretation als Instrument problemlos einleuchten.
Ob die quadratische Duff einen hebräischen Ursprung hat kann ich nich genau sagen aber meine Erklärung war ja mit dem maurischen Regierungswechsel begründet ,denn auf der Flagge ist so ein doppel Quadrat.Was wohl mit den 8-Toren des Paradieses zu tun hat(oder waren es 7 bin mir nicht mehr ganz sicher?)Dante hat dies ja aufgegriffen und daraus die 8 Stufen der Hölle gemacht .
 
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In der Maciejowski-Bibel gibt es eine ähnliche Darstellung und auch dort sieht es nicht aus, als ob die Frau das quadratische Etwas in ihren Händen bespielt, sondern nur hochhält.
Das ist womöglich eine Diff ,die anderen halten ja auch die Instrumente hoch.Man erkannt den Klangkörper auch ganz gut ,als zweites kleineres Quadrat.Ein Vergleich mit der Adufe auf der Wikiseite ist dabei nicht sehr hilfreich da die portugiesiche relativ Flach ist.Bei der Ostmarokkanischen Adiff sieht man es besser:

adiff.png
 
@El Quijote also eine jüdische HS, in Katalonien 1320 hergestellt.

Mein Fehler: ich hatte das angeschaut wie mittelalterliche kirchliche und höfische Illustrationen, denn es sieht ihnen sehr ähnlich.
Zwar weiß ich nicht, ob man in mittelalterlichen jüdischen spanischen "Skriptorien" andere Notationen (Musik) kannte und nutzte, als die erwähnten (Guido von Arezzo, Franco von Köln), glaube es aber nicht. Jedenfalls ist mir da keine Tonhöhen- und Tondauernaufzeichnung aus dieser Zeit bekannt, schon gar nicht von Instrumentalmusik - aber da kann ich mich auch täuschen.
 
Jedenfalls ist mir da keine Tonhöhen- und Tondauernaufzeichnung aus dieser Zeit bekannt, schon gar nicht von Instrumentalmusik - aber da kann ich mich auch täuschen.
Ich bin kein Musiker (naja, ich kann Blockflöte, Gitarre und Bass spielen, wobei kann halb gelogen ist) und erst recht kein Musikhistoriker. Ich kenne durchaus aus Chören des 15./16. Jhdt. Pulte mit Notenbüchern, die von den Mönchen oder Chorherren aus mehreren Metern Entfernung gelesen werden mussten.
 
aus Chören des 15./16. Jhdt. Pulte mit Notenbüchern
das ist was ganz anderes, denn da sind Guidos "Notenlinien", die Mensuralnotation, Ars Nova mit komplexer Mehrstimmigkeit und auch reine Instrumentalmusik schon vorhanden - das hochinteressante Bild ist aber aus dem frühen 14. Jh. (falls die Zeitangabe 1320 stimmt) und obendrein räumlich recht weit von Köln (Mensuralnotation ab 1280, ars nova) und Paris (Notre-Dame-Schule ars antiqua ca. 1180-1260) ((wobei man nicht weiß, ob die erwähnten (gelehrten) klerikalen (!!) Innovationen der Notation auch außerhalb des kirchlichen Kontexts in Gebrauch waren, und andere mittelalterliche Notationsweisen sind in Europa nicht überliefert (jammerschade)))
 
das ist was ganz anderes, denn da sind Guidos "Notenlinien", die Mensuralnotation, Ars Nova mit komplexer Mehrstimmigkeit und auch reine Instrumentalmusik schon vorhanden - das hochinteressante Bild ist aber aus dem frühen 14. Jh. (falls die Zeitangabe 1320 stimmt) und obendrein räumlich recht weit von Köln (Mensuralnotation ab 1280, ars nova) und Paris (Notre-Dame-Schule ars antiqua ca. 1180-1260) ((wobei man nicht weiß, ob die erwähnten (gelehrten) klerikalen (!!) Innovationen der Notation auch außerhalb des kirchlichen Kontexts in Gebrauch waren, und andere mittelalterliche Notationsweisen sind in Europa nicht überliefert (jammerschade)))
Was ist denn mit den Cantigas de Santa María?

codice-rico.jpg


codice-musicos.jpg


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Was ist denn mit den Cantigas de Santa María?
weiß ich nicht, d.h. da müsste ich mühsam nachschauen/rumrecherchieren...
Ich halte die Texte eher für weltlich/höfisch, sie sollten gesungen werden, aber sie sollten erstaunlicherweise auch in der Kirche gesungen werden: Otrosí mandamos que los libros de los Cantares de los Milaglos de Loor de Sancta María sean dados en aquella eglesia ó el nuestro cuerpo fuere enterrado e que los fagan cantar en las fiestas de Sancta María e de Nuestro Sennor. Ob sie restlos alle mit notierter Gesangsstimme versehen sind oder nur einzelne, das weiß ich nicht. Auf der Abbildung sind jedenfalls keine Noten für Instrumente zu sehen, sondern die einstimmig gesungene Melodie (Vokalmusik)
Über die (leider nicht in Notationen fixierte) buntscheckige Aufführungspraxis geben nur die illustrierenden Miniaturen Auskunft.
 
In der Maciejowski-Bibel gibt es noch eine Scene mit einem hochgehaltenem Quadrat ,diesmal aber ohne zweitem Quadrat (aber durch einen leichten Schatten) man erkennt auch wie gespielt wird mit an der Fingerhaltung und wird im Gesamtbild der Instrument als Squaredrum dadurch erkennbar.
Die quadratische Trommel wäre also schon Anfang des 13.jhdt. bekannt gewesen.
 
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Was ist denn mit den Cantigas de Santa María?
Kannst du näheres darüber erzählen? Ist es ein Auszug von Gesängen im Auftrag von König Alfonso?Den es gibt eine Rekonstruktion eines Bildes ähnlich der "Maria und ihre musizierenden Begleiterinnnen" der Goldenen Haggadah.Wäre also die originale Scene ,zeitlich hier zu suchen?
 
Bin kein Musiker aber eine quadratische Trommel wurde bestimmt nicht entwickelt wegen eines besseren Tones oder vlt.eines besseren Handlings , was viel wahrscheinlicher ist.Es ist doch viel naheliegender ,dass ein symbolischen Grund das Design bestimmte .
Schaut man sich das Muster auf der Trommel in #1 an und Vergleicht es mit dem Emblem der Meriniden ,(den ein achteckiger Stern ziert)und mit der KriegsTrommel aus der "Cantiga des Santa Maria", scheint mir der Ursprung im Maurisch-arabischen Raum zu liegen .
Die Tatsache ,dass die Meriniden im Südosten des Al-Magrib auftauchten wo diese Trommel heute noch in der lokalen Foklore zu Einsatz kommt (siehe Bild#24) ,unterstützen diese These.
 
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Es ist doch viel naheliegender ,dass ein symbolischen Grund das Design bestimmte .
Schaut man sich das Muster auf der Trommel in #1 an und Vergleicht es mit dem Emblem der Meriniden ,(den ein achteckiger Stern ziert)und mit der KriegsTrommel aus der "Cantiga des Santa Maria", scheint mir der Ursprung im Maurisch-arabischen Raum zu liegen .
Die Tatsache ,dass die Meriniden im Südosten des Al-Magrib auftauchten wo diese Trommel heute noch in der lokalen Foklore zu Einsatz kommt (siehe Bild#24) ,unterstützen diese These.
Das ist eine sehr sehr seltsame These: du behauptest, das auf dem Bild der Goldenen Haggadah וַתִּקַּח֩ מִרְיָ֨ם הַנְּבִיאָ֜ה אֲחֹ֧ות אַהֲרֹ֛ן אֶת־הַתֹּ֖ף בְּיָדָ֑הּ (Mariam, die Prophetin und Schwester Aarons nahm die Trommel in ihre Hand) eine Daff abgebildet sei, weil das Symbol darauf der achteckige Stern der Meriniden sei. Warum sollten katalanische Juden ein Interesse daran haben, ein Symbol der Meriniden abzubilden und damit eine Trommel anzuzeigen? Das ergibt keinen Sinn, zumal nach wie vor zu fragen ist, warum die Blicke der verschiedenen Musikantinnen auf dieses eine Instrument gerichtet sein sollen. Zwei Quadrate im Winkel von 45º übereinander zu legen ist auch kein Hexenwerk.
 
Warum sollten katalanische Juden ein Interesse daran haben, ein Symbol der Meriniden abzubilden und damit eine Trommel anzuzeigen? Das ergibt keinen Sinn,
Weil das Oktagon vlt. ein universelles Symbol ist ,vlt. hat sie ihre Trommel so verziert um nicht verwechselt zu werden?Oder weil vlt. der Felsendom 8-ecckig ist und für Juden der Ort von Abrahams rast in Jerusalem war?
Das ergibt keinen Sinn, zumal nach wie vor zu fragen ist, warum die Blicke der verschiedenen Musikantinnen auf dieses eine Instrument gerichtet sein sollen.
Ich habe es mir noch mal angeschaut und für mich schaut es so aus als würden sich die beiden Trommlerinnen gegenseitig anschauen ,wie es oft im Duett gemacht wird und die beiden hinteren schauen zwar in die Richtung aber nicht auf das Quadrat.
 
Weil das Oktagon vlt. ein universelles Symbol ist ,vlt. hat sie ihre Trommel so verziert um nicht verwechselt zu werden?Oder weil vlt. der Felsendom 8-ecckig ist und für Juden der Ort von Abrahams rast in Jerusalem war?
??? Die Argumente sind unsinnig und wenn sie sinnvoll wären, wären sie eher geeignet gegen als für deine „These“ angeführt zu werden.

Ich habe es mir noch mal angeschaut und für mich schaut es so aus als würden sich die beiden Trommlerinnen gegenseitig anschauen ,wie es oft im Duett gemacht wird und die beiden hinteren schauen zwar in die Richtung aber nicht auf das Quadrat.
Sie schauen sich gegenseitig an? Die Köpfe sind geneigt.

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"Judith Cohen explains in “This Drum I Play: Women and Square Frame Drums in Portugal and Spain” that the square drum pictured in the haggadah was as common as the round frame drum in Iberia. Cohen also explains that in al-Andalus, Christian, Jewish, and Muslim women all played frame drums."
Cohen, Judith. “ ’This Drum I Play’: Women and Square Frame Drums in Portugal and Spain.” Ethnomusicology Forum 17.1(June 2008) 95-124.
 
Es ist nicht ungewöhnlich seine Trommel mit Henna zu bemalen um sie nicht mit anderen zu verwechseln.

kaufmann haggadah close-up.jpg

Bild:"Kaufmann Haggada",Katalonien,1370

Im Spanischen heist die Trommel im Übrigens Pandero genauer Pandero Cuequero,im henräischen Taff und im Maurischen Bendir oder tallount
 
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