Das Imperium für Pompeius (lex Gabinia) - erster Fuß in der Tür für das Prinzipat?

El Quijote

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67 v. Chr. bekam Pompeius ein weitreichendes Imperium für die Bekämpfung der Seeräuber im Ostmittelmeer übertragen.
Im Prinzip hatten die Römer das Seeräuberproblem selbst geschaffen, indem sie die Herrschaften des Ostmittelmeerraums destabilisierten und damit die jeweiligen Ordnungsmächte von der Bildfläche vertrieben. Nur wurden die Piraten ja dann für Rom zum Problem als sie die römische Annona (Getreideversorgung) gefährdeten.
Nun bekam also Pompeius ein weitreichendes Imperium* (imperium extraordinarium) über Soldaten, Flotte und ausreichende Finanzmittel. Er teilte das Mittelmeer in mehrere Bereiche auf, in denen jeweils eine eigene Flotte unter seinem Befehl operierte. Landstreitkräfte unterstützen die Maßnahmen und er selbst durchkämmte das Mittelmeer mit seiner Hauptflotte von West nach Ost. Angeblich soll er etwa ein Drittel der Piraten aufgebracht haben, zweit Drittel hätten sich ihm ergeben. Wir reden hier von bis zu 30.000 Piraten.
Anschließend zeigte Pompeius sich ebenso gnädig wie geschickt, denn er siedelte die Piraten einfach im Landesinneren an und schuf sich so rund um das Mittelmeer eine Basis dankbarer, ihm ergiebiger Klienten.

Manche Historiker sind der Auffassung, dass das imperium extraordinarium das imperium maius des Prinzipats schon vorweg nahm, indem es die römische Bevölkerung gewissermaßen an solche weitreichenden Übertragungen von Machtbefugnissen gewöhnte.

Was ist davon zu halten?



*im Gegensatz zu unserem Sprachgebrauch war für die Römer das imperium nicht das Herrschaftsgebiet sondern die Befehlsgewalt.
 
Davon halte ich gleich aus mehreren Gründen gar nichts:

  • Die zeitlichen Dimensionen: Einerseits dauerte Pompeius Seeräuberkrieg nur ein paar Monate, wie soll da ein "Gewöhnungseffekt" eintreten? Andererseits vergingen zwischen diesem Krieg und der Alleinherrschaft des Augustus noch 37 Jahre, die alles andere als ereignisarm waren und mehrere politische Umwälzungen mit sich brachten.
  • Die räumliche Dimension: Pompeius' Gewalt war weitreichend, aber nicht umfassend. Sie erstreckte sich auf die (erweiterten) Küstenregionen, aber nicht einmal über die meisten Provinzen in ihrer Gesamtfläche. In Rom blieb seine Position fragil, insbesondere der Konsul Piso machte Schwierigkeiten.
  • Pompeius' Gewalt war auch in seinem "Herrschaftsgebiet" nicht unangefochten: Es blieb umstritten, wie sich sein imperium zu den imperia der promagistratischen Statthalter verhielt. Der Prokonsul Metellus Creticus auf Kreta war nicht gewillt, sich Pompeius unterzuordnen. Im Prinzipat - außer bei Usurpationen - faktisch undenkbar.
Im Ergebnis war Pompeius' Herrschaft ein kurzes Zwischenspiel. Nach dem erfolgreichen Abschluss des Seeräuberkrieges blieb er jahrelang im Osten, während man sich in der Innenpolitik Roms kaum um ihn kümmerte. Im Gegensatz zum imperium des Kaisers war das von Pompeius auch nicht auf eine längere Dauer angelegt, sollte also keine längerfristige Machtgrundlage schaffen, sondern sie nur für einen konkreten Anlassfall liefern.

Umgekehrt aber ließ sich Augustus nicht einfach ein Imperium im Stile von Pompeius übertragen, sondern stützte seine Alleinherrschaft bis 23 v. Chr. in Rom primär auf das bis dahin von ihm jährlich bekleidete Konsulat. Sein imperium war auch anders ausgestaltet als das von Pompeius.

Falls sich die Römer an Übertragungen von Machtbefugnissen und Alleinherrschaften gewöhnten, dann waren dafür eher die auf Pompeius' imperium folgenden Jahrzehnte ausschlaggebend: In den 50ern war Pompeius zeitweise faktischer (wenngleich nicht unangefochtener) Machthaber in Rom und Italien, in den 40ern wurde Caesar formaler Dictator, und später beherrschte Octavian bereits als Triumvir jahrelang faktisch Rom und Italien, während Antonius im Osten weilte, wobei das zweite Triumvirat auf eine gesetzliche Grundlage gestellt war.

Aber auch hinsichtlich der Übertragung außerordentlicher imperia oder sonstiger Sondervollmachten würde ich Pompeius' imperium nicht überbewerten: Es war ein Meilenstein, blieb aber Episode. Pompeius war keineswegs der erste Römer, der Vollmachten erhielt, die dem Herkommen widersprachen: Bereits dass der ältere Scipio Africanus für seinen Spanienfeldzug Prokonsul wurde, ohne das Konsulat bekleidet zu haben, fiel aus dem Rahmen. Dass Marius fünf Jahre in Folge das Konsulat bekleiden durfte, war zu seiner Zeit völlig ungewöhnlich, die mehrjährige Dictatur Sullas erst recht.
Sogar ein außerordentliches imperium war kein Novum, denn bereits 74 v. Chr. hatte Marcus Antonius "Creticus" ein außerordentliches Imperium zur Piratenbekämpfung erhalten.
Dass bei Bedarf außerordentliche Maßnahmen getroffen und Machtbefugnisse verliehen wurden, kam in der späteren Republik also öfters vor. Pompeius' imperium war weder der erste noch der letzte Fall, auch nicht der drastischste.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann deine Argumente größtenteils nachvollziehen, lediglich das eine nicht: Die Auflehnung des Creticus kann doch eigentlich nicht als Gegenargument gewertet werden.
 
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