Das jüdische Ghetto in Rom

ursi

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Nachdem Judäa zur römischen Provinz wurde kamen viele Juden als Sklaven nach Rom. Auch einige freie Handwerker und Händler folgten den Sklaven in die Hauptstadt. Sie lebten in Trastevere und gründeten dort ihre erste Gemeinde. Im 14. Jahrhundert übersiedelten viele auf die andere Flussseite. In die Gegend, die sie ab 1555 zwangsweise zu bewohnen hatten.
Antisemitische Stimmungen und Benachteiligungen waren in den vorhergegangen Jahrhunderten zeitweise gang und gäbe, doch mit Papst Paul IV kam 1555 ein Fanatiker an die Macht, der zu drastischen Massnahmen gegen die jüdische Gemeinde griff. Damals zählte die Gemeinde 8000 Mitglieder jüdischen Glaubens. Die Juden wurden in ein Ghetto gepfercht. Das Ghetto war ca. drei Hektar gross und wurde mit einer Mauer umgeben, die Juden durften das Gelände nur bei Tag verlassen und mussten sich als Zeichen ihrer gesellschaftlichen Diskriminierung mit einem roten Mantel oder roten Rock kennzeichnen. Der Zugang zu bestimmten Berufen wurde ihnen verweigert, sie zahlten den höchsten Steuersatz und mussten sich jeden Freitag vollzählig in einer der vier Kirchen im Ghetto versammeln. Dort mussten sie den Predigten der Franziskaner anhören, damit wollte der Papst die Juden zum Christentum bekehren.

Nach der Einigung Italiens 1870 und der Entmachtung der Kirche wurde die Ghettomauer zerstört und die Juden bekamen die vollen Bürgerrechte zurück. Diese Freiheit hielt jedoch nur bis Mussolini eine Reihe antijüdische Gesetze verabschieden liess. Sie mussten wieder zurück ins Ghetto, dieses wurde in der Nacht des 16. Oktobers 1943 von der Gestapo gestürmt; 2091 Juden wurden in die Konzentrationslager von Auschwitz und Bergen-Belsen deportiert. Von ihnen überlebten nur 15. Heute leben im ehemaligen Ghetto wieder ca. 500 jüdische Familien.
 
Hallo Ursi!
Stimmt es, daß Papa Borgia, Alexander VI. den aus Spanien vertriebenen Juden Schutz in Rom gewährte? Ich glaube, so etwas gelesen zu haben, erinnere mich aber nicht mehr an die Quelle.
 
Diese Freiheit hielt jedoch nur bis Mussolini eine Reihe antijüdische Gesetze verabschieden liess. Sie mussten wieder zurück ins Ghetto, dieses wurde in der Nacht des 16. Oktobers 1943 von der Gestapo gestürmt; 2091 Juden wurden in die Konzentrationslager von Auschwitz und Bergen-Belsen deportiert. Von ihnen überlebten nur 15. Heute leben im ehemaligen Ghetto wieder ca. 500 jüdische Familien.

Es fehlte nicht an Warnungen für die jüdische Bevölkerung in Rom und in den anderen italienischen Städte im Gebiet des RSI unter Mussolini im Herbst 1943 (ca. 12.000 in Rom. insgesamt ca. 43.000 in Italien).

Speziell in Rom vertraute man auf die Nähe des Vatikans. Auch das Anrücken der allierten Truppen, die in Süditalien und im Golf von Salerno gelandet waren, wurde in Kürze erwartet. Überdies gab es trotz der Rassengesetze 1938 unter Mussolini hochrangige jüdischer Vertreter im Staat, ca. 1/3 waren Mitglieder der PNF gewesen.

Am 26.9.1943 wurde Kappler, Kommandant der deutschen Sicherheitspolizei und den SD in Rom, tätig. Es begann die sog. "1. Phase": Vertretern des Ghettos wurde die Forderung übergeben, bis zum 28.9. binnen 36 Stunden insgesamt 50 Kg Gold zu übergeben; anderenfalls wurde mit der Deportation von 200 Juden gedroht. Das Gold sollte also ein Kopfgeld darstellen.
Herbert Kappler – Wikipedia

Da insbesondere vermögende Vertreter bereits ausgereist waren, gestaltete sich die Sammlung anfangs schwierig. Aufgrund einer Anfrage erklärte sich der Vatikan bereits, einen möglicherweise fehlenden Restbetrag zu leihen. Es gelang aber dann doch, insgesamt eine Menge von 80 kg durch Aufkäufe und Sammlung zusammenzutragen. Zum Schein wurde die Bitte um kurze Verlängerung des Ultimatums gestellt. Am 28.9. abends wurden 50 kg übergeben; die restlichen 30 kg wurden im Ghetto versteckt und gelangten nach Ende des Krieges an den Staat Israel. Die übergebenen 50 kg wurden durch die jüdischen Gemeindevorsteher der SS übergeben; die Kiste mit dem Gold wurde nach Ende des Krieges, verschlossen und unberührt, in Berlin im Büro von Kaltenbrunner, dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes aufgefunden.

Nach Übergabe des Goldes begann die "2. Phase": innerhalb von 14 Tagen wurde das Ghetto mehrfach durchsucht; insbesondere Geld und Dokumente wurden dabei beschlagnahmt. Es fand sich darunter eine Kartei der steuerzahlenden Gemeindemitglieder, die von der SS mit dem Konfessionsverzeichnis des "italienischen Rasseregisters" abgeglichen werden konnte. Da hier Wohnorte von jüdischen Mitbürgern auch außerhalb des Ghettos verzeichnet waren, stellte die Liste eine besondere Gefahr dar. Die Liste existierte noch, obwohl es mehrere Warnungen gegeben hatte, solche Dokumente zur Seite zu schaffen bzw. zu vernichten.

Die "3. Phase" begann in der Nacht vom 15. auf den 16.10.1943: mit sektorenweisen Razzien wurden von den 12.000 römischen Juden rund 1.000 verhaftet. Nach Unterbringung in einer Kadettenanstalt wurden die Menschen in 20 Eisenbahnwaggons in Tiburtina verfrachtet. Offenbar, um Proteste aus dem Vatikan abzuwarten, dauerten sowohl die Unterbringung als auch der Transport ungewöhnlich lange. Der Transport ging nach Auschwitz, nur 15 Menschen überlebten. Von den insgesamt aus Rom bis zum Ende der deutschen Besatzung deportierten 2.091 Personen (es folgten noch weitere Razzien) überlebten nur 73 Männer und 28 Frauen.

Nach dem Krieg verteidigte Kappler die Goldaktion damit, er sei der Überzeugung gewesen, dass damit die Deportation umgangen werden könne. Tatsächlich war die SS wenig an dem Gold interessiert, wie der weitere Verbleib der Kiste zeigte. Die Aktion führte allerdings bei vielen römischen Juden dazu, nicht die Flucht zu ergreifen. Man glaubte an die Möglichkeit des Freikaufs.

Ungeklärt ist bis heute die Reaktion des Vatikans auf die Ereignisse am 16.10.1943. Wenige Tage zuvor war die Ankunft von ca. 3.000 Mann der SS in Rom diplomatisch angekündigt worden (dieses war eine Fehlinformation, tatsächlich wurden für die Aktion nur rd. 250 Mann, zunächst im September 1939 nur 35 Mann eingesetzt - die Meldung über eintreffende Truppen von Mitte Oktober 1943 betraf vermutlich die Verlegung der SS-Sturmbrigade "Reichsführer SS" sowie die Bahnverlegung der 305. Inf.Division in den Raum Rom). Angehörigen der deutschen Botschaft in Rom wurde außerdem von Berlin aus versichert, Deportationen würden "nur nach Mauthausen" stattfinden.

Die Deportation der ersten 1000 Menschen überschnitt sich auch mit dem "Abtransport" von rund 1.500 italienischen Offizieren zwischen dem 12. und dem 17.10.1943 nach Deutschland, die zuvor als Militärinternierte (von insgesamt rd. 24.000 Internierten bis Anfang Oktober) gefangengenommen worden waren.

Linda Thomas: Die Juden im faschistischen Italien, Die Razzien im römischen Ghetto und im Ghetto in Venedig, Europäisch.Hochschulschr. III/Bd. 1060.
Mehner, Geheime Tagesberichte der Deutschen Wehrmachtsführung Band 8
Gerhard Schreiber: Italienische Militärinternierte, Beiträge Militärgeschichte Bd. 28
Josef Schröder: Italiens Kriegsaustritt 1943, Studien und Dokumente zur Geschichte des 2. WK, Bd. 10
http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/vjw/Rome.html#World War II
 
Bereits für das Jahr 139 vor Christus, also lange vor der Eroberung des Nahen Osten durch die Römer, gibt es Nachricht von Valerius Maximus über Juden in Rom.

Die erste Nachricht über die Juden in Rom ist aber pikanterweise schon die über ihre Vertreibung aus Rom, weil sie dem Kult des "Jupiter Sabazios" anhängen.
 
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