Das Öl, die Royal Navy und der Erste Weltkrieg

Ölpreise in $ pro Barrel: ...
Blieb dann bis 1945 zwischen 1$ und 1,50$

Vielen Dank, das bestätigt die Grafik oben in #40. Wie allerdings zu sehen ist (und durch die Industriepreise bestätigt wird), betrifft das nur den US-Markt. Den Preis für das mexikanische Öl findest Du ebenfalls in der Grafik, erheblich niedriger.

Ich hatte allerdings auf den britischen Fokus abgestellt, daher:
Du meinst, was in die einzelnen Weltregionen geliefert wurde? dito Fördermengen?

Ganz genau. Die britische Strategie (Autarkie im Commonwealth-Bereich) war durchaus aufgegangen, wie die Nachkriegs-Statistik zeigt. In den 1930ern importierte Großbritannien insgesamt zwischen 8,1 und 11,2 Mio. to. Rohöl p.a. Davon stammten nur 1,3 bis 1,5 Mio. to. p.a. aus den USA, die allerdings jederzeit substituierbar waren:

Burma produzierte nämlich zwischen 3,5 und 3,9 Mio. to. p.a., Trinidad/Tobago zwischen 5,0 und 8,1 Mio. to. Selbst ohne Indien, Brunei und Sarawak war damit theoretisch der britische Import jederzeit aus dem damaligen Commonwealth gedeckt. Der einzig größere (ungedeckte) Importbedarf im Commonwealth betraf Kanada, das vom US-Öl abhängig war und seine Importmengen hiervon überwiegend bezog. Wenn stets behauptet wird, dass 30-50% der britischen Importmengen in den 1930ern aus Amerika stammten, ist damit Trinidad/Tobago angesprochen. Das geht jedenfalls aus dem Statistical Abstract for the Commonwealth 1933-1939 hervor.

Mit dem mexikanischen Faktor war die Ausdehnung 1919/23 gemeint, der die "First Oil Shortage" überbrückte. Die gewaltige Nachkriegs-Ausdehung der US-Produktion schluckte überwiegend der heimische Markt. Siehe #40.

Der Fokus - siehe Themenüberschrift - lag auch auf der Royal Navy, deren Bedarfsdeckung neben der britischen Handelsflotte (zwischen 1919 und 1930 sollte der Anteil der "zivilen" oil-burner auf 50% steigen, der Rest konsumierte noch Kohle) als strategischer Faktor in den Gebietszielen gegen Kriegsende 1917/19 anzusehen war.

Damit würde ich gern die Kurve zu Teil II nehmen, einverstanden?
 
Teil II - Mister X und das Öl - eine bislang wenig beachtete Querverbindung?

Die Kriegsziele Großbritanniens für den Mittleren und Nahen Osten wandelten sich wie dargestellt im Zeitablauf, noch 1918 wurde ein Gebietsangebot für das Osmanische Reich - im Gegenzug für sofortigen Kriegsaustritt unterbreitet, und man verhandelte Gebietsfragen in der Schweiz.

Im August 1918 war das vom Tisch, die Nachkriegs-Ölversorgung und der "weiche" Imperialismus stand nun allein im Fokus. Der weitere Vormarsch in Mesopotamien war so von der Sicherung der ölträchtigen südlichen Gebiete sowie von Aspekten der Wasserversorgung in der künstigen britischen Zone beherrscht (Kent, Oil&Empire, S. 126). Außerdem hatten Bohrungen der Mittelmächte im Kirkuk-Gebiet während des Krieges Interesse geweckt. Vierter Aspekt war die gesicherte Land-Luftverbindung von Palästina (als avisiertes Siedlungsgebiet) über Transjordanien bis Bagdad.

Am 13.8.1918 forderte "X" Mesopotamien als britisches "Siedlungsgebiet". Dabei war klar erkannt, dass die künftige britische Herrschaft auf Widerstand auf massiven regionalen Widerstand stoßen würde: "settlement" wurde so zu einem Instrument der Sicherung der künftigen Ölinteressen.

Dabei war die Bedeutung des "Öl-Problems" - wie auch Bedarf, und der vermutete Nachkriegsbedarf für Kriegs- und Handelsflotte - massiv gestiegen. 1918 steigerten sich die britischen Ölbezüge beachtlich gegenüber den Vorjahren. Das ist der Aspekt, der sich 1913 in Fishers "Oil-Memorandum" andeutete: sichere Quellen, preiswerter Bezug. Das Problem gewann weitere Brisanz durch die inzwischen sichtbaren Konsequenzen des U-Boot-Krieges und des Einsatzes der Luftwaffen, und die Prognosen über die zukünftige Bedeutung dieser ölversorgten Waffensysteme.

Der Blick zurück: 1912/13, Die Royal Oil Commission unter Fisher.
Wie üblich, stieß Fisher die Debatten nicht nur über die formalen Kanäle an, sondern nutzte seine zahlreichen Beziehungen zu einflussreichen Personen. Im Mai 1913 begann ein monatelanger Briefwechsel zur Ölfrage, der künftigen maritimen Kriegsführung, der britischen Rüstung und der Sicherheit des Empires mit dem höchst technikinteressierten X.

Fisher in diesem Schriftwechsel mit X:
"I know you are quite as convinced as I am that submarines and aviation govern the future...

The Oil engine governs the situation ...

It will become increasingly difficult for us or either power to obtain command of such seas as these [North Sea, Mediterraneans, etc.]. ... It will render the despatch of Expeditionary Forces across them a more and more hazardous business than it has been before, and this applies equally to the invasion of England or to the despatch of our epeditionary force overseas. Consider the safety of England it would therefore appear that the developement of the submarine will result in increased safety...

[und stellte die Forderung:]
Oil is in abundance in store in this country for the use in the oil engine."

Anders als zB Corbett und Jellicoe gelang es Fisher, "X" von seinen Prognosen der kommendenden Entwicklungen voll zu überzeugen. Damit war die Sensibilisierung für die Ölfrage voll gelungen, die mit der Existenzsicherung des Britischen Empires verbunden wurde. "X" zeigte sich überzeugt, dass die Entwicklung der Ölversorgung und der entsprechenden Antriebe die Britische Seestrategie "unterminieren" würde.

Diese Feststellung ist zugleich der Beleg für die voll erkannte militärische Bedeutung der Ölversorgung für das Empire noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1913 (ebenso wie bei Churchill, der in gleicher Weise von Fisher "bearbeitet" worden ist. Fisher hatte sie überzeugt:

"And what is it that the coming of the submarine really means? It means that the whole foundation of our naval strategy, which had served us so well in the past, has broken down. The foundation of that strategy was blockade. The fleet did not exist merely to win battles - that was the means not the end. The ultimate purpose of the fleet was to make blockade possible for us; impossible for the enemy. ... But with the advent of the long-range ocean-going submarine that has all gone! Surface ships can no longer maintain or prevent blockade, and with the conception of blockade are broken up all the consequences, direct and indirect, that used to flow from it. All our old ideas of strategy are simmering in the melting pot."

Diese Befürchtungen wurden durch die Entwicklung des Weltkrieges angeheizt, und hinzu kam die massive Entwicklung des Luftkrieges. "X" musste klar geworden sein, welche Schlüsselbedeutung der Mittlere Osten für den künftigen britischen Imperialismus haben würde - zugleich mit der Einsicht, dass diese Regionen in gewaltiger Ausdehnung und langen Versorgungslinien nicht allein mit einer kleinen britischen Streitmacht beherrscht werden könnten. 1918 sprach "X" daher erneut aus, wie er sich die Sicherung der ölergiebigen Territorien vorstellte: mit einer Mischung aus Militärpräsenz und Siedlungsstrategie. Der Krieg hatte sein Kriegsziel hervor gebracht, die Sicherung der britischen Ölinteressen durch "weichen" Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten zu betreiben, durch die Gewinnung der Achse Palästina-Transjordanien-Mesopotamien-Südpersien.

X steht für: Arthur James Balfour, Foreign Secretary in Lloyd Georges Koalitionsregierung. Weiter geht es hier:
http://www.geschichtsforum.de/f82/balfour-deklaration-38384/
 
Ein Nachtrag in der Literatur, fokussiert auf den Zusammenhang zwischen technologischer Entwicklung, maritimer Strategie und politisch-militärischem Handeln im Ersten Weltkrieg:

Anglo-Persian Oil Company ? Wikipedia

"The Admirality must have power to control an oil-field somewhere... What we want now is a proved proposition, a going concern, an immediate supply, and a definite prospect with potentialities of development over which we can ourselves preside. These we find in Persia."
Churchill in der Unterhaus-Debatte über die Finanzbeteiligungen, 17.6.1914.

Sarah Reguer: Persina Oil and the First Lord: A Chapter in the Career of winston Churchill, Military Affairs 1982, S. 134-138:
"Long-term effects in Persia of Churchills activities are beyond the scope of this work, ... but an extremely important immediate effect was the British Governments decision to invade Mesopotamia after war broke in late 1914 to protext the Persian oilfield and refinery."

Dazu passend, da diese territorialen Ergebnisse des Weltkriegs ihren Einfluss auf die folgenden Jahrzehnte hatten:
Townshend, Charles: When God made Hell - The British Invasion of Mesopotamia and the Creation of Iraq 1914 - 1921, aus 2010.
 
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