Teil II - Mister X und das Öl - eine bislang wenig beachtete Querverbindung?
Die Kriegsziele Großbritanniens für den Mittleren und Nahen Osten wandelten sich wie dargestellt im Zeitablauf, noch 1918 wurde ein Gebietsangebot für das Osmanische Reich - im Gegenzug für sofortigen Kriegsaustritt unterbreitet, und man verhandelte Gebietsfragen in der Schweiz.
Im August 1918 war das vom Tisch, die Nachkriegs-Ölversorgung und der "weiche" Imperialismus stand nun allein im Fokus. Der weitere Vormarsch in Mesopotamien war so von der Sicherung der ölträchtigen südlichen Gebiete sowie von Aspekten der Wasserversorgung in der künstigen britischen Zone beherrscht (Kent, Oil&Empire, S. 126). Außerdem hatten Bohrungen der Mittelmächte im Kirkuk-Gebiet während des Krieges Interesse geweckt. Vierter Aspekt war die gesicherte Land-Luftverbindung von Palästina (als avisiertes Siedlungsgebiet) über Transjordanien bis Bagdad.
Am 13.8.1918 forderte "X" Mesopotamien als britisches "
Siedlungsgebiet". Dabei war klar erkannt, dass die künftige britische Herrschaft auf Widerstand auf massiven regionalen Widerstand stoßen würde:
"settlement" wurde so zu einem Instrument der Sicherung der künftigen Ölinteressen.
Dabei war die Bedeutung des "Öl-Problems" - wie auch Bedarf, und der vermutete Nachkriegsbedarf für Kriegs- und Handelsflotte - massiv gestiegen. 1918 steigerten sich die britischen Ölbezüge beachtlich gegenüber den Vorjahren. Das ist der Aspekt, der sich 1913 in Fishers "Oil-Memorandum" andeutete: sichere Quellen, preiswerter Bezug. Das Problem gewann weitere Brisanz durch die inzwischen sichtbaren Konsequenzen des U-Boot-Krieges und des Einsatzes der Luftwaffen, und die Prognosen über die zukünftige Bedeutung dieser ölversorgten Waffensysteme.
Der Blick zurück: 1912/13, Die Royal Oil Commission unter Fisher.
Wie üblich, stieß Fisher die Debatten nicht nur über die formalen Kanäle an, sondern nutzte seine zahlreichen Beziehungen zu einflussreichen Personen. Im Mai 1913 begann ein monatelanger Briefwechsel zur Ölfrage, der künftigen maritimen Kriegsführung, der britischen Rüstung und der Sicherheit des Empires mit dem höchst technikinteressierten X.
Fisher in diesem Schriftwechsel mit X:
"I know
you are quite as convinced as I am that submarines and aviation govern the future...
The Oil engine governs the situation ...
It will become increasingly difficult for us or either power to obtain command of such seas as these [North Sea, Mediterraneans, etc.]. ... It will render the despatch of Expeditionary Forces across them a more and more hazardous business than it has been before, and this applies equally to the invasion of England or to the despatch of our epeditionary force overseas.
Consider the safety of England it would therefore appear that the developement of the submarine will result in increased safety...
[und stellte die Forderung:]
Oil is in abundance in store in this country for the use in the oil engine."
Anders als zB Corbett und Jellicoe gelang es Fisher, "X" von seinen Prognosen der kommendenden Entwicklungen voll zu überzeugen. Damit war die Sensibilisierung für die Ölfrage voll gelungen, die mit der Existenzsicherung des Britischen Empires verbunden wurde. "X" zeigte sich überzeugt, dass die Entwicklung der Ölversorgung und der entsprechenden Antriebe die Britische Seestrategie "unterminieren" würde.
Diese Feststellung ist zugleich der Beleg für die voll erkannte militärische Bedeutung der Ölversorgung für das Empire
noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1913 (ebenso wie bei Churchill, der in gleicher Weise von Fisher "bearbeitet" worden ist. Fisher hatte sie überzeugt:
"And what is it that the coming of the submarine really means?
It means that the whole foundation of our naval strategy, which had served us so well in the past,
has broken down. The foundation of that strategy was blockade. The fleet did not exist merely to win battles - that was the means not the end. The ultimate purpose of the fleet was to make blockade possible for us; impossible for the enemy. ... But with the advent of the long-range ocean-going submarine that has all gone! Surface ships can no longer maintain or prevent blockade, and with the conception of blockade are broken up all the consequences, direct and indirect, that used to flow from it.
All our old ideas of strategy are simmering in the melting pot."
Diese Befürchtungen wurden durch die Entwicklung des Weltkrieges angeheizt, und hinzu kam die massive Entwicklung des Luftkrieges. "X" musste klar geworden sein, welche Schlüsselbedeutung der Mittlere Osten für den künftigen britischen Imperialismus haben würde - zugleich mit der Einsicht, dass diese Regionen in gewaltiger Ausdehnung und langen Versorgungslinien nicht allein mit einer kleinen britischen Streitmacht beherrscht werden könnten. 1918 sprach "X" daher erneut aus, wie er sich die Sicherung der ölergiebigen Territorien vorstellte: mit einer Mischung aus Militärpräsenz und Siedlungsstrategie. Der Krieg hatte sein Kriegsziel hervor gebracht, die Sicherung der britischen Ölinteressen durch "weichen" Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten zu betreiben, durch die Gewinnung der Achse Palästina-Transjordanien-Mesopotamien-Südpersien.
X steht für: Arthur James Balfour, Foreign Secretary in Lloyd Georges Koalitionsregierung. Weiter geht es hier:
http://www.geschichtsforum.de/f82/balfour-deklaration-38384/