Das Rus

Abdul_Alhazred

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Bin mir nicht wirklich sicher, wo das Thema reingehören könnte...ich packs mal hier rein, wenn ich mich irre, korrigiert mich.

Als Rus bezeichnet man allgemein ein Siedlungsgebiet der Ostslawen, dass Teile des heutigen Russlands und der heutigen Ukraine umfasste. Der Name ist abgeleitet vom Volk Rus, zu dessen Ursprung es folgende Theorien gibt:

Die Normannische Theorie, nach der der Name Rus von der finnischen Bezeichnung für die Nordgermanen (Ruotsi) oder von ihrer mutmaßlichen schwedischen Heimat Roslagen hergeleitet ist.

Die Ostslawische Theorie, nach der Rus ein kleiner ostslawischer Stamm war, der südlich von Kiew am Fluss Ros siedelte.

Die Alanische Theorie, nach der die Bezeichnung Rus auf einen alanischen Teilstamm, die Ruchsas, zurückgeht.

Die Westslawische Theorie, nach der Rus von den Ranen, einem westslawischen Volk, dass an den Expeditionen der Waräger und am Ostseehandel teilgenommen hat, abgeleitet ist.


Was haltet ihr von den einzelnen Theorien?
 
Nun, es fehlt noch die iranische Theorie, das Rus in einer Verbindung zu "Rostam" stehen soll.
 
Die Normannische Theorie, nach der der Name Rus von der finnischen Bezeichnung für die Nordgermanen (Ruotsi) oder von ihrer mutmaßlichen schwedischen Heimat Roslagen hergeleitet ist.

Mir ist diese Theorie ebenfalls am Geläufigsten. Demnach waren es Waräger, die mit ihren Schiffen die Mündungen der großen Flüsse herauffuhren und so tief ins Kernland gelangten. So weit ich weiß, führte der weg unter anderem über Byzanz und das Schwarze Meer, so sollen die Waräger eine Zeit lang fast komplett die Garde Ostroms gestellt haben.
 
Rus soll soviel bedeuten, wie Schwurgemeinschaft. Vor jeder Fahrt schwor sich die Mannschaft eines jeden Bootes, füreinander einzustehen. Zum Beispiel musste der gewaltsame Tod eines jeden der Verschworenen unter allen Umständen gerächt werden.
Seit dem 7. Jahrhundert begannen die schwedischen Wikinger, die von den Slawen Rus genannt wurden, ihre Handelsbeziehungen in Richtung Osten auszudehnen. Dabei tasteten sie sich auf den Flüssen immer weiter vor, bis sie zum Schwarzen Meer und über die Wolga auch zum Kaspischen Meer gelangten. Sie trieben darauf einen lebhaften Handel mit Byzanz und ihre Routen sollen über Persien bis nach Indien gereicht haben.
Der erste Stützpunkt, den die Waräger in Osteuropa errichteten war 820 Ladoga, dann kam Holmgard, das spätere Nowgorod, und Känugard, das dann Kiew genannt wurde, hinzu. Das Land nannten die Waräger Gardarike. Als sich dann die Wikinger sehr schnell mit den Slawen arrangierten, nahmen sie auch deren Sprache und Geflogenheiten an. Als Kiew die erste Stelle unter den Städten einzunehmen begann, gewann das Land an Stärke und nannte sich Kiewer Rus. Man nahm um das Jahr 1000 den Glauben der byzantinischen Kirche an. Wladimir der Heilige heiratete die byzantinische Prinzessin Anna. Aus dieser Ehre leitete das spätere Russland auch seinen Anspruch her, das Dritte Rom zu sein. Unter Wladimir Monomach erreichte es schließlich seine größte Bedeutung. Danach zerbrach es aber schnell in einzelne Fürstentümer, die sich gegenseitig bekämpften.
Dabei waren die Herrschenden immer die Rus, wobei sie längst assimiliert waren. Sie bestanden immer darauf, von den Warägern abzustammen und unterhielten ununterbrochen Beziehungen zu Schweden, Dänemark und Norwegen. Man pflegte sogar Beziehungen bis nach England.
Der Mongolensturm beendete die Selbständigkeit der Rus. Nur Nowgorod wurde von den Mongolen nicht besetzt, musste aber Tribut zahlen.
Später stieg dann Moskau als neues Fürstentum auf und begründete den neuen Staat und das Zarenreich.
 
Diese etymologische Herleitung würde mich mal interessieren!
Logisch erscheint mir die Herkunft von Ruderer "Ruotsi" aus dem Finnischen. Die Waräger waren ja ständig am Fluss rauf und runter rudern. Als Außenstehender, was die ansässigen Slawen am Dnjepr ja erst einmal waren, hat man sie in der Hauptsache so gesehen. Der Kontakt kam ja dann später. Vielleicht war Finnisch zu dieser Zeit zwischen Waräger und Slawen eine Art Vermittlersprache. Da wurde dann Rus ein Synonym für verschworene Gemeinschaft, weil die Slawen so etwas noch nicht kannten.
 
Gab es Kiev und Novgorod nicht schon vor den Wäragern? Und wurden diese nicht zu Hilfe gerufen als Schlichter bzw. um die "Unordnung" durch fehlende Herrscher zu beheben.
Mir ist so, als ob ich so eine Passage schon mal gelesen hätte, als übersetzung aus den
Nestor? - Chroniken aus dem Kiever Höhlenkloster.
 
Siedlungen gab es an diesen Orten schon, da sie sehr günstig gelegen waren. Aber es handelte sich eher um lose Ansammlungen von Hütten ohne Befestigungen. Die Waräger boten sich dann als Beschützer an und hatten so "einen Fuß in der Tür". Deshalb bildeten sie sich vorerst auch als Herrschende heraus, ohne unterdrücken zu wollen. Sie hatten eher die organisierende Hand und vermischten sich schnell mit der angestammten Bevölkerung.
 
Nach dem litauischen Linguisten Letas Palmaitis leitet sich Rus vom prußischen Stamm der Schalauer und dem Ort Ruß/ Memelland/ Memeldelta ab: Ort, der von Wasser umströmt wird.

Siehe:
* Ruß ? GenWiki
* Die Schalauer ? GenWiki

- Lepa, Gerhard (Hrsg): Die Schalauer, Die Stämme der Prußen, Tolkemita-Texte 52, Dieburg 1997
- Matulaitis, K.A.: Die Schalauer des Altertums, Tauto praeitis II, 2, 1965, in Tolkemita Texte 52, Dieburg 1997
- Salys, Anatanas: Schalauen, Lietuviu Enciklopedija, 1962, Boston, Band 27, S. 536-541, aus dem Litauischen in Tolkemita-Texte 52, Dieburg 1997
- Sedow, W.W.: Die Schalauer, Archäologie der UdSSR, Moskau 1987, aus dem Russischen in Tolkemita-Texte 52, Dieburg 1997
 
Zuletzt bearbeitet:
Das gleiche Problem hat man ja auch mit der Herleitung des Wortes "Wikinger " .
Auch dort lies sich bis heute nicht klären ob es von vikingr , viking oder vik abstammt .
Neben dem Problem mit der Herleitung tauchen die beiden Begriffe auch noch etwas Zeitgleich auf .
 
Das gleiche Problem hat man ja auch mit der Herleitung des Wortes "Wikinger " .
Auch dort lies sich bis heute nicht klären ob es von vikingr , viking oder vik abstammt .
Neben dem Problem mit der Herleitung tauchen die beiden Begriffe auch noch etwas Zeitgleich auf .

Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass es Begriffe gibt, deren Herkunft nicht mehr eindeutig zu klären ist. Dass sich dahinter - wie bei den Rus - zuweilen auch ideologische Gesichtspunkte verbergen, steht auf einem anderen Blatt. So haben sich sowjetische Wissenschaftler stets vehement dagegen gewehrt, den Namen "Rus" von schwedisch=Ruderer herzuleiten. Das hätte schließlich bedeutet, dass der Name Russland schwedischer und nicht slawischer Herkunft gewesen wäre, was nicht infrage kam.

Abgesehen davon hat die sowjetische Forschung stets versucht, den Anteil der schweidischen Waräger an der russischen Staatsbildung möglichst klein und den der Slawen möglichst groß dazustellen. Geschichte also im ideologischen Schlepptau!
 
Nach dem litauischen Linguisten Letas Palmaitis leitet sich Rus vom prußischen Stamm der Schalauer und dem Ort Ruß/ Memelland/ Memeldelta ab: Ort, der von Wasser umströmt wird.
Sehr interessant. Die Ähnlichkeit von Borussia und Russia, Pruzzen und Russen, Preußen und Reußen ist mir schon irgendwie aufgefallen.:still:
 
Mich dünkt der Verdacht, dass die Waräger nicht über die Ostsee und den Finnischen Meerbusen direkt ins heutige Gebiet St. Petersburg gekommen sind sondern über Jahrzehnte über das Baltikum und haben sich mit den dortigen Prußen (Alt-Litauer) assimiliert und sind gen Osten weitergewandert. Die Historie der Gegend östlich des Prußenlandes ist dürftig bis wenig vor Gründung der Kiewer Rus.
Vielleicht dehnte sich der erfolgreiche Handel und der Lebenswandel der Alt-Litauer auch nur gen Osten soweit aus, dass diese Gegend letztendlich von ihnen wirtschaftlich und politisch dominiert wurden. Und der Name "Rus" entweder die sprachliche Bezeichnung für die Prußen (Prüsai) oder eine Wortneuschöpfung/Abkürzung der verschiedenen Bewohner der Gegend aus dem Wort "Prüsai" ist.
 
Mich dünkt der Verdacht, dass die Waräger nicht über die Ostsee und den Finnischen Meerbusen direkt ins heutige Gebiet St. Petersburg gekommen sind sondern über Jahrzehnte über das Baltikum ...

Die Waräger sind über alle großen Ostseezuflüsse ins Binnenland vorgestoßen, d.h. über Oder, Weichsel, Memel und Düna sowie über den Finnischen Meerbusen. Die Route Baltikum-Schwarzes Meer-Konstantinopel verlief bevorzugt von Südschweden aus über Düna, Memel sowie den Finnischen Meerbusen und dann auf dem Dnjepr Richtung Süden. Ein anderer Zweig ging vom Ladoga-See auf der Wolga zum Reich der Wolgabulgaren, mit dem die Waräger rege Handelsbeziehungen unterhielten. Von dort aus verlief die warägische Handelsroute wiederum auf der Wolga zum Schwarzen und Kaspischen Meer.

... und haben sich mit den dortigen Prußen (Alt-Litauer) assimiliert und sind gen Osten weitergewandert. Die Historie der Gegend östlich des Prußenlandes ist dürftig bis wenig vor Gründung der Kiewer Rus.

Von einer Verschmelzung der Waräger mit den Pruzzen ist mir nichts bekannt. Wohl aber kam es bekanntermaßen zu einer Assimilation mit den Slawen, wobei die Waräger nach dem 10. Jh. auch im Namnensgut nicht mehr greifbar sind und in der Folge von der slawischen Bevölkerung aufgesogen wurden. Bis dahin finden wir z.B. noch Helgi für Oleg, Ingvar für Igor und Helga für Olga.
 
Nur nebenbei: die Prußen sind keine Altlitauer. Diese sind Westbalten, jene Ostbalten.
Im Prußischen haben "rus-, ras-, ros-" -Wörter alle mit Wasser zu tun. Interessant ist neben Ruß besonders der Ort Warruß und die Windenburger Ecke.
* Windenburger Ecke ? GenWiki

Die Prußen hatten nicht nur Handelsbeziehungen zum Kaukasus, nach Griechenland und Rom (Bernsteinstraße) sondern bezogen auch Eisen und Kupfer aus England und Salz aus Halle. Die kamen also recht weit rum.

Paar hundert Jahre später mussten sich die südlichen Prußen sich mit dem Deutschen Orden herumschlagen wogegen die Kuren und die Schalauer friedliche Handelsbeziehungen mit den Wikingern unterhielten.
Bekannt ist auch, dass die westbaltischen Kuren als "Wikinger der Ostsee" galten und Beutezüge bis Dänemark unternahmen. Sie werden sogar in der Islandsaga erwähnt.

Spannend dürfte auch sein, was Kulakov in Kaup/ Wiskiauten ausgräbt:
* Wiskiauten: Startseite
 
Spannend dürfte auch sein, was Kulakov in Kaup/ Wiskiauten ausgräbt:
* Wiskiauten: Startseite

Auch in Russland gibt es noch eine große Zahl warägischer Siedlungsplätze, deren Lage zwar ermittelt, die aber bis heute nicht archäologisch erforscht wurden - sei es aus finanziellen Gründen oder weil der sowjetische Staat eine wikingisch-warägische Dominanz in einigen Regionen der Rus bestritt und gegenteiligen Ergebnissen nicht noch Vorschub leisten wollte.
 
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