Dauerausstellung im DHM

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survivor

Gast
Also ich war vor ein paar Tagen bei der Eröffnungsfeier der Dauerausstellung
im Deutschen Historischen Museum in Berlin-Mitte dabei.

Die Ausstellung besticht durch ihre schönen Ausstellungsstücke, aber pinibel
wie ich bin, gefallen mir die Beschriftungen nicht wirklich.
Diese sind zwar, nach Auskunft des Generaldirektors, mit großem Aufwand erstellt worden, doch fehlen mir persönlich viele Erklärungen und Hintergrundinformationen. Manche Stücke waren gar nicht richtig ausgezeichnet (vielleicht wird das noch nachgeholt).

Mit meinem eigenen Wissen kann ich viele der Informationslücken auffüllen,
aber das ist halt mein Beruf, bin nun mal Historiker......

Seht Euch die Ausstellung mal an!
 
In der WELT vom Wochenende war eine umfangreiche Beilage dazu. Was ich etwas merkwürdig fand, war die Information, daß man den Präsentationsumfang der verschiedenen Epochen davon abhängig machte, wieviele Original-Ausstellungsstücke man hatte, weil man möglichst nur Original zeigen will. Das führte wohl dazu, daß die Zeit der alten Germanen bis zum frühen Mittelalter sehr knapp dargestellt wird und die Neuzeit dagegen sehr ausführlich.

Nun mag man sagen, daß es wohl auch wichtiger wäre die Neuzeit zu zeigen. Aber etwas merkwürdig ist das schon. Nur weil man möglichst auf Informationstafeln und Kopien verzichten will...:grübel:
 
den Präsentationsumfang der verschiedenen Epochen davon abhängig machte, wieviele Original-Ausstellungsstücke man hatte, weil man möglichst nur Original zeigen will. Das führte wohl dazu, daß die Zeit der alten Germanen bis zum frühen Mittelalter sehr knapp dargestellt wird und die Neuzeit dagegen sehr ausführlich.

@ Arne: ohne dass ich die Ausstellung kenne, finde ich diesen Ansatz didaktisch eigentlich sehr gelungen. So wird auch dem Laien bildhaft deutlich, wie wenig wir aus dem Zeitraum wissen. Und das sollte man sich immer mal wieder vergegenwärtigen, sowohl beim Lesen von Fachliteratur (die häufig um wenige, bestimmte Textstellen kreist) wie auch beim Stöbern im Internet, wo man mitunter schon mal ellenlange Betrachtungen germanischer Religion etc. findet, die vor allem der Phantasie entspringen...
 
Ich war letztes Jahr in der Weihnachtszeit für ein Wochenende in Berlin und natürlich auch im Zeughaus, da gab's schon mit ein paar Tafeln einen kleinen Vorgeschmack auf die Austellung, die ich mir diesen Sommer unbedingt ansehen muss. :)
 
Wieger schrieb:

Na ja, was das "Neue Deutschland" da so schreibt, reisst mich nicht grad zu Begeisterungsstürmen hin. Wenn da behauptet wird:

"Prompt zeigt sich ein schon mit Boockmann diskutierter Schwachpunkt: Das Dasein der die Lebensbedürfnisse der Gesellschaft produzierenden Unterschichten, ohne deren tägliches Wirken die Oberschichten kaum »Geschichte« hätten machen können, kann erst in der proto-industriellen Epoche aufgenommen werden, weil erst aus dieser Zeit originale Relikte ihres Lebens erhalten sind."

...ist das doch sehr merkwürdig. Gab es in der vorindustriellen Zeit keine einfachen Waffen, Tongefäße, landwirtschaftliche Werkzeuge, Kleidung etc.von einfachen Leuten auf dem Land und in der Stadt? Gibt es "die Unterschicht" erst, als Marx darüber nachdachte, sie so zu nennen?
 
hmm, ich glaube wir gucken einfach. Obwohl ja da steht, dass es sie gab die Unterschichten. Aber steht denn da, ob es Original oder Replikat ist oder weiß der Besucher das nicht? Das würde mich ja interessieren.
 
Trotz des unnötigen Knabe-Seitenhiebs und anderer politischer Spitzen finde ich den Artikel aus dem ND hier ganz passabel, ich kann mir nach der Lektüren ein wenig vorstellen, nach welchen Prinzipien die Ausstellung zusammengestellt wurde.
Einerseits ist das mit den Originalen ein löbliches Prinzip (wie ich oben bereits darlegte), andererseits stößt es natürlich mit den Grundsätzen moderner Museumsdidaktik zusammen, die in Deutschland im Vergleich etwa zu England ohnehin viel zu spät weiterentwickelt wurden.
Löbliche Museen wie etwa das Keltenmuseum in Hochdorf leben natürlich von Rekonstruktionen und Modellen (hier etwa einen Teilnachbau der Grabkammer zum hinein gehen), die das Geschehen lebendiger machen. Auch die etwas poppige Gestaltung im "Haus der Geschichte" in Bonn hat mir durchaus gefallen. Werden im DHM eigentlich auch audiovisuelle Dokumente gezeigt?
 
Arne schrieb:
...ist das doch sehr merkwürdig. Gab es in der vorindustriellen Zeit keine einfachen Waffen, Tongefäße, landwirtschaftliche Werkzeuge, Kleidung etc.von einfachen Leuten auf dem Land und in der Stadt? Gibt es "die Unterschicht" erst, als Marx darüber nachdachte, sie so zu nennen?
Also wenn ich mich Recht an das bisschen Marx erinnere, das ich gelesen habe, dann gibt es schon seit langer Zeit viele Arten von Unterschichten. Die Frage ist, ob die Funde ausreichen. Von den Oberschichten gibt es Grabstätten voller Möbel und ähnliches. Aber mit einigen Krügen ein Gefühl für das Leben der Unterschichten wecken?
 
Themistokles schrieb:
Also wenn ich mich Recht an das bisschen Marx erinnere, das ich gelesen habe, dann gibt es schon seit langer Zeit viele Arten von Unterschichten. Die Frage ist, ob die Funde ausreichen. Von den Oberschichten gibt es Grabstätten voller Möbel und ähnliches. Aber mit einigen Krügen ein Gefühl für das Leben der Unterschichten wecken?

Über welche Zeit reden wir eigentlich? Wenn du von der frühesten Periode der dargestellten Zeit (2000 Jahre) ausgehst, magst du wohl Recht haben. Da gibt es sicher wenig Relikte der einfachen Bevölkerung. Das dürfte sich aber doch wohl spätestens im Mittelalter erledigt haben. Da ist jede Menge erhalten, von der frühen Neuzeit sowieso. Auf jeden Fall gibt es Relikte aus der vorindustriellen Zeit.
 
Arne schrieb:
Das dürfte sich aber doch wohl spätestens im Mittelalter erledigt haben. Da ist jede Menge erhalten, von der frühen Neuzeit sowieso. Auf jeden Fall gibt es Relikte aus der vorindustriellen Zeit.
Aber reichen die aus um irgendein Bild zu vermitteln? Die absolute Verneinung originaler Replike aus vorindustrieller Zeit ist natürlich schlecht.
 
Audiovisuelle Darstellung ist selbstverständlich vorhanden, insbesondere
auf den "Vertiefungsebenen", das sind die Podeste, wo auf bestimmte Themen genauer eingegangen wird.

Auch, oder gerade, wenn eine Ausstellung vorzugsweise Originale zeigt,
sollten diese vernünftig beschriftet sein. In dem Punkt gibt es für mich
ganz persönlich Qualitätsmängel. Von einer solchen Ausstellung erwarte ich einfach, dass dort präzise gearbeitet wird.
Ich selbst habe schon im DHM wissenschaftlich mitgearbeitet, doch nicht an dieser Ausstellung, sondern einer Ausstellung zum "REICH". Daher konnte ich mitbekommen, wie präzise normalerweise im DHM gearbeitet wird und somit war ich im ersten Moment von der Ausstellung etwas enttäuscht.

Zu Didaktik: Meiner Meinung nach können durchaus Rekonstruktionen und
Übersichtsgrafiken dargestellt werden und an denen mangelt es.
Beispiel: Dort werden mittelalterliche Helme gezeigt mit der Bezeichnung
"Schutz und Trutz". Es wäre kein Problem gewesen, die Entwicklungsgeschichte z.B. der Schaller, Beckenhaube usw. einem Waffebuch zu entnehmen und in grafischer Form dort auf einer großen Tafel zu zeigen! Ich sage nur SYSTEMATISIERUNG!!!! Das ist etwas was jeder Historiker gelernt haben sollte.....

Ich habe sogar Vitrinen gesehen, wo die Beschreibung fehlte. Könnte sein dass sie noch "nachgereicht" werden.

Es gibt dort auch, wenn ich nicht irre (war nicht beschriftet, musste ich also aus dem Kopf zuordnen) einen Harnisch von einem Reiter des Großen Kurfürsten von 1675 (siehe Fehrbellin). Ich persönlich hätte mich gefreut, wenn man dieses Stück mit einer Art Figur versehen hätte (Reiter und Pferd). Das hätte nicht viel mehr gekostet und selbst unbedarfte Menschen
könnten sich vorstellen wie die Jungs ausgesehen haben, die damals die Schweden verjagt haben....
 
@ Arne
Einspruch Euer Ehren!
Wir haben fast keine Original-Kleidungsstücke der Unterschicht, leider! Das betrifft das 17. wie das 18.Jahrhundert! Was uns in Massen vorliegt sind Hofgewänder usw.. Der Mangel daran wird meines Wissens in verschiedenen Ausstellunge immer wieder deutlich. Leider. Ausnahmen sind besonders prächtige Trachten, die dann aber auch eher in der 2.Hälfte des 18.Jh. einsetzen und auch davon allzu oft nur Versatzstücke wie Hauben etc..

Die Sache mit dem Verzicht auf endlos viele Tafeln finde ich super. Die nerven mich eh immer, wenn ich lesen will, kaufe ich den Katalog der Ausstellung, kann man dann bei der nächsten Besichtigung auch dabei haben.
Aber das ist eine individuelle Einstellung.

Gut gemachte Repliken in Vitrinen finde ich auch i.O., aber das ist zu selten. Leider.
 
Brissotin schrieb:
@ Arne
Einspruch Euer Ehren!
:richter:
Wir haben fast keine Original-Kleidungsstücke der Unterschicht, leider! Das betrifft das 17. wie das 18.Jahrhundert!
Ja okay, das kann ich mir vorstellen. Diese einfache Kleidung wurde wohl sehr schnell verschlissen und nicht aufgehoben. Die wenigen Funde an Moorleichen oder so, bringen nur grundsätzliche Aufschlüsse über die Materialien und Verarbeitungsarten.

Andererseits erlaube ich mir zu sagen, daß man sich die einfachen Leinen-, Leder- oder Wollüberwürfe etc. anhand von Bildern recht leicht vorstellen und sogar nachfertigen könnte.
Mit Repliken in Museen ist immer schwierig. Prinzipiell gehört so etwas ja nicht in eine Ausstellung. Für so ein spezielles Museum, wie das DHM mit seiner Präsentation Deutscher Geschichte, würde ich das befürworten, weil die Ausstellung mehr sein sollte, als ein Museum. Ganze Heerscharen von Touristen rennen da durch um etwas über die deutsche Geschichte zu lernen - dort sollte man ruhig mal mit der Museumstradition brechen und zur Verdeutlichung hier und da mal eine Replik einfügen, wo kein Original verfügbar ist.
 
Hier mal recht gute Repliken und Figurinen. http://www.redcoatsintheforest.com/sites/exhibitions.html
In Kanada ist sowas scheinbar drin. Ich habe aber schon so viele Fehlgriffe in deutschen Museen gesehen, wo die zum Bsp. nachgemachten Uniformen völlig entstellend waren, dass ich persönlich Repliken sehr skeptisch gegenüber stehe.

Auf den Abbildungen kann man Nähte etc. leider nur sehr selten erkennen. Ausnahme bildet die Feinmalerei. Hier gibts ab dem 15.Jh. zwar wirklich aufschlussreiche Bilder, aber diese vermitteln auch meistens eher das, was der Maler der Oberschicht gesehen hatte und aus seinem Fokus sehen konnte.
 
Ich habe dies Wochenende in Berlin auch zum Ausstellungsbesuch genutzt. Ich denke die Ausstellung ist gut für die Touristen in Berlin geeignet um sich einen Überblick über deutsche Geschichte zu verschaffen.
Das Rundgangskonzept muß man allerdings erstmal verstehen. Man geht im Prinzip den Aussengang entlang und biegt dann je nach Interesse in die "vertiefenden" Nischen ab. Manches interessantes Stück übersieht man auch leicht, wenn man zu schnell vorbei geht. Die zeitliche Gewichtung (Obergeschoß Römer bis 1.WK, Erdgeschoß ab Weimarer Republik) erscheint sicher manchem unausgewogen, aber ich kann die Macher schon verstehen, wenn sie mehr das zeigen, was für die Masse der Besucher interessant ist. Gerade die Ausländer wollen Nazigeschichte sehen. :hmpf:

Die Darstellung der Kolonialgeschichte hat sich zur vorherigen Ausstellung wahnsinnig verbreitert! Statt 1 qm, jetzt knapp 4 qm - unter einer Treppe versteckt...:S :nono: :motz:
 
Ich war vorgestern im Zeughaus. Die 6,5 Std. vergingen wie im Flug und doch hatte ich dann Erbarmen mit meinem Anhang, der schon 2 Std. gewartet hatte. :D

@Arne

Sicher hast du Recht: Die Ausstellung war schwerpunktmäßig auf das 20. Jahrhundert ausgerichtet - der Nationalsozialismus dürfte wohl die Hauptattraktion sein.
Leider war die Antike zu schwach besetzt, ich hätte noch gern mehr über Kelten und Germanen erfahren. Aber immerhin weiß ich jetzt in etwa, welche Germanen-Stämme in meiner Umgebung vorzufinden waren. Ich wäre auch gern noch tiefer in andere Epochen eingestiegen, aber die Beantwortung zu vieler Detail-Fragen ist in einer Ausstellung der gesamten deutschen Geschichte natürlich unmöglich.
Sehr begeistert war ich über die vielen Dokumente, die man in den verschiedenen Epochen immer wieder nachlesen konnte. Wahlplakate aus der Weimarer Republik werden ja auch im Geschichtsunterricht behandelt und waren deshalb nicht so neu und faszinierend, dafür die Bekanntmachung über das neugeschaffene Königreich Westphalen unter Jérôme Bonaparte oder die vielen Bücherbände zur Zeit der Aufklärung umso mehr. Oft juckte es in den Fingern, sich eines davon zu nehmen und zu blättern.

Und als ich danach wieder entlang der Straße "Unter den Linden" spazierenging, wollte ich prompt ins 18. oder 19. Jahrhundert reisen. Die Atmosphäre dort ist einfach der Hammer.
 
Also ich war hetue da und nach 3 Stunden ist man irgendwo erschlagen mit Material. Die Zeit vergeht schnell. Alles hab ich nicht angeguckt(bis 2 Weltkrieg, war ich ja nicht alleine und auf Kleinkind mit angewiesen) Ich werde nochmal hingehen, is ja kostenlos für mich.
Es ist schon irgendwo geil, aber auch z.T. faktisch schwach, sehr verkürzt eben ("Ostkolonisation", Widerstand in der Nazizeit, u.a.) Was meinem Begleiter aufgefallen ist, dass es kaum Selbstkritik gibt, speziell in der neuesten Neuzeit. An mangelnder Selbstkritik gehen Gesellschaftsordnungen baden. Scheint auch sehr SPD-freundlich zu sein. Und viele dunkle Dinge verschwiegen werden. Und natürlich der Rundgang, etwas konfus gestaltet, hatte einen Zeitspringer drin, von 1799 und schwups stand ich am Ende des Ersten Weltkrieges. Und unten dann, ist alles nicht geradlinig, so dass man sich schnell verläuft und Digne übersieht. Witzig fand ich auch die Kolonisation unter der Treppe (durch Zufall entdeckt), aber dafür wieder sehr gut, dass man auch Okkupation Jugoslawiens, Griechenlands, usw. drin hatte. Das faszinierendste Originalstück war bisher das riesige Flugabwehrgeschütz(war es eins?,tipp mal drauf), hat mich an "Werner Holt" erinnert. Sehr geil. Aufjedenffall empfehlenswert, weil es auch sehr billig ist, im Vergleich zu anderen Kulturmöglichkeiten. Auch wenn es sehr große Schwächen beinhaltet.

Und die Propagandaschilder der Weimarer Zeit waren bsonders geil, auch wenn ich mance schon kannte, da muss ich immer schmunzeln. Zeitgeist eben. Geile RFB-Uniform :) Als ich Unter den Linden lang ging, dachte ich über die Fehler dieser Ausstellung nach und wollte zurück zur Zeit der Saalschlachten, da war die Gesellschaft noch am politischen Prozess beteiligt. Ach ich könnt hier noch tausend recht amüsanter Digne aufschreiben, z.B. die Karikaturen über Napoleon
 
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