Dawes-Plan; Verträge von Locarno

maat

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Hallo Leute,

ich habe ein paar Fragen zu dem Dawes-Plan und den Verträgen von Locarno

Wie wir wissen, wurde dem Deutschen Reich durch desn Dawes-Plan durchaus kurzzeitig etwas mehr oder weniger Gutes getan. Unter anderem wurden die Reparationszahlungen neu organisiert, der Reichshaushalt sollte jetzt ebenso als Quelle fungieren, damit die Wirtschaft sich von der hohen Belastung erholt.

Außerdem sollten die Reparationskosten 1924 "nur" 1 Mrd. RM betragen, bis 1928 sollte man sich allmählich wieder der "Norm" (2,5 Mrd. RM) nähern (hoffentlich ist bis jetzt alles richtig).

Weiterhin bekam Deutschland ein Kredit über 800 Mio. RM von der USA

Allerding waren Probleme absehbar:

1) Es wurde keine temporäre und quantitative Begrenzung der Reparationen festgelegt.

2) Deutschland würde 1928 nicht in der Lage sein die "Nomalrate" abzubezahlen.

3) Deutschland würde von nun an von der USA stark abhängig sein.

Zwei weitere Punkte kann ich mir nicht ganz erklären, und zwar:

- die internationale Kontrolle der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn;
- hohe Arbeitslosigkeit.

Mir ist klar, dass besonders die Rechten auf diese Souveränitätbeschränkung empört reagierten und das wiederum Radikalisierung zur Folge hatte. Aber wurde die Reichsbank und die Reichsbahn nur kontrolliert, um eine ehrliche Abbezahlunge der Reparationen zu gewähleisten und um Transport von kriegsspezifischen Ressourcen zu vermeiden? Oder liege ich vollkommen falsch?

Und was war der Grund für die Arbeitslosigkeit? Immernoch die territorialen Sanktionen, die keine Arbeit beispielsweise im Ruhrgebiet ermöglichten?

Dann habe ich noch eine formale Frage zu den Verträgen von Locarno.
Ich habe gelesen, dass es sich hierbei um sieben völkerrechtliche Abkommen handelt.
Gefunden habe ich aber gewissermaßen nur drei.

1) "Garantiepakt" der "Garantiemächte" (Unverletzlichkeit der deutschen Westgrenze);
2) Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frankkeich, Belgien;
3) Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Polen, Tschechoslowakei.

Gab es noch andere wichtige Abkommen, die geschlossen wurden?

Ich danke Euch vielmals für Eure Hilfe!

:winke:

Mod an: Habe die Schrift vergrössert, erleichtert das Lesen Mod aus
 
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Mir ist klar, dass besonders die Rechten auf diese Souveränitätbeschränkung empört reagierten und das wiederum Radikalisierung zur Folge hatte. Aber wurde die Reichsbank und die Reichsbahn nur kontrolliert, um eine ehrliche Abbezahlunge der Reparationen zu gewähleisten und um Transport von kriegsspezifischen Ressourcen zu vermeiden? Oder liege ich vollkommen falsch?
Sowohl Reichsbahn als auch Reichsbank wurden in Kapitalgesellschaften umgewandet und entsprechende Schuldverschreibungen an die Siegermächte ausgegeben. Bzgl. Reichsbahn ist hier das Gesetz über die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (Reichsbahngesetz) vom 30.August 1924 und dabei insbesondere § 4 maßgeblich:
§ 4 Reparationsschuldverschreibungen. Reparationshypothek.
(1) Die Gesellschaft gibt alsbald nach ihrer Errichtung hypothekarisch gesicherte Schuldverschreibungen im Nennwert von elf Milliarden Goldmark aus (Reparationsschuldverschreibungen). Die Inhaber der Schuldverschreibungen werden durch die Treuhänder vertreten, der von der Reparationskommission ernannt wird. Die Schuldverschreibungen sind ihm unverzüglich auszuhändigen.
(2) Zugunsten der Gläubiger dieser Schuldverschreibungen entsteht kraft Gesetzes eine erststellige, allen bereits eingetragenen Hypotheken und allen sonstigen Pfandrechten im Range vorgehende Gesamthypothek an allen Grundstücken, die Eigentum der gesellschaft sind (Reparationshypothek); die Hypothek erstreckt sich auf alles Zubehör dieser grundstücke, soweit es Eigentum des Reiches oder der Gesellschaft ist; als Zubehör im Sinne dieser Bestimmung gelten auch alle Fahrzeuge und alle sonstigen beweglichen Sachen der Reichseisenbahnen und der Gesellschaft.
(3) Die Reparationshypothek erstreckt sich kraft Gesetzes ohne weiteres auch auf künftig erworbene Grundstücke samt Zubehör.
(4) Die in Abs. 2 und 3 genannten Sachen unterliegen der Reparationshypothek so lange, als sie Eigentum des Reichs oder der Gesellschaft sind.
(5) Die Rechte, die durch die Reparationshypothek an den belasteten Grundstücken und ihrem Zubehör entstehen, sowie der Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen regeln sich ausschließlich nach diesem Gesetz und der Gesellschaftssatzung.
(6) Alle Zahlungen für den Zinsen- und Tilgungsdienst der Reparationsschuldverschreibungen sind von jeder unmittelbar die Zahlung belastenden deutschen Steuer frei.

Die Besonderheit bei der Reichsbank war die Änderung der Zuständigkeiten. Mit dem Dawes-Plan war der Reichskanzler nicht mehr die oberste Bankleitung, die Reichsbank war damit unabhängig von der Reichsregierung. Oberste Bankleitung war das Reichsbankdirektorium, der zugehörige Direktor wurde von einem Generalrat gewählt, bei dem die Hälfte der Mitglieder zwar aus dem Ausland kamen (nicht nur von den Siegermächten), aber keiner Mitglied einer Regierung sein durfte. Bei den Mitgliedern des Generalrates handelte es sich ausschließlich um Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler.

Und was war der Grund für die Arbeitslosigkeit? Immernoch die territorialen Sanktionen, die keine Arbeit beispielsweise im Ruhrgebiet ermöglichten?
Durch die brachliegende Wirtschaft in Deutschland unmittelbar nach dem Krieg sowie die hohen Reparationszahlungen (insb. "Erfüllungspolitik" der Regierung Wirth). Durch den Dawes-Plan erhielt Deutschland ja U.S.-Kredite, was die Wirtschaftslage in Deutschland primär verbessern sollte.

Dann habe ich noch eine formale Frage zu den Verträgen von Locarno.
Ich habe gelesen, dass es sich hierbei um sieben völkerrechtliche Abkommen handelt.
Sinds auch:
Das Schlussprotokoll sowie die darin aufgeführten Anlagen:
  • Vertrag zwischen Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien (Anlage A)
  • Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Belgien (Anlage B)
  • Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich (Anlage C)
  • Schiedsabkommen zwischen Deutschland und Polen (Anlage D)
  • Schiedsabkommen zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei (Anlage E)
  • Antwortschreiben der beteiligten Mächte der Konferenz von Locarno auf die Anfrage der Deutschen Delegation bezüglich der Klarstellung des Artikel 16 der Völkerbundssatzung. (Anlage F)

EDIT: Danke ursi :winke:
 
Die Besonderheit bei der Reichsbank war die Änderung der Zuständigkeiten. Mit dem Dawes-Plan war der Reichskanzler nicht mehr die oberste Bankleitung, die Reichsbank war damit unabhängig von der Reichsregierung. Oberste Bankleitung war das Reichsbankdirektorium, der zugehörige Direktor wurde von einem Generalrat gewählt, bei dem die Hälfte der Mitglieder zwar aus dem Ausland kamen (nicht nur von den Siegermächten), aber keiner Mitglied einer Regierung sein durfte. Bei den Mitgliedern des Generalrates handelte es sich ausschließlich um Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler.
Durch die brachliegende Wirtschaft in Deutschland unmittelbar nach dem Krieg sowie die hohen Reparationszahlungen (insb. "Erfüllungspolitik" der Regierung Wirth). Durch den Dawes-Plan erhielt Deutschland ja U.S.-Kredite, was die Wirtschaftslage in Deutschland primär verbessern sollte.

Dazu würde ich gerne noch etwas anfügen (ökonomische Basis 1924/25):

Die Frage, ob die Reparationen bezahlbar sein würden, war heftig umstritten. Nimmt man die Wirtschaftskraft zur Grundlage, handelte es sich dabei um 3-4 % des Bruttosozialprodukts, andere Schätzungen gingen auf 2 bis 2,5 %. In Ansehung dieser Relationen - und trennt man die seinerzeitige Polemik mal ab - ist ökonomisch nicht plausibel, wieso die Reparationen nicht bezahlbar sein würden. Dass Problem stellte vielmehr die negative Handelsbilanz dar, die allein bereits 1924/1925 zwischen 1,7 und 2,5 Mrd. RM Importüberschuss und damit zusätzlichen Finanzierungsbedarf aufwies. Dieses Ungleichgewicht hätte beseitigt werden müssen, es relativierte sich allerdings durch die hohen Kapitalzuflüsse aus dem Ausland (speziell USA über 20 Mrd. in den nächsten Jahren). Diese Kapitalimporte finanzierten sowohl den Importüberschuss als auch den Reparationsbedarf.

Für die Erklärung des Kollapses der Geldwirtschaft (Hyperinflation) reicht bereits die Kriegsverschuldung 1914-1918 aus; die Unsicherheiten über die Reparationsfrage kamen "nur" on top hinzu. Arbeitslosigkeit ist insoweit nach 1919 zunächst ein Folgeaspekt, strukturell zudem mit verursacht durch die vorhandene Kriegswirtschaft bis 1918 und die Exportverluste in Folge des verlorenen Krieges.


Bzgl. Reichsbahn/Reichsbank gibt es neben der Frage des politischen Einflusses auch den Aspekt der Stellung von Sicherheiten gegen die nun "kreditierten" Reparationsleistungen. Die Allierten sollten die Bezahlung auf eine jahrzehntelange Strecke schieben (nimmt man mal die 2,5 Mrd. als Basis und Geisterzahlen von 100 Mrd. RM oder mehr - man sieht bereits, dass hier die Annuität kaum die Zinslasten einer Reparationsschuld würde tragen können, was bereits impliziert, dass die Allierten die Reparationslast informell reduziert hatten). Der wichtige weitere Aspekt bzgl. Reichsbahn/Reichsbank resultiert aus der Stellung von Sicherheiten für diese kreditierten Kriegslasten (wie sie jeder Gläubiger fordert). Die Reichsbahn stellt eine dingliche Sicherheit dar, die Reichsbank ein Pfand für die laufenden Zoll- und Steuereinnahmen, die auf die Dawes-Raten abgeführt werden sollten. Hier grob angesprochen:
Dawes-Plan ? Wikipedia
 
Bewertung der Verträge von Locarno

Hey,

ich habe doch noch eine Frage bezüglich der Bewertung der Verträge von Locarno.

Im Großen und Ganzen finde ich, dass die Verträge mehr positive Aspekte aufweisen.

Einerseits trugen sie temporär zur Friedenssicherung in Europa bei, das diplomatische Klimat verbesserte sich, Deutschland durchbrach die internationale Isolation, die deutsch-französischen Verhältnisse verbesserten sich, Deutschland wurde in den Völkerbund aufgenommen, es erfolgte allmähliche Entmilitarisierung der besetzten Gebiete.

Allerdings ließ sich Deutschland die Möglichkeit offen, die Ostgrenzen zu verletzen (vielleicht nur um die rechten Gruppierungen zu besänftigen). Durch die Akzeptanz der Westgrenzen und somit den Verzicht auf die verlorenen Territorien wurden Rechtsradikale empört, durch einen Vertrag mit dem "kapitalistischem Westen" die Linksradikalen.
Außerdem wurde ja noch dieser Freundschaftsvertrag mit der UdSSR geschlossen.

Gibt es vielleicht langfristigere negative Folgen, die durch diese Verträge hervorgerufen wurden? Wie werden die Verträge denn allgemein im historischen Kotext bewertet?

Nochmals vielen Dank!
 
Hallo,

da ersichtlich wurde, dass Du im Bereich Geschichte recht bewandert bist, habe ich eine persönliche Bitte, die Du mir hoffentlich erfüllen kannst. Eigentlich ist es nur eine Frage.

Wie bewertet man die Verträge von Locarno?
Ich persönlich sehe mehr positive Aspekte (siehe Forenbeitrag), allerdings bin ich auch nur unwissende Schülerin. Vielleicht irre ich mich gewaltig!

Ich wäre Die sehr dankbar, wenn du mir ein paar Impulse geben könntest!

Liebste Grüße
Maria
 
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