Demokratie ein Faktor für Ausbruch des Peloponnesischen Krieges?

Dieses Thema im Forum "Antikes Griechenland" wurde erstellt von HisFajo, 11. Januar 2019.

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  1. HisFajo

    HisFajo Neues Mitglied

    Der französische Historiker Leon Homo schrieb (Pericles, Paris 1954):

    „In dem Moment, da mit Ephialtes der Kampf gegen die Herrschaft des Areopags geführt wird, stehen sich zwei außenpolitische Programme in Athen gegenüber: das aristokratische Programm, das Krieg gegen Persien und Friede mit Sparta bedeutet, und das demokratische, das die Fortsetzung des Krieges gegen Persien, aber zur gleichen Zeit den Bruch mit Sparta bedeutete."

    Würdet ihr der Aussage zustimmen. Forcierte die Demokratie in Athen den Ausbruch des Peloponnesischen Krieges?
     
  2. Chan

    Chan Aktives Mitglied

    Ja, aber nur indirekt, d.h. nicht im direkten Gegensatz zur aristokratischen Gesinnung der Spartaner.

    Eine Bedingung für die Stärkung der athenischen Proto-Demokratie (nicht "Demokratie") durch Ephialtes´ Reformen war die Einbeziehung sozial schwacher Gruppen (die Theten) in den protodemokratischen Prozess, die bisher außen vor gestanden hatten. Dazu zählten auch die Ruderer der athenischen Flotte, denen an einer Stabilisierung und Expansion der athenischen Seemachtstellung sehr gelegen war, weil ihr Einkommen davon abhing. Dementsprechend setzten sie sich politisch für eine Erweiterung des athenischen Einflusses auf die anderen Seebundmächte ein, was zur Vorherrschaft Athens im Seebund führte. Die sozial tiefstehenden Theten hatten Athen auf diese Weise von einem gleichberechtigten Partner in einen Diktator des Seebundes verwandelt, der seine Partner unterdrückte und das Gleichgewicht der Kräfte auf dem Peloponnes ins Wanken brachte.

    Sparta als Anführer des Peloponnesischen Bundes war von dieser Entwicklung natürlich nicht begeistert. Als eines der Mitglieder, Megara, zum athenischen Seebund übertrat, war der Beginn des Peloponnesischen Krieges vorprogrammiert.

    "Demokratie" (Protodemokratie) als Ideensystem war also in keinster Weise ein treibendes Motiv der Auseinandersetzung.
     
    Zuletzt bearbeitet: 12. Januar 2019
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  3. Tom

    Tom Mitglied

    Hihi, so ist das immer. Als Ideensystem ist nie etwas schuld. Als Ideensystem hat das Christentum nicht an den Kreuzzügen und Religionskriegen Schuld, der Marxismus nicht an der Stalin-Diktatur und die amerikanische Demokratie nicht am Vietnam-Krieg. Es ist immer nur die verflixte Praxis und Realität …

    Das ist halt das Kreuz mit den Ideensystemen. ;)
     
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  4. Chan

    Chan Aktives Mitglied

    Vielleicht habe ich ungenau formuliert, aber ich bringe doch klar zum Ausdruck, dass die Konfrontation zwischen Sparta und Athen nicht auf einem Konflikt zwischen unterschiedlichen Anschauungen über das beste politische System beruhte (also nicht Programm gegen Programm, wie vom UP angefragt), sondern auf dem Hegemoniestreben Athens, das die Machtbalance auf dem Peloponnes zuungunsten von Sparta verschoben hatte. Bloß weil der protodemokratische Prozess in Athen (Stärkung des Einflusses der Theten auf die politischen Entscheidungen) diese Entwicklung auslöste, bedeutet das nicht, dass der PK ein Krieg der politischen Systeme war. So simpel ist die Kausalkette nicht.

    Auch wie du mit deinen anderen Beispielen Kausalitäten zu konstruieren versucht, ist zu simpel. Aus dem Marxismus folgt nicht logisch Stalin, und aus der US-Demokratie folgt nicht logisch Vietnam.
     
    Zuletzt bearbeitet: 13. Januar 2019
  5. Tom

    Tom Mitglied

    Letzteres habe ich auch nicht behauptet, ganz im Gegenteil. Überhaupt waren meine paar Sätze nicht als Kritik an deinen vorherigen Ausführungen gemeint, sondern als eine sozusagen philosophische (und ein bissel humoristische) Zwischenbemerkung über die notwendige Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit. Jeder hier könnte wahrscheinlich großen Teilen der Bergpredigt, des Kommunistischen Manifests oder von Jeffersons Unabhängigkeitserklärung zustimmen. Was im Verlauf der Geschichte dann daraus wird, ist eine andere Frage. (Wie gesagt, nur eine Zwischenbemerkung.)
     
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