Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg / Wieso hat Großbritannien verloren?

Dass die Puste ausging, sollte man auch in dem Kontext betrachten, dass Großbritannien den Krieg inzwischen global führen musste.

Es brannte inzwischen auf mehreren Kontinenten, von der amerikanischen Ostküste über die Karibik, von der Nordsee über den Kanal (wo eine deutliche Unterlegenheit der britischen Flotte an Linienschiffen eingetreten war) bis zum belagerten Gibraltar, weiter ins Mittelmeer und in Indien.

Vor Yorktown reichte es dann nicht mehr, und die pimaldaumen intakte Armee von Cornwallis war umschlossen, weil die Land-See-Koordination für Washington klappte (begünstigt durch die Seeschlacht von Chesapeake). Ein wichtiger Faktor für den Ausgang bei Yorktown war eben auch, dass die Decke für die Royal Navy inzwischen zu kurz war, um überall zu sein.

Das sollte man unterstreichen! Es war der Unabhängigkeitskrieg eben nicht nur eine Auseinandersetzung der 13 Kolonien mit GB, sondern ein globaler Krieg mit Kriegsschauplätzen in der Karibik, bei Gibraltar, in der Nordsee und entlang der westafrikanischen Küste. Zugleich war es auch ein amerikanischer Bürgerkrieg, wobei die Briten den Einfluss der Loyalisten total überschätzten.
Neben der Globalität der Kampfhandlungen kam zu Ungunsten der Briten hinzu, dass der Krieg im Mutterland selbst sehr unpopulär war. Viele Whigs hatten durchaus Verständnis für die Amerikaner, darunter sogar der Oberbefehlshaber William Howe selbst.

Im Grunde genommen zielte Howes Strategie während des Krieges eher darauf, die Amerikaner verhandlungsbereit zu machen, als sie militärisch zu vernichten.
 
Nur ein kleiner Hinweis. Die "halbverhungerte Lumpenarmee" der Amerikaner wurde bei Yorktown von einem Kontingent französischer Soldaten begleitet, die die Anzahl der Briten überstieg und garantiert nicht schlechter ausgestattet waren als diese.
Das ist bekannt, genauso wie die Blockade der französischen Flotte (die zuvor noch 3.500 französische Soldaten absetzte) und dass es sich bei der "Schlacht von Yorktown" im wesentlichen um eine Übung im Pionierwesen handelte, die dank der französischen Pioniere gelang, währenddessen die Kontinentalarmee in diesem Bereich gerade eine ihrer Hauptschwächen hatte. Ohne die Franzosen wäre wohl auch in Yorktown kein Sieg drin gewesen.

Das alles ändert letztlich nichts an dem Umstand, dass die britische Niederlage von Yorktown die Folge eines Stellungs- und Kommunikationsfehlers der Briten war, aber nicht die Folge von Erschöpfung, zu geringer Truppen oder fehlender Ausstattung. Die Erschöpfungsprobleme waren ganz auf der Seite der einheimischen Amerikaner (halbverhungerte Lumpenarmee), die nur mit Hilfe einer internationalen Koalition ihre Kolonialherren bezwingen konnten.
Zugleich war es auch ein amerikanischer Bürgerkrieg, wobei die Briten den Einfluss der Loyalisten total überschätzten.
Nach dem Krieg haben die Briten behauptet, sie wären von den Loyalisten im Stich gelassen worden. Das Problem dürfte jedoch eher gewesen sein, dass die Briten dieses Potential nicht zu nutzen verstanden. Das hätte ja Absprache und Vereinbarungen erfordert, Rücksichtnahme auf lokale Befindlichkeiten, ja sogar Unterordnung britischer Soldaten unter loyalistische Offiziere der Kolonialeinheiten. Die britischen Soldaten wurden aber eher mit den gegenteiligen Vorstellungen in die Kolonien entsendet.

Ein großes Problem stellte das Einknicken der Briten in der Kriegsgefangenenfrage dar. Die Rebellen weigerten sich gefangene Loyalisten, die in regulären Loyalistenverbänden dienten, als Kriegsgefangene zu behandeln und behandelten diese als Verräter entsprechend schlecht (Gefängnis, Arbeitslager, etc.). Die Briten wiederum setzten sich für die gefangenen loyalistische Soldaten nicht ein und drohten den Rebellen keine Vergeltung dafür an, dass sie diese Gefangene nicht wie Kriegsgefangene behandeln. Denn sie hatten Angst, dass ihre Soldaten im Falle der Gefangenschaft genauso schlecht behandelt würden, wie die gefangenen Loyalisten. Die Folge war, dass ein gefangener Soldat der Kontinentalarmee von den Briten als Kriegsgefangener, ein gefangener loyalistischer Soldat von den Rebellen wie ein Verräter behandelt wurde. Diese Aussichten ließ freilich die Bereitschaft bislang unentschlossener Amerikaner, sich für die Krone zu engagieren, sinken; währenddessen ein Engagement in der Kontinentalarmee im Falle der Gefangenschaft gefahrlos war.
 
Z.B. war es für die Briten offenbar schwierig für den nötigen Nachschub an Pferdematerial zu sorgen. Sie setzten bloß zwei leichte Dragonerregimenter ein. Aber auch von dieser wenigen regulären Kavallerie mussten sie mangels genügend Pferden einige Soldaten zu Fuß in den Feldzug schicken.


Gibt es zu dem Pferdemangel Quellen? Wobei Pferdemangel im Krieg fast immer ein Problem is, genug von den Viechern hat man selten...

Die Briten setzten mWn daher nur diese beiden Regimenter ein, weil sie bis zum am. Unabhängigkeitskrieg über praktisch gar keine leichte Kavallerie verfügten. (Über leichte Infantrie, nebenbei gesagt, auch nicht.) Eine solche Truppe quasi neu zu schaffen ist nicht leicht, völlig unabhängig von den Problemen der Logistik. Die europäische Schlachtenkavallerie, über die die Briten sonst verfügten, war mE in Amerika weder notwendig noch effizient einzusetzen.

Die britischen Rotröcke und ihre Offiziere waren in erster Linie für offene Schlachten in übersichtlichem Gelände nach etablierten Regeln (z. B. dass es unehrenhaft war, gezielt auf Offiziere zu schießen) ausgebildet, wie sie damals in Europa ausgetragen wurden.

Das ist natürlich richtig; auch zeigte der Kriegsverlauf ja, dass die Briten im direkten Gefecht zunächst überlegen waren. Der engültige Sieg war für die Amerikaner aber nur zu erringen, indem sie diese britischen Truppen genau in solchen Gefechten überwanden. Das dies gelang lag mE an verschiedenen Faktoren:

Zunächst wäre hier die französische Hilfe zu nennen, die neben erfahrenen Militärs, Truppen & Ausrüstung eine Flotte beisteuern konnte, die zumindest in günstigen Momenten mit den Briten mithalten konnte.

Der Krieg war lang genug, dass es zu erheblichen Abnutzungserscheinungen auf beiden Seiten kam. Hier kommt mE die weite Entfernung zum Heimatland für die Briten besonders negativ zum tragen. Es machte erfolgreiche militärische Aktionen zwar nicht unmöglich, aber es verteuert sie erstens massiv, und lässt zweitens den strategischen Nutzen bzw die machtpolitische Notwendigkeit geringer erscheinen. Ich würde mal sagen, hätten die Kolonien so nahe gelegen wie, sagen wir mal, Irland, die britische Herrschaft hätte die Rebellion niedergeschlagen; weils viel billiger gewesen wäre, v.a. aber weils eine viel größere Gefahr für Britannien und die britische Herrschaft gewesen wäre, die unbedingt hätte beseitigt werden müssen. So wars halt "nur" der traurige Verlust peripherer Besitzungen.

Zuletzt war der Widerstandswille der "Rebellen" sehr hoch; selbst wenn die Briten nach Yorktown noch eine Armee ins Feld gestellt hätten, wären ihre langfrisitgen Erfolgsaussicht gegen eine überwiegend rebellisch gesinnte Bevölkerung nicht wirklich gestiegen. Und je härter man durchgegriffen hätte, desto mehr wäre der wirtschaftliche Wert der dann verheerten Kolonien gesunken.
 
Zu den Pferden, den Trossen etc. noch ein Hinweis:

Cornwallis traf sich offenbar auf dem Rückweg aus North Carolina mit Arnold und Phillips, die zuvor monatelang (das pferdereiche) Virgina geplündert hatten. Es bestand offenbar kein Mangel an Pferden, vielmehr habe man sich diese mit "Leichtigkeit" beschafft, und die Trosse waren gewaltig angewachsen. Diesen hatten sich auch befreite Sklaven angeschlossen, die Offizieren ebenso wie Pferde geteilt wurden. Nelson berichtet von Zuteilungen von 4 Pferden je höherem Offizier, 2 selbst in unteren Rängen, dazu die geplünderten Güter. Die Trosse hätten den Charakter von "arabischen oder tatarischen Horden" angenommen.

Der Zugriff auf Pferde in der Kampangne 1781 erscheint demnach für die britische Seite erheblich einfacher gewesen zu sein, als für Washingtons Armee.

Nelson: George Washingtons Great Gamble, S. 197-199.
 
Nach dem Krieg haben die Briten behauptet, sie wären von den Loyalisten im Stich gelassen worden. Das Problem dürfte jedoch eher gewesen sein, dass die Briten dieses Potential nicht zu nutzen verstanden. Das hätte ja Absprache und Vereinbarungen erfordert, Rücksichtnahme auf lokale Befindlichkeiten, ja sogar Unterordnung britischer Soldaten unter loyalistische Offiziere der Kolonialeinheiten. Die britischen Soldaten wurden aber eher mit den gegenteiligen Vorstellungen in die Kolonien entsendet.

Ein großes Problem stellte das Einknicken der Briten in der Kriegsgefangenenfrage dar. Die Rebellen weigerten sich gefangene Loyalisten, die in regulären Loyalistenverbänden dienten, als Kriegsgefangene zu behandeln und behandelten diese als Verräter entsprechend schlecht (Gefängnis, Arbeitslager, etc.). Die Briten wiederum setzten sich für die gefangenen loyalistische Soldaten nicht ein und drohten den Rebellen keine Vergeltung dafür an, dass sie diese Gefangene nicht wie Kriegsgefangene behandeln. Denn sie hatten Angst, dass ihre Soldaten im Falle der Gefangenschaft genauso schlecht behandelt würden, wie die gefangenen Loyalisten. Die Folge war, dass ein gefangener Soldat der Kontinentalarmee von den Briten als Kriegsgefangener, ein gefangener loyalistischer Soldat von den Rebellen wie ein Verräter behandelt wurde. Diese Aussichten ließ freilich die Bereitschaft bislang unentschlossener Amerikaner, sich für die Krone zu engagieren, sinken; währenddessen ein Engagement in der Kontinentalarmee im Falle der Gefangenschaft gefahrlos war.

Dass die Briten die loyalistische Unterstützung überschätzten und zuwenig zu nutzen verstanden, zeigte sich vor allem beim Einmarsch in den tiefen Süden, wo die Briten in ein Hornissennest stießen, wo seit Generationen Fehden und bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten. In den südlichen Kolonien wurden kostbare Rohstoffe wie Tabak, Reis, Zucker und Baumwolle produziert. GB brauchte den Süden wie der Süden GB als Handelspartner brauchte. Dennoch gelang es den Briten nicht, daraus politisches Kapital zu schlagen.
 
Das ist wohl - wie die Pferdefrage :winke: - ein schwieriger Aspekt, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit Wendepunkten des Kriegsverlaufes.

1779 waren die Briten mit (!) ihren Loyalistenregimentern (oder gerade wegen) in Georgia erfolgreich. 1780 klappte das dann nicht mehr.

Ein Grund kann in der Wahrnehmung des Krieges liegen, den die Briten nun evt. zu verlieren schienen, war er inzwischen auch erkennbar zur globalen Auseinandersetzung ausgewachsen.

In der Frühphase war die britische Sichtweise auf Bedarf von Loyalistenregimentern eine andere, als man den Krieg noch (schnell) zu gewinnen glaubte. Das war eine vergebene Chance. Kosten, Gefährlichkeiten des geschaffenen Loyalisten-Potenzials nach einem Kriegsende, Führungsprobleme, Traditionen etc. spielten dabei mit hinein. Ab 1780 "riskierte" man schließlich auch offensichtlicher seinen Kopf für die politische Sache, gerade wenn man außerhalb der britisch kontrollierten Gebiete aktiv wurde. Da wird auch eine Hemmschwelle gestiegen sein, die die Mobilisierung behinderte, als sie von den Briten forciert wurde.

Trotz allem wurden Dutzende Loyalistenregimenter während des Krieges ausgehoben, alles in allem ca. 20.000 Mann. Das sind schon ganz ordentliche Zahlen gemessen an den Armeestärken. Im Süden nahm ihr Einsatz dabei den Charakter eines scharfen Bürgerkrieges an, auch Unterschiede zu Kämpfen unter Beteiligung britischer (regulärer) Truppen sind dabei feststellbar.
 
Die Pockenepidemie 1775/82 in Nordamerika während des Unabhängigkeitskrieges ist hier noch nicht angesprochen worden, wobei die Anzahl der Opfer (geschätzt 130.000, die Bevölkerung von New York betrug im Vergleich dazu rd. 20.000) die Kriegsfolgen mglw. noch in den Schatten stellt.

Pox Americana: the great smallpox epidemic of 1775-82 - Elizabeth Anne Fenn - Google Bücher

Washingtons Truppen hatten unter dieser Krankheit extrem zu leiden. 1778 betraf die Epidemie über ein Drittel der Truppen, mit entsprechenden Ausfällen, die Quebec-Kampangne 1775/76 war logistisch wesentlich von diesen Ausfällen geprägt.

Ab 1779 konnten die Ansteckungen mit Pocken in den marschierenden Truppen wesentlich eingedämmt werden, die Infizierungsquote sank auf ca. 10%. 1781 waren nur noch Wenige betroffen. Der Grund für diese Eindämmung lag in den Impfungsanweisungen von Washington, der diesen entscheidenden Faktor für die Feldzüge energisch bekämpfen ließ und die medizinische Versorgung verbesserte, die Ansteckungsgefahren durch die Impfungen reduzierte. Der Kampf gegen die "samllpox" wurde so zu einem wichtigen Faktor, entscheidende Vorbedingung für den erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg.

Zusammenfassung: Ann M. Becker, Smallpox in Washingtons Army - Strategic Implications of the Disease during the American Revolutionary War, JoMH 2004, S. 381-430.
Komplett: Smallpox in Washington's army: strategic implications of the disease during ... - Ann Marie Becker - Google Bücher
 
Ich weis nicht ob jemand von euch Krieg und Frieden von Leo Tolstoi gelesen hat. Neben der viel zu langen Handlung, ich habe in zwischen aufgegeben, stellt Tolstoi einen Geschichtsphilosophie vor nach der alles aufgrund des Zeitgeistes geschieht. Heißt das es einfach Zeit war für einen Staat in Amerika.
Auch wenn man sich mit einem Feldzug oder einem politischen Ereignis beschäftigt dann springt einem ins Auge wie viele Zufälle den Verlauf des selben bestimmen. Auch eine Schlacht wird zu gut 70% durch die Moral der Kämpfenden bestimmt.
 
Moral, Wille, oder wie immer man es nennen will, ist sicher ein wichtiger Faktor. Wenn Du die Diskussion oben durchliest, oder auch einigen Verweisen folgst, dann wird aber der Mix klar, aus dem diese Entwicklung resultiert.

Den Mix kann man als die wichtigen Faktoren ansehen, die als Kontext den Ausgang des Unabhängigkeitskrieges bestimmten.
 
Ich wollte dem Fragesteller nur einen philosophischen Ausweg anbieten und die Philosophie beschäftigt sich leider nicht Pocken und Truppenversorgung. Wobei ich das Detailreichtum dieser Diskussion bewundere.
 
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