Der Bischofswald in Steyr Münichholz, Oberösterreich

badhofer

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Die kath. Kirche ist flächenmäßig der größte private Grundbesitzer mitten im Stadtgebiet von Steyr. Ca. 550.000 m2 umfasst die Grundfläche. Im Vergleich dazu, um sich ein Bild zu machen: BMW Steyr mit seinen riesigen Produktionshallen und Parkplätzen hat ca. 200.000 m2.
Der Stadtteil Münichholz hat eine Fläche von ungefähr 3,94 km2. Der Bischofswald hat eine Fläche von ungefähr 0,5 km2. 1/8 von Münichholz gehört der kath. Kirche.
Aber wie ist die Kirche zu diesem Wald gekommen. Die Antwort liegt wahrscheinlich im Feudalismus. Aber das sind schon viele hunderte Jahre aus. Wie ist es möglich, diese Geschichte ans Licht zu bringen?
 
Vermutlich gibt es entsprechende Urkunden, Adelige, die ins Kloster gingen, brachten immer ein wenig Land mit oder die Klöster bekamen Land, (Stiftungen) um für das Seelenheil der Fürsten zu beten, nicht nur zu deren Lebzeiten, sondern auf Jahrhunderte. > Tote Hand
Wenn die Äbte kluge Wirtschafter waren, haben Sie das Land durch Zukäufe vermehrt.

Was mich aber wundert, dass der Besitz nicht durch die Säkularisation verloren ging.
 
Was heißt "gehört der kath. Kirche"? Wer ist der Eigentümer? Die Pfarre Steyr? Die Diözese Linz? "Bischofswald" klingt jedenfalls nach diözesanem Besitz.

Was mich aber wundert, dass der Besitz nicht durch die Säkularisation verloren ging.

Säkularisiert wurden insbesondere die Klöster und Stifte (auch die nicht komplett, das Stift Admont wurde z. B. nicht säkularisiert, es verfügt heute über 25.000 Hektar Grundbesitz: Grundverkehr - Stift Admont ). Teilweise wurde der von den Klöstern konfiszierte Grundbesitz an Diözesen und Pfarren wieder umverteilt, so auch im Fall der Diözese Linz:

Entscheidungen wie diese gehören zu seiner Aufgabe als Verwalter der Land- und Fortwirtschaft der Diözese Linz. Diese umfasst zum einen den Besitz, der bei der Gründung der Diözese Linz 1785 für den Unterhalt des Bischofs gestiftet wurde. Das sind 1.070 Hektar Wald und 110 Hektar Landwirtschaft, zum Teil Grund und Boden der aufgehobenen Stifte Gleink und Garsten. Während dieser Besitz aus etwas größeren Flächen besteht, kommen noch die Grundstücke dazu, die einst zum Lebensunterhalt der Pfarrer gestiftet wurden. Ein Großteil dieser „Pfarrpfründe“ wird zentral von der Diözese verwaltet. Diese Flächen – von ganz unterschiedlicher Größe und über ganz Oberösterreich verstreut – machen in Summe circa 700 Hektar Wald und 700 Hektar landwirtschaftliche Fläche aus. Dann berät Christoph Geier noch jene Pfarren, zu deren Kirchen Waldbesitz gehört. Das sind nochmals 350 Hektar.
 
Ich weiß nicht, ob in Steyr nicht auch die Gegenreformation eine Rolle gespielt hat, dass die katholische Kirche relativ Grundbesitz hat. Im Zuge des 30jährigen Krieges wurde Oberösterreich an Bayern verpfändet. Bayern bestand auf der Gegenreformation in der bis dahin überwiegend protestantischen Gegend. Dies führte zum oberösterreichischen Bauernkrieg in dessen Folge 228 protestantische Familien (also schätzungsweise mehr als 1.000 Personen) Steyr verließen. Diese Emigranten dürften nicht gerade arm gewesen sein. In Steyr blühte die Messerherstellung. Die Emigranten siedelten sich u.a. in Solingen an, wo sie eine blühende Klingenindustrie aufbauten.
Jetzt ist die Frage, was mit dem Hab und Gut der Emigranten geschah, das sie nicht mitnehmen konnten. Wenn es dem Bischoff oder den neu eingesetzten katholischen Pfarreien übereignet wurde, könnte die u.U. damit Wälder gekauft haben. Wälder waren in einer Stadt mit einer starken Eisen- und Stahlindustrie eine gute Investition, Holzkohle eine wichtige Ressource.
 
Die Ursache liegt im Feudalismus.
Der Feudalismus und alle seine Besitzansprüche, beginnend im 9. Jahrhundert, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zu 1/3 abgeschafft. Unter der Feudalgesellschaft, dem Lehnswesen, versteht man, das durch Lehnsrecht geregelte personale Verhältnis zwischen Lehnsherrn und adligen Vasallen und den Geistlichen mit seinen Auswirkungen auf die politischen, militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gedanken und Strukturen des europäischen Mittelalters. Bei der damaligen Auflösung der Feudalherrschaften wurde 1/3 des Grundes den Bauern überlassen, 1/3 blieb dem Feudalherren (Kirche oder Adel) und 1/3 blieb ebenfalls bei den Feudalherren mit Vorkaufsrecht der Bauern. Nachdem der Adel und auch die Kirche so gut wie nie etwas verkauft hat und auch das Vorkaufsrecht auf keine ursprünglichen Besitzer mehr bezogen werden kann, blieb dieses Drittel ebenso wie das andere 1/3 bei den Feudalherren. 2/3 der Feudalherrschaft ist somit bis heute erhalten geblieben. Die offizielle Abschaffung des Feudalismus im 19. Jahrhundert hat sich folglich nur auf 1/3 bezogen. Bei 2/3 sind viele Strukturen und Besitzverhältnisse bis heute erhalten geblieben. Die Vermutung liegt sehr nahe, dass die Besitzverhältnisse des Bischofswalds in Steyr-Münichholz auch noch aus dieser Zeit stammen.
 
Teilweise wurde der von den Klöstern konfiszierte Grundbesitz an Diözesen und Pfarren wieder umverteilt, so auch im Fall der Diözese Linz:
Zur Bestätigung:
1785 gründete Kaiser Josef II. das Bistum Linz, um österreichisches Land vom Bistum Passau unabhängig zu machen. Als Dotationsgüter wurden außer dem Stift Mondsee die Klöster Gleink und Garsten bestimmt. Die Nutzung deren Güter wurde dem neubegründeten Bistum für immerwährende Zeiten zugestanden.
Forstgeschichte Oberösterreichs, Engelbert Josef Koller, 1975

Eine Antwort zur Frage, wie denn die Klöster Gleink und Garsten ursprünglich zu ihrem Besitz kamen, ist in deren Geschichte zu suchen. Beides waren Stiftungen der lokalen Adligen aus dem Haus der Traungauer (steyrische Otakare).

Das Bistum Passau hatte um Steyr ebenfalls Grundbesitz, aus dem im 11./12. Jh. Teile im Abtausch mit weltlichem Besitz z.B.das Klostergut von Garsten gebildet wurde. Das benachbarte Schloss Sierning – Wikipedia hingegen blieb bis 1803 in Besitz des Passauer Domkapitels.

Auch wenn ich dafür keine Anhaltspunkte finde, kann der Name "Bischofswald" schon vor 1785 passauischen Besitz bezeichnet haben, der vielleicht in Abgrenzung zum klösterlichen "Münichholz" so genannt wurde. Dann wäre die Herkunft des Besitzstandes schon ab 8.Jh. zu suchen und wahrscheinlich in karolingischen Schenkungen an das Bistum Passau zu finden.
 
Der Feudalismus und alle seine Besitzansprüche, beginnend im 9. Jahrhundert, wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zu 1/3 abgeschafft. Unter der Feudalgesellschaft, dem Lehnswesen, versteht man, das durch Lehnsrecht geregelte personale Verhältnis zwischen Lehnsherrn und adligen Vasallen und den Geistlichen mit seinen Auswirkungen auf die politischen, militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gedanken und Strukturen des europäischen Mittelalters.
Du müsstest aber zwischen Lehen, allodifizierten Lehen und nicht lehensgebundenen Eigengütern von Personen oder Institutionen unterscheiden.

Es war auch im Mittelalter auf dem Höhepunkt des Feudalismus keineswegs so, dass sämtliche vorhandenen Ländereien Gegenstand von lehensrechtlichen Vereinbahrungen/Verträgen gewesen wären.

Bei der damaligen Auflösung der Feudalherrschaften wurde 1/3 des Grundes den Bauern überlassen, 1/3 blieb dem Feudalherren (Kirche oder Adel) und 1/3 blieb ebenfalls bei den Feudalherren mit Vorkaufsrecht der Bauern.
Ich weiß nicht, wo du das her hast, es ist in dieser Form mit Sicherheit allerdings unzutreffend.

Das Lehenswesen, was Grund und Boden betrifft (Lehen konnten darüber hinaus auch andere Dinge, wie etwa Ämter betreffen), begann mit Beginn der frühen Neuzeit, etwa ab dem 16. sich sukzessive dadurch aufzulösen, dass die bisherigen Lehensherren, deren Eigentum die Ländereien waren (das theoretische Obereigentum des Königs, was die Ländereien des Adels betrifft hatte sich zumeist bereits während der Stauferzeit oder des sogenannten "Interregnums" erledigt womit ein Großteil des Landes mittlrweile längst nicht mehr Lehen, sondern Allodialbesitz/Eigengüter des lokalen Adels darstellte) wirtschaftlich bessere Perspektiven darin zu sehen begannen, wenn sie diese in Eigenregie bewirtschafteten, was zur Folge hatte, dass "heimgefallene" Lehen, immer seltener neu vergeben und immer häufiger einfach in den Besitzkomplex der Herren eingegliedert wurden.

Insofern war vom klassischen Feudalsystem, was die Verteilung von Grund und Boden angeht, als im 18. und 19. Jahrhundert, im Zuge der Bauernbefreiung und der 1848er Revolution die verbliebenen Relikte des Feudalsystems in Form der Hand- und Spann-Dienste fielen, nicht mehr viel übrig.
Da gab es so gut wie nichts mehr an dem Lehensrecht unterfallenden Land, weil das so gut wie alles längst diesem System entzogen und in erbliches Eigentum der jeweiligen Grundherren ugewandelt war, insofern gab es da auch nicht mehr viel, was man hätte umverteilen können, ohne im großen Stil Enteignungen vorzunehmen und damit das Prinzip des Privateigentums an und für sich in Frage zu stellen.

Was noch umverteilt werden konnte, war die Allmende, sprich der Kollektivbesitz von Gemeinden, etwa an Weideplätzen, etc. was allerdings an und für sich nicht viel mit dem Feudalsystem zu tun hat, weil die Allmende kein an irgendjemanden verliehenes Gut war, sondern sich sozusagen in kommunalem Besitz befand.

Dieser wurde im 18. und 19. Jahrhundert in der Regel sukkzessive aufgelöst und wenn man es modern ausdrücken wollte, zu großen Teilen praktisch privatisiert.
Das hierbei lokal nach bestimmten Schlüsseln umverteilt wurde, dass kann durchaus sein, wobei diese Form der Auflösung tradierten Kollektivbesitzes in der Regel vor allem kapitalstarken Großgrundbesitzern nutzte, die dadurch die Gelegenheit bekamen große Teile davon aufzukaufen.

Das wird allerdings kaum die Erklärung für den geschilderten Umstand an und für sich darstellen.
Es kan durchaus sein, dass zur Allmende in und um Steyr auch Waldgebiete gehörten und dass bei der Abwicklung der Allmende die Kirche Teile davon aufkaufte und ihren bereits vorhandenen Besitz erweiterte.
Das ist allerdings kaum die Erklärung für den Umstand an und für sich. da haben @Sepiola und @Naresuan schon recht plausible Antworten geliefert.


Die Ansammlung von Ländereien durch die Kirche und ihre Glieder vollzog sich auch häufig nicht auf der Basis des Lehenssystems, sondern auf der Basis von Stiftungen, Spenden und Nachlässen, die an die Kirche gingen.
Man muss dabei bedenken, das war damals noch eine sehr religiöse Gesellschaft, entsprechend hoch dürfte die Bereitschaft der Bevölkerung gwesen sein, für ihren Glauben finanzielle (oder in Sachwerten) Opfer zu bringen und ins eigene Seelenheil, das der Familie oder einfach in eigene Publicity und den eigenen guten Ruf durchaus zu investieren.

Wenn begüterte Leute das über Zeitraum von Jahrunderten immer wieder so machen und immer wieder das eine oder andere Stück Land bei der Kirche an sich, diesem oder jenem Kloster etc. hängen bleibt, dann kommt dabei über die Zeit hinweg einiges zusammen.
Und das bei der Auflösung von Klöstern oder bestimmten geistlichen Orden, andere Orden oder kirchliche Gliederungen Teile von deren Besitzstand übernehmen konnten oder in einer rückwirkenden Regelung zugesprochen bekamen, wie das hier anscheinend der Fall war, ist an und für sich auch nicht unbedingt ungewöhnlich und hat relativ wenig mit dem Feudalismus zu tun.
 
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