Der "The Times Atlas Zweiter Weltkrieg" (Bechtermütz Verlag; 1999) widmet den Zukunftsplänen eine ganze Doppelseite (Seite 90/91). Eine Karte mit dem Titel "Die Vision der Nazis vom Nachkriegseuropa" zeigt ein dichtes Autobahnnetz in Mitteleuropa, das sogar bis Moskau und Sewastopol ("Roderichshafen") reicht. Zwischen München und Rostow ist eine "neue Eisenbahnverbindung (4000 mm Spurweite)" zu erkennen. Trondheim wird als "geplanter weltgrößter Seehafen mit einer Stadtbevölkerungsanzahl von 300.000" beschrieben, Rügen als "weltgrößtes Erholungsgebiet an der See mit 75 km Strandlänge und einer jährlichen Urlauberzahl von 14 Mio.". Darüber hinaus sind Hamburg, Berlin, Nürnberg, München und Linz als "Führerstädte zum Umbau in großem Maßstab", Salzgitter, Wolfburg und Ostrava als geplante Industriemetropolen und Berlin und Wien als geplante Bank- und Finanzmetropolen eingezeichnet.
Ferner wird unter der Überschrift "Geplante Rassenhierarchie im Osten" ein Tortendiagramm gezeigt: Großrussen sollten zu 2/3 vernichtet oder nach Osten "verlegt" (Sprich vertrieben), und zu 1/3 "germanisiert" werden. "Unerwünschte Gruppen" wie Juden, Sinti und Roma sollten gänzlich vernichtet werden, Nichtslawen größtenteils germanisiert werden. "Nichtrussen" (Ukrainer und Weißrussen) sollten zur Hälfte vertrieben oder ermordet, und zur Hälfte "germanisiert" werden. Ferner wird eine "Modellsiedelung für die Kolonialisierung des Ostens" beschrieben: Eine planmäßig angelegte Garnisonsstadt bildet das Verwaltungszentrum. In 30 bis 40 Kilometern Entfernung befinden sich die Siedelungen der deutschen Bauern, die "durch geradlinige, gute Verbindungsstraßen" mit der Stadt verbunden sind.
Ich weiß nicht, wie glaubhaft diese Darstellungen sind. Wenn man sich aber vor Augen führt, wie minutiös die Besetzung der britischen Inseln schon geplant worden war, lange bevor die ersehnte Luftherrschaft über England in greifbare Nähe gerückt war, und dass im Sommer 1942 in Griechenland bereits eine "Einsatzgruppe Ägypten" mit Ziel Naher Osten aufgestellt worden war, halte ich es für durchaus denkbar, dass derart weitreichende Pläne zur Neuordnung Europas ausgearbeitet worden sind. Eine tatsächliche Neuordnung Europas wäre aber erst nach einem siegreichen Friedensschluss erfolgt, und umso weiter ein solcher in die Ferne rückte, desto weniger konzentrierte man sich auch auf diese ungeheuerlichen Pläne.