Der Iran und die Mullahs

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Leopold Bloom

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Der Konflikt zwischen Säkularismus und Klerus im Iran - Eine historische Betrachtung einer jahrhundertealten Auseinandersetzung der Schia


Einführung

Mit dem Schisma des Islam beginnt die Geschichte der Schia, die in erster Linie eine persische ist. Zwar gibt es auch in Saudi-Arabien, dem Irak oder Bahrein Schiiten, die absolute Mehrheit der Schiiten sind aber Perser/Iraner.
Für gläubige Schiiten endet allerspätestens mit dem Tod Husseins (viel eher schon mit dem Tod Alis) die Geschichte des wahren Islam. Dies kommt auch durch einen ausgesprochenen Märtyrermythos zum Ausdruck. Nach Husseins Tod benennen die Schiiten eigene Führer, ihre Imame (wörtl. Vorbeter). Diese sollten aus der Familie Mohammeds entstammen. Diese mystische Verklärung eines jeweils unfehlbaren Menschen aus der Prophetenfamilie wird im Laufe der Zeit gesteigert. Die Imame besaßen zwar keine reale Macht, beanspruchten aber die religiöse Führung. Beginnend mit der Reihe von Ali über Hussein (dessen Todestag, der 10. Muharam, noch heute als allgemeiner Trauertag Ashura einer der wichtigsten Tage überhaupt ist) wurden Imame benannt.

"7er-Schiiten" und "12er-Schiiten"
Mit dem Tod von Ismael (dem Sohn des 6. Imam) kommt es innerhalb der Schia zur Krise. Es kommt zur Spaltung, da der Nachfolger des 6. Imams bereits vor diesem gestorben war. Es spalteten sich hieraus 2 Gruppen: Die 7erSchiiten, die mit Ismael die Linie der Imame enden lassen (bekannte Vertreter: die Assassinen von Alamut und die Ismaeliten des Aga Khan) und die 12er-Schiiten (heute die absolute Mehrheit).
Die 12er-Schiiten benannten weitere Imame bis hin zum 12. Imam. Dieser, der Mahdi (Mohammed al Muntasar), sei entrückt worden und werde zu gegebener Zeit wieder auf die Erde zurückkehren. Noch heute wird das Amt des Staatsoberhaupt in der Islamischen Republik Iran nur vom jeweiligen Amtsinhaber "komissarisch" geführt und für den 12. Imam freigehalten.


Die Schia als Staat

Im 14. Jahrhundert begründet Safi ad Din die Dynastie der Safawiden und damit den Staat der Derwische von Ardebil. Obwohl eigentlich Sunnit wird er später umgedeutet zum "Retter Persiens", der dereinst die wahre Religion gebracht habe und vom 7. Imam der 12er-Schiiten abstamme. Bereits zuvor hatte sich die Schia trotz Unterdrückung und Repression seitens des Kalifenstaats der Abbasiden gefestigt: Persische Schriftsteller und Kleriker hatten die Hegemonialstellung der arabischen Sprache hinsichtlich des Koran und des Islam erschüttert.
Einer der Nachfolger Safi ad Dins, Ismael (nicht identisch mit dem Imam) erstreitet ein schiitisches Großreich. Damit (und in der Folge) wird das Schiitentum zur Staatsreligion.
Unter Abbas dem Großen (1616) gelingt es den Safawiden, die heiligen Städte der Schiiten Nadschaf und Kerbela den Türken zu entreißen. Der Safawidenstaat hat seinen Höhepunkt erreicht. Nach dem Tod Abbas im 17.Jahrhundert folgen schwache Nachfolger. Nadschaf und Kerbela gehen wieder verloren (bis heute). Hier beginnt die Auseinandersetzung mit dem Klerus, der Jahrhunderte später in die Islamische Revolution von 1978/1979 münden sollte.


Der Beginn der klerikalen Neuordnung

Lange Zeit waren die schiitischen Korangelehrten von Sunniten regiert und bevormundet worden. Nun hatten sie durch die Safawiden enormen Einfluß erreicht. Sie waren als Ulema (geistlicher Rat) am Hof als Berater gefragt. Mit dem Niedergang jedoch veränderte sich insbesonders in den heiligen Zentren Maschhad und Ghom die Stimmung. Vor allem in dem klerikalen Zentrum Ghom traten neue Forderungen hervor: Modschtaheds (Urteilsfinder) erhoben die Forderung eines göttlichen Rechts wonach sie die geistigen Führer des Volkes seien und dem Schah nur repräsentative Aufgaben zustünden. Nur ein Modschtahed entscheide über Krieg und Frieden und nur dieser sei berechtigt im Namen des Staates zu handeln, da nur diesen der Wille Allahs zukunde werde.
Etwa um 1680 ist der Machtkampf in vollem Gange: Modschtaheds wie Schah nehmen für sich in Anspruch legitime Nachfolger der Imame zu sein. Die Modschtaheds waren bereits zu mächtig geworden. Der Schah konnte nun die Kritiker aus Ghom nicht mehr brandmarken, er mußte viel eher mit ihnen zusammenarbeiten. Die Schahs wurden ihre Dissidenten auch die folgenden Jahrhunderte nicht mehr los. Je schwächer der jeweilige Herrscher, desto stärker die Modschtaheds. Sie konnten ihre Zahl kontinuierlich steigern, sodass ein neuer akademischer Rang nötig wurde um die große Anzahl von Modschtaheds unter der Führung mehrerer Geistlicher eines neuen Rangs zu vereinen: Ayatollah.
In dieser Zeit haben sich in Iran/Persien eben jene Fronten gebildet, die letztlich bis zum Sturz der Pahleviten Bestand hatten. Nur hat bis dahin der Klerus nie versucht auch die weltliche Macht an sich zu reißen.


Die Machtübernahme der Mullahs

Iran, damals noch Persien erlebt ab dem 19. Jahrhundert einen schleichenden Niedergang: In Kriegen mit Russland geht ein Teil von Aserbaidschan sowie die alten persischen Städte Samarkand und Buchara in Zentralasien verloren, Großbritannien greift militärisch in Afghanistan ein, als Schah Nazir ad Din versucht, dies zurückzuerobern. Die bankrotte Regierung muss seine Bodenschätze gegen eine geringste Beteiligung "verhökern". Dies führt in der Folge zu einer weiteren Verarmung und Volksaufständen.
Die Kleriker gehen auf deutliche Distanz zu der Khadscharenmonarchie.
1925 beendet Reza Schah die Khadscharendynastie und erklärt sich selbst zum Schah. Er besteigt als Schah Reza Pahlevi den Pfauenthron. Er nimmt Atatürk und dessen Vorbild der jungtürkischen Revolution zum Vorbild und regiert absolut und repressiv. Persien, das er bald darauf Iran umbenennen wird, soll ein moderner westlicher Staat werden. Hierunter stellt er sich allerdings nur technische Errungenschaften vor, soziale Forderungen hatten wenig bis keinen Platz.

Es entstehen wieder Spannungen zwischen Monarch und Geistlichkeit (u.a. um Kleiderordnung etc). Reza Schah geht hier so weit, dass er als die Situation mit der religiösen Führung in Ghom zu eskalieren droht, er die dortigen Oppositionellen in mehrfacher Weise brüskiert: 1927 wird die Trennung zwischen Staat und Kirche vorbereitet. Diesen Laizismus kann die Geistlichkeit aus ihrer oppositionellen Haltung heraus nicht gutheißen. Die Ayatollahs von Ghom rufen das Volk zum Generalstreik auf. Entsetzt muß Reza Schah feststellen, dass das Volk dem Aufruf Folge leistet. Der Streik, der 6 Monate andauert, bringt das Land an den Rande des Zusammenbruchs. Er muß also verhandeln. Hierzu schickt er zu den Verhandlungen jedoch nicht einen Minister sondern eine seiner Nebenfrauen. Diesen Affront konnten sich die Ayatollahs kaum bieten lassen und weigerten sich, ihr überhaupt zuzuhöhren. Daraufhin erscheint der Schah höchstpersönlich in der Fatima-Moschee in Ghom. Er stürmt mit Reitstiefeln (!!!) die Moschee, züchtigt vor aller Augen einen Mullah mit seinem Stock und verschwindet wieder. Unter den Anwesenden befand sich auch ein junger Theologiestudent, der später die Geschichte des Landes nachhaltig prägen sollte: Ruhollah Musawi, der sich später nach seiner Geburtsstadt nennen wird....Khomeini.
Durch diesen Zwischenfall war das Tuch zwischen Pahleviden und der schiitischen Geistlichkeit für immer zerschnitten.
In der Folge erlässt Reza Schah strikte Gesetze (Kopftuchverbot), was zu weiteren Spannungen führt und durch seinen Nachfolger wieder rückgängig gemacht werden muss.

Als Reza Schah aufgrund der Sympathie gegenüber den Nazis zurücktreten muss, übernimmt sein Sohn Mohammed Reza den Thron. Anfangs schwach muss er massiv von den USA und Großbritannien gestützt werden, um sich überhaupt im Amt halten zu können.
Nach dem gescheiterten Versuch durch Mossadegh, die Ölindustrie zu verstaatlichen, verarmt das Volk zunehmend. Iran ist ein Drittweltstaat mit ungerechter Verteilung des Grund und Bodens, hoher Analphabetenrate und Armut. Der Versuch einer Bodenreform (später "Weiße Revolution" genannt) führt nach Enteignungen klerikaler Besitztümer zu Aufständen. Es kommt zu schweren Unruhen, die der Schah mit brutaler Härte niederschlagen lässt. In diesem Jahr (1964) tritt Ayatollah Khomeini zum ersten Mal politisch in Erscheinung. Er wird 1965 ausgewiesen. 1970 beginnt die Widergeburt des Islam als Massenbewegung in etlichen islamischen Ländern (Moslembruderschaft in Ägypten, z.B.). Khomeini ist einer ihrer ideologischen Wegbereiter. War es bisher nur der Ruf nach Reformen erhebt er nun klar die Forderung nach einer Islamischen Republik. Dies formuliert er dann auch in seinem Weg weisenden Buch "Das Königreich der Rechtsgelehrten".
Währenddessen zelebriert Mohammed Reza Schah altpersische Traditionen und regiert als entrückter Monarch. Seinen Geheimdienst SAVAK lässt er führende Oppositionelle umbringen (Ali Schariati, Mustafa Khomeini/ Sohn des Ayatollah)
Ab 1978 beginnen die Unruhen und Aufstände, die der Schah versucht mit Brutalität und Härte unterdrücken zu können. Doch es ist zu spät. Er muß anfangs 1979 fliehen, Khomeini kehrt zurück und macht aus dem Aufstand die Islamische Revolution. In der Folgezeit gelingt es ihm, die anderen Gruppen derer er sich anfangs noch bedient hatte auszuschalten (so z.B. die Volksmudschaheddin).

Damit hat eine neue Ära der Schiiten begonnen: Erstmal errichten sie einen ""Gottesstaat" und vereinen säkulare und klerikale Ämter.




by Leopold Bloom
 
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