Der Mönch Xuanzang

SRuehlow

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Die Herkunft und Jugend von Xuanzang

Der große Pilgermönch wurde wahrscheinlich zwischen den Jahren 600 und 602 in Luoyang als viertes Kind eines Mandarins geboren. Er entstammte einer angesehenen Familie. Viele seiner Vorfahren waren Minister oder Madarine gewesen. Sein Familienname war Chen.
Xuanzang wird als schöner Mann von edlem Charakter beschrieben. Er sei von hohem Wuchs gewesen und habe einen strählenden Teint besessen. Seine Augen sollen ein helles Leuchten gehabt haben. Seine Persönlichkeit war gefestigt und strahlte eine große Anziehungskraft aus.

Xuanzangs ältester Bruder war zu seiner Zeit, als er noch Novize war, ein bedeutender buddhistischer Mönch, der großes Ansehen genoss. Xuanzang trat, wie sein Bruder vor ihm, als Novize in das Ching-t´u-szu-Kloster in Luoyang ein. Dort legte er, mit 13 Jahren, sehr früh die heiligen Gelübde des Mönchtums ab. Im Kloster von Luoyang richtete Xuanzang seine Studien auf die indische Philosophie aus und studierte die wenigen Schriften des Mahayana-Buddhismus, die in der Klosterbibliothek vorhanden waren. Sein besonderes Interesse galt dem Nirvanasutra und Mahayanasamparisatra.

Luoyang war durch den Bürgerkrieg zwischen den Tang und ihren Rivalen zu gefährlich, um dort als buddhistischer Mönch zu leben. So zog Xuanzang es vor, 618 aus der Stadt zu fliehen und in Sichuan Zuflucht zu suchen. In Chengdu, der Hauptstadt Sichuans, fanden er und sein Bruder Zuflucht im Kloster Kung-hui-szu, in dem sie drei Jahre weitere buddhistische Schriften studieren konnten. 622 empfing er die vollständigen Mönchsweihen in Chengdu.

622 ging er, nachdem der Bürgerkrieg geendet hatte und die Tang ihre neue Hauptstadt nach Chang´an (heute Xian) verlegt hatten, in die Provinz Shanxi. In Chang´an wurde Xuanzang das erste Mal richtig mit den verschiedensten Ausrichtungen des Buddhismus konfrontiert und mit den Problemen, die die verschiedenen Schulen durch ihren Konflikt mit der rechten Auslegung des Buddhawort hatten. Hier war das neue geistige Zentrum der Übersetzer vom Sanskrit ins Chinesische. Durch das intensive Studium, das in Chang´an kontinuierlich zunahm, wurde Xuanzang immer verwirrter durch die gegensätzlichen Meinungen der heiligen Schriften. Als er nachprüfen wollte, welcher Schule er nun folgen sollte, so berichtet sein Biograph, verwirrten ihn die Diskordanzen so sehr, dass er schwor die „Lande des Westens“ zu bereisen, „um die Weisen zu den Punkten zu befragen, die ihn verwirrten“.


Die Reise gen Westen

Kaiser Taizong hatte, durch Throneingaben des einflussreichen daoistischen Gelehrten Fu I, die meisten Klöster schließen lassen und viele Mönche und Nonnen zwangsverheiraten lassen. In den großen Städten wurden nur noch ein bis zwei Klöster geduldet. Mönchen wurden missionarische Aufgaben untersagt und die Ausreise aus dem Tang-Reich verwehrt, da sich das Tang-Reich nach Außen erst einmal politisch abschotten wollte, um die innenpolitische Lage zu sichern.

Xuanzang reiste 629 zuerst mit seinem Bruder und einer kleinen Delegation an die westliche Grenze des Reiches. Ihm wurde aber die Ausreise untersagt. Er richtete eine Eingabe an den Thron, mit der Bitte, China verlassen zu dürfen, die ihm aber per kaiserlichen Erlass verweigerte. Die Delegation reiste, zusammen mit seinem Bruder, ab. Xuanzang ging einige Tage später in einer Nacht- und Nebelaktion ungesehen, aber illegal, über die Grenze.

Er reiste über die westlichen chinesischen Provinzen nach Liangchou, in der Provinz Kanzu gelegen. Liangchou war die letzte bedeutende Stadt vor der Wüste Gobi und bildete damals, wie heute, den Ausgangspunkt für Karawanen auf dem Weg in das Tarim-Becken und in die Mongolei. In Liangchou endete der direkte Einflussbereich der Macht von Kaiser Taizong. Weiter westlich gab es nur noch einzelne Festungsanlagen und Grenzposten der Tang.
Hier ist ein großer Umschlagsplatz von Waren aus dem Gebiet um das Pamir bis hin zum Huanghe, dem gelben Fluss. Xuanzang hielt hier eine seiner ersten Lehrpredigten auf einem großen Handelsmarkt. Den Erlös, den er von einem dankbaren Karawanenführer bekam, spendete er dem Kloster in Liangchou. Schwierig muss es für den großen Pilgermönch gewesen sein, seine Dharmareden vor Interessierten und Gläubigen zu halten und sich gleichzeitig vor seinen Häschern und den chinesischen Grenzsoldaten versteckt zu halten. Eins lässt sich aber aus den Ereignissen in Liangchou schlussfolgern: Xuanzang mied nicht die kleinste Gefahr, im Gegenteil. Man kann von einer starken Persönlichkeit sprechen, die im Angesicht drohender Staatsmacht geistliche Reden hält. Die Provinzregierung, in Wissen um Xuanzangs Absichten, lies ihn zu sich rufen und befahl ihm die sofortige Rückkehr nach China. Aber Xuanzang lies sich nicht beirren und reiste weiter gen Weste.

Xuanzang durchquerte die Wüste Gobi und kam durch Dunhuang.

Das Königreich von Kaoch´ang war im 7. Jahrhundert ein bedeutender zentralasiatischer Staat, der in voller kultureller Blüte stand. Die Bewohner waren nicht mit den Chinesen oder Türken verwandt, sondern Nachkommen der indo-germanischen Völkerwanderung. Der indische Einfluss war sehr groß, denn die Bevölkerung von Tufan bekannte sich zum Buddhismus. Die höheren Gesellschaftsschichten waren durch und durch von der Sanskritkultur geprägt. Xuanzang wird dort mit Sicherheit Darstellungen gräko-buddhistischen Formenvielfalt von Buddhas und Bodhisattvas begegnet sein. Diese Kunstform war durch Alexander dem Großen (356-323 v.Chr.) auf dessen Asienfeldzügen mitgebracht worden und hatte sich in der buddhistischen Kunstdarstellung nachhaltig niedergeschlagen.
Der König von Kaoch´ang, Chü Wên-t´ai, hatte also Xuanzang gewaltsam, gegen dessen Proteste, nach dessen Hauptstadt bringen lassen. Chü Wên-t´ai war ein frommer Buddhist, der nicht zögerte, den völlig erschöpften Xuanzang, um eine stundenlange Belehrung zu bitten, die nachts abgehalten wurde, nachdem der Mönch eingetroffen war. Der König hatte vor, Xuanzang als geistiges Oberhaupt der buddhistischen Religiosen und Heiligtümer seines Reiches bei sich in Turfan zu behalten, was Xuanzang mit voller Überzeugung verweigerte. Der König versucht ihn anhand von erlesenen Geschenken zu überreden, bei ihm zu bleiben und einen hohen Posten in der Regierung zu übernehmen. Er sollte nicht der letzte Herrscher eines Königreiches sein, der Xuanzang ein solches Angebot machte und resigniert aufgeben musste. Xuanzang war nämlich in den Hungerstreik getreten, aus Protest dem König gegenüber und so entschuldigte sich Chü Wên-t´ai schließlich. Als der König das Einsehen hatte, Xuanzang nicht zum Dableiben überreden zu können, machte er es sich zur Aufgabe, die Weiterreise des Mönchs so angenehm wie möglich zu gestalten. Er ließ alle möglichen Schutzkleider für die Weiterreise fertigen. Außerdem beschenkte er ihn mit Gold, Edelsteinen, Seide und dreißig Pferden. Für seine Reise gab er ihm fünfundzwanzig Pferde mit, einen Führer und eine Empfehlung für den Großkhan der Westtürken, mit dem er enge freundschaftliche Beziehungen hegte. Des Großkhans Sohn war Monarch über Baktrien, das an die Pforten Indiens grenzte, über das Xuanzang reisen musste, um auf den indischen Subkontinent zu kommen. Chü Wên-t´ai hatte Xuanzang nun unter den Direkten Schutz seiner Selbst und des Großkhans gestellt, dass der Reise einen offiziellen Charakter verlieh. Außerdem öffneten sich nun Xuanzang die kleineren Königs- und Fürstenhäuser die an den Seidenstraßen entlang der Gobi lagen. Wên-t´ai gab Xuanzang 24 Schreiben an die Fürsten und Könige Asiens mit, in denen er sie aufforderte Xuanzang nach bestem Ermessen auf seiner Reise zu schützen und zu fördern. Anbei sandte er Geschenke an die Häuser mit, mit denen er seinen guten Willen unterstrich. Alles in allem hatte Xuanzang einen sehr positiven Eindruck in Turfan hinterlassen. Der Mönch hatte dem König versprochen, auf seiner Rückreise nach Turfan zurückzukehren, um drei Jahre am Hof des Königs für dessen Mildtätigkeit zu verweilen. Als Xuanzang 644 über Baktrien zurückkehrt, um sein Versprechen einzulösen, war Chü Wên-t´ai vier Jahre zuvor gestorben und Turfan unter chinesischer Herrschaft.

630 brach er von Turfan aus, über die Oase Karaschahr, ins benachbarte Königreich Kutscha auf. Von der Oase berichtet Xuanzang, dass es dort mehr als zehn buddhistische Klöster gebe, in denen mehr als 2000 Mönche leben, die der Sarvastivadin-Sekte aus der Hinayana-Schule angehörten. Der König von Karaschahr, ebenfalls ein frommer Buddhist, bewirtete Xuanzang fürstlich, nicht aber seine Begleiter aus Turfan, da der König von Turfan desöfteren Plünderungsstreifzüge ins benachbarte Karaschahr guthieß. Daher blieb Xuanzang nur eine Nacht am Hofe des Königs und reiste am nächsten Tag ab.

Kutscha war der nächste Halt auf der Reise Xuanzangs. Er war sehr angetan von der Schönheit der Stadt und rühmte sie in seinem Reisebericht. Kutscha war eine der bedeutendsten Städte Zentralasiens, ebenso Hauptumschlagsplatz für Kosmetika aus Persien und Kostbarkeiten wie Teppiche aus Zentralasien. Xuanzang beschreibt die Straßen von Kutscha als ungeeigneter Aufenthaltsort für einen Mönch, da die Stadt voller schöner Frauen und allerhand Lasterhaftes sei. Beeindruckt haben ihn vor allem die Musiker, die wie er schrieb, die vortrefflichsten seien, die er je gehört habe und mit keinen anderen, in irgendeinem Königreich, vergleichbar seien. Kutscha war durch und durch indisch geprägt. Sanskrit war daher eine weit verbreitete Sprache in Kutscha, der sich die Gelehrten bedienten. Aus Kutscha stammte Kumarajiva (344-413), dem berühmten Mönch indischer Abstammung, der nach Kaschmir ging, um in den geistlichen Stand einzutreten. 383 wurde er von der chinesischen Invasionsarmee nach China mitgenommen, wo er zahlreiche Übersetzungs-arbeiten aus dem Sanskrit anfertigte. Kutscha ist wahrscheinlich der Hauptumschlagsplatz Zentralasiens für Sanskritliteratur, die den Weg in den fernen Osten fand. Trotzdem bleibt Kutscha eine isolierte Oase, inmitten der Türkischen Horde, die danach trachtete, Kutscha zu unterwerfen. So blieb den Königen von Kutscha nichts anderes übrig, als neben Kunst und Religion, das Kriegshandwerk zu fördern.
Der König von Kutscha, Suvarnapuspa (o.a. Swarnatep), ebenfalls ein glühender Verehrer der Worte und Lehren Buddhas, war zu diesem Zeitpunkt in ein freundschaftliches Verhältnis mit den Tang verbunden, was Angesichtes der Bedrohung durch die Westtürken verständlich erschien. Im Königreich Kutscha lebten mehr als 5000 buddhistische Mönche unterschiedlichster Schulen. Xuanzang besuchte während seines Aufenthalts alle Klöster und opferte dort zusammen mit dem König an den Buddhastatuen. Der König war sehr darum bemüht Xuanzang zu gefallen, weil er hoffte, dass der Mönch ein gutes Wort für ihn bei Kaiser Taizong einlegen würde. In Kutscha herrschte die Hinayana-Richtung des Buddhismus vor und so ist es nicht zu verwundern, das bald nach der Ankunft Xuanzangs sich ein philosophischer Disput zwischen ihm und Vertretern des ortsansässigen Klerus, insbesondere mit dem Gelehrten Moksagupta, entspann. Xuanzang sah sich nach zwei Monaten genötigt, die Stadt, nach Einsetzen des Schmelzwassers, zu verlassen. Die Erfahrungen, die er in Kutscha gesammelt hatte, waren nicht die unwichtigsten. Durch die Dispute mit den Gelehrten des Kleinen Fahrzeugs hatte er sich intensiver mit dieser Form des Buddhismus auseinander gesetzt und man kann sagen, dass er ab Kutscha den Hinayana als gleichwertige Ansicht gegenüber dem Mahayana akzeptierte.
 
Westwärts, Kutscha verlassend, wandte sich Xuanzang dem Tienshan-Gebirge zu, das er über den 7300m hohen Begal-Pass überwand. Diese Strapazen überlebten viele seiner Reisebegleiter nicht und ebenso viele Pack- und Reitpferde blieben auf der Strecke, die ihm der König von Turfan mitgegeben hatte. Am Issik-köl-See traf er mit Yabgu T´ung, dem Großkhan der Westtürken zusammen. Zu diesem Zeitpunkt hegten Kaiser Taizong und der Großkhan freundschaftliche Beziehungen. Ebenso wie der tibetische König hatte Yabgu T´ung um die Hand einer chinesischen Prinzessin gebeten. Beeinflusst durch eine buddhistische Strömung, dessen Vorgänger des Großkhans, Großkhan T´a-po, sich verschrieben hatte, hieß er Xuanzang in seinem Winterlager herzlich willkommen. Später reisten die beiden weiter nach Tokmak, der Hauptresidenz des Khans. Der Großkhan, angetan von den Belehrungen Xuanzangs, versuchte den Mönch zu überreden nicht nach Indien weiterzureisen und bei ihm als geistiger Lehrer zu bleiben. Xuanzang lehnte wieder dieses großzügige Angebot ab. Yabgu T´ung lies Empfehlungsschreiben für die Region um Gandhara anfertigen, damit der Pilger ungehindert den Pamir und Baktrien durchqueren konnte. Das war die letzte offizielle diplomatische Handlung des Khans, der wenig später, nachdem Xuanzang abgereist war, durch einen Mord den Tod fand.
Was Xuanzang in seinem Reisebericht ausführlich und wohl tief beeindruckt beschrieb, waren die Horden von Reitersoldaten, die sich im Lager des Großkhans versammelt hatten. Was Xuanzang nicht wusste war, dass sich die Westtürken das letzte Mal geeint versammelt hatten. Nach dem Tode Yabgu T´angs zerfiel das Reich in zwei Teile, deren Grenze der Issik-köl-See darstellte, bzw. an ihm verlief.

Xuanzang reiste über Taschkent, damals Chê genannt und eher unbedeutend, nach Samarkand (chin. K´ang). Samarkand war eine durchaus persisch geprägte Stadt und Umschlangsplatz für die erlesensten Waren. Außerdem wurden hier die berühmten transoxanischen Streitpferde gezüchtet. Zur Zeit Xuanzangs war Samarkand die Hauptstadt eines turko-iranischen Königreichs, das als Vasall der Westtürken koexistierte.
Xuanzangs Rolle in Samarkand kann man unter verschiedenen Aspekten betrachten. Die Sogdier hatten bei Kaiser Taizong 631 ersucht, Sogdien unter das Protektorat Chinas und der Tang zu stellen, welches aber Kaiser Taizong ablehnte, weil er meinte, die Region sei viel zu weit entfernt. Trotzdem stellte sich der König als Vasall unter Kaiser Taizong.
Xuanzang weilte zwischen 630-1 in Samarkand und könnte eine so genannte Vorreiterrolle in den ersuchten diplomatischen Beziehungen gespielt haben, ohne dass er es beabsichtigte. Der König von Samarkand war seinerseits kein Buddhist, sondern verehrte den persischen Feuerkult. Trotzdem fühlte sich der Tarkhan, so der Titel des Königs, von der Belehrung Xuanzangs tief bewegt. Der König stellte den chinesischen Mönch unter seinen persönlichen Schutz und ließ Männer verhaften, die Xuanzang mit brennenden Holzscheiten verfolgt hatten. Xuanzangs Lehrtätigkeit ist es verdanken, dass er in Samarkand neue Mönche weihen konnte und ihnen die alten, leer stehenden Klöster aus der indo-skythischen Zeit übergeben konnte. Er schrieb in seinen Aufzeichnungen, dass vor seinem Eintreffen der Buddhismus eine eher untergeordnete Rolle gespielt habe und er nun das Rad der Lehre wieder in Gang gesetzt hatte. Nachdem er Samarkand verlassen hatte, reiste er über Kisch zu den Eisernen Toren der Kotin Koh-Berge.

In Kundus traf er den dortigen König Tardu Schad. Dieser war der Sohn des Großkhans der Türken und der Schwiegersohn des Königs von Turfa und ein durchaus frommer Buddhist. Kurz nach Eintreffen des Meisters Xuanzang wurde der König durch eine Haremsintrige vergiftet und ein neuer König bestieg den Thron, der Xuanzang genauso große Begeisterung entgegenbrachte, wie sein Vorgänger. Er lud Xuanzang ein, Blach, das antike Baktra, mit seinen buddhistischen Heiligtümern zu besuchen. Dort traf er einen auf den Hinayanagelehrten Prajnakara, der ihm wichtige Passagen aus den Werken des Hinayana, wie dem Abhidharma, dem Kosa, dem Katyayana und dem Vibhasasastra erklärte.
Nachdem er auf gefährlichen Wegen den Hindukusch überquert hatte, gelangte er nach Bamiyan, dem wichtigsten Ort für eine Reise auf dem Weg von China nach Indien, so Xuanzang. Bamiyan war allgemein Hinayana geprägt und ein Zentrum der gandharistischen Kunst. Bekannt waren die Höhlen und Monumentalstatuen von Buddha, die 2001 durch den talibanischen Bildersturm systematisch zerstört wurden. Xuanzang war beeindruckt von der monumentalen Kunst. In der Stadt selbst gab es zu Xuanzangs Zeiten über zehn buddhistische Klöster mit mehreren tausend Mönchen.
Xuanzang erreichte das Kabultal im heutigen Afghanistan. Dort begegnete er dem ersten Jainamönch und indischen Asketen auf seiner Reise zu den heiligen Stätten. Das Kabultal zählte um 630 schon zum indischen Lebens- und Einflussraum. Kapisi war die Hauptstadt und der König war ein leidenschaftlicher Mahayanist, wie Xuanzang. Er konnte ihn überreden, an einem fünftägigen Kapitel der verschiedensten buddhistischen Gemeinschaften teilzunehmen.
In Nagarahara besuchte er einen Stupa, der von Kaiser Asoka erbaut worden war. Im Gebiet des Kabultals befinden sich zahlreiche Klöster und Reliquienschreine, die alle den Anspruch erheben, dass sie echte Buddhareliquien beinhalten. Der Meister des Gesetzes, so nennte ihn Rene Grousset in seinem Buch immer wieder, erwähnt zahlreiche Reliquien des Sakyamuni-Buddhas, wie seinen Wanderstab oder die Mönchsrobe. Er besucht die berühmte Höhle bei Nagarahara, wo der Buddha den Naga, bzw. den Drachenkönig Gopala bezwungen hatte und der Schatten des Buddha verblieben war. Dort hatte Xuanzang ein mystisches Buddhaerlebnis. In seinem Glauben bestärkt reiste er weiter gen Süden über Purusapura nach Taksasila.


Auf indischem Boden

Xuanzang wurde, fast magisch, von der Region Kaschmir angezogen. Kaschmir war von jeher ein Zentrum religiösen Austauschs gewesen und zur Zeit Xuanzangs noch mehrheitlich Hinayana geprägt. Die Kaschmiri-Mönche waren stolz auf ihre Stupas und Klosterreliquien, die von den Kaisern Asoka und Kaniska gestiftet worden waren. In der Hauptstadt Kaschmirs, Pravarapura, wurde der Pilgermönch freundlich vom König empfangen, der ihm nach einer Lehrunterweisung zahlreiche Schreiber zur Verfügung stellte, um Abschriften der Sutras und Sastras anfertigen zu können. In Pravarapura begegnete Xuanzang auch einem alten indischen Meister, der ihm half ein Bild von der idealisierten buddhistischen Schule zu entwerfen und ihm verschiedene Punkte des Dharma erklärte. Auch unterwies der Meister Xuanzang in der alten Philosophie des Asanga und des Vasubhandu. Er studierte Werke einer anderen buddhistischen Schule, der Panrealisten oder auch Sarvastivada genannt. Xuanzang blieb von Mai 631 bis April 633 in Kaschmir und vollendete sein philosophisches Studium, bevor er seine eigentliche Pilgerfahrt in Indien anfangen, bzw. fortsetzten konnte.

In Sakala wurde die Reisekarawane überfallen und völlig ausgeraubt. Ein alter Brahmane verhalf Xuanzang zu den Wertgegenständen, die ihm geraubt worden waren. Dieser Brahmane verhalf dem Mönch noch zu einem anderen Schatz, einem geistigen. Er war bewandert in der Lehre des Madhyamika, dem buddhistischen Kritizismus. Xuanzang lernte einen Monat bei diesem ehrwürdigen Meister viel über die Schule Nagarjunas und Aryadeva.

Überall wo Xuanzang hinkam verbrachte er Tage oder zumindest Stunden damit, die jeweiligen Stadt- und Klosterbibliotheken zu durchstöbern. Er befand sich nun in Indien, einer wahren Fundgrube, was Bibliotheken angeht. In Cinabhukti verbrachte er vierzehn Monate, zwischen 633 und 634, um dort Texte des Madhyamika und des Hinayana zu studieren. In der anschließenden Regenzeit von 634 hielt er sich vier Monate in Jaladhara, Punjab, auf, dass zu seiner Zeit ein großes buddhistisches Zentrum war. Über Sthanesvara und Mathura gelangte Xuanzang zum heiligen Fluss Ganges. Beeindruckt schreibt er in seinem Reisebericht vom heiligen Fluss und welche religiöse Bedeutung der Fluss bei den verschiedenen hinduistischen Schulen verdient; er erinnerte aber gleichsam an die Lehrreden des Aryadeva, der die rituellen Waschungen für reinen Aberglauben hielt. Frühjahr und Sommer 636 verbrachte Xuanzang in Matipura, um Texte des Kleinen Fahrzeugs zu studieren.

Kanyakubja ist zur Zeit Xuanzangs Hauptresidenz des buddhistischen König Harsavardhana (reg. 606-647), auch Harsa genannt. Die Stadt ist ein Blütezentrum buddhistischer Gelehrsamkeit. Da der Mönch den König bei seiner Durchreise nicht antraf, verbrachte Xuanzang drei Monate im Kloster Bhadravihara, um die Kommentare zur Sammlung der „Drei Körbe“ (Tripitaka) zu studieren. Anschließend besucht er, nachdem er den heiligen Fluss überquert hatte, das Kloster in Saketa, indem die zwei Begründer der Idealistischen Schule gelebt hatten, Asanga und Vasubandhu. Xuanzang setzte seine Reise mittels Boot auf dem Ganges fort und reiste Richtung Prayaga. Die Stadt noch nicht erreicht, wurde seine Bootskolonne von zahlreichen Piraten überfallen, die ihn an Land drängten. Zahlreiche Begleiter fanden bei diesem Überfall auf dem Ganges den Tod durch Ertrinken. Die Piraten, die die sivaistische Götter verehrten, wollten Xuanzang zu einem Menschenopfer machen und ihn der Göttin Durga opfern. Das Opfer konnte durch einen Sturm abgewendet werden, da die Piraten dachten, Xuanzang verfüge über Zauberkräfte und schworen ihm, ihr Leben zu ändern.
Von Prayaga berichtet Xuanzang vom Tempel des Todes, einem hinduistischen Tempel, in dessen Haupthalle ein großer Baum stand, in dessen Zweigen ein Menschen fressender Dämon lebte. Ein Brahmane, der dem alten Aberglauben den Gar ausmachen wollte, war kurze Zeit vor Xuanzangs Ankunft auf mysteriöse dort zu Tode gekommen. Diesen Anlass nehmend erinnert Xuanzang in seinen Schriften vom alten Aberglauben des Hinduismus und dem angereicherten Nährboden für allerhand Absurditäten und mahnt am buddhistischen Nihilismus festzuhalten.
 
An den heiligen Stätten des Buddhismus

Auf seiner Reise südwärts des Ganges gelangte Xuanzang schon ein paar Jahre, bevor er die heiligen Stätten in Magada besuchte, nach Kampilya (633). Dort verehrt er die Stelle, an der sich Buddha in den Himmel der zweiunddreißig Götter begeben hat, um seiner Mutter eine Lehrrede zu halten.

Nachdem der Mönch 636 Kausambi besucht hatte wand er sich auf seiner Reiseroute nach Norden, weil er meinte, dass er es nicht länger aufschieben könne, die heiligen Stätten Buddhas zu sehen. Er reiste zuerst nach Sravasti, der ehemaligen Hauptstadt des alten Königreiches Kosala, von dem fast nur noch Ruinen übrig waren und gänzlich verlassen schien. Den Park Jetavana, der vom Kaufmann Anathapindika geschenkt worden war, als die buddhistische Gemeinschaft im Begriff war, zu entstehen, und durch Kaiser Asoka durch zwei Säulen gekennzeichnet worden waren, beeindruckten den Reisenden. Dort besuchte er auch den Turm, der von Buddhas Tante Prajapati, erbaut worden war und das erste Frauenkloster in der buddhistischen Geschichte markierte. In und um Sravasti gab es zu Xuanzangs Zeit sehr viele heilige Stätten, allesamt mit Stupas versehen, zu viele um sie einzeln aufzuzählen – einige nur seien hier genannt. Der Stupa des Mörders Angulimalas, der seiner Mutter die Finger abschneiden wollte, um damit eine Kette zu fertigen, der Stupa der 500 Mädchen, die aus dem Königreich Sakya entführt worden waren und zu Tode kamen, weil die sich dem König von Kosala verweigerten, die Stelle, an der Mönch Devadatta durch ein Loch in die Hölle gestürzt war. Nachdem er die heiligen Stätten besucht und verehrt hatte, ging Xuanzang nach Kapilavastu, der Geburtsstadt Gautamas. Hier besucht er nach und nach die Stätten, die Buddhas Kindheit und Leben vor seinem Weggang, um einen Ausweg aus dem Rad des Lebens zu suchen. Xuanzang berichtet, dass Kapilavastu noch verfallener gewesen sein muss, als Sravasti und dass hier nur um die dreißig Hinayana-Mönche lebten. Er besuchte den Lumbini-Hain vor den Toren Kapilavastus, dem Ort, an dem Königin Maya ihren Sohn Siddharta, an einem Baum stehend, geboren hatte. Jede Stelle, die in den heiligen Schriften erwähnt wird, war mit einem Stupa versehen. Die heiligsten Stellen wurden von Kaiser Asoka besonders hervorgehoben. So zum Beispiel die Stelle, an der der Buddha vom Götterhimmel herabgestiegen war, um seinen alternden Vater, König Suddhodana, noch einmal vor dessen Tod zu besuchen. Xuanzang wandte sich nach Kusinagara, dem irdischen Ort, an dem Buddha starb und das Nirvana erlangte. Er besuchte den heiligen Platz 637, ungefähr 1120 Jahre nach Buddhas Tod.

Nachdem er einige Zeit an den heiligen Stätten verbracht hatte, begab Xuanzang sich nach Benares, zu Buddhas Zeiten Varanasi genannt. Dort traf er mit zahlreichen brahmanischen und jainistischen Gelehrten zusammen. Er schrieb in seinem Reisebericht von den Riten und religiösen Praktiken, die er in Benares gesehen hatte. In der Nähe von Benares besucht er die Klosteranlage von Sarnath, in dem der Antilopenpark lag, indem Buddha das Rad der Lehre in Gang gesetzt hatte. Der Pilger bemerkte, dass er sich sehr wohl in diesem Kloster mit seinen 1500 Mönchen fühlte. In der Umgebung von Benares lagen zahlreiche kleinere Orte, an denen der Buddha in früheren Existenzen als Tier (jataka) verweilt hatte. Diese Stätten wurden, ebenso wie der Tierpark, liebevoll von Hinayana-Mönchen instand gehalten. Nachdem Xuanzang alle Orte, seien sie historisch oder einer Legende entsprungen, verehrt hatte, war sein nächstes Ziel Vaisali, nördlich des Ganges gelegen. Dort hatte Buddha viel Zeit in seinem Lieblingskloster und in seinem Lieblingshain verbracht. Xuanzang stieß dort auf eine tote Stadt. Aber eine andere Begebenheit machte diesen Ort für ihn umso interessanter, als das hier das zweite buddhistische Konzil (375 v.Chr.)stattgefunden hatte.

Pataliputra war die Hauptstadt des alten Königreiches Magada, im heutigen Süd-Bihar gelegen. Diese Provinz war nicht nur mit seinen heiligen Stätten wie Bodh-Gaya die wichtigste Region für den buddhagläubigen Mönch aus dem fernen China, sondern sollte auch die wichtige Stätte seiner Studien werden - Nalanda. Pataliputra war die Hauptstadt Kaiser Asokas gewesen, von der aus viele Missionare aufgebrochen waren, nachdem auf dem, von Asoka angeregten, dritten buddhistischen Konzil (244 v.Chr.) beschlossen worden war, der Welt die Lehre Buddhas zu verkünden. Von Pataliputra aus, wandere Xuanzang zum „Herz des Buddhismus“, nach Bodh-Gaya, wo er den heiligen Bodhi-Baum verehrte, unter dem der Gautama die Erleuchtung erlangt hatte. Xuanzang wurde noch Zeuge der Statue des Avalokitesvara, die nahe dem Bodhi-Baum stand. Die Statue war schon bis zur Brust im Boden versunken und eine alte Legende besagte, dass wenn Avalokitesvara ganz im Boden versunken sei, der Buddhismus aus Indien verschwunden sei. Xuanzang weissagte, dass es noch ungefähr 150 bis 200 Jahre bedürfe, bis die Figur gänzlich im Boden verschwunden sei. Tatsächlich verschwand der Buddhismus im Laufe der Jahre, bis er im 8. und 9. Jahrhundert kaum noch eine Bedeutung hatte. Beim Anblick des heiligen Baumes brach Xuanzang unter Tränen zusammen und beteuerte, das er ein Leben voller Fehler geführt habe und ein „Wurm im Angesicht Buddhas“ sei – zweifellos eine Selbstdarstellung, die den Meister Xuanzang von seinem Thron hebt und ihn zu einem gewöhnlichen Menschen macht.

Nalanda

Von Bodh-Gaya aus besucht Xuanzang das nah gelegene Nalanda. Nalanda war eine berühmte buddhistische Universität, die mehr als 2000 Lehrer und 10000 Schüler hatte. Auf dem Gelände befanden sich zehn Klöster mit mehreren tausend Mönchen. Berühmte Studenten und Lehrer konnte die Universität Nalanda ohne weiteres vorweisen – hier sollen neben dem Buddha auch der Gründer des Jainismus, Mahavira studiert haben, der etwa zu gleichen Zeit wie der Gautama Buddha gelebt hatte. Nagarjuna hatte hier ebenfalls ein philosophisches Lehramt inne und Kumaragupta hatte hier eine Kunsthochschule gegründet. Die Universität erlebte unter der Herrschaft von König Harsa seine Glanzzeit, also zurzeit, als Xuanzang als Student und Dozent in Nalanda verweilte. Die Universität bestand bis ins 12.Jahrundert und wurde dann von den Türken vollständig zerstört. Erst 1951 wurde hier neben den ausgegrabenen Ruinen ein neues internationales Zentrum für Buddhistische Studien gegründet.

Im monastischen Nalanda waren, nach dem Bericht des Meisters Xuanzang, achtzehn verschiedene buddhistische Schulen heimisch, obwohl die Universität die Ausrichtung des Mahayana verfolgte. Hier wurden neben den verschiedenen Lehren des Kleinen und Großen Fahrzeugs die Schriften der Veda gelehrt. Philosophie, Medizin, okkulte Wissenschaften und Arithmetik waren weitere Studienfächer. Xuanzang rühmte die Freigiebig- und Großzügigkeit vielen Familien und des Königs selbst, da sich kein Student oder Mönch um sein tägliches Essen und Kleider Sorgen machen brauchte.

Als Xuanzang in Nalanda ankam wurde er feierlich empfangen. Sogleich begab er sich zum Abt von Nalanda, Silabhadra, um ihn zu bitten, die Schriften der Idealisierten Schule studieren zu dürfen. Der Abt, sichtlich gerührt von den Strapazen und Erzählungen des unterwegs Erlebten, erzählte ihm von seiner schweren Krankheit und seinem Wunsch sterben zu dürfen, bis ihm im Traum die drei Bodhisattvas Manjusri, Avalokitesvara und Maitreya erscheinen sind und ihm sagten, dass bald ein Suchender aus China kommen würde, den er in den Lehren Buddhas unterrichten solle. Nun sei Xuanzang hier, als Beweis sozusagen. Xuanzang bat um Aufnahme als Schüler bei Silabhadra. Xuanzang hatte den Meister gefunden, der ihm die letzten Ungeklärtheiten darlegen konnte. Silabhadra stand in Tradition von Asanga und Vasubandhu als Schülernachkomme. Durch Silabhadra sollte der chinesisch-japanischen Welt des Buddhismus das Erbe der Idealismus geöffnet werden, denn Xuanzang verarbeitete seine Theorien und Ansichten in seinen Abhandlung Siddhi. Er verbrachte die Regenzeit 637 bei seinem neuen Meister und Lehrer Silabhadra. Der Mönch besuchte in dieser Zeit, seine Studien unterbrochen, die alte Hauptstadt Magadas, Rajagrha, die zum Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Indien schon wieder dem Dschungel einverleibt worden war. Nicht so sehr die glanzvolle Vergangenheit der Stadt begeisterten Xuanzang, sondern aus theologischer Sichtweise war Rajagrha besonders wichtig für ihn – hier hatte nach dem Tod des Gautama das erste Konzil des Buddhismus stattgefunden, auf dem der Inhalt der Drei Körbe aufgeschrieben wurden.
 
Nach seiner Rückkehr nach Nalanda erklärte ihm Silabhadra die Schriften des yogacara, dass er bereits in Kaschmir studiert hatte. Er blieb bis 638 in Nalanda und begab sich von da nach Bengalen. Xuanzang drang über das Königreich Iranaparvata nach Campa vor, dem heutigen Bhagalpur. Er reiste weiter nach Ostbengalen und später ins Gangesdelta zurück in die Stadt Tamralipti, einem Handelshafen am Golf von Bengalen. Hier wollte er sich nach Ceylon einschiffen. Seeleuten konnten ihn dort von seinem Vorhaben abbringen, weil sie meinten, dass eine Reise übers Meer von dieser Entfernung zu gefährlich sei. Er solle lieber auf dem Landweg südwärts die Südspitze der Karnatik erreichen und dann nach Ceylon übersetzen. Er reiste durch das Königreich Cola und verbrachte die Regenzeit 639 in Amaravati. 640 scheint sich Xuanzang längere Zeit im Lande der Pallava aufgehalten zu haben. Dort fand er in Kancipura das Andenken und die Heimat des großen Philosophen, und Meisters Silabhadras, Dharmapala. In Kancipura änderte er auch sein Vorhaben, sich nach Ceylon einschiffen zu wollen mit großer Niedergeschlagenheit. Singhalesische Mönche hatten ihm von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen auf der Insel erzählt, die infolge mehrerer Palastrevolutionen ausgebrochen waren. Er durchwanderte den Dekhan südwärts der östlichen Seite des indischen Subkontinents, durchquerte das untere Indien in Höhe des Königreiches der Cola, um nordwärts an der westlichen Seite entlang des Arabischen Meeres aufzusteigen, wobei er das Land Konkan und Maharastra durchquerte. In Maharastra begegnete ihm König Pulakesin II., dem Erzfeind Xuanzangs Glaubensbruders und späteren Protektors Harsa. Obwohl tief verfeindet, rühmte Xuanzang Pulakesin ob seiner Vorzüge und Wehrhaftigkeit. Möglicherweise hat Xuanzang die Regenzeit 641 in der Hauptstadt Pulakesins, Nasik, verbracht. Er begeisterte sich vor allem für die Zeugnisse des nicht mehr vorherrschenden Buddhismus, den zerfallenen Tempeln und Statuen und für die Gelehrsamkeit des dort ansässigen Volkes. Maharastra verlassend, hielt sich der Mönch einige Tage in Bharukaccha auf, dessen Bedeutung als Handelshafen er in seinen Notizen vermerkte.

Anschließend bereiste Xuanzang Malava, der Heimat Kalidasas, einem, der vielleicht größten, Sanskritdichter – seiner Feder entstammt das Drama Abhijnanasakuntala, „Die Anerkennung der Sakuntala“. Xuanzang war zutiefst beeindruckt von dem Lande, dem er einen Ehrenplatz in der Geschichte der Sanskritliteratur zuweist. Von hier aus kam Xuanzang nach Gujarat und weiter in die Provinz Surastra, dass vom Seehandel mit den Regionen am Persischen Golf lebte. Dieses Königreich war zwischen 633-40 zum Vasall Harsas geworden und hatte sich zum Buddhismus, obwohl größtenteils hinduistisch geprägt, bekehrt. Hier konnte der Pilgermönch viele Informationen über Persien sammeln und deren Handelswaren begutachten, die nach Indien über das Meer importiert wurden. Er schreibt in seinen Aufzeichnungen sehr genaue Wegbeschreibungen nach Isfahan und Teheran, obwohl er niemals in den Iran reiste. Nachdem Sindhu und Mulasthanapura besucht hatte, kehrte er nach Nalanda zurück.

In den Disputen, die an der Universität geführt wurden, muss sich Xuanzang ganz dem Großen Fahrzeug bekannt haben, denn sein späterer Biograph vermerkte, dass er sich offen gegen die Hinaisten und Hindus wandte und ihre Lehre bekämpfte. Es kam mitunter vor, dass er polemische Reden gegen die verschiedenen Schulen der anderen Ausrichtungen hielt. Den Jainismus lehnte er ebenso ab, wie die oben genannten Schulen. Ebenso erwähnt sein Biograph immer wieder, dass Xuanzang seine konfuzianische Pflicht gegen über China und dem Kaiser über alles stellt und somit den unzivilisierten Indern als Leitbild voran stand. In Nalanda wollten ihn verschiedene Schüler und Dozenten zum Bleiben in Indien veranlassen, welchem er aber mit konfuzianischem Argwohn begegnete.

Da er nun fast alle heiligen Stätten des Buddhismus auf dem indischen Subkontinent aufgesucht hatte, konnte er sich ganz seinem Studium widmen. In Nalanda erfuhr er von Prajnabhadra, einem gelehrten Mönch der Schule der Sarvastivada, bei dem er zwei Monate verbrachte, um sich von ihm belehren zu lassen. Anschließend besuchte Xuanzang Jayasena, einem Eremiten in den Bergen von Yastivana. Dieser Mönch hatte seine Unterweisungen von Shtiramati erhalten. Davon profitierte Xuanzang nun infolge einiger Zeit der Belehrung bei Jayasena. Meister Jayasena war nicht nur in den buddhistischen Schriften bewandert, sondern war auch ein Gelehrter der vedischen Schriften. Er hatte mehrerer hundert Schüler um seine Einsiedelei gesammelt. In der Abgeschiedenheit der Berge, an dieser Einsiedelei hatte Xuanzang mehrere mystische Träume. Der wichtigste Traum sei hier kurz erwähnt, weil er tief greifende Folgen hatte: Er träumte, dass er sich verlassen und alleine in der Klosterstadt Nalanda befände, wo er dem Bodhisattva Manjusri begegnete. Er zeigte ihm den brennenden Horizont und sagte den baldigen Tod Harsas voraus und eine Revolution, die das Land in eine Katastrophe stürzen würde.

Die Rückkehr nach Chang´an

Xuanzang gelangte zweifellos schon während seines Aufenthalts in Indien zu großem Ruhm und Ehren. Dadurch gab es mehrfach Einladungen zahlreicher Fürsten und Könige, die durch einen Aufenthalt Xuanzangs entweder ihren oder sein Prestige vergrößern wollten. Bevor er sich auf den endgültigen Rückweg nach Hause machte, erhielt er die Einladung von Kumara, dem König von Kamarupa (Assam). Obgleich dieser ein gläubiger Hindu war, lud er den Mönch ein, Dispute über den buddhistischen Kanon zu halten. In Assam begegnete Xuanzang auch den Minderheiten der Man und Lolo, den späteren Ureinwohnern Südchinas. Xuanzang wägte ab, ob er den Weg über Südchina nach Chang´an einschlagen sollte, das von Wechselfieber und Elefantenherden verwüstet waren oder ob er über dieselbe Route zurückreisen sollte, über die er gekommen war. Zweifelsohne hätte ihn der Weg über Südchina weniger Zeit gekostet, als über Indien und die Seidenstraßen. Er entschied sich für den längeren Weg, der ihm weniger gefährlich vorkam.

In Assam ereilte ihn jedoch eine andere Einladung, die für ihn von größerer Bedeutung war. König Harsa hatte ihn zu sich eingeladen. Harsa war der letzte der großen buddhistischen Könige, die über fast ganz Nordindien herrschten. Er war nicht nur in der Kriegsführung berühmt, sondern ihm werden mehrere Sanskritstücke in Dichtform zugeschrieben. Der König von Assam begleitete Xuanzang mit 20000 Elefanten und ebenso vielen Männern zum Lager von König Harsa, das sich in Kankjol am Ganges befand. Harsa hatte solche Ehrfurcht vor Xuanzang, dass er ihm persönlich die Füße küsste und Blumen vor ihm ausstreute. Diese Anekdote zeigt, welche Achtung Xuanzang in Indien unter den großen Herrschern genoss.
643 lies Harsa in seiner Hauptstadt einen Wettstreit zwischen den einzelnen Vertretern von Hinayana, Mahayana, durch Xuanzang vertreten, Brahmanismus und Jainismus ausführen, um den verschiedenen Richtungen zu zeigen, dass alleine der Mahayana-Buddhismus über allen anderen steht. Zuvor hatte er sich von Xuanzang in dessen Abhandlungen zur Bekämpfung des Kleinen Fahrzeugs und des Brahmanismus einweisen lassen. Am Wettstreit nahmen 6000 Teilnehmer teil, so die Analen König Harsas. Vor dem Wettstreit hatte Harsa eine goldene Buddhastatue anfertigen lassen, die alle Teilnehmer begrüßen sollte, die in einer Hütte inmitten des Versammlungsplatzes untergebracht wurde. Dies lässt auf eine Art religiöse Überheblichkeit schlussfolgern, die König Harsa und der König von Assam den anderen religiösen Gemeinschaften ihrer Königreiche entgegen brachten. Es sei angemerkt, dass König Harsa in seiner Regierungszeit niemals mit den Brahmanen und Jainas brach oder sie zu Provokationen veranlasste. Xuanzang hatte den Vorsitz bei der religiösen Diskussion inne und entwickelte die Themen, die zum Disput anstanden. In den achtzehn Tagen des Disputs wagte niemand ernstlich, sich gegen Xuanzangs Thesen zu stellen, aus Angst König Harsa zu missfallen. Am fünften Tag gab es eine Verschwörung, bei der Xuanzang ernstlich mit dem Tode bedroht wurde. König Harsa konnte die Intrige jedoch vereiteln. Diese Zusammenkunft wurde also folglich zugunsten des Mahayana entschieden. Welche Rolle dabei König Harsa spielte ist mehr als einleuchtend. Mit sanfter Gewalt bedrängte er die Hinaisten zur Bekehrung.
 
König Harsa lud Xuanzang zu einer zweiten Versammlung in der Ebene von Prayaga ein. Dieses Mal wurden drei Statuen errichtet, eine von Buddha, eine von Brahma und eine von Vishnu. König Harsa hatte aus dem Mordanschlag wohl seine Konsequenzen gezogen und wollte einem erneuten Streit vorbeugen. Zugegen waren neben dem König von Assam weitere achtzehn Radschas, die Harsa umgebend, und, wie Xuanzang berichtet, 500000 Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsstufen und Funktionen. Die Bedeutung der Zusammenkunft war die Ordnung des Staates und Almosenverteilung an das Volk. Die verschiedenen religiösen Richtungen wurden reichlich aus der Staatskasse beschenkt. Die Absicht, die Harsa mit diesen Schenkungen beabsichtigte, war wohl eine Befriedung nach den Auseinandersetzungen der ersten Versammlung. Harsa wollte wahrscheinlich einem Volks-aufstand, der entweder von Hinaisten, Brahmanen oder Jainas aufgewiegelt worden wäre, zuvorkommen.
Nach der Versammlung bat er Xuanzang bei ihm in seinem Königreich zu bleiben. Dieser erinnerte sich an das Gelübde, das er nach Hause zurückkehren wollte. Er lehnte ab, ebenso das Angebot sich über den indischen Ozean von Gesandten Harsas an die chinesische Küste bringen zu lassen. Er hatte dem König von Turfan ein Versprechen gegeben, dass er jetzt einlösen wollte. Harsa und der König von Assam beschenkten den Mönch reichlich und gaben ihm Tributgeschenke für die Radschas und Fürsten mit, die in kleineren Königreichen auf dem Weg regierten. Diese Geschenke sollten die Herrscher veranlassen, ausreichend für die durchreisende Karawane zu sorgen. Harsa stellte Xuanzang eigens von ihm ausgesucht, seine besten Soldaten als Leibwache zur Verfügung. Einen Elefanten gab er ihm als Reittier mit auf den Weg. Drei Tage, nachdem Xuanzang von Prayaga im April 643 in Richtung indische Grenze aufgebrochen war, holten die beiden Könige mit einem großen Gefolge die Karawane ein und überhäuften Xuanzang nochmals mit Geschenken und wertvollen Dokumenten, die ihm auf der Reise nützlich sein sollten. Das war das letzte Mal, dass Xuanzang die beiden Könige sah. Harsa sollte vier Jahre später ermordet und Nordindien in bürgerkriegsähnliche Verhältnisse gestürzt werden.

Von Kosambi reiste Xuanzang in die Gegend von Bilsar, wo er die zweimonatige Regenzeit des Jahres 643 verbrachte. Über Jalandhara und Taxila reiste er über den Pandschab auf derselben Route nach Norden, die er schon zehn Jahre zuvor auf umgekehrter Strecke genommen hatte. Anfang 644 überquerte er den Indus. Bei der Überquerung verlor der Mönch einen Teil seiner Schriften und der Pflanzensamen, die er mitführte, als das Boot, das sie transportieren sollte, durch einen Strudel erfasst, beinahe gesunken wäre. Der König von Kapisa ließ für ihn Abschriften der verloren gegangen Manuskripte anfertigen. Er und der König von Kaschmir verabschiedeten Xuanzang, der nicht durch Kaschmir auf seinem Rückweg reisten sollte. Der König von Kapisa begleitete die Karawane weiter bis nach Nagarhara und Lampaka, wo der Pilger eine Abordnung gandharischer Fürsten traf, die ihn ebenfalls verabschieden wollten. Xuanzang weilte einige Zeit in der Hauptstadt des Königs von Kapisa, in Kapisi, dem heute Begram. Grousset stellt die These auf, dass der König dies alles tat, nicht ausschließlich religiöse Gründe hatte, sondern überwiegend aus diplomatisch-politischen Gründen geschah. Er erhoffte sich von Kaiser Taizong Schutz vor den Türken, die die Regionen seines Königreiches und das von Kaschmir durch ihre Reiterheere bedrohten, wollte also sein weit entlegenes Königreich unter das Protektorat der Tang stellen.
Der König von Kapisa hatte die Weiterreise Xuanzangs über den Hindukusch sorgfältig vorbereitet. Er lies Boten voraus senden, die den Weg über die Gebirge genaustens erkundeten. Ebenso gab er ihm viele Elefanten, von denen keiner Chang´an erreichte, und Packpferde mit. Die Überquerung war für Juni 644 geplant und erforderte erhebliche logistische Mühen. Die Zahl seiner Reisegefährten schrumpfte bei der Überschreitung auf ein Minimum zusammen. Nachdem der den Hindukusch übergangen hatte, reiste er über Andarab und Kundus weiter. Er durchquerte Tocharistan und Badachschan. Diese Provinzen bildeten Lehen des Khans der Westtürken, des Yabgu. Xuanzang hielt sich dort in Gegenwart des türkischen Prinzen einen Monat in dessen Hauptlager auf. Hier muss er auch vom Tod des Großkhans erfahren haben. Er hatte dem Khan ja das Versprechen gegeben, auf seiner Rückreise bei ihm vorbei zu kommen und sich ein paar Monate in dessen Hauptlager aufzuhalten. Nun sah sich Xuanzang von seinem Versprechen entbunden und er konnte nun schneller nach Hause zurückkehren. Die Reiseroute verkürzte sich nun erheblich, denn er war nicht mehr gezwungen auf der nördlichen Route der Seidenstraßen zu reisen, also durch Turfan und um die Gobi herum, sondern konnte der südlichen Route über Kaschgar und Dunhuang folgen, um in die Hauptstadt der Tang zu gelangen.

Der türkische Prinz gab ihm schließlich, als der Pilger sich anschickte weiterzureisen, eine Eskorte mit, um das Pamirgebirge zu überqueren. In Schugnan fand er eine wundertätige Buddhastatue, welches von ihm als gutes Zeichen für die bevorstehende Strecke gedeutet wurde. Im Pamirtal liegt der Sarikul, der große See. Auf seiner Durchreise machte der Mönch hier Station. In seinen Aufzeichnungen beschreibt er ihn als „Zentrum der Welt“ auf dem „Dach der Welt“. Er war beeindruckt von der Artenvielfalt der Flora und Fauna, angesichts einer so menschenfeindlichen Umgebung des Pamirs.
Er reiste weiter durch die Gebiete Istigh, Bozai und Wakhjir. Hier empfand der Mönch besondere Ehrfurcht, denn er berichtet später in seinem Buch, dass in diesem Gebiet viele heilige Männer leben, so genannte arhat, die in Höhlen schon seit 700 Jahren leben würden. Außerdem findet sich in diesem Gebiet ein Berg, in dem in einer Höhle ein Heiliger gelebt haben soll, der den Vorgänger Buddha Sakyamunis kannte, Buddha Kasyapa. Zwischen dem Pamir und dem Mustaghgebirge stießen die Reisenden abermals auf eine Horde Räuber. Bei deren Überfall kamen viele von Xuanzangs Begleiter ums Leben und viele Schriften stürzten mit Pferden und Elefanten in die Tiefen.
Er erreichte alsbald Kaschgar, wo er mehrere Klöster des Kleinen Fahrzeugs vorfand. Darüber war er nicht sonderlich erfreut, bekannte sich doch das ganze Volk zum Hinayana-Buddhismus. Xuanzang bemerkte in seinen Aufzeichnungen, dass der größte Teil Kaschgars schon von der Wüste verschlungen war. Dem Königreich von Jarkand allerdings war ihm sonderbar zumute. Der größte Teil ist dem Mahayana ergeben, aber die Bewohner dieses Landes neigen allzu oft zu Gewalt und Aggression. Er berichtet, dass sich viele heilige Männer, die die Arhatschaft erlangt, hier im Königreich Jarkand niederlassen.
Nun kam Xuanzang ins Königreich Chotan. Dieses war bekannt für seinen Reichtum, dass es sich durch den Handel mit Seide und Jade erworben hatte. Das Königreich hielt offizielle Handelsverträge mit dem byzantinischen Reich. Die Seide soll, so der Legende nach, 552 von hier aus nach Byzanz gelangt sein.

Seinen Weg über Nija, Tschertschen und Miran nehmend, gelangte Xuanzang nach Dunhuang, der Oasenstadt südlich der Gobi. Hier lagerte er mehrere Wochen, nachdem er eine Gesandtschaft mit Bitte um die Rückkehr nach China zum kaiserlichen Hof nach Chang´an voraus gesandt hatte. Er hatte die Befürchtung, dass ihm die Einreise verwehrt bleiben würde, da er sich ja illegal ins Ausland begeben hatte.
Nachdem sich die Lage innerhalb Chinas, beim Aufbruch Xuanzangs fünfzehn Jahre vorher, als ziemlich labil herausgestellt hatte, war sie nun mehr als gefestigt. Kaiser Taizong war von einem Feldherrn zu einem feingeistigen Herrscher stilisiert. Er trug Xuanzangs Fehltritt, sich ohne seine Erlaubnis ins Ausland begeben zu haben, nicht nach, war Xuanzangs Ruhm und „internationale“ Berühmtheit zu Ohren gekommen. Er lies ihm umgehend einen Empfang in der kaiserlichen Stadt bereiten, die eine Xuanzang würdig war. Im Führjahr 645 hielt der Pilger dann Einzug in die Stadt Chang´an. Die Straßen waren übervoll der Menschen, die aus dem ganzen Tangreich angereist gekommen waren, um den Held der Stunde zu feiern. Der Gouverneur von Chang´an hatte die höchsten Würdenträger und Religiosen zusammenkommen lassen, um Xuanzang zu empfangen. Er wurde mitsamt der Schriften, Statuen und der Reliquien, die er von seiner Reise mitgebracht hatte, feierlich ins Kloster des Großen Glücks (Hung-fu-szu) gebracht. Dort konnte er sich einige Tage von den Strapazen erholen, bevor er von Kaiser Taizong nach Luoyang, der zweiten kaiserlichen Hauptstadt, gerufen wurde, dessen Hof dort, zur Zeit des Eintreffens Xuanzangs, residierte. Der Empfang fand im Phoenixpalast statt. Der Kaiser fragte den Mönch, warum dieser China verlassen hätte, ohne ihn davon unterrichtet zu haben, was sicherlich gelogen war, denn der Kaiser hatte Xuanzang eine Ausreise ausdrücklich verboten. Xuanzang antwortete, dass er mehrere Eingaben an den kaiserlichen Thron gerichtet habe, dieser ihn aber wegen der Unbekanntheit seines Namens keine Antwort erteilt habe. Deshalb sei er in die Westlande aufgebrochen, gedrängt durch einen Impuls und seiner Hingabe zum Buddhismus. Der Kaiser befragte den Pilgermönch ausführlich über die Orte und Begegnungen, die er während seiner Reise gemacht hatte. Ein genaues Bild von den kaiserlichen Feinden sollte den strategischen Vorteil verbessern, um die geplanten Feldzüge Taizongs zu unterstützen und in der Tat lieferte Xuanzangs Erlebnisse wertvollste Informationen, die der Kaiser umsetzen konnte, um sich Zentralasien gefügig zu machen.
 
Alles in allem war Xuanzangs Rückkehr nach China von grandiosem Erfolg gekrönt. Er galt nicht nur als die Leitfigur des Mahayana-Buddhismus zu seiner Zeit, sondern war auch die außenpolitische Figur am Beginn der Tang-Dynastie. Durch ihn waren wertvolle Außen- und Handelsbeziehungen entstanden und viele kleinere Fürsten und Könige suchten um das Protektorat Taizongs. Er hatte, obwohl der Kaiser beim Aufbruch seiner Reise ein blutrünstiger Wüterich war, seinen Herrscher als weisen und edelmütigen Mann beschrieben, alsdann die Fürsten und Könige außerhalb Chinas sehr beeindruckt von diesem Kaiser waren. Unbewusst war der Mönch zu einem Diplomaten geworden, der sein Heimatland zu einem zu als mächtigen und nach innen und außen hin gefestigten Staat machte, und zum anderen zu einem Kulturträger, der überall berühmt war.

Nach der Rückkehr

Von den Leistungen, außenpolitischen Erfolgen und Informationen, die Xuanzang dem Kaiser gab, war Taizong dermaßen beeindruckt, dass er dem Mönch ein Amt als führender Staatsminister geben wollte. Dieser lehnte jedoch diese Ehre ab. Xuanzang wollte sich im Kloster im Kleinen Walde an den Hängen der Sung-Berge an die Übersetzung der Mitgebrachten Schriften machen, aber Kaiser Taizong wollte ihn in seiner Nähe wissen. Deshalb lies er ihn im Kloster des Großen Glücks in Chang´an einziehen, indem Xuanzang einen Übersetzerstab bildete, um die schwierigsten Stellen der Manuskripte übersetzen zu lassen. 648 zog er dann innerhalb der Hauptstadt ins neu gebaute Kloster der Großen Wohltätigkeit (Ta-tz´u-en-szu) um. Die ersten Übersetzungsarbeiten sollten 648 fertig gestellt sein und dem Kaiser übergeben werden. Dieser lies sich aus seiner Göttlichkeit herab und schrieb ein Vorwort für die übersetzten Kapitel. Auf Drängen Xuanzangs genehmigte Taizong neue monastische Weihen.
Am Tage lies der Kaiser Xuanzang oft zu sich rufen und sich von ihm belehren oder sich von seinen Reisen erzählen. Dies lies ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden entstehen. Des Nachts übersetzte der Mönch meistens Sammlungen der Schriften der yogacara-Schule. Das ging so bis im Juli 649 Kaiser Taizong, nach fast dreiundzwanzigjähriger Herrschaft verstarb. Der neue Kaiser, Kao-tsung, war nicht weniger begeistert und versuchte mehrmals Xuanzang zu einem Ministerposten zu überreden. Er überhäufte ihn mit kostbaren Geschenken, aber Xuanzang zog sich immer mehr in die Isolation zurück, die ihm das Kloster der Großen Wohltätigkeit zu bieten hatte und arbeitete an den Übersetzungen seiner mitgebrachten Schriftrollen.
663 machte sich Xuanzang noch einmal in sein altes Heimatdorf auf, um seine letzte, ihm gebliebene, Schwester zu besuchen. Mit ihr besuchte er die Gräber seiner Eltern und lies sie nur herrichten. Zwischen dem Tod Taizongs und dem Besuch in seinem Heimatdorf lagen 14 Jahre fleißigen Übersetzens und immerwährenden Arbeitens.

Im Jahre 664 arbeitete er an einer Übersetzung der „Vollkommenheit der Weisheit“ (prajna-paramita). Er begab sich noch einmal auf Pilgerfahrt ins La-ch´i-Tal, um dort den Statuen der Buddhas und Bodhisattvas seine Huldigungen darzubringen. Er fühlte, dass sein Ende nahe war. Nach seiner Rückkehr widmete er sich ausschließlich seinen Übersetzungen; er vergaß zu Schlafen und zu Essen. Einige Stunden vor seinem Tod hatte er wieder einen mystischen Tagtraum, in dem ihm verschiedene Buddhas die Wände des Raums, der zum Übersetzen diente, mit ihren Gewändern ausschmückten. Er erklärte seinen Schülern, dass er nun, seines Leibes für unwürdig, aus dieser Welt scheiden werde. Er habe nichts geleistet, was einer Erwähnung würdig wäre. Man solle ihn in eine einfache Matte geschlagen, in einem abgeschiedenen Tal sich selbst überlassen. Er wünsche sich, im Himmel der Glückseligen Götter (tusita)wiedergeboren zu werden, um dem Buddha Maitreya zu dienen. Nachdem er dies seinen Schülern mitgeteilt hatte, verfiel Xuanzang in Schweigen und tiefe Meditation. Danach verstarb er in Beisein seiner Schüler. Kaiser Kao-tsung beweinte ihn und lies ihn mit außerordentlichen Ehrungen im Kloster der Großen Wohltätigkeit bestatten.

Einfluss und Bedeutung Xuanzangs

Xuanzang war nicht nur die Leitfigur der chinesisch-buddhistischen Schulen seiner Zeit, sondern mit ihm begann das umfassende Übersetzen in China. Das Büro, das er im Kloster der Großen Wohltätigkeit und im Kloster des Großen Glücks einrichten lies, leistete Jahrhunderte lang wertvolle, systematische Übersetzungsarbeiten. Generationen von Übersetzern und Teams benötigten mehr Zeit mit den Übersetzungen, wie Xuanzang für ca. ein Drittel der Manuskripte brauchte. Die genaue Anzahl der Manuskripte ist unklar, da Xuanzang in seinen Beschreibungen einerseits von 667 spricht, aber mehr angekommen waren. Die Übersetzer der späteren Generationen sprechen von mehreren Tausend. Wahrscheinlich lässt sich vermuten, dass viele Schriften später in Chang´an eintrafen, teils aus den Verbindungen die der Mönch geknüpft hat, teils auch, weil die verschiedenen Schriften, die auf dem Weg zurück verloren gingen, neu kopiert und nach China geschickt werden mussten, was Jahre in Anspruch nahm.

Die Bedeutung Xuanzangs für den chinesischen Buddhismus ist ernorm. Durch seine gewissenhafte Übersetzungsarbeit konnten buddhistische Schriften völlig verschiedener Richtungen, die bis dahin in China nicht bekannt waren, zum chinesischen Kanon ergänzt werden, die wiederum dazu beitrugen, dass sich das Wirrwarr aus Widersprüchlichkeiten innerhalb der chinesischen-buddhistischen Schulen mit ihren kontroversen philosophischen, als auch religiösen Ansätzen und Betrachtungsweisen, zu lichten begann.

Außenpolitisch gesehen hat Xuanzang für Kaiser Taizong und das Reich der Tang unendliche Verdienste geleistet. Beeindruckt von der Macht der Tang ersuchten viele Fürsten und kleinere Könige sich der Macht und dem Druck der Westtürken zu entziehen und sich unter das Protektorat der Tang-Dynastie zu stellen.

Seine Reisebeschreibungen und Berichte lassen ein unübertriebenes Bild der Städte und Regionen Zentralasiens und des indischen Subkontinents vermuten. Er steht ganz in der Tradition der aufkommenden Städtebeschreibungen, die sich in der Tang-Dynastie und später darüber hinaus, großer Beliebtheit erfreuten. Anders als der Roman Die Reise nach Westen versucht der historische Xuanzang so nahe an der Wahrheit zu bleiben, was er beschreibt, wie möglich. Seine Berichte über die Sitten der jeweiligen Landesbewohner der Region, die er gerade durchreist, geben wertvolle Informationen preis, die der Geschichts- und Kulturforschung von großem Wert sind. Gepaart mit archäologischen Ausgrabungsfunden lassen seine Beschreibungen die toten Gegenstände zu neuem Leben erstehen und vermitteln uns eine asiatische Welt im 7. Jahrhundert.

Zum Schluss sollte noch der Roman Die Reise nach Westen erwähnt werden, deren Hauptfigur Xuanzang zugrunde liegt. Xuanzang ist es zu verdanken, dass dieser Roman sich immer noch besonderer Beliebtheit erfreut, legte er doch mit seiner Gewissenhaftigkeit und seiner Gelehrsamkeit den Grundstock für das literarische Meisterwerk.
 
Bibliographie und weiterführende Literatur

Gernet, Jacques: Die chinesische Welt; Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1997.

Grousset, René: Sur les Traces du Bouddha; Librairie Plon, Paris 1929; deutsche Ausgabe übersetzt von Peter Fischer: Die Reise nach Westen, Oder wie Hsüan-tsang den Buddhismus nach China holte; Heinrich Hugendubel Verlag, München 2003.

Schmidt-Glintzer, Helwig: Das Alte China, Von den Anfängen bis zum 19.Jahrhundert; 3. Auflage 2002, Verlag C.H.Beck oHG, München 1995.

Witzel, Michael: Das alte Indien; Verlag C.H.Beck oHG, München 2003.

Postscriptum: Ich habe diesen Text, der ziemlich lange ist, als eine gekürzte Version wiedergegeben. Er entstand in Forum einer Hausarbeit, die ich für das Fach Tibetologie geschrieben habe. :yes:
 
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