Der Palast (ZDF)

El Quijote

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Wir haben uns die letzten drei Abende auf dem ZDF Der Palast angesehen. Klarerweise eine stark bearbeitete Adaption von Kästners Das doppelte Lottchen. Zwei Zwillinge, die nichts voneinander wissen, laufen sich über den Weg und begehen einen Rollentausch.

Unterschiede zu Kästner:
  • Die jungen Frauen sind bereits erwachsen.
  • Die beiden leben nicht in Wien und München, sondern in Ost-Berlin und Bamberg, also in West- und Ostdeutschland
  • Die Frauen wechseln ihre Rollen mehrfach.
  • Die Stiefmutter ist bereits seit 27 Jahren die Stiefmutter, und es gibt auch kein Ansinnen, die Stiefmutter zu verhindern und die Eltern wieder zu verkuppeln.

Schwächen
  • Beide Schwestern kommen innerhalb Sekunden darauf, dass sie Zwillinge sein müssen. Sofort hat man schwesterliche Gefühle füreinander. Nun gut, das sagt man Zwillingen ja nach, ob das stimmt, entzieht sich meiner Kenntnis.
  • Den Schwestern gelingt problemlos der Rollentausch, obwohl die eine sich eigentlich im Westen, die andere im Osten nicht zu bewegen weiß.
  • Auch dialektale oder zumindest regiolektale Unterschiede gibt es zwischen beiden nicht. Die eine berlinert nicht, die andere zeigt in ihrem Idiom keine Spur vom Fränkischen.
  • Die Stasi taucht quasi nicht auf, erst im dritten Teil, als dramatisch-kathartisches Element. Ja, einmal wird einer der Schwestern das harte Grenzregime vor Augen geführt, als sie einer Leibesvisitation unterzogen wird, aber die Leute im Dreiteiler verhalten sich alle so, als habe es die Stasi und ihre IMs nicht gegeben. Gut, einmal bedeutet ein Parteifunktionär dem Theaterintendanten, dass man Dinge besser nicht in dessen Büro besprechen sollte, aber ansonsten gehen doch alle recht freizügig um, Vorsicht waltet nicht.
  • Im dritten Teil gegen Ende kommt die ostdeutsche Zwillingsschwester wegen angeblicher Republikflucht ins Stasigefängnis, ihr westdeutscher Großvater hängt sich ans Telefon und kurze Zeit später kann ihr Vater, der es in den letzten 28 Jahren vermieden hat, in die DDR zurückzukehren, aus Angst, dort für die Entführung seiner Tochter zur Verantwortung gezogen zu werden, sie aus dem Gefängnis abholen. Das halte ich schon für very unlikely. Zu erwarten wäre wohl eher, dass sie ohne weitere Erklärung zur Grenze bugsiert worden wäre und dort dann auf ihren Vater getroffen sei. Stattdessen genießen die beiden sogar die Freiheit, zum Elternhaus der Mutter in Ost-Berlin zu fahren.
  • Zwei homosexuelle Beziehungen unter den Theaterleuten wurden so gezeigt, wie man sie heute erwarten würde, aber nicht in den 1980er Jahren in der DDR. Juristisch gesehen war die DDR Homosexuellen gegenüber fortschrittlicher als die Bundesrepublik, aber auch wenn es lange dauerte bis der § 175 abgeschafft wurde (1994) war doch die Rechtspraxis schon seit den 1970ern lascher geworden. In diesem Zusammenhang auch ein sprachlicher Anachronismus.
  • Ich glaube auch weitere sprachliche Anachronismen gesehen zu haben, kann mich aber im einzelnen nicht mehr erinnern.
Was man mal hätte machen können, wäre, irgendjemanden ein Kästnerbuch in die Hand zu drücken, hätt‘ ja nicht Das doppelte Lottchen sein müssen, man hätt’ ja auch den Emil nehmen können, einfach als kleine Würdigung Kästners, wo doch die Parallelen zum Lottchen so offensichtlich sind.

Weitgehend folgte auch dieser Dreizeiler Erzählstrategien, die man aus tausenden Filmen kennt. Als Vater und Mutter sich nach 28 Jahren gegenüberstanden sag ich zu meiner Frau:“Gleich bekommt er ne Ohrfeige.“ Gut die kam etwas anders, als ich erwartet hatte, aber sie kam. „Und jetzt wird er umarmt“. Und so erwartbar wie das Ende war, kam das auch.
Wo ich mit einem anderen Ende gerechnet hatte, war das Überleben der Mutter. Der Zuschauer wusste, dass sie Physikerin war. Bereits im ersten Teil greift sie sich an den Bauch. Dramaturgie-Regel: Wenn im ersten Akt ein Gewehr an der Wand hängt, dann wird es im dritten Akt abgefeuert. Im zweiten Teil hat sie Magenblutungen. DDR-Physikerin mit Magenblutungen, da kann der erfahrene Fernsehzuschauer doch Uran und Krebs diagnostizieren. Außerdem steht der Mauerfall vor der Tür und der Vater ist verheiratet, obwohl er nie aufgehört hat, die Mutter seiner Kinder zu lieben. Entgegen der geschürten Erwartung stirbt die Mutter nicht, es stellt sich am Ende heraus, dass sie es nur zur Werkleiterin einer Glühbirnenfabrik gebracht hat, und daher fällt dann auch das Uran als Grund für Krebs weg. Am Ende sitzen Tochter, Vater und beide Mütter vereint im Theater, um der Zwillingsschwester beim Auftritt zuzusehen. Hier wurde ein roter Faden der Story nicht konsequent zu Ende erzählt. Oder anders gewendet: Drehbuchautor und Regisseur ist es gelungen, den Zuschauer hinters Licht zu führen. Aber nun ist das hier kein Krimi oder Thriller, wo das zum guten Ton gehört, falsche Erwartungen zu schüren. Außerdem war das Ende zu schmonzettenhaft. Dass die Mutter nicht starb, ein Konflikt Vater - Mutter - Stiefmutter wurde nicht erzählt, machte es noch schmonzettenhafter. Mein Eindruck: Man hat in letzter Minute das Drehbuch umgeschrieben, damit es ein Happy End gebe, welches ungetrübt vom Tod der Mutter wäre.

Der Dreiteiler endete zwar gewissermaßen mit dem Mauerfall, es spitzte sich gewissermaßen auf den Mauerfall hin zu, aber komischerweise wurden die politischen Ereignisse zwischen September und November 1989 fast ausgeklammert. Nur dass der Parteivertreter im Theater von den Mitarbeitern in der Kantine stehen gelassen wurde, was im Kontext mit den Ausreisen über Ungarn und Tschechien stand (wie aus einem Dialog zu entnehmen war). Zuvor war die Rede vom brutalen Vorgehen der VoPo gegenüber Demonstranten. Aber das war‘s auch.

Ganz nett anzuschauen, aber dafür, dass es seit Wochen beworben wurde zu seicht. Konflikte (auch z.B. wie der Großvater väterlicherseits zu Reichtum gekommen ist) wurden angeschnitten, die DDR fast verharmlost, von historischen Tiefgang kann eigentlich keine Rede sein.
 
Auch dialektale oder zumindest regiolektale Unterschiede gibt es zwischen beiden nicht. Die eine berlinert nicht, die andere zeigt in ihrem Idiom keine Spur vom Fränkischen.

Ich habe die Serie auch gesehen, und das hat mich auch gewundert, eigentlich hätte man bei beiden Schwestern jeweils eine gewisse dialektale Färbung oder zumindest einen Akzent erwartet. Stattdessen sprachen beide reinstes Bühnendeutsch.

In der Serie wurde so einiges angerissen, aber da blieb auch so einiges auf der Strecke, wie El Q schon geschrieben hat. Zu einem anderen Punkt habe ich hier schon geschrieben:

Ich sehe gerade auf ZDF die Serie Der Palast Der Palast - Revue-Serie . In der Serie wird gezeigt, dass ein Choreograph aus England einige Monate vor dem Mauerfall am Friedrichstadt-Palast engagiert wird. War es denn überhaupt möglich und oder üblich, dass Ausländer aus dem westlichen Ausland in der DDR engagiert wurden? Bisher wußte ich nur, dass einige westliche Popbands in der DDR aufgetreten sind (m. W. war Depeche Mode in Ost-Berlin zu einem oder mehreren Auftritten).

Ansonsten ist die Mini-Serie aus meiner Sicht recht unterhaltsam.

Diese Geschichte von Ost-West-Zwillingen, die ihre Rollen tauschen, gab es schon mal. Ich meine, das war eine Verfilmung aus den 90er Jahren mit Götz George (?).

Das doppelte Lottchen mag als Inspiration gedient haben, aber die Geschichte von getrennt aufgewachsenen Zwillingen gab es schon vor Kästner: Shakespeare hat das in seiner Komödie der Irrungen schon gehabt (Die Komödie der Irrungen – Wikipedia ), das wiederum ein Remake von einem Werk von Plautus aus der Antike war.
 
In der Serie wurde so einiges angerissen, aber da blieb auch so einiges auf der Strecke, wie El Q schon geschrieben hat.
Ja, das scheint mir eine Spezialität deutscher Produktionen zu sein, möglichst viele rote Fäden zu spinnen, sie dann aber fallenzulassen und nicht wieder aufzugreifen. Ich hab da immer den Eindruck der Drehbuchautor bzw. die Drehbuchautoren wollten ganz viel unterbringen und haben dann irgendwann bemerkt, dass das nicht funzt, aber waren zu beschäftigt, um das Drehbuch noch mal zu überarbeiten. ODER, sie wollen sich nicht dem Vorwurf aussetzen, Thema x nicht angesprochen zu haben - also meinetwegen, um im Bsp. zu bleiben, die [mutmaßliche] Nazi-Vergangenheit vieler vor allem westdeutscher Unternehmen - und knüpfen deshalb diesen Faden, lassen ihn aber sofort fallen und greifen ihn auch nicht weder auf. Wie gesagt, bei dem gewissermaßen im ersten und zweiten Teil angekündigten Krebstod der Mutter, der dann im dritten Teil aber nicht stattfindet, stattdessen erleben wir die glücklich wiedervereinte Familie, bin ich der festen Überzeugung, dass der Plot wahrscheinlich sogar erst während der Dreharbeiten umgeschrieben wurde.

Mich würde ja interessieren, was @Brissotin zur Staffage des Dreiteilers zu sagen hätte, denn irgendwie fühlte ich mich beim Anblick der Klamotten nur bedingt in die 1980er ersetzt, vor allem, was die Kleidung der DDRler anbelangt, nicht. (Westdeutsche kamen ja gewissermaßen nicht vor, weil nur Ostberlin auf der Straße spielte, Bamberg dagegen nur im Wohn- und Geschäftsbereich.)
 
Als ich die Überschrift dieses Threads gelesen hatte - Palast – habe ich gleich weiter gescrollt.
Vielleich für Ostdeutsche etwas irreführend.
Unter den Stichwort „Palast“ verstehen wir in der Regel „Erichs Lampengeschäft“ wo die Sachsen Schwierigkeiten beim Einlass hatten. Hing mit der Aussprache zusammen. Weiches „B“, hartes „P“.

Aber es geht um den Friedrichstadt – Palast. Der alte Palast von 1865 wurde ja abgerissen.
Der neue Friedrichstadt – Palast wurde ja dann 200 m in südwestlicher Richtung neu gebaut und 1984 mit großen Bahnhof (E.H. und weiterer Politprominenz) 1984 eingeweiht.
Ich hatte nicht das Glück da mal reinzukommen. Ich sah/erlebte diesen Palast immer nur im Ost-Fernsehen.
Karten in solchen Häusern zu bekommen war schwierig. Ich will nicht schreiben unmöglich, es war schwierig, mitunter nur mit Vitamin „B“.
Und wenn im Westfernsehen irgendeine Unterhaltungsshow lief, dann sahen wir uns diese Show an.
Viele DDR Künstler habe ich erst nach der Wende im Fernsehen kennengelernt.

Hatte den Kanal lange voll. Irma Baltuttis, Bärbel Wachholz, Fred Frohberg, Julia Axen, Helga Brauer, Hartmut Eichler, Lutz Jahoda, Roland Neudert der Ost – Heino usw.

Der Westen 1990 begann dann für mich mit einen Besuch des Starlight-Express in Bochum.
 
Zuletzt bearbeitet:
irgendwie fühlte ich mich beim Anblick der Klamotten nur bedingt in die 1980er ersetzt, vor allem, was die Kleidung der DDRler anbelangt, nicht.
sehr seltsam stilisiert sind Klamotten, Interieurs, Konsumverhalten und Wohnsituationen in der DDR Krimireihe "Polizeiruf" - das sieht wie der unbeholfene Versuch aus, den DDR Alltag als "dem Westen ebenbürtig" darzustellen (einzig die Aufnahmen von Straßenverkehr konterkarieren das, da fast nur Trabis und Wartburgs herumfahren, keine "Wessi-Marken" wie VW, Mercedes, BMW usw)
Zwar war ich mehrmals "drüben", Verwandte besuchen, aber da war ich noch Schulbub - meine mittlerweile hochbetagten Eltern schauen sich gerne die Polizeiruf-Folgen an und wettern, dass es damals absolut nicht in Chemnitz etc so ausgesehen habe, wie es die Krimiserie darstellt - - - wie dem auch sei, als Zeugnis der filmischen Imagepflege seinerzeit ist die Serie ebenso interessant wie umgekehrt die Alltagseinsprengsel in "Derrick".
 
Als ich die Überschrift dieses Threads gelesen hatte - Palast – habe ich gleich weiter gescrollt.
Vielleich für Ostdeutsche etwas irreführend.
Unter den Stichwort „Palast“ verstehen wir in der Regel „Erichs Lampengeschäft“ wo die Sachsen Schwierigkeiten beim Einlass hatten. Hing mit der Aussprache zusammen. Weiches „B“, hartes „P“.

Aber es geht um den Friedrichstadt-Palast.

Siehste, ich hatte noch eine ganz andere Assoziation gehabt. Meine Erwartungshaltung war ursprünglich, dass es um den Tränenpalast ginge.
 
Es gab übrigens am Montag abend vor Beginn der ersten Folge noch eine Dokumentation über den Friedrichstadt-Palast, die ich allerdings auch nicht gesehen habe. Sie dürfte aber in der ZDF-Mediathek abrufbar sein.

Der Westen 1990 begann dann für mich mit einen Besuch des Starlight-Express in Bochum.

Wie hat noch Herbert Grönemeyer in seinem Lied Bochum gesungen:

Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt;
ist es besser, viel besser als man glaubt!
Tief im Westen!
Tief im Westen!​


Songtext Bochum von Herbert Grönemeyer | LyriX.at

Freut mich als Ex-Bochumer, das Du da warst:D, auch wenn BO nicht die schönste Stadt des Westens gewesen sein wird:(.

Ich habe den Starlight Express erstmals übrigens in London gesehen, erst Jahre später in meiner Heimatstadt Bochum.
 
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