Der Untergang des Osmanischen Reiches, Gründe?

Soralion

Mitglied
Hallo Leute!

Lese schon länger ab und zu im Forum mit, da ich gern ein paar Fragen stellen würd hab ich mich nun registriert, also:

Wieso ging eurer Meinung nach das Osmanische Reich unter? Ich meine mal gelesen zu haben, dass die Osmanen eine Zeitlang eine der modernsten Armee der damaligen Zeit hatten (um die Zeit als Konstantinopel fiel).

Wann fielen sie technologisch zurück? Bzw. wann setzte diese Prozess ein? Warum kam die Industrialisierung nie im Osmanischen Reich an?

Und warum brachen in so vielen Teilen des Osmanischen Reiches dann Rebellionen aus? Waren die Untertanen unzufrieden? Wenn ja warum? Und vor allem wie konnte es geschehen, dass das einst so mächtige Osmanische Reich, von schlecht ausgerüsteten Rebellen geschlagen wurde (meine gelesen zu haben dass vor sie vor allem um das Jahr 1912 große Teile Osteuropas verloren haben).

Die Rebellionen fingen ja schon um das Jahr 1800 an, warum konnte man diesen nicht entgegensteuern (sei es durch militärische Macht oder durch friedlichere Mittel).

Freu mich auf euere Antworten. :)
 
Hatten wir da nicht schon ähnliches erörtert?

Wie dem auch sei.
Ein Grund für den Untergang war die "Infektion", der Völker unter osmanischer Botmäßigkeit, durch das Aufkommen des Nationalismus Anfang des 19 Jhdt. Stichwort hier: 14.07.1789 Sturm auf die Bastille.

Zuvor hatten die Osmanen schon weite Gebiete an Russland und an Habsburg verloren. Gerade im 18 Jhdt. Stichwort hier: Prinz Eugen v. Savoyen und die zugeknoteten Ärmel des russischen Riesen.

Ein weiterer Grund ist die Niederlage Kara Mustafas vor Wien 1683 - in der alle erkannten, dass die "übermächtigen Türken" keine nicht-zu-schlagende-Macht mehr darstellten.

-Pause-
 
Und Abschaffung des Timar-Systems bzw. Zuweisung, für Spahis vorgesehene Timare, für Nicht-Militärs, d.h. für Beamte aus der Zivilverwaltung.

U.a. muss hier sicherlich auch die "Nicht-Kolonisierung" der Osmanen angeführt werden, hingegen die Europäer Kolonien bildeten und diese rücksichtslos ausbeuteten. Die eroberten Gebiete der Osmanen wurden, als gleich berechtigte Sandschaks oder Wilajets in das OR eingegegliedert.

Stagnation der wirtschaftlichen Verhältnisse und somit doch ein relativer Rückgang. Erfindungen und deren Anwendung im wirtschaftlichen Bereich, in den Manufakturen, d.h. die Anwendung von technologischen Hilfsmitteln fand nicht statt. Dabei muss man bedenken, dass im OR sich ein starkes Bürgertum nicht entwickelt hat, welches die Wirtschaft in den europäischen Ländern vorantrieb. Dazu kommt, dass gerade im 17. und 18. Jhdt., alle europäischen Staaten Einfuhrzölle für eingeführte Waren erhoben und im OR die Kapitulationen - gerade mit England, Frankreich und Holland - dies für die Osmanen unmöglich machte.
 
Ein anderer Grund war sicherlich, dass das Reich überdehnt war. Die größte Ausdehnung: Wien - Jemen und der ukrainischen Steppe bis nach Ägypten.

Andere Historiker sprachen auch von der aufkommenden Dekadenz der Dynastie Osman, aber ob das zutrifft, bin ich mir gar nicht sicher.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, ich glaube auch, wir hatten die Gründe schon öfters irgendwo mal erwähnt, warum ich dann mal einen Thread startete, die Gründe zu suchen, warum es trotzdem so lange überlebte und Bestand hatte. Finde ich nur grad nicht.

Derweil kannst du ja mal folgende Zitate dir durchlesen, und dir vielleicht auch die Bücher dazu ausleihen/kaufen. Siehe bitte in unseren Lit.-Tipps oben nach dem vollständigen Titel:

Suraiya Faroqhi, S. 84:

"4. „Das längste Jahrhundert des Reiches“
(von Küçük Kaynarca bis zum Ende des Ersten Weltkriegs)

Staats- und Militärkrisen um 1800

Die schweren Niederlagen im Kriege von 1768–74 veranlaßten
die osmanische Staatsführung, besonders nach der Thronbe-
steigung Sultan Selims III. (1789–1807), verstärkt auf die Ein-
führung von europäischer Militärtechnik zu setzen. Diese Be-
strebungen wurden während des gesamten 19. Jahrhunderts
fortgesetzt; doch gab es nur wenige Kriege, die für die Osma-
nen erfolgreich ausgingen. Die Gründe dafür sind wohl eher
wirtschaftlich und politisch denn in engerem Sinn militärisch.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war nämlich die Mehrzahl
der osmanischen Untertanen, einschließlich der Christen des
Balkans, nicht bereit gewesen, den Aufrufen von Verschwörern
gegen die osmanische Herrschaft Folge zu leisten, obwohl diese
etwa im 16. Jahrhundert durchaus keine Seltenheit gewesen
waren. Das änderte sich im 19. Jahrhundert; mobilisierte doch
die Idee des Nationalismus, mit oder ohne religiöse Verbrä-
mung, sowohl Provinzeliten als auch bald die „gewöhnlichen“
Untertanen.
Zudem sah die Lage der Gegner des Osmanenreiches um
1800 anders aus als zwei Jahrhunderte früher: England hatte
auf dem Weg zur Industrialisierung eine beachtliche Strecke
zurückgelegt und einen großen Kolonialbesitz in Indien erwor-
ben, dessen Verteidigung eine aktive Mittelmeerpolitik voraus-
zusetzen schien. Napoleon gelang es zwar nicht, Ägypten als
Kolonie für Frankreich zu erwerben, aber 1830 wurde Algerien
erobert, und Tunesien wurde 1881 zur französischen Kolonie.
Die Habsburgermonarchie war während des späten 17. und
frühen 18. Jahrhunderts bis tief auf den Balkan vorgedrungen.
Aber der für den Osmanenstaat gefährlichste Gegner war zwei-
fellos das Zarenreich. Zum einen beanspruchten die Zaren eine
Art Schutzherrschaft über die orthodoxen Christen des Bai
kans; zum anderen hatten die russischen Selbstherrscher seit
dem frühen 18. Jahrhundert eine bedeutende Militärmacht
aufgebaut.
Nimmt man zu diesen politischen Faktoren noch die „Inkor-
poration“ in die europäisch determinierte Weltwirtschaft hin-
zu, die seit Ende des 18. Jahrhunderts schnell vonstatten ging,
dann leuchtet es ein, daß sich der Osmanenstaat des 19. Jahr-
hunderts nach etwa 1815 in einer äußerst gefährdeten Lage be-
fand. "

Donald Quataert
S. 37:
"3 The Ottoman Empire, 1683–1798

Introduction

In marked contrast to the military and political successes of the 1300–
1683 era, defeats and territorial withdrawals characterized this long eigh-
teenth century, 1683–1798. The political structure continued to evolve
steadily, taking new forms in a process that should be seen as transforma-
tion but not decline. Central rule continued in a new and more disguised
fashion as negotiation more frequently than command came to assure
obedience. Important changes occurred in the Ottoman economy as well:
the circulation of goods began to increase; levels of personal consumption
probably rose; and the world economy came to play an ever-larger role
in the everyday lives of Ottoman subjects."

S. 54:
"4 The nineteenth century

Introduction

During the long nineteenth century, 1798–1922, the earlier Ottoman pat-
terns of political and economic life remained generally recognizable. In
many respects, this period continued processes of change and transfor-
mation that had begun in the eighteenth century, and sometimes before.
Territorial losses continued and frontiers shrank; statesmen at the center
and in the provinces continued their contestations for power and access
to taxable resources; and the international economy loomed ever more
important. And yet, much was new. The forces triggering the territorial
losses became increasingly complex, now involving domestic rebellions
as well as the familiar imperial wars. Domestically, the central state be-
came more powerful and influential in everyday lives than ever before in
Ottoman history, extending its control ever more deeply into society. Its
primary tools of control changed from consumption competitions and tax
farms to a much larger and professional military and bureaucracy. As a
part of the effort to more fully control its population, the state redefined
the status of Muslims and non-Muslims and, after some delay sought,
towards the end of the period, to re-order the legal status of women as
well. And finally, a new and deadly element evolved in the Ottoman body
politic – inter-communal violence among Ottoman subjects – that at-
tested to the power of these accelerating political and economic changes."

Ansonsten schaue auch in dieses Buch (von 2003) hinein:
http://www.geschichtsforum.de/f42/interessante-dokumente-ebooks-und-artikel-13930/#post223467
Ab S. 53 - im Kapitel Modernization and the Challenge of Europe - werden übersichtlich einige der Gründe des Untergangs dargestellt. Das Niveau des Tiefgangs ist dabei nicht sooo hoch, da das Buch sich an Lehrer und Schüler richtet.
(Falls du es von dort nicht mehr laden kannst, dann suche nach dem PDF-Titel mittels google, oder z.B. hier Who Are the Turks? A Manual for Teachers.

kannst du eine schwarz-weiß-Kopie runterladen, aber die Farbversion lohnt sich eher, weil die Bilder und Grafiken teilweise sehr gut sind)
 
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