Der Vorteil der Zwangskollektivierung?

Berkut

Neues Mitglied
Guten Tag,

ich lese gerade, dass die Wehrmacht in der Ukraine die Befreiung von der
Kollektivwirtschaft, obwohl die besatzten Ukrainedeutsche darum flehten, verzögerten, da sie ihre Vorteile schnell entdeckt haben.

Was sollen denn die Vorteile der Zwangskollektivierung sein?
Kann mir das bitte jemand kurz erklären?

Danke schonmal.

Berkut
 
in einer Arbeit über die Deportation der Sowjetdeutschen während des Zweiten Weltkrieges.

Ich meine es muss doch Vorteile gegeben haben, wenn Stalin diese einführte, aber welce das nun sind, ist mir schleierhaft.


Berkut
 
Betrachtet man die Kollektivierung der Landwirtschaft rein ökonomisch, so sind größere landwirtschaftliche Einheiten wesentlich wirtschaftlicher zu führen.
Man möge mir verzeihen, wenn ich einen heutigen Bezug herstelle, aber das Beispiel Milch macht es deutlich:

Zur Zeit bewegt sich der Milchpreis pro Liter um die 27 Cent. Um rentabel zu wirtschaften müßte ein typischer familiengeführter Milchhof einen Literpreis um die 46 Cent erzielen. Die Nachfolgegesellschaften der ehemaligen DDR LPGen benötigen im Schnitt für die Rentabilität "nur" einen Literpreis von um die 33 Cent und haben zusätzlich den Vorteil der Quervermarktung. (Fleisch- und Wurstwarenherstellung aus eigener Produktion, Futtermittelanbau aus eigener Produktion, Biogasanlage usw.)
Da es politisch gewollt war und ist, die familiengeführten Bauernhöfe zu erhalten, führte man Agrarsubventionen ein. Der fallende Milchpreis zeigt aber eins ganz deutlich- trotz aller Subventionen wird die Aufgabe von Höfen in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen und auch hier den Prozeß der Bildung größerer Produktionseinheiten forcieren.

Und dieser ökonomische Druck führte auch zur Zwangskollektivierung in der Sowjetunion und DDR, um die angedachte Selbstversorgung sicherzustellen. Das manches dann wieder in der Praxis nicht so lief, ist wiederum eine andere Diskussion.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank,

der Bezug dort ist also S. 15 (dort wieder Zitat Fleischhauer).
Der Grund für die Beibehaltung des zentralisierten Systems ähnlich einer Kollektivwirtschaft liegt in dem deutschen Wirtschafts- und Führungsapparat, der netzartig über das Land geworfen wurde.

Zuständig war das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt und das "Reichskommissariat Ukraine", teilweise in Konkurrenz.

Diese organisierte Form, die SS-Wirtschaftsbetriebe (einschließlich kontrollierter Neugründungen zB im Bergwerksbereich etc) sowie angeworbene deutsche Betriebe umfaßte, wurde mit den Verwaltungsführern bei der SS- und Polizeiverwaltung in den besetzten Gebieten (HSSPF) kombiniert. Sie dienten der Kontrolle der wirtschaftlichen Ausbeutung.

Eine zentrale Verwaltung ähnlich der Kollektivierung versprach dem SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt eine bessere Kontrolle über die landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe und somit eine intensivere Ausbeutung. Es wurden auch eine Anzahl von sog. SS-Wirtschaftsgütern (landwirtschaftliche Betriebe für die Versorgung der SS-Verwaltungsbereiche) installiert (z.B. SS-Gut Winniza).
 
Danke Dir, silesia = )

kurz gesagt also, wollte man lieber einen Mann haben, der alle Kolchose gleichzeitig kontrollieren konnte, statt von jedem Bauernhof einzeln die Abgaben zu fordern?
 
kurz gesagt also, wollte man lieber einen Mann haben, der alle Kolchose gleichzeitig kontrollieren konnte, statt von jedem Bauernhof einzeln die Abgaben zu fordern?

So könnte man das sagen.

Es ging darum, die völlige wirtschaftliche Kontrolle über die Ukraine zu erlangen. Das versprach ein zentralisiertes System.
 
Alles klar, danke= )

Ich schätze mal, ich sollte mich erstmal mit dem Kommunismus an sich beschäftigen, bevor ich mich weiter über das Verhältniss verschiedener Gemeinden zu ihm informiere. ^^'


Berkut
 
Ich glaube, daß das Problem der Kontrolle weniger mit "Kommunismus" zu tun hat, als mit dem übergeordnetem Staatsinteresse vor dem Interesse des Individuums.
Das gleiche Problem, Silesia sprach es an, hatten auch die Nationalsozialisten. Um z.B. Schwarzschlachten, Entnahme von Erntegut anstatt Abführung möglichst zu unterbinden, führte man ein effektives Kontrollsystem ein.
 
Guten Tag,

ich lese gerade, dass die Wehrmacht in der Ukraine die Befreiung von der
Kollektivwirtschaft, obwohl die besatzten Ukrainedeutsche darum flehten, verzögerten, da sie ihre Vorteile schnell entdeckt haben.

Was sollen denn die Vorteile der Zwangskollektivierung sein?
Kann mir das bitte jemand kurz erklären?

Danke schonmal.

Berkut

Beide Staaten waren sozialistische Staaten. Warum sollte man in dem besetzten sozialistischen Land die staatlich geführten Betriebe abschaffen wollen, wenn man sie selbst im eigenen Land hatte?
 
Hurvi, das ist Unsinn. Im Reich war nicht kollektiviert, da wurde nur "arisiert". Wir haben es, wie Silesia korrekt darlegte mit kriegswirtschaftlichen Gründen zu tun. Die SS hatte ihre ganz eigene Ideologie. Wäre der Krieg gewonnen worden, hätten man SS-Leute als "Wehrbauern" ansiedeln wollen.
 
Hurvi, das ist Unsinn. Im Reich war nicht kollektiviert, da wurde nur "arisiert". Wir haben es, wie Silesia korrekt darlegte mit kriegswirtschaftlichen Gründen zu tun. Die SS hatte ihre ganz eigene Ideologie. Wäre der Krieg gewonnen worden, hätten man SS-Leute als "Wehrbauern" ansiedeln wollen.

Ich habe da vor ein paar Wochen eine Doku gesehen.
Da wurde gesagt, das es Bauernschulen gab, die die Leute für den Osten trimmten. Also, Bauern, die dort dann siedeln würden.
Ist da was dran?
 
Da wurde gesagt, das es Bauernschulen gab, die die Leute für den Osten trimmten. Also, Bauern, die dort dann siedeln würden.
Ist da was dran?

Da gab es verschiedene Aktivitäten:

- Umsiedlungen ins Generalgouvernement und in die Westukraine, Bildung ganzer Dörfer
- sog. SS-Güter als landwirtschaftliche Betriebe

daneben die Aushilfen auf Zeit
- Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet im "Osteinsatz" in der Ukraine
- Facharbeiter jeder Art in den östlichen Betrieben
- ich schätze, zwischen 50. und 70.000 Verwaltungskräfte für RMfdbO und Reichskommissariate
 
Da gab es verschiedene Aktivitäten:

- Umsiedlungen ins Generalgouvernement und in die Westukraine, Bildung ganzer Dörfer
- sog. SS-Güter als landwirtschaftliche Betriebe

daneben die Aushilfen auf Zeit
- Bergarbeiter aus dem Ruhrgebiet im "Osteinsatz" in der Ukraine
- Facharbeiter jeder Art in den östlichen Betrieben
- ich schätze, zwischen 50. und 70.000 Verwaltungskräfte für RMfdbO und Reichskommissariate

Aber warum musste man diese Leute denn darauf vorbereiten?
Es heisst ja, die Ukraine ist die Kornkammer dieser Region.
Siedler in Amerika mussten doch auch sehen, wie sie klar kamen.

Aber ich denke, Deutschland musste alles lenken.
Sogar den Bauern auf dem Acker.
 
Aber warum musste man diese Leute denn darauf vorbereiten?

Ob die darauf vorbereitet wurden, weiß ich nicht.

Bei Merkl: Himmlers Raumplanung im Osten - Der Generalplan Ost in Polen 1940-1944,
ist erwähnt, dass jedenfalls die Dörfer auf dem Reißbrett entworfen wurden, durch die SS-Bauhauptämter. Ich würde vermuten, die Menschen wurden einfach dorthin verfrachtet.

Bei den Arbeitskräften wurden im Ruhrgebiet etc. gezielt Qualifikationen angeworben, die dann zB in den Bergwerken Leitungsfunktionen übernahmen. Das waren aber Abstellungen auf Zeit.
 
Im Nachtrag ein interessantes Zitat zu der Wirtschaftsverwaltung, der wirtschaftlichen Ausbeutung im dem Gegeneinander von SS-WVHA/Reichskommissariat/Wirtschaftsstab Ost:

"Die Gewinnung des Ostraumes ohne oder gar gegen die Menschen ist unmöglich. .... Unsere Verwaltung der Ostgebiete treibt mit unausweichlicher Folgerichtigkeit einer Katastrophe zu, deren Ausmaß noch garnicht abzusehen ist. ... Wir haben der Ukraine bzw. den Ukrainer zu Beginn der Zivilverwaltung große Versprechen gemacht, gehalten haben wir davon nur einen kleinen Bruchteil und das nur zum Anfang. Seitdem hat sich immer brutaler eine Linie absoluter Auspowerung herausgebildet, die in ihren Methoden durchaus bolschewistische Kennzeichen trägt.
(Hans von Homeyer, Abteilungsleiter Generalbezirk Krim, Dezember 1942)

aus Zellhuber: "Unsere Verwaltung treibt einer Katastrophe zu": Das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und die deutsche Besatzungsherrschaft in der Sowjetunion 1941-1945.
 
@Silesia: Bei den Arbeitskräften wurden im Ruhrgebiet etc. gezielt Qualifikationen angeworben, die dann zB in den Bergwerken Leitungsfunktionen übernahmen. Das waren aber Abstellungen auf Zeit.
Nicht nur. Es wurde im Reich gezielte Propaganda für eine Ansiedlung im Osten gemacht. Die Familie meines Vaters sollte bzw. wollte nach dem Krieg nach Riga.
 
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