Desertieren als politischer Widerstand!?

thanepower

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Im Nachkriegsdeutschland hatten es Deserteure schwer. Wie dieses Schicksal zeigt.

Ein deutscher Held - einestages

Aber es waren nicht nur individuelle Schicksale, sondern der moralische Konflikt zwischen einem vermeintlichen, bindenden Eid auf den "Führer" und die Bindung an allgemeine moralische Werte. Ein Konflikt, der wohl auch viele der Personen betroffen hat, die dem NFD beitraten und bereits in der Gefangenschaft mit Anfeindungen leben mußten.

Nationalkomitee Freies Deutschland ? Wikipedia

Die sich im Nachkriegsdeutschland fortsetzten.
 
Eine Einschränkung. In der ehemaligen DDR galt Desertion zwar nicht als spezifische Widerstandsform gegen den Nationalsozialismus und wurde auch in der Propaganda nicht betont, aber angefeindet wurde die Deserteure nicht.

M.
 
aber angefeindet wurde die Deserteure nicht.

Das wäre eine spannende Frage. Meine Thesen wären.

1. In der "SBZ" wurden sie informell, im Rahmen der sozialen Kontakte bei "Kameradschaftsabenden" oder beim Treffen von WM-Angehörigen genauso ausgegrenzt wie in den westlichen Besatzungszonen.

2. Nach der Gründung der DDR erfolgte eine offizielle, ideologisch begründete Wertschätzung dieser Personen, aber im Kreise der "Genossen-Kameraden" ergab sich weiterhin eine Differenzierung.

Von Teilen der ex-WM-Offiziere, die in die NVA übernommen worden sind, wurden sie vermutlich "ehrlich" respektiert, aber ein nicht unerheblicher Teil lehnte sie vermutlich weiterhin ab, wenngleich eher auf einer subtilen Art, um nicht in Konflikt zur offiziellen Parteilinie der NVA zu gelangen.

Diese These erscheint mir plausibel, da die militärische Sozialisation in totalitären Staaten bestimmte "universelle" Wertvorstellungen anlegt. Diese sind nur wenig kompatibel mit dem Verständnis für die individuelle Entscheidung zur Desertation.

Damit sollte sicherlich eine neue Traditionslinie für die NVA begründet werden, allerdings mußte sie mit den kollektiven NS-Erfahrungen eines Teils des Offizier-Korps leben.

Ähnliche Denkmuster gab/ gibt es vermutlich nach wie vor auch in den Offiziersrängen demokratischer Armeen (USA, FR oder GB)
 
Zuletzt bearbeitet:
Das wäre eine spannende Frage. Meine Thesen wären.

1. In der "SBZ" wurden sie informell, im Rahmen der sozialen Kontakte bei "Kameradschaftsabenden" oder beim Treffen von WM-Angehörigen genauso ausgegrenzt wie in den westlichen Besatzungszonen.

2. Nach der Gründung der DDR erfolgte eine offizielle, ideologisch begründete Wertschätzung dieser Personen, aber im Kreise der "Genossen-Kameraden" ergab sich weiterhin eine Differenzierung.

Von Teilen der ex-WM-Offiziere, die in die NVA übernommen worden sind, wurden sie vermutlich "ehrlich" respektiert, aber ein nicht unerheblicher Teil lehnte sie vermutlich weiterhin ab, wenngleich eher auf einer subtilen Art, um nicht in Konflikt zur offiziellen Parteilinie der NVA zu gelangen.

Diese These erscheint mir plausibel, da die militärische Sozialisation in totalitären Staaten bestimmte "universelle" Wertvorstellungen anlegt. Diese sind nur wenig kompatibel mit dem Verständnis für die individuelle Entscheidung zur Desertation.

Damit sollte sicherlich eine neue Traditionslinie für die NVA begründet werden, allerdings mußte sie mit den kollektiven NS-Erfahrungen eines Teils des Offizier-Korps leben.

Ähnliche Denkmuster gab/ gibt es vermutlich nach wie vor auch in den Offiziersrängen demokratischer Armeen (USA, FR oder GB)

Meine Gegenthesen, die ich jetzt ad hoc nicht belegen kann, aber die Fragestellung ist wirklich spannend und ich werde mich mal an die Arbeit machen.

ad 1)
In der SBZ und der DDR gab es keine Kameradschftsverbände, keine Kameradsschaftschaftsabende (eventuell auf sehr kleiner Ebene w.z.B. Stammtisch) alles andere wäre von den sowjetischen Truppen bzw. später von der Polizei oder dem MfS unterbunden worden. Meine Erinnerung in der DDR reicht bis in die 1970'er Jahre zurück unmd da war nichts; o.k. Zeitzeugenschaft kann trügerisch sein. Noch in den 1980'er Jahren gab es in den vielen Fragebögen die z.B. ich ausfüllen mußte noch die Fragen: "Waren Sie Angehöriger der ehemaligen faschistischen Wehrmacht? Wenn ja, letzter Dienstgrad und benennen Sie Ihre Dienststellungen chronologisch sowie Ihre Standorte."
Das war eher karriereschädlich.

ad 2)
Die WM-Offiziere die in die KVP bzw. später der NVA übernommen wurden, waren meist militärische Spezialisten. Hatten Sie Kommandeursrang (ab Kompanie-Chef aufwärts) standen an ihrer Seite, wie in der KVP bzw. NVA generell, sogenannte stellv. Komandeure für Politische Arbeit (Politoffiziere).

Da blieb kein Raum für ehemalige WM-Kameradschaft unter den übernommenen Offizieren.

Politoffizier ? Wikipedia

ad 3)
In der DDR gab es keine Partei oder "Massenorganisation" die nicht in der Nationalen Front organisiert war und da steht nichts. O.k. kein Beweis aber ein Indiz.

Nationale Front (DDR) ? Wikipedia

ad 4)
Sollte es überhaupt so etwas wie "informelle" Kameradschft gegeben haben, dann allerhöchsten hier:

National-Demokratische Partei Deutschlands ? Wikipedia


Das sind freilich Thesen, eventuell mit Indizcharakter, da ich das Thema wirklich sehr spannend finde. werde ich mich mal an die Recherche machen und die Ergebnisse nachreichen.

M.
 
ad 2)
Die WM-Offiziere die in die KVP bzw. später der NVA übernommen wurden, waren meist militärische Spezialisten. Hatten Sie Kommandeursrang (ab Kompanie-Chef aufwärts) standen an ihrer Seite, wie in der KVP bzw. NVA generell, sogenannte stellv. Komandeure für Politische Arbeit (Politoffiziere).

Bei der Bemerkung fiel mir Vinzenz Müller ein.

Wenn man das Thema über die Desertierung in einem weiteren Sinn versteht, gehört dazu auch das während des Krieges landläufig so verstandene "desertieren" in der Kriegsgefangenschaft.
Nationalkomitee Freies Deutschland ? Wikipedia
Die Umerziehung iSe "antifaschistischen Schulung" fand auch in der Breite bereits in der Kriegsgefangenschaft statt.

Wissenschaftliche Kommission für deutsche Kriegsgefangengeschichte
Band VIII: Die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion – Antifa
 
@thane

Mit großem Unbehagen, aber mir fällt derzeit nicht besseres ein, verlinke ich Dich mit der Verfassung der DDR, und zwar in Bezug auf Kameradschaftsverbände der ehemaligen WM. Vergl. dort Artikel 6. Sorry, das ist suboptimal und angreifbar, aber ich finde leider keine positive Belegstelle, daß es keine Kameradschaftsverbände der WM in der DDR gab. Das StGb. ist genauso angreifbar. Im Wissen, daß es soetwas nicht gab, aber auch von meiner Belegnot wissend, der link.

documentArchiv.de - DDR-Verfassung (06.04.1968/14.10.1974)

M.
 
@Melchior: Vielen Dank für den Hinweis. In diesem Sinne war meine Vermutung offensichtlich für die SBZ/DDR nicht zutreffend.

Noch nicht ganz überzeugt bin ich in Bezug auf die informelle Bedeutung der Zugehörigkeit zur Wehrmacht, die subtil eine Rolle gespielt haben könnte.

Nach dem Motto, jeder liebt den Verrat, aber niemand den Verräter.
 
Aus gegebenem Anlaß (Tatort) die Nachbetrachtung zur Rehabilitierung der im NS-System verfolgten Verweigerer eines Kriegsdienstes. An diesem Vorgang kann man das Nachwirken der NS-Ideologie gut verfolgen und die langanhaltenden Wirkungen im Rechtsystem (vgl. systematisch bei Görtemaker & Safferling: Die Akte Rosenburg)

Wette: "Hochrechnungen zufolge verhängte die deutsche Militärjustiz etwa 30 000 Todesurteile gegen Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und so genannte Wehrkraftzersetzer. Bei einem Teil von ihnen handelte es sich um die Widerstrebenden und Widerständigen in der Uniform der Wehrmacht, die sich an dem rassenideologischen Krieg und der Vernichtung nicht beteiligen wollten. Etwa 20 000 dieser Todesurteilesollen auch tatsächlich vollstreckt worden sein."...

"Was die in der deutschen Gesellschaft verbreiteten Ansichten über die Wehrmacht-Deserteure angeht,so dauerte es noch mehrere Jahrzehnte, bis die – in der Tradition des nationalsozialistischen Verdikts stehende – Verleumdung in Frage gestellt und schließlich durch eine neue Sicht abgelöst wurde."

"Die Debatte zog sich über einen langen Zeitraum hin, nämlich über mehr als zwei Jahrzehnte. Sie durchlief mehrere Etappen und wurde schließlich gekrönt und formal abgeschlossen durch den Beschluss des Deutschen Bundestages vom 17. Mai 2002, 9 die Deserteure der Wehrmacht zu rehabilitieren. 10 Durch das am 23. Juli 2002 verkündete „Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege“ wurden die NS-Unrechtsurteile gegen Wehrmacht-Deserteure endlich pauschal aufgehoben."

http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Stellungnahmen/w.wette-zfg-heft-6-2004.pdf
 
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