Zunächst einmal mussten die Vorstellungen der Annexionisten ja nicht unbedingt mit denen der Reichsregierung übereinstimmen. Häufig gingen die Annexionisten viel weiter als die Regierung. Aber die Regierung geriet unter den von den Annexionisten in der öffentlichen Meinung erzeugten politischen Druck. Aufgrund der damals herrschenden Zensur konnte dies nur funktionieren, weil die Militärbehörden gegen die Agitation der Annexionisten in aller Regel nicht vorgingen. Die Militärs dachten in diesen Frage ja eher wie die Annexionisten und weniger wie Bethmann Hollweg. Und nach dem Rücktritt von Bethmann Hollweg wurde das Deutsche Reich faktisch von der OHL regiert, was nochmals zu einem Durchbruch annexionistischer Vorstellungen in der deutschen Aussenpolitik führte.
So wurde nach der Eroberung von Ostgalizien und Lembergs ein deutsches und ein österreischisches Generalgouvernement inklusive eigener administrativer Strukturen eingerichtet (Sommer 1915). Die Mittelmächte erkannten zwar, dass die Möglichkeit bestand, mit der Neugründung eines polnischen Staates, diesen als Verbündeten und somit auch polnische Soldaten für ihre Seite gewinnen zu können. Aber leider dachten sie nur in den Kategorien des eigenen Interesses, d.h. das neue Polen sollte nur innerhalb der Strukturen der Mittelmächte entstehen und kein unabhängiges Polen sein. Immerhin wurde im September 1917 ein Regentschaftsrat eingesetzt und dem Königreich Polen Autonomie (keine Unabhängigkeit!) zugebilligt.
Dass man nicht bereit war, ein unabhängiges Polen zu fördern, zeigte sich auch daran, dass von den rekrutierten polnischen Soldaten verlangt wurde, auf den deutschen Kaiser einen Eid zu leisten, was im Juli 1917 zum Bruch mit Pilsudski führte. Großzügigere Lösungen wurden zwar auch angedacht, scheiterten aber an Ludendorffs Einspruch.
In der Schlussphase des Krieges verspielte insbesondere die unflexible deutsche Reichsregierung die Chance, den Frieden im Osten und damit auch die deutsch-polnische Grenzfrage dauerhaft zu regeln. Sie förderte die nationalstaatlichen Ambitionen Litauens und der Ukraine, führte die Friedensverhandlungen von Brest-Litowskl ohne Zuziehung polnischer Vertreter, erwog auf Druck Ludendorffs die Annexion eines Schutzstreifens und löste die im Osten bestehenden polnischen Verbände gewaltsam auf. Und so ist es auch kein Wunder, dass der Regentschaftsrat am 7.10.1918 - als die Niederlage der Mittelmächte unübersehbar wurde - einen Aufruf an das polnische Volk zur Schaffung eines unabhängigen polnischen Staates erließ. Die Klärung der Grenzfrage fand so erst nach langwierigen Auseinandersetzungen und Kämpfen 1921 ihren Abschluß.