Deutsche Soldaten geben sich französische Identität

Brennhansl

Neues Mitglied
Wer hat von deutschen Soldaten gehört, die sich nach der Kapitulation als französische Fremdarbeiter oder Kriegsgefangene (Elsässer!) ausgegeben haben? Um der russischen Gefangenschaft zu entgehen.
 
Der wohl bekannteste Ex-Soldat, der sich als französischer Kriegsgefangener tarnte, dürfte wohl Hans Blickensdörfer gewesen sein. ( Hans Blickensdörfer – Wikipedia )


Hans Blickensdörfer, der Ende der 1970er ein beliebter Sportjournalist war, verarbeitete seine Erlebnisse auf seiner Flucht in dem 1973 erschienenen Roman "Die Baskenmütze". Gegen Ende des Krieges gab sich Blickensdörfer als Elsässer aus, um dadurch der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zu entgehen. Ein recht hilfreiches Requisit war dabei eine Baskenmütze, mit der Blickensdörfer seine kurz geschorenen Haare verbarg. Er wurde verraten, zeitweilig wegen seiner Französischkenntnisse für einen Spion gehalten, machte aber auch die Erfahrung beeindruckender Solidarität. Der Roman die Baskenmütze wurde auf Anhieb ein Bestseller, und Blickensdörfer machte dadurch die Bekanntschaft eines anderen bekannten Flüchtlings, Henri Charriere aka Papillon. Die beiden verband schließlich eine jahrelange Freundschaft, die erst mit Charries Tod endete.


Mein Vater war kein großer Leser, Blickensdörfers Roman aber liebte er, und er machte Ende der 1970er persönlich die Bekanntschaft mit dem Autor. Ich selbst habe "Die Baskenmütze" nie gelesen. Ich meine aber, mich dunkel daran zu erinnern, dass das Buch vor ein paar Jahren verfilmt wurde. U. a. spielte der Schauspieler und Synchronsprecher Patrick Bach mit, der den Älteren vielleicht noch bekannt ist aus der Kultserie Silas, die 1981 ein sogenannter Straßenfeger war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube ich habe dies Problematik in einem Film gesehen zu haben.

Es könnte der 2-teiler „Die Flucht“ gewesen sein.
 
Vielleicht habe ich die Eingangsfrage auch falsch verstanden, aber eine elsässische Identität hat niemanden vor der sowjetischen Kriegsgefangenschaft bewahrt.

Nach der deutsche Annektierung von Elsaß-Lothringen wurde die dortige Bevölkerung von der Wehrpflicht erfasst und die elsässischen Männer wurden zwangsweise in die Wehrmacht eingezogen. Die meisten elsässischen Soldaten der Wehrmacht wurden an der Ostfront eingesetzt und gerieten dort in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Die meisten Elsässer wurden in Tambow interniert. Als Kriegsgefangene wurden sie dort genauso behandelt wie andere Wehrmachtssoldaten - das heißt Freilassung spätestens 1955.
 
Es gibt einen wiki-Artikel über die Malgré-nous, die wider ihren Willen Eingezogenen. Malgré-nous sind Elsässer und Lothringer, die ab 1940 von der Wehrmacht zwangsrekrutiert wurden. Dort wird Maglors Aussage bestätigt: "Die Eingezogenen wurden zu über 90 % an der Ostfront eingesetzt. Insgesamt dienten mehr als 130.000 Elsässer und Lothringer in deutschen Uniformen, von denen etwa 32.000 ihr Leben verloren und 10.500 dauerhaft vermisst blieben. Diejenigen Elsässer, die in sowjetische Gefangenschaft gerieten, wurden überwiegend ins Lager Tambow (ca. 400 km südöstlich Moskau) verschleppt, wo sie dieselben Bedingungen zu ertragen hatten wie die anderen deutschen Wehrmachtsangehörigen. Etwa 2000 bis 3000 Elsässer und Lothringer starben dort."
Vielleicht hatten die wenigen Malgré-nous, die von West-Alliierten gefangen genommen wurden bessere Karten. Ich weiß es aber nicht.
 
Sich als Elsässer auszugeben, war ganz bestimmt keine gute Idee. Lieber gleich Franzose. Pierre Seel – Wikipedia , selbst Elsässer, erzählt in seinem Buch "Ich, Pierre Seel, deportiert und vergessen", wie er sich vor der Gefangennahme seiner Uniform entledigt und gegenüber den russischen Soldaten als Franzose ausgegeben hatte. Französische Ärzte, die ihn danach untersuchten, rieten ihm, sich gegenüber den Russen ja nicht als Elsässer zu bekennen.
Offenbar gab es zu viele Deutsche, die sich als Elsässer ausgaben oder die Russen vermuteten hinter jedem Elsässer einen Deutschen. Ich gehe mal von Letzterem aus.

Vielleicht hätte man die aufgreifenden Russen noch täuschen können, doch dann kam man so oder so nach Tambow und dort hätte man seine wahre Herkunft gegenüber den vielen echten Elsässern kaum verheimlichen können. Die Identitäten konnten auch relativ gut überprüft werden. Auf sowjetischer Seite halfen die französischen Kommunisten, allen voran Maurice Thorez, die richtigen Elsässer auszusortieren. Mit seiner Hilfe kam es dazu, dass 1944 1500 Elsässer und Lothringer aus dem Lager Tambow via Iran-Palästina nach Algerien geschickt wurden um sich dort den französischen Streitkräften de Gaulles anzuschließen.
Bei der Auswahl dieser 1500 waren nach russischen Angaben etwa 4.5% gestandene elsässische Nationalsozialisten, die nach eingehender Überprüfung nicht zugelassen wurden.
Des prisonniers qui reviennent de loin | INA
Laut dem Bericht des Lagerleiters, sollen im Lager Tambow durch Denunziation und Recherchen des NKWD im Laufe des Jahres 1944 226 Nazis identifiziert worden sein, darunter 53 Deutsche und 53 Franzosen.
Diese blieben vermutlich noch lange in russischer Kriegsgefangenschaft, die meisten anderen Elsässer und Lothringer, nach russischer Zählung 15139, kamen im Herbst 1945 frei. In Frankreich zählte man 11753 Ankommende.
Tambov dans l’histoire et la Mémoire de l’Alsace-Moselle de 1943 à nos jours, Dissertation Laurent Kleinhentz, 2020
http://docnum.univ-lorraine.fr/public/DDOC_T_2020_0262_KLEINHENTZ.pdf
 
"Die Eingezogenen wurden zu über 90 % an der Ostfront eingesetzt.

Jep...das geschah ganz bewusst so, da man ihnen nicht traute, nachdem ab Juli 1940 eine Zivilverwaltung unter dem badischen Gauleiter Robert Wagner eingesetzt worden war.

Gegen Ende des Krieges gab sich Blickensdörfer als Elsässer aus, um dadurch der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zu entgehen.

Die elsässischen Zwangseingezogenen ab Einführung der Wehrplicht im Elsass am 25.8.42 hatten per Erlass/Verordnung vom 23.8. anscheinend mit der Rekrutierung automatisch die dt. Staatsbürgerschaft erhalten...

Wenn diese von sowjetischen Militärs gefangen wurden, hatten diese Elsässer sowohl einen deutschen Wehrpass wie einen dt. Ausweis bei sich, von der Wehrmachts-Uniform usw. mal abgesehen...

Nach der deutsche Annektierung von Elsaß-Lothringen wurde die dortige Bevölkerung von der Wehrpflicht erfasst und die elsässischen Männer wurden zwangsweise in die Wehrmacht eingezogen.
Es gibt einen wiki-Artikel über die Malgré-nous, die wider ihren Willen Eingezogenen. Malgré-nous sind Elsässer und Lothringer, die ab 1940 von der Wehrmacht zwangsrekrutiert wurden.

Ab 1940 bis August 1942 wurde zunächst keiner zwangsrekrutiert...
 
Zuletzt bearbeitet:
Luxemburger scheinen in Tambow eine etwas bessere Position gehabt zu haben. Sie wurden dort in den letzten Tagen noch als Aufseher oder Hilfs-Wachpersonal eingesetzt. Zwei Luxemburger schafften es übrigens, sich als Elsässer ins das Kontingent der 1500 zu schmuggeln.

Ein vermutlich seltener Fall elsässischer Soldaten an der Westfront:
François Lotz berichtet, dass sein Bataillon im Juli 1943, kurz vor einem Einsatz an der Ostfront, nach Italien umgeleitet wurde und dass immer nur zwei Elsässer pro Gruppe eingeteilt sein durften, dies aber nicht eingehalten wurde und es so für ihn und seine Kameraden ein Leichtes war, in Sizilien überzulaufen. Er hatte versteckte französische Papiere bei sich und wurde relativ schnell in die französischen Streitkräfte integriert. Um die Familie zuhause zu schützen, wurde in der Korrespondenz eine Kriegsgefangenschaft vorgetäuscht.
Er war auch froh, dass er auf deutscher Seite nur als Vermisster und nicht als Deserteur gemeldet wurde, was nach seiner Vermutung dem Umstand geschuldet war, dass eben die Vorschriften bezüglich Elsässer nicht eingehalten wurden.
LOTZ François - Fédération des Sociétés d'Histoire et d'Archéologie d'Alsace
 
Gegen Ende des Krieges gab sich Blickensdörfer als Elsässer aus, um dadurch der sowjetischen Kriegsgefangenschaft zu entgehen.

Zumindest die Miniserie startet lt. Inhaltsangaben unmittelbar nach Kriegsende. Der Erzähler will sich als Wehrmachtsangehöriger wohl im östlicheren Deutschland einer möglichen drohenden sowjetischen Kriegsgefangenschaft entziehen, nutzt seine sehr guten Französisch-Kenntnisse, die Baskenmütze und weitere Tricks, um als Franzose (der sich Franzosen gegenüber dann als Elsässer zu erkennen gibt) nach Frankreich repatriiert zu werden.
Das Erzähler-Ich reist also also auf dem Franzosen-Ticket gen Frankreich.
 
Zumindest die Miniserie startet lt. Inhaltsangaben unmittelbar nach Kriegsende. Der Erzähler will sich als Wehrmachtsangehöriger wohl im östlicheren Deutschland einer möglichen drohenden sowjetischen Kriegsgefangenschaft entziehen, nutzt seine sehr guten Französisch-Kenntnisse, die Baskenmütze und weitere Tricks, um als Franzose (der sich Franzosen gegenüber dann als Elsässer zu erkennen gibt) nach Frankreich repatriiert zu werden.
Das Erzähler-Ich reist also also auf dem Franzosen-Ticket gen Frankreich.

So ist es, und nur so macht das ganze einen Sinn.
Blickensdörfer gab sich als Franzose aus. Er beherrschte die französische Sprache so gut, dass er sich einigermaßen glaubwürdig diese Identität geben konnte, er hatte aber einen leichten Akzent, den manche geübten Muttersprachler erkannten. Wenn er darauf angesprochen wurde, gab Blickensdörfer sich als Elsässer aus.

Nur so ist auch der Vorwurf der Spionage nachvollziehbar, der dazu führte, dass Blickensdörfer auf seiner Odyssee auch Gelegenheit bekam, 6 oder 8 Monate französische Gefängnisse zu besichtigen. Als mutmaßlicher Spion und "Boche" war er Repressalien von einigen Mitgefangenen ausgesetzt, erlebte aber auch beeindruckende Solidarität.
 
Zurück
Oben