Deutsche und welsche Truppen in Löwen

Ennka

Neues Mitglied
Hallo liebe Geschichtler,

meinen Einstand hier im Forum will ich mit einer Frage feiern:

Im Rahmen meiner Recherchen über die Rolle der Stadt Löwen (Leuven, Louvain), der Hauptstadt Brabants, während der Niederländischen Befreiungskriege (1568-1648) stieß ich auf eine Bemerkung, die mir noch nicht ganz einleuchtet. Boonen, der eine ausführliche Chronik der Stadt verfasste, schreibt über den April 1580, in Löwen hätten sich deutsche und welsche Truppen festgesetzt:
Aprilis vja, maeckten de duijtsche soldaeten ende oock sommighe vande waelschen, alhier in garnisoen liggend, grooten oproer ende commotie binnen dezes stadt Loven, ende liepen 'bijnaer in allen die cloosters ende de borgers huijsen, bij faulte van gelt, dwelck zij vande stadt waeren pretenderende; nemende aldaer al dat hen aenstont, onder tdexsel van broot ende andere eetwaeren die zij begeerden vanden voers.
Nun weiß ich zwar, dass Margarete von Parma die Order hatte, zur Verstärkung der spanischen Truppen auch deutsche Regimenter zu Hilfe zu holen. Doch bezog sich diese Order auf den Norden der Niederlande. Löwen jedoch, südwestlich von Brüssel, galt von je her als Pfaffennest, als Spanier-freundlich.
Was sollten die Deutsche dort? Und wer genau sind die Waelschen, die dort ebenfalls gehaust haben sollen?:grübel:

Falls sich hier jemand mit den nl. Befreiungskriegen auskennt oder mir Tipps für die weitere Recherche geben könnte, würde ich mich freuen.

Herzliche Grüße,
Ennka
 
Im Rahmen meiner Recherchen über die Rolle der Stadt Löwen (Leuven, Louvain), der Hauptstadt Brabants, während der Niederländischen Befreiungskriege (1568-1648) stieß ich auf eine Bemerkung, die mir noch nicht ganz einleuchtet. Boonen, der eine ausführliche Chronik der Stadt verfasste, schreibt über den April 1580, in Löwen hätten sich deutsche und welsche Truppen festgesetzt:
Aprilis vja, maeckten de duijtsche soldaeten ende oock sommighe vande waelschen, alhier in garnisoen liggend, grooten oproer ende commotie binnen dezes stadt Loven, ende liepen 'bijnaer in allen die cloosters ende de borgers huijsen, bij faulte van gelt, dwelck zij vande stadt waeren pretenderende; nemende aldaer al dat hen aenstont, onder tdexsel van broot ende andere eetwaeren die zij begeerden vanden voers.
Und wer genau sind die Waelschen, die dort ebenfalls gehaust haben sollen?

Hallo Ennka,

ich stelle nur ein paar Überlegungen an, gebe dir also keine definitive Antwort.
Franzosen dürften auszuschließen sein, da Habsburger und Bourbonen sich meist kabbelten. Die Bourbonen unterstützten Wilhelm von Oranien ja auch, zwei seiner Frauen waren Französinnen, eine davon Bourbonin.
1577 - 1592 war Alessandro Farnese - ein Verwandter des gleichnamigen Papstes - Statthalter der Habsburger in den Niederlanden. Er kann sowohl über italienische Truppen (spanische Besitzungen des Königreiches Neapel/Sizilien) oder spanische Truppen verfügt haben. Insofern dürften Spanier und/oder Italiener gemeint sein.

Nun weiß ich zwar, dass Margarete von Parma die Order hatte, zur Verstärkung der spanischen Truppen auch deutsche Regimenter zu Hilfe zu holen. Doch bezog sich diese Order auf den Norden der Niederlande. Löwen jedoch, südwestlich von Brüssel, galt von je her als Pfaffennest, als Spanier-freundlich.
Was sollten die Deutsche dort?

Es war früher üblich, Truppen einzuquartieren. Einerseits boten sie natürlich den Städten Schutz, viel wichtiger war dies aber vom logistischen Standpunkt: Die Soldaten mussten versorgt werden und dies wurde den gastgebenden Städten aufgebürdet. Alle Soldaten ständig im Feldlager erschwerte die Versorgung und sorgte für 'Lagerkoller'.
 
... Boonen, der eine ausführliche Chronik der Stadt verfasste, schreibt über den April 1580, in Löwen hätten sich deutsche und welsche Truppen festgesetzt
...
... wer genau sind die Waelschen, die dort ebenfalls gehaust haben sollen?
Franzosen dürften auszuschließen sein, da Habsburger und Bourbonen sich meist kabbelten. Die Bourbonen unterstützten Wilhelm von Oranien ja auch, zwei seiner Frauen waren Französinnen, eine davon Bourbonin.
1577 - 1592 war Alessandro Farnese - ein Verwandter des gleichnamigen Papstes - Statthalter der Habsburger in den Niederlanden. Er kann sowohl über italienische Truppen (spanische Besitzungen des Königreiches Neapel/Sizilien) oder spanische Truppen verfügt haben. Insofern dürften Spanier und/oder Italiener gemeint sein.

Ich stimme zu, daß Franzosen i.S.v. Truppen des Königreiches Frankreich - um 1580 herrschten dort jedoch noch nicht die Bourbonen, sondern noch die Valois: Heinrich III. (Frankreich) ? Wikipedia - auszuschließen sind, da diese zu jener Zeit noch durch die Bürgerkriege im eigenen Land gebunden waren (Hugenottenkriege 1562/98) und sich erst später als 1598 nach außen wenden konnten.
Anm.: Zu diesen Kriegen siehe auch den Grobüberblick auf Hugenottenkriege ? Wikipedia

Allerdings stimmt es, daß das Königreich Frankreich trotz allem alles andere freundlich zum Königreich Spanien stand und zudem desöfteren - v.a. in den Jahrzehnten nach 1600 - die holländischen Generalstaaten unterstützte.

Da sich jedoch im Jahre 1579 die Wallonen (Französischsprachige in den Spanischen Niederlanden) in der Union von Arras zusammengeschlossen hatten und sich damit ausdrücklich loyal zur spanischen Krone bekannten, ist es ebenso möglich, daß die Wallonen mit den W(a)elschen gemeint sind.
Zum genannten Bündnis vgl. den Grobüberblick auf Union von Arras ? Wikipedia sowie die zugehörige Karte.
 
@El QuijoteDie Idee, dass Farnese in Löwen seine Truppen postiert hat, liegt natürlich nahe. Allerdings nennt Boonen an anderer Stelle explizit die Spanier (de Spaanse), die im Jahr zuvor aus Frust über den ausbleibenden Sold in Löwen wüteten. "Waelse" und "Spaanse" werden bei ihm, soweit ich das sehe, nicht als Synonym benutzt.
Und die Italiener? Bist du sicher, dass Süditaliener je als Welsche bezeichnet wurden? Ich kenne den Begriff nur im Zusammenhang mit Norditalien - Tirol oder dem Trentino.

Was das Einquartieren von Truppen angeht: letztlich muss es so sein, dass sich die spanische Besatzung aus den katholischen Gebieten Deutschlands Truppen zur Verstärkung geholt hat. Leider habe ich dafür (mal von Schillers "Geschichte des Abfalls" abgesehen) bisher keinerlei Quellen gefunden. Hopper und Burgund, auf die er sich rekurriert, sind aufgrund ihres Alters so gut wie nicht mehr zugänglich. Und in neueren Quellen habe ich zur Rolle der deutschen Truppen im niederländischen Freiheitskampf absolut nichts gefunden. Von daher meine Frage ans Forum, ob irgendwer zufällig irgendwann einmal darüber gestolpert ist.

@timotheus

Meine Überlegung geht auch in Richtung Wallonie, allein weil für diese Region der Sprachgebrauch "Welsche" überliefert ist. Wenn dies jedoch stimmt, dann war in jenen Jahren nicht nur ein Kampf gegen Spanien im Gange, sondern ein echter Bruderkrieg. Denn das würde bedeuten, dass die Union von Arras aktiv selbst in den Norden eingedrungen ist. Löwen (auf der Karte als Louvain eingetragen) gehörte ja zur Union von Utrecht.
Bisher hatte ich immer das Bild, dass die Niederländer im Süden des Landes sich mehr oder weniger mit den Spaniern arrangierten, aber allesamt wenig Lust auf die Auseinandersetzungen hatten. Kennst du irgendwelche Quellen, die belegen, dass die Union von Arras selbst Truppen in den Norden geschickt hat?

Auf jeden Fall erst einmal herzlichen Dank euch beiden,
Ennka
 
@El QuijoteDie Idee, dass Farnese in Löwen seine Truppen postiert hat, liegt natürlich nahe. Allerdings nennt Boonen an anderer Stelle explizit die Spanier (de Spaanse), die im Jahr zuvor aus Frust über den ausbleibenden Sold in Löwen wüteten. "Waelse" und "Spaanse" werden bei ihm, soweit ich das sehe, nicht als Synonym benutzt.
Und die Italiener? Bist du sicher, dass Süditaliener je als Welsche bezeichnet wurden? Ich kenne den Begriff nur im Zusammenhang mit Norditalien - Tirol oder dem Trentino.

Meines Wissens wurde der Begriff welsch für alle Romanen verwendet. Im Polnischen ist welsch bis heute im Sprachnamen für Italien erhalten: Włochy. Allerdings ist das Polnische hierin von den slawischen Sprachen isoliert. Und so, wie wir Deutschen nach einer Region im Süden Deutschlands im Französischen, im Iberoromanischen, im Türkischen und im Arabischen nach den Alemannen benannt werden, im Finnischen nach den Sachsen, so kann es auch hier durchaus zu Übertragungen gekommen sein.

Aber wie gesagt, es handelte sich nur um Überlegungen, die - wie Timo am Bourbonenbeispiel aufzeigen konnte - z.T. auch fehlerhaft waren.
 
Lieber El Quijote,

danke noch mal fürs Mitdenken. Ich glaube, die Frage nach den Waelschen kann ich abhaken. Ich habe mir noch mal andere Passagen bei Boonen angesehen und gemerkt, dass er "Waelsche" und "Waelen" synonym benutzt. Er schrieb seine Chronik 1593/94, sein Niederländisch stammt also aus der frühen Neuzeit. Am Beispiel des Ausdrucks "graeve van Egmont" konnte ich die Lautverschiebung ganz gut nachvollziehen: die "Waelen" oder "Waelschen" dürften tatsächlich "Walen" gewesen sein, sprich Wallonen.

Damit wird aber deutlich, dass die Union von Arras sich nicht nur auf die Seite der spanischen Besatzer und damit die Seite des Katholizismus geschlagen hat, sondern aktiv im Kriegsgeschehen mitmischte. Das war mir bis dato nicht klar.

Offen bleibt derzeit für mich die Frage, ob es weiterführende Quellen für die deutsche Besatzung Löwens oder zumindest für deren Beteiligung im (gegen den) Freiheitskampf gibt. Ich habe gestern noch ein wenig recherchiert und bin auf den Titel eines Bandes von Johannes Arndt: "Das Heilige Römische Reich und die Niederlande 1566 bis 1648 : politisch-konfessionelle Verflechtung und Publizistik im Achtzigjährigen Krieg" gestoßen. Der sollte eigentlich zumindest über die Fernleihe der Uni zu bekommen sein und klingt vielversprechend.

Ich werde mich melden, wenn ich Näheres dazu herausgefunden habe. Und falls hier doch noch Spezialisten in diesem Gebiet auftauchen, würde ich mich über Kontaktaufnahme oder Posting freuen.

Herzliche Grüße erst einmal,
Ennka
 
Zuletzt bearbeitet:
Kennst Du vielleicht von Famianus Strada das Werk De bello Belgico decades duae (1651) oder die Eygentliche vollkommende Beschreibung des Niederländischen Kriegs (Emanuel van Meteren, 1627)? Findest Du darin möglcihweise eine Antwort auf Deine Frage?
 
habe ich beide noch nicht in der Hand gehabt. Von Strada habe ich immer mal wieder als Verweis gelesen, van Meteren ist mir noch nicht wissentlich begegnet. Aber soweit ich das sehe, sind beide Werke noch nicht digitalisiert, so dass eine Einsicht in diese Werke immer gleich einen kleinen Urlaub (Weimar oder Wolfenbüttel, bestimmt beide eine Reise wert) verplanen würde. Oder ich für das Geld eines Urlaubs einen Kopierauftrag gebe. Das würde ich nur machen, wenn du handfeste Quellenbelege hast, dass in diesen Werken mehr zu holen ist - oder die Werke selbst kennst. Ansonsten hoffe ich ja noch immer, dass auch in leichter zugänglichen Werken etwas zu dem Thema zu holen ist.

Aber vielleicht hat ja ein Forumsmitglied diese Werke bei sich im Schrank - oder in der Bibliothek um die Ecke - und mag mal eben nachschauen? :)
 
Ich habe gestern in einem Literaturlexikon nach Goethes Egmont nachgeschlagen und darin gefunden, dass Goethe mit diesen beiden Werken gearbeitet hat. Ob sie digitalisiert oder zumindest mal textkritisch editiert wurden, weiß ich leider nicht. Zumindest aber der Famianus Strada scheint antiquarisch zu haben sein.
 
:fs: Doch, doch, der Strada ist antiquarisch zu bekommen. Für das Geld kann ich aber genauso gut nach Weimar fahren, dort ein paar Tage Urlaub einlegen und nebenbei im Lesesaal der Bibliothek schauen, ob das Buch tatsächlich neue Erkenntnisse zutage fördert.

Bin trotzdem eine ganze Ecke weiter. Habe im Boonen ein wenig weiter gelesen und dessen Infos gegoogelt. Die Truppen in Löwen standen unter dem Oberbefehl von Oberst Verdugo, der in den Unabhängigkeitskämpfen kein ganz unbeschriebenes Blatt gewesen ist. Ich habe nur eine spanische Internetseite gefunden, deren google-Übersetzung sich ein wenig kryptisch liest. Es reicht, um festzustellen, dass er unter Margarete von Parma an der Unterdrückung des Aufstands in Antwerpen (1566) beteiligt war und daraufhin von Alba befördert wurde. Er brachte es bis zum Oberst der Infanterie der Wallonie.

Das Oberkommando über die beiden deutschen Fähnlein hatte ein Oberst Leutnant (overste lieutenant) Melchior Schijven, über den ich bis jetzt nichts rausgefunden habe. Sein Name deutet aber darauf hin, dass er Niederländer war.

Die beiden deutschen Fähnlein selbst wurden von den Hauptmännern Lazarus Halder und Hans Ingelbert geführt.Das ist deswegen relevant, weil Ingelbert in der Korrespondenz Margarete von Parmas mit Philip II. mehrmals erwähnt wird. (Hier also wieder die oben bereits erwähnte Verbindung mit der Order Philips an Margarete, sich in Deutschland mit zusätzlichen Truppen auszustatten.)

Diese Aufstellung der Befehlsgewalten zeigt zumindest, unter welchen Hoheiten die Deutschen in Löwen lagerten und kämpften. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein gewisser Schritt nach vorn für mich...
 
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