Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven

El Quijote

Moderator
Teammitglied
Ursprünglich war die Idee, ins Dt. Auswandererhaus und ins Klimahaus zu gehen (das Schifffahrtsmuseum ist mit meiner Frau nicht zu machen...). Der Plan war, wir fahren Freitags nach Cuxhaven, übernachten dort, verbringen Samstag im Auswanderer- und Klimahaus in Bremer- und übernachten wieder in Cuxhaven, Sonntag wieder nach Hause.

Nun hat uns also der Sturm am Freitag einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir sind also erst gestern nach Cuxhaven gefahren und waren heute in Bremerhaven.

EQ: "Womit fangen wir an?"
EQs bessere Hälfte: "Im Auswandererhaus!"
EQ: "Okay."

Wir waren gegen 11:00 dort, und begannen unsere Rundtour.
Zunächst bekommt jeder Gast eine Karte, die mit einer Person aufgeladen ist. Ich glaube, es sind so etwa 17 verschiedene Auswanderer aus dem 18. - 20. Jhdt. auf deren Spuren man wandeln kann. Dabei kann man grundsätzlich sich die biographischen Stationen zu jedem der Auswanderer anhören, aber an einigen Stationen bekommt man gesondert Informationen zu dem Charakter, dem man folgt.

Man beginnt im Warteraum der Dritten Klasse am Columbuskaje, geht von dort aus auf dem Kai selbst und steht zwischen den Auswanderern der verschiedenen Jahrzehnte, steht zwischen ihrem Gepäck und hört Zitate aus Briefen und Tagebucheinträgen.

In einer einer Art Bibliothek kann man sich verschiedene Essays anhören und sich das erste Mal seiner Person und den verschiedenen anderen Personen, deren Schicksale didaktisch aufbereitet sind, nähern.

Hier verloren wir den Anschluss an "unsere Gruppe". (Wir waren natürlich Einzelbesucher und mit keiner Gruppe unterwegs, da wir aber immer gruppenweise hereingelassen wurden, kamen die Besucher immer schwungweise.) auch ich habe mir die Sachen sehr intensiv angeschaut und angehört, aber interessanterweise war es meine Frau, die uns so "langsam" gemacht hat. (Und das ist nicht das erste Mal: Meine Frau hatte nie Interesse, mit mir nach Kalkriese zu fahren. Irgendwann fragten uns Freunde, ob wir nicht mit ihnen nach K'Riese wollten und wir haben zugesagt. Ich kannte das Museum schon von mehreren Besuchen. Aber diejenige, die sich die Ausstellung in K'Riese am intensivsten ansah, war meine Frau, die Archäologie sonst nur "alte herumliegende Steine" beschreiben würde. Und auch heute: Es war niemand so langsam in der Ausstellung wie wir, weil wir wirklich jede biographische Station studierten...)

Es geht dann weiter "auf's Schiff", so die Inszenierung. Man bekommt drei Schiffe vorgestellt, ein Segelschiff und zwei Dampfer verschiedener Baujahre und erlebt die allmäliche Verbesserung der Schiffspassage, vom Leben unter Deck mit fünf Personen in einem Bettkasten, miserablem Essen (salziger Speck, ungezieferverseuchtem Gemüse), gewissermaßen unter Deck "gefangen", bis hin zur Viererkabine mit zwei Waschbecken. Man erlebt gewissermaßen die Passagierschifffahrt im Wandel von einem Teil der Frachtschifffahrt zum touristischen Vergnügen. An einer Stelle muss man sich sogar auf die Schiffstoilette setzen, um Informationen zu erhalten.

Schließlich kommt man in Ellis Island an und kann dort testen, ob man ins Land gelassen würde oder nicht.

Auch kann man hier mit seiner Karte noch einmal seiner Figur (und an dieser Station nur dieser) folgen. Im Raum der Biographien bekommt man dann die ganze Lebensgeschichte der Figur erzählt, so sie bekannt ist (da meine Figur (geboren 1940) noch lebt, ist das natürlich relativ leicht...)

Anschließend läuft man durch die Great Central Station in verschiedene Orte in den USA, eine Bierkneipe (wo man etwas über die Deutschen in den USA erfährt, sowie über die Prohibition), ein Sweatshop, wo man etwas über jüdische und deutsche Textilarbeiter erfährt (aber auch Schlachter, mit deutlichen Parallelen zu heute), und über den politischen Anarchismus in den USA, Generalstreiks und derlei.

Außerdem steht man in einem Lebensmittelladen...

Der zweite Teil der Ausstellung widmet sich der Einwanderung nach Deutschland. Da wir mittlerweile fünf Stunden hier waren - dass wir nicht mehr in Klimahaus gehen würden, war längst klar - haben wir uns hier nicht mehr ausführlich umgetan. Auch die Kinofilme haben wir nicht mehr gesehen.

Alles in allem waren wir beide einhellig der Meinung, dass das Auswandererhaus museumsdidaktisch sehr gut aufbereitet ist. Es ist so ein wenig der britische Museumsstil, wie man ihn schon aus den 1990er Jahren aus dem Imperial War Museum in London kennt, aber konsequenter, wie das auch das Hansemuseum in Lübeck versucht (in Lübeck war ich von dem Ergebnis nicht so überzeugt, wie jetzt im Auswandererhaus in Bremerhaven). Man darf fast alles anfassen und - was ich super finde, weil ich es hasse, stundenlang stehend irgendwelche Texttafeln zu lesen und mir Hörstücke anzuhören - man hat fast überall Sitzgelegenheiten, die sich in die Ausstellung einfügen. Man setzt sich zu den Auswanderern an Tische oder in der Kneipe an die Bar und hört sich Textschnippsel an oder liest Dinge. Dieser Museumsbesuch geht nicht in die Kniee und Füsse, man kann sich ganz auf die dargebotenen Informationen konzentrieren, weil man sich stehts aussuchen kann, ob man sitzen oder stehen möchte. Ich glaube, ich habe noch nie ein Museum mit so vielen Sitzgelegenheiten gesehen.

Wir haben insgesamt fünfeinhalb Stunden in der Ausstellung verbracht und es hätten leicht mehr werden können. Wir - selbst meine an Geschichte sonst eher mäßig interessierte Frau - waren vollauf zufrieden und ich glaube ich habe noch nie ein Museum besucht, das didaktisch so gut aufbereitet war und ich gehe gerne in Museen und verbringe dort sehr leicht Stunden.
 
Wir sind längst wieder zurück. Es war ein um einen Tag verkürzter WE-Trip und meine Frau hätte sich bedankt, wenn ich noch geocachen gegangen wäre.
 
schade, so ist dir das Fort entgangen nebst einem virtuellen Cache, den deine bessere Hälfte gar nicht bemerkt hätte ;)
Für Ausflüge an der Küste mit musealer Aufbereitung der Auswanderungen 18.-20.Jh. eignen sich auch ein paar Inselmuseen: Borkum und Wyk auf Föhr haben jeweils eine eigene umfangreiche Sammlung.
 
Aus dem Museum in Wyk auf Föhr:

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