Deutsches Liedgut des 18. Jahrhunderts und älter

D

Dorfkobold

Gast
Liebe Gemeinde,

die Älteren unter uns werden es wohl noch kennen, solche harmlosen, aber uralten Kinderlieder wie "Alle Vögel sind schon da" oder "Kam ein Vogel geflogen", "Hänchen Klein". Teilweise vermitteln diese Lieder eine unwillkürliche Melancholie, die sich weder aus Melodie noch Text erschließt, und wohl Sehnsucht nach verlorener Kindheit, lang vermissten Großeltern und ähnliches einschließt. Es fügt sich da gut ein, dass diese Lieder zum Teil selbst uralt sind und im 19. Jahrhundert erdichtet worden sind.
Beim Beispiel "Alle Vögel sind schon da" scheint es einen weiteren Grund zu geben, das Lied kommt tatsächlich aus dem 17. Jahrhundert und bezieht sich dort auf den Abschiedsschmerz:
Nun so reis ich weg von hier (1690) | Volkslieder-Archiv (10.000 Lieder)
"Diese Melodie war im 18. Jahrhundert als Abschiedslied auf den Text Nun so reis ich weg von hier verbreitet."
Alle Vögel sind schon da – Wikipedia

Meine Frage lautet nun, wie sah das deutsche Liedgut zur Aufklärungszeit aus? Gab es nur eher schmerzliches Liedgut ("Morgen früh, wenn Gott will", "Schlaf Kindlein schlaf") oder "Gefühligkeit"?
Es scheint ja ein internationales Phänomen zu sein, dass das Liedgut für Kinder eher traurig ist, an Tod, Pest usw. erinnert.

Gruß

Kobold.
 
Mein Eindruck ist, dass generell auch zahlreiche fröhliche Lieder existierten. Ich habe mal 2 Liederbücher mit Liedgut fürs 18.Jh. zusammengestellt mit Schwerpunkt auf Schwaben.

Was typisch ist, ist durchaus, dass selbst bei lustigen Liedern wie Trinkliedern der ganze Lebenskreis einbezogen wird. Das kann dann auch einschließen, dass am Ende der Völler wie in "Von dem Rauch-Tabak" noch sein Pfeifchen raucht.
"... wann ich erstarrt schon wie ein saul,
geht mir der rauch noch aus dem Maul."*

Empfehlenswert, wo man nicht selber begnadeter Musiker ist, wäre beispielsweise mal zum Reinhören: "Alleweil ein wenig lustig - Claude Akire singt Barocklieder" (auch wenn der Akzent der Sängerin etwas wehtut und man sich etwas mehr Instrumente etc. wünschen würde).

Eine wirklich tiefgreifende Antwort braucht sicherlich mehr Erfahrung. Würde mich wundern, wenn Germanisten das Thema nicht schon bearbeitet hätten.

Was richtig ist, ist dass zahlreiche Melodien verwertet wurden, die schon älter waren. Oftmals wurden Lieder auch tagespolitische Lieder wie auf die Hinrichtung eines Delinquenten gedichtet, ohne sich einen Gedanken über die Vertonung zu machen. Diese Art von Liedern ist heute meistens verloren gegangen, da wir kaum mehr eine Beziehung dazu haben. Ausnahme ist sicherlich bspw. das Störtebeker-Lied aus dem 16.Jh., welches nach meiner Recherche zahlreiche Bearbeitungen und Ausschmückungen danach gefunden hat. Mag da auch mit der raschen Verklärung des Seeräubers zusammen hängen.

Manches ist auch heute Kinderlied, was es damals noch nicht war bzw. damals hat man nicht sooft gezielt für Kinder geschrieben.

* Franken, um 1750
 
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