Dicke Waden?

Goethe spielt in seinem Faust darauf an, dass Studenten, die weniger ´stramme Waden hatten sich Werg oder Baumwolle in die Strümpfe stopften um stramme Waden vorzutäuschen. Mephisto versteckt übrigens auf diese Art und Weise seinen Pferdefuß.
Das war üblich. Ein Beispiel sieht man in
"18th Century Costume in National Museums Liverpool" von Pauline Rushton.
Stopfen ist ein bisschen übertrieben, es wurde eine Art Polster auf Höhe der Wade eingenäht.

18th Century Costume in National Museums Liverpool: Amazon.de: Pauline Rushton: Englische Bücher
 
Zuletzt bearbeitet:
Das war üblich. Ein Beispiel sieht man in
"18th Century Costume in National Museums Liverpool" von Pauline Rushton.
Stopfen ist ein bisschen übertrieben, es wurde eine Art Polster auf Höhe der Wade eingenäht.

18th Century Costume in National Museums Liverpool: Amazon.de: Pauline Rushton: Englische Bücher

Das hat sich übrigens auch in der bayerischen Tracht erhalten: Zur Bundhose gibt es Kniestrümpfe mit eingenähtem Wadenkissen, bzw. zur kurzen Lederhose werden sogenannte Loferl getragen, die ebenfalls auf Höhe des Wadenmuskels mehr Volumen vortäuschen sollen. Sinn dabei ist es aber nicht, dicke Waden vorzutäuschen, sondern "stramme Wadel", damit soll also Waden-Variante-"Streichholz" auf muskulös getunt werden.
 
Sinn dabei ist es aber nicht, dicke Waden vorzutäuschen, sondern "stramme Wadel", damit soll also Waden-Variante-"Streichholz" auf muskulös getunt werden.
Das war wohl auch im 18.Jh. die Absicht.

Ich habe durch eine Reihe von Abbildungen den Eindruck, Ideal im 18.Jh. war ein sehr schlanker Mann wie hier zu sehen von Gravelot ( :anbetung: ) http://www.marquise.de/en/1700/pics/1730_2.shtml
mit dennoch rundlichem Gesicht und schönen Waden, die natürlich auch wichtig waren, weil sie optisch durch die Weite des Justaucorps - bis ca. 1770 - auch noch betont wurden.
 
Ich verweise auf Christian Adam Peuschels Interpretation physiognomischer Waden-Varianten [1]:

A proportinirte feine Waden
B keine Waden
C allzu dicke Waden
D weiche, welke Waden

Die ästhetisch wohl präferierten Typen A und mehr noch C sind hiernach mit einem mehr oder weniger starken Hang zur Wollust teuer erkauft.

Dies wirft auch ein bezeichnendes Bild auf die Wahl des Schuhwerks: "Hohe Absätze machen schlanke Fesseln, aber dicke Waden" (Lippert, Lehrbuch Anatomie [2006], S. 809). Je höher die Absätze also, desto wahrscheinlicher wohl der Wunsch, wollüstig zu wirken!


[1] § 46 in Abhandlung der Physiognomie ... - Google Bcher
 
Dies wirft auch ein bezeichnendes Bild auf die Wahl des Schuhwerks: "Hohe Absätze machen schlanke Fesseln, aber dicke Waden"
Ich möchte mal den rein praktischen Ansatz weiterverfolgen und gehe einmal davon aus, dass die Kelten tatsächlich besonders stramme Waden gehabt haben.

Warum ? Vielleicht lag es ja an den Schuhen.

Unsere heutigen Schuhe sind anatomisch schlecht, weil sie durch die steifen Sohlen das Fußgewölbe falsch belasten und ruinieren. Deshalb haben wir alle Plattfüße. Das anatomisch beste Paar Schuhe der Welt liegt im Südtiroler Archäologiemuseum und befindet sich an den Füßen der Ötzi-Mumie. Sie bestehen aus drei verschiedenen Leder-Arten, um an jeder Stelle des Fußes die optimale Festigkeit bzw. Elastizität hinzukriegen. Offenbar wusste man vor 5300 Jahren besser als heute, wie man fußgerechte Schuhe herstellt.

Anatomisch richtig konstruierte Schuhe führen zu einer anatomisch optimalen Belastung der Gelenke und Muskeln des Beines, also auch der Waden, die dann Gelegenheit haben, sich richtig und harmonisch aufeinander abgestimmt auszubilden. Bester Hinweis auf das, was richtig ist, ist die Auslösung von ästhetischen - bis hin zu erotischen - Gefühlen beim Betrachter.

Dies wäre ein Hinweis darauf, dass die Kelten nicht nur die Schmiedekunst gut beherrschten, sondern auch die Schuhmacherkunst.
 
gehen wir einen Schritt weiter?

Die Statuen der Hallstatt haben als Vorbilder die Etruskischen Statuen.

Endlich ein vernünftiger Denkanstoß! Siehe das Hügelgrab in Hirschlanden - darauf steht eine Statue aus Stein, die wahrscheinlich den darin begrabenen Krieger darstellen soll - oder jemanden, der den Begrabenen beschützen soll. Diese Figur hat ordentlich dicke Waden, der Stil erinnert aber an die Etrusker.

Es könnte sich möglicherweise um einen Fortschritt in der anatomischen Darstellung handeln (man vergleiche diese Statuen mit älteren, die noch unförmiger sind): Krieger erhielten die muskulösen Waden als Attribut. Wäre doch möglich, dass die Hallstattkultur dies aufgegriffen hat.

Stammen daher möglicherweise die ersten Ideen für gewundenere und fließendere Muster? Etrusker? Kann ich nicht beantworten.
 
Zitat Mia:
Stammen daher möglicherweise die ersten Ideen für gewundenere und fließendere Muster? Etrusker? Kann ich nicht beantworten.


Obwohl etwas OT:
In HaD3 ändert sich tatsächlich die vorher eher geometrisch bestimmten Muster in Ha in den floralen Stil.
Wo der jetzt wirklich ursprünglich herkommt, ist eine lange Diskussion.
Der östliche Mittelmeerraum ist da offenbar der Hauptverdächtige. Hintergrund dieser Überlegung sind die dargestellten Pflanzenarten und deren Darstellungstradition dort.
Die Mittler waren offenbar zum einen die Siedlungen der Magna Graecia zum anderen wohl die Etrusker.
Der Übergang ist wohl relativ fließend, geschieht aber wohl innerhalb von HaD3.
In LT A ist er in dann in voller Blüte (kein Wortspiel ..) und mit ein Kennzeichen für LT A und B.
Was die dicken Waden angeht: Ich bin immer noch der Meinung, dass diese Darstellungsform nicht genuin keltisch ist, sondern sich ebenfalls aus dem Mittelmeerraum herleiten lässt.
Entgegen meines älteren postings denke ich jetzt, dass sie tatsächlich nichts mit der Standfestigkeit der Kuroi/Stelen zu tun haben, sondern Kunstausdruck sind, ohne großen Bezug zur gelebten Realität.
Sie (die dicken Waden) finden sich durchgängig auch auf Situlen und etruskischen Wandgemälden.
Diese Menschenfiguren folgen im Stil dem „floralen“ Stil, sie sind jetzt fließend, nicht mehr geometrisch. In Ha D1-D2 haben wir ja im wahrsten Sinne des Wortes „Strichmännchen“).
Die Stele von von Hirschlanden wäre damit eine Frühform dieses „floralen“ Stiles in der Keltike.

Thomas
 
Bei dem Volk der Baiern (nicht Bayern!), die ja einen sehr großen Erbanteil aus dem keltischen Stamm der Boier in sich tragen, sind stramme Waden schon seit jeher ein Zeichen von Attraktivität. Einige Beispiele (Wadenstumpen, gepolsterte Wadenstrümpfe, etc.) wurden ja hier bereits genannt, aber auch im Volkslied hat dieses "Schönheitsmerkmal" Einzug gehalten.
Nicht umsonst heißt es in einem alpenländischen Volkslied:
"Koa Hiatamadal mog i ned,
des hod koa dicke Wadl'n ned."

Dicke (kräftige) Waden waren also nicht nur ein männliches Schönheitsideal im alpenländischen Raum. Die gedankliche Verbindung zu den Kelten ist somit wahrscheinlich nicht völlig aus der Luft gegriffen.
 
Bei dem Volk der Baiern (nicht Bayern!), die ja einen sehr großen Erbanteil aus dem keltischen Stamm der Boier in sich tragen, sind stramme Waden schon seit jeher ein Zeichen von Attraktivität.
Was hat das denn mit Stelen, Plastiken der Hallstattzeit zu tun, alleine der kulturelle Abstand und zeitliche Abstand zwischen den Baiern und den hallstattzeitlichen bzw. frühlaténezitlichen Kulturen ist viel zu groß.

Dicke (kräftige) Waden waren also nicht nur ein männliches Schönheitsideal im alpenländischen Raum. Die gedankliche Verbindung zu den Kelten ist somit wahrscheinlich nicht völlig aus der Luft gegriffen.
Meiner Meinung nach schon.
Schau euch doch mal bitte folgenden Artikel aus dem Reallexikon der germ. Altertumskunde an:

Reallexikon der germanischen ... - Google Bücher

Auch in dem Ausstellungsband zum Glauberg ist ein guter und lesenswerter Artikel von O.H. Frey zu dem Thema.
 
Zurück
Oben