Die Ablehnung der Friedensnoten Ende 1916 durch die Alliierten und ihre Motive

Turgot

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Ich mach jetzt einen neuen Thread auf, in dem ich sehr höflich darum bitte, das Thema zu beachten. Dankeschön.

Nach der Installierung von Hindenburg und Ludendorff wollte Bethmann sich um den Frieden so schnell wie möglich herbeizuführen. Der einzige Weg den Bethmann sah, war der Wilson um Vermittlung zu bitten. Belgien müsse preisgegeben werden. Das war Bethmann klar. Nachlesen läßt sich dies bei Helferich, Weltkrieg Band 2, S.351 .

Zunächst musste natürlich mit den Verbündeten verhandelt werden, was nicht einfach war. Man konnte sich nicht auf die Kriegsziele einigen. Deshalb plädierte Bethmann keine Kriegsziel zu benennen. Bethmann befürchtete, die Gegner könnten sonst sofort ablehnen und natürlich machte er sich auch Gedanken um die Reaktion der innenpoltischen Gegner. Es wäre natürlich eine Möglichkeit gewesen, auf sämtliche Annexionen zu verzichten und dies auch kundzutun. Nur war dies wohl leider nicht durchsetzbar.

Nunmehr musste Bethmann verschiedene Regierungsbehörden informieren, was auch dauerte.

Am 06.12.1916 wurde Bukarest erobert und am 12.12.war es denn soweit. Die Reaktion in Deutschland war sehr poistiv, auch bei den Truppen. (Afflerbach, Auf Messers Schneide, S. 284)

Briand lehnte schon ein Tag später ab. Italien folgte am 18.Dezember. Der russische Außenminister Pokrowski lehnte am 16.12. ab. Schließlich Lloyd George am 19.Dezember. Lloyd George führte aus, die Entente halte an ihre Kriegsziele fest. (Afflerbach, Auf Messers Schneide, S.285)

Der belgische König Albert wollte das Angebot nicht so einfach abgelehnt wissen. Ein französischer Diplomat klärt dem entsetzten König darüber auf, wie unbedingt Paris am Krieg festhielt. „Selbst wenn Deutschland Elsaß Lothringen anböte und noch mehr, würde es nach meiner Meinung keinen Franzosen geben, der daran dächte die Waffen niederzulegen. (Ritter, Staatskunst, S.361).

Am 30.12.1916 wurde dann den amerikanischen Botschafter in Paris die gemeinschaftliche Note der Ablehnung der Alliierten übergeben.


Wilhelm II. war über die Ablehnung, sicher auch über die Schroffheit, empört. Daher auch die Randnotiz von Wilhelm II.

Kurt Riezler, Vertrauter des Kanzlers, meint, die Note sei grob aber nicht aus Stärke. (Riezler Tagebuch, S.391, Eintrag vom 06.01.1917)


Ich lasse einmal den Kanzler Bethmann selbst zu Worte kommen.

„Unsere Friedensaktion wurde im Laufe des Novembers vorbereitet. In der Tat konnte sie nur umgesetzt werden, wenn sich de rumänische Feldzug entschied.[…] Im ersten Eindruck wirkte unser Friedensangebot vorteilhaft auf die gemäßigten Elemente auch bei unseren Gegnern. Bei den Kriegstreibern herrschte eine gewisse Verwirrung und Beklemmung. Sonnino äußerte sich sich 13.Dezember äußerst vorsichtig, am Tag warnte Briand in der französischen Kammer vor einer möglichen „Vergiftung der öffentlichen Meinung durch unser Friedensangebot, daß er ein Manöver und plumpe Falle nannte. Am 16,12. Sprach der englische Arbeitsminister Henderson überaus ängstliche Worte, um die englischen Arbeitermassen am Kriegsgedanken festzuhalten. Obgleich der neue russische Minister Polrwosky mit aller Energie unser Angebot zurückwies, nahmen doch an 19.12., die Pariser Sozialisten eine Resolution an, die eine Ablehnung des Friedensangebotes nur für den Fall billigte, daß die beim Gegner zu erfragenden materiellen Kriegsziele vom Parlament als unannehmbar befunden werden sollten. Die offizielle Antwort der Entente, die am 30.12. bei uns eintraf, kleidete die Ablehnung in die denkbar schärfste Form. Am 26.12.wurden die Premierminister der Dominions zu einer neuen Reichskriegskonferenz nach London entboten, am 28.12. nach der Verabschiedung des Marschalls Joffre der französische Oberbefehl neu konstruiert, und am selben Tage proklamierte der Zar in einem Armeebefehl Konstantinopel als das Kriegsziel, das unter allen Umständen erreicht werden müsse. Der Ubootkriegbeschluß am 09.01.1917 war die Folge." Aus den Erinnerungen, Betrachtungen zum Weltkriege von Bethmann Hollweg.


Aus dem Tagebuch Eintrag vom 13.12.1916, des Vertrauten des Kanzlers Riezler

„Der Kanzler jetzt sehr gut. Der Eindruck der Demarche wie der Rede doch ein gewaltiger. Doch alle Vernünftigen überzeugt, das es guter Coup ist: er schlägt viele Fliegen nach innen und aussen – er kann gut pariert werden, wahrscheinlicher aber ist, das die überraschten und nach innen genierten Gegner sich auf etwas kluges nicht einiges können. Frankreich wird versuchen totzuschweigen und schnell ablehnen wollen, ehe es public wird.“

Auf deutscher Seite war schon im Vorfeld der Friedensnote lebhaft darüber gesprochen worden, wenn es nicht zu Friedensgesprächen kommt, den unbeschränkten U-Bootkrieg wieder zu aktivieren. In dieser Frage wurde gewaltiger Druck auf Bethmann ausgeübt. In der Zeit bis Ende Dezember wurde dann die Antwortnote der Alliierten auf Wilson sein Friedensnote erwartet. Die Verbündeten hofften natürlich auf eine positive Antwort.

Die Allierten lehnten bekanntermaßen recht schroff ab.
 
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Die Antwortnote der Alliierten, die schon am nächsten Tag erfolgte. Eine wirklich gründliche Prüfung in so kurzer Zeit.

»…Eine Anregung ohne Bedingungen für die Eröffnung von Verhandlungen ist kein Friedensangebot. Der angebliche Vorschlag … erscheint weniger als ein Friedensangebot denn als Kriegsmanöver. Er beruht auf der systematischen Verkennung des Charakters des Streites in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. Für die Vergangenheit übersieht die deutsche Note die Tatsachen, die Daten und die Zahlen, die feststellen, dass der Krieg gewollt, hervorgerufen und erklärt worden ist durch Deutschland und Österreich-Ungarn…
Für die Gegenwart stützt sich das angebliche Angebot Deutschlands auf eine ausschließlich europäische "Kriegskarte“, die nur den äußeren und vorübergehenden Schein der Lage und nicht die wirkliche Stärke der Gegner ausdrückt, Eine Friede, der unter solchen Voraussetzungen geschlossen wird, würde einzig den Angreifern zum Vorteil gereichen, die geglaubt hatten, ihr Ziel in zwei Monaten erreichen zu können, und nun nach zwei Jahren merken, dass sie es niemals erreichen werden.
Für die Zukunft verlangen die durch die Kriegserklärung Deutschlands verursachten Verwüstungen, die unzähligen Attentate, die Deutschland und seine Verbündeten gegen die Kriegführenden und gegen die Neutralen verübt haben, Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaften … Deutschland weicht listig dem einen wie dem anderen aus…«


Aus dem fett markierten Text wird klar, was der tatsächliche Wunsch der Allierten war. Diese exorbitanten Bedingungen ließen sich nicht auf dem Verhandlungswege erreichen. Zumal die Alliierten militärisch Ende 1916 nicht in der Position waren, um mit solchen Forderungen hervorzutreten. Ziel war aber eben der Diktatfrieden.
 
Der französische Botschafter Paul Cambon vertrat die folgende Ansicht:

Paul Cambon, Botschafter Frankreich in London, äußerte gegenüber seinen Sohn:" Man muß das Manöver des Kanzlers vereiteln. Hier gibt es eine schöne Partie zu spielen." Gegenüber Unterstaatssekretär Hardinge führte Cambon aus, das er das Angebot für gefährlich halte, da es in pazifistischen Kreisen und vielleicht in den Parlamenten bedauernswerte Kampgagnen hervorufe.
Cambon korrespondierte mit dem Chef der Politischen Abteilung Margerie. Cambon meinte, das man Vorschläge erwarte. Margerie kommentierte dies gegenüber Briand als unendlich gefährlich. Man würde nur territoriale Fragen berühren und wirtschaftliche beiseite lassen, die gleicherweise wichtig seien. Cambon dagegen hoffte, das die deutsche Regierung veranlaßt werde, die die Weigerung in Verhandlungen einzutreten, rechtfertigen. Die Note Wilson fährt Cambon fort, könnte sich in ein Angebot der Vermittlung wandeln und die Ententemächte nötigen, ihre Friedensbedinungen zu formulieren.

Paul Cambon, Correspondance, Paris 1946 III. (15.15.1916)
Paul Cambon an Briand, 13.12.1916, Notiz de Magerie für Briandr
 
In England traf das Friedensangebot auf das neue Kabinett von Lloyd George. Neuer Staatssekretär des Äußeren war Balfour.

Balfour war zu jenem Zeitpunkt erkrankt und wurde von seinem Cousin, den Blockademinister Cecil vertreten. Cecil meinte, man könnte im äußersten Notfall darauf zurückkommen. Er war gegenüber dem deutschen Angebot zur schroffen Ablehnung entschlossen. (Hölzle, Selbstentmachtung) Er hatte kurz zuvor seine Meinung klipp und klar gegenüber Lansdowne in einen Memo zum Ausdruck gebracht. Ein Frieden sei gegenwärtig nur unheilvoll sein könne denn es sei nicht mehr zu erhoffen als ein Frieden des status quo zusammen mit einem starken Anwachsen der deutschen Macht in Osteuropa. Das erklärte er dann auch dem Kriegskabinett am 15.12.1916 .

Die Gründe warum das englische Kriegskabinett eine Konferenz zur Vorbereitung der Antwort an Deutschland sind interessant. Man fürchtete, dass dies eine falsche Atmosphäre gegenüber den Krieg in den alliierten Ländern hervorrufe und irrige Hoffnungen wecke.

Rothwell, 60 (Cecil Drumommond),
Kernek, The British Governments Reaction to Peace Wilson`s Note
 
In einem Gespräch zwischen Cambon und dem Premier Lloyd George nannte dieser den Ton der Note Wilsons eine Art von Beleidigung. Doch man müsse antworten und das sei nicht leicht. Er (Lloyd George) wünsche eine Verständigung zwischen Frankreich und England. Von Russland war schon nicht mehr die Rede. Wenn die drei Demokratien England, Italien und Frankreich den Wünschen des Präsidenten entgegentreten, könne dieser die Dinge nicht weitertreiben. Lloyd George hat die entsprechenden Ministerien angewiesen, zu prüfen wie abhängig man bezüglich Munition und Lebensmittel abhängig von den USA sei und ob eine Verweigerung der Kredite und Lieferungen möglich sei.

Lloyd George glaubt wohl auf die USA verzichten zu können.

Paul Cambon selbst nannte Wilsons Note einen Streich, über den man mindestens sagen könne, dass er den Deutschen größtes Vergnügen bereiten würde. Die Note nannte er das lächerlichste Memorandum des Präsidenten der Vereinigten Staaten und Briands Ergüsse dagegen lang und weitläufig.

Schon erhellend, wie über die Friedensbemühungen Wilsons gedacht wurde.

Cambon, Correspondance III. S.135f
 
n Paris war die Friedensabsichten Wilson und Deutschlands sowieso Ende 1916 höchst unwillkommen. Ministerpräsiden Briand hatte nämlich im Sommer 1916 mehre Kommissionen eingesetzt, die sich mit den beabsichtigten französischen Annexion gegenüber dem Deutschen Reich beschäftigten.

Man muss sich das einmal vorstellen. Die französischen Truppen haben beachtliche Teile ihres eigenen Territorium verloren; eine Perspektive zur erfolgreichen Rückeroberung bestand Ende 1916 nicht. Egal, Friedensangebote werden abgelehnt; Soldaten und Zivilisten müssen weiter sterben.

Auch in Frankreich gab es eine Friedenssehnsucht der kämpfenden Truppe und der notleidenden Bevölkerung. Im Jahre 1916 musste bereits der Jahrgang 1918 zu den Fahnen einberufen werden. Verdun und die Somme haben große, blutige Opfer gekostet. Es gab Mangel an Arbeitskräften, ständig steigende Preise, wachsende Unzufriedenheit. Alles ähnlich wie in Deutschland.

Anfang 1917 hatte die Regierung die Pläne an seinen Botschafter Cambon in London übermitteln lassen, damit das ganze durchgewinkt wird. Elsaß Lothringen wurde übrigens nicht als Eroberung klassifiiert, sondern als Wiederherstellung alten Rechts.

Aber die Regierung bevorzugte an Eroberungsplänen zu arbeiten und die waren opulent.
 
Im Sommer 1916, 14.06. bis 17.06., fand auf Betreiben England eine Wirtschaftskonferenz in Paris statt. Hier wurde der Krieg nach dem Krieg geplant.
Selbst nach einen künftigen Friedensschluss sollte das Deutsche Reich wirtschaftlich diskriminiert und insbesondere seine Rohstoffzufuhr behindert werden. Die Wirtschaftsweltmacht Deutschland sollte gebrochen werden.(Neitzel, Blut und Eisen). Es durfte nicht sein, dass das Deutsche Reich ggf. eine stark gebeutelte Entente wirtschaftlich dominierte.

Den Westmächten ging es ganz klar darum, Deutschlands Stellung nach dem Krieg, also den eigenen Sieg, in der Welt nachhaltig zu schwächen und zwar territorial, militärisch und wirtschaftlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erlaube mir, hier ein Beitrag von @Scorpio einzustellen, da dieser hier genauso gut passt.

Das ist aber doch nur ein Beispiel.

...Und ja, Lloyd George, Clemenceau die ganze Bande ist kritikwürdig! Ja, der Versailler Vertrag war ein "Diktat-Waffenstillstand, der Europa niemals den Frieden geben konnte, den es so dringend gebraucht hätte.
Ja, es ist zutreffend, dass die öffentliche Meinung auch in F und GB korrumpiert, verhetzt, hysterisch war.
...Und ja, es ist auch nicht völlig aus der Luft gegriffen, anzunehmen dass selbst ein konstruktiver, fairer und akzeptabler Friedensvorschlag der Mittelmächten abgelehnt worden wäre.

Im Sykes-Picot Abkommen von 1916 einigten sich F und GB auf die Aufteilung des OR, Verhandlungen mit I und Russland führten sogar zu einem Plan, die Türkei auf Anatolien zu beschränken. In F wurde seit Juli 1916 nicht nur die Annexion Elsass-Lothringens, sondern auch der Saar und des Rheinlands gefordert. Die Briten waren entschlossen, die wirtschaftliche Dominanz des DR zu brechen. Bei einer interalliierten Wirtschaftskonferenz Juni 1916 in Paris waren gemäßigte Leute wie Lansdowne in der Minderheit, die Scharfmacher gaben den Ton an. Im September 1916 gab Lloyd George das "Knockout-Interview, in dem er die Meinung der Mehrheit formulierte. "The fight must be to a finish-to a knockout"

Auch bei den Mittelmächten war der Spielraum für einen Verhandlungsfrieden geringer geworden. Seit Frühjahr 1916 nahm die Agitation der Rechten zugunsten extremer Kriegsziele zu. Die Annexionisten konnten 1916 Ludendorff auf ihre Seite ziehen. Bethmann Hollweg wurde kritisiert wegen zu großem Entgegenkommen gegenüber der SPD. Bethmann Hollwegs Vorstellungen waren maßvoll verglichen mit denen der Rechten. Sie bewegten sich aber in utopischen Dimensionen und sahen Annexionen vor. Als die Leitung Oktober 1916 ein Friedensangebot formulierte, dachte man keineswegs daran, sich mit dem Status Quo zu begnügen. Nach Verhandlungen der Mittelmächte untereinander einigte man sich auf ein Kriegszielprogramm, das zur Grundlage des deutschen Friedensangebots gemacht werden sollte. Dazu gehörte die Anerkennung des Königreichs Polen als Satellitenstaat, Annexionen von Teilen Kurlands und Litauens, indirekte Herrschaft über Belgien, die man in Sonderverhandlungen mit König Albert lösen wollte, Annexion von Longwy-Briey, gegen territoriale Entschädigungen in Lothringen, sowie eventuell Annexion von Französisch-Kongo, Rückgewinnung der deutschen Kolonien, Österreich-Ungarn verlangte, dass Serbien, Montenegro und Albanien Satellitenstaaten der Donaumonarchie werden sollten.

Bei der riesigen Kluft zwischen den Kriegszielen der Entente und der Mittelmächte war die Chance auf einen Kompromiss gering. Hier: Hegemonie in Europa durch einen Schutzgürtel von Satellitenstaaten, verbunden mit kolonialer Expansion, Dort: Zertrümmerung des DR, Aufsplitterung der Donaumonarchie, Aufteilung des OR und der deutschen Kolonien.

Gemessen an der Kriegslage befanden sich die Mittelmächte in der vorteilhafteren Position für die Aufnahme von Verhandlungen. Sie hatten gegnerisches Territorium besetzt, waren im Besitz zahlreicher Faustpfänder. Sie konnten es auf eine Friedenskonferenz eher ankommen lassen, als die Entente. Es lag naturgemäß in ihrem Interesse, sich ihre günstige Ausgangsposition nicht durch vorzeitiges Offenlegen ihrer Bedingungen zu schmälern.

Dem entsprach der Wortlaut des Friedensvorschlags. Er war in ziemlich anmaßender Sprache abgefasst, erwähnte die Kriegsziele mit keinem Wort, wollte das erst bei einer Konferenz der Parteien klären. Die Friedens-Initiative der Mittelmächte war in der auftrumpfenden Sprache des Siegers abgefasst. Im Grunde war die Botschaft: Wir sind die Guten! Wir siegen! Der Krieg ist uns aufgezwungen worden! Alles Weitere später, akzeptiert einstweilen die Hegemonie des DR!

Kein Staatsmann in D, F oder Belgien hätte solche Forderungen akzeptieren können, hätte der öffentlichen Meinung die Annahme solcher Forderungen plausibel machen können.

Wenn die Ententemächte das Angebot als taktischen Schachzug ablehnten, weil es keine konkreten Vorschläge enthielt, war das freilich ein Vorwand. In Wirklichkeit waren die Alliierten zu diesem Zeitpunkt gar nicht zu einem Kompromissfrieden bereit, selbst wenn die Mittelmächte den Status Quo ante angeboten hätten.

Die Bemühungen, Wilson von einer Friedensaktion abzuhalten, sprechen in diesem Zusammenhang Bände. Die Entente war entschlossen, zunächst mit allen Mitteln die Kriegswende herbeizuführen. Unter diesen Umständen hatte weder das Friedensangebot der Mittelmächte, noch der Vermittlungsvorschlag Wilsons, mit dem dieser am 18. Dezember 1916 doch noch hervortrat eine Chance.

Die USA hätten Ende 1916 durchaus die Möglichkeit gehabt, die Westmächte auch gegen ihren Willen an den Verhandlungstisch zu zwingen. Wilson selbst scheint dazu u. U. gegebenenfalls auch bereit gewesen zu sein. Es war ein unverzeihlicher Fehler, dass die deutsche politische Leitung die Chance zu Verhandlungen versäumte, indem sie Wilsons Forderung nach Offenlegung der Kriegsziele rundheraus ablehnte und sich lediglich dazu bereit erklärten, ihm die eigenen Kriegsziele als persönliche Information mitzuteilen. Als sich diese Führung während noch die Verhandlungen über den Friedensschritt Wilsons im Gange waren, sich am 9. Januar 1917 dem gemeinsamen Druck der Marine und der 3. OHL beugte und sich bereit erklärte, den unbeschränkten U-Bootkrieg endgültig zum 1. Februar 1917 zu erklären, besiegelte sie die Niederlage und liquidierte die Möglichkeit, politisch zu einem Kompromiss zu gelangen.
 
Auszug aus Prof. Dr. Holger Afflerbach - Eine Internationale der Kriegsverlängerer

"Die Mittelmächte machten drei offizielle Friedensangebote, das erste im Dezember 1916, zwei weitere im Juli und im Dezember 1917. Die Entente beschied alle drei Angebote abschlägig. Daneben wurde es eine größere Zahl informeller Friedensfühlern ausgestreckt, die bereits wenige Monate nach Kriegsausbruch begannen und sich über den gesamten Krieg hinweg fortsetzten. Schon im Herbst 1914 versuchten die Mittelmächte, Russland zu einem Separatfrieden zu bewegen. Diese Versuche waren sämtlich erfolglos und scheiterten an der Entente, deren Eliten trotz auch hier vorhandener Zweifel am Siegfriedenskonzept festhielten. Die Entente testete den Friedenswillen der Mittelmächte nicht ein einziges Mal durch ein eigenes Friedensangebot. Der Grund hierfür bestand in der Annahme, den Krieg letztlich gewinnen zu können; dies machte es den Kompromissbefürwortern, die es auch in London gab – Lord Lansdowne war der prominenteste Vertreter –, unmöglich, sich mit ihren Vorstellungen durchzusetzen."

Hervorhebung durch mich.
 
Schon Ende Mai 1916, auf die Nachricht von House-Grey Memorandum, immerhin war dort die Rückgabe Elsaß Lothringens fixiert, reagierte die französische Diplomatie mit heftigster Ablehnung, als Desaster für die Menschheit. Selbst Grey seine harmlose Äußerung gegenüber einen Friedensfühler aus Skandinavien e.rschien Birand als gefährlich. In einem Schreiben an Cambon hat er denn auch mit äußerster Schärfe jeden Vermittlungsversuch Neutraler als unberechtigte Einmischung zurückgewiesen; sie verfolgen nur ihre eigenen Interessen oder betrieben Intrigen unter deutschen Einfluß. (Ritter, Staatskunst, Band 3)
 
n Paris war die Friedensabsichten Wilson und Deutschlands sowieso Ende 1916 höchst unwillkommen. Ministerpräsiden Briand hatte nämlich im Sommer 1916 mehre Kommissionen eingesetzt, die sich mit den beabsichtigten französischen Annexion gegenüber dem Deutschen Reich beschäftigten.

Man muss sich das einmal vorstellen. Die französischen Truppen haben beachtliche Teile ihres eigenen Territorium verloren; eine Perspektive zur erfolgreichen Rückeroberung bestand Ende 1916 nicht. Egal, Friedensangebote werden abgelehnt; Soldaten und Zivilisten müssen weiter sterben.

Auch in Frankreich gab es eine Friedenssehnsucht der kämpfenden Truppe und der notleidenden Bevölkerung. Im Jahre 1916 musste bereits der Jahrgang 1918 zu den Fahnen einberufen werden. Verdun und die Somme haben große, blutige Opfer gekostet. Es gab Mangel an Arbeitskräften, ständig steigende Preise, wachsende Unzufriedenheit. Alles ähnlich wie in Deutschland.

Anfang 1917 hatte die Regierung die Pläne an seinen Botschafter Cambon in London übermitteln lassen, damit das ganze durchgewinkt wird. Elsaß Lothringen wurde übrigens nicht als Eroberung klassifiiert, sondern als Wiederherstellung alten Rechts.

Aber die Regierung bevorzugte an Eroberungsplänen zu arbeiten und die waren opulent.

Die exzessiven Forderungen nach Annexionen, Reparationen, Kontributionen erschwerten natürlich enorm die Möglichkeiten, einen akzeptablen Kompromiss zu finden. Bei der aufgeheizten, aufgehetzten und hysterischen Atmosphäre in allen kriegführenden Staaten hatten Stimmen der Vernunft auch kaum eine Chance, überhaupt Gehör zu finden. Wenn sich auf deutscher Seite jemand gefunden hätte, der einen vernünftigen, akzeptablen Friedensvorschlag gemacht hätte, er wäre nicht zuletzt von den expansionistischen Kreisen zur Unperson erklärt worden, wäre als Vaterlandsverräter, Verzichtpolitiker verächtlich gemacht worden.
Wie wurde nicht nach dem Krieg gegen Leute wie Mathias Erzberger und Walter Rathenau gehetzt.

Es gab aber auch niemanden, der auf Seiten der Mittelmächte auch nur gewagt hätte, so etwas zu denken. Selbst ein Bethmann-Hollweg wurde als "Verzichtpolitiker" verächtlich gemacht. Außer den Sozialdemokraten war praktisch das gesamte politische Lager expansionistisch, annexionistisch und reaktionär. Niemand, nicht ein Einziger der mal jenseits von Reparationen, Annexionen, Kontributionen zu denken gewagt hätte.
 
Lloyd George hat in seinen eigenen Memoiren die Lage England Ende 1916 als sehr düster beschrieben.
 
Die exzessiven Forderungen nach Annexionen, Reparationen, Kontributionen erschwerten natürlich enorm die Möglichkeiten, einen akzeptablen Kompromiss zu finden. Bei der aufgeheizten, aufgehetzten und hysterischen Atmosphäre in allen kriegführenden Staaten hatten Stimmen der Vernunft auch kaum eine Chance, überhaupt Gehör zu finden. Wenn sich auf deutscher Seite jemand gefunden hätte, der einen vernünftigen, akzeptablen Friedensvorschlag gemacht hätte, er wäre nicht zuletzt von den expansionistischen Kreisen zur Unperson erklärt worden, wäre als Vaterlandsverräter, Verzichtpolitiker verächtlich gemacht worden.
Wie wurde nicht nach dem Krieg gegen Leute wie Mathias Erzberger und Walter Rathenau gehetzt.

Es gab aber auch niemanden, der auf Seiten der Mittelmächte auch nur gewagt hätte, so etwas zu denken. Selbst ein Bethmann-Hollweg wurde als "Verzichtpolitiker" verächtlich gemacht. Außer den Sozialdemokraten war praktisch das gesamte politische Lager expansionistisch, annexionistisch und reaktionär. Niemand, nicht ein Einziger der mal jenseits von Reparationen, Annexionen, Kontributionen zu denken gewagt hätte.

Das ist gut beschrieben, wie die sehr schwierige Lage, in der sich Bethmann Ende 1916 befand, darstellte. Er konnte es niemanden recht machen und wollte doch nach Möglichkeit den Frieden erreichen. Eine unglaublich schwere Aufgabe.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Turgot Danke für die ausführliche Schilderung zu einem eher unbekannten Kapitel des 1. Weltkriegs.

Eine Rückfrage zu einem Detail. Da hat sich wohl ein Abschreiber eingeschlichen:

Im Jahre 1916 musste bereits der Jahrgang 1918 zu den Fahnen einberufen werden.

Jahrgang 1918 macht ja keinen Sinn: aber welcher Jahrgang ist gemeint?
 
Ich zitiere einmal Wilhelm II.:

"Den Vorschlag zum Frieden zu machen ist eine sittliche Tat, die notwendig ist, um die Welt vom dem auf allen lastenden Druck zu befreien."

Quelle:
Bethmann Hollweg; Betrachtungen zum Weltkriege Band 2, S.152
 
@Turgot Danke für die ausführliche Schilderung zu einem eher unbekannten Kapitel des 1. Weltkriegs.

Eine Rückfrage zu einem Detail. Da hat sich wohl ein Abschreiber eingeschlichen:



Jahrgang 1918 macht ja keinen Sinn: aber welcher Jahrgang ist gemeint?

Gemeint ist der Jahrgang, der eigentlich ursprünglich erst 1918 eingezogen werden sollte, der nun schon 1916 zu de Fahnen gerufen wurde.
 
Während Bethmann Hollweg mit der Vorbereitung der Friedensnote beschäftigt war, gab Lloyd Georg den britischen Korrespondenten der "United Press of America" ein Interview und betonte den Willen Großbritanniens zur Fortsetzung des Krieges gegen Deutschland. Der Kampf werde bis zur Niederschmetterung des Kaiserreichs geführt.
 
London ließ Wilson über die gemeinsam Note hinaus noch eine eigene Antwortnote zukommen.
Aus dieser geht u.a. hervor, dass das Osmanische Reich zerschlagen werden soll. Dann sind dem Wesen der Deutschen nähere negative Betrachtungen gewidmet. Im Kriege der Deutschen würden "Methoden berechneter Grausamkeit" und "Terrorismus zu Lande und zur See". Ein dauerhafter Friede sei mit der Berliner Regierung von vornherein nicht möglich. Diese Ursache aller internationalen Beunruhigung müsse so weit wie möglich entfernt und geschwächt werden und es muss eine internationale Sühne gesetzt werden.

Ja, mit so einer Wahrnehmung geht man natürlich nicht in Friedensverhandlungen. Der Gegner muss beseitigt werden.

Die Deutschen äußerten sich zu Wilson Note unverbindlich, aber freundlich. Man würde die Gespräche begrüßen, die Ziele kämen dabei schon automatisch zur Sprache.

Die Alliierten fühlten sich enorm auf dem Schlips getreten, das man von Wilson genauso so behandelt würde wie die Deutschen. Man war beleidigt, ja erbittert.

Die Alliierten hatten Probleme. Wenn Russland wegbricht, was ja kurz bevorstand, würde Frankreich sein dringend benötigte 2.Front verlieren. Wenn Italien zusammenbricht, entsteht eine neue Front im Mittelmeer. Die Brussilowoffensive 1916 gescheitert. Rumänien in den Krieg überredet und schon besiegt worden. Die gewaltige Offensive an der Somme letzten Endes auch gescheitert.
 
Die Antwortnote der Alliierten, die schon am nächsten Tag erfolgte.
Versteh ich nicht. Am nächsten Tag von was? Das Angebot für Friedensverhandlungen stammt vom 12.12.1916, die Antwortnote vom 30.12. (?)

Am 18.12. bittet Wilson die Kriegsparteien ihr Kriegsziele zu definieren. Darauf wird von keiner Seite eingegangen.

Oder doch? Die Antwortnote vom 30.12. enthält den Passus, dass eine Voraussetzung für solche Verhandlungen in der Anerkennung des Existenzrechts kleiner Staaten bestünde. Letztlich wird da die Zerschlagung von Ö-U als Kriegsziel definiert. (Münckler)
Es ist so wie Du sagst, die Zurückweisung war sehr harsch.

Wie würdest Du die Glaubwürdigkeit des Angebots aus Sicht der damaligen Akteure einschätzen?
 
Am 13.12.1916 war die Note von Briand, also Frankreich, bereits da. Die gemeinsame Note am 30.12. . Da hätte ich präziser formulieren müssen. Sorry.:)

Du meinst die Glaubwürdigkeit der deutschen Note? Und die Akteure auf deutscher Seite? Oder die auf Seite der Alliierten?
 
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