Die amphibischen Operationen der russischen Schwarzmeer-Flotte 1916

kwschaefer

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Während der alliierte Versuch, mit einer amphibischen Operation die Dardanellen zu erobern, weite Beachtung in der Öffentlichkeit gefunden hat, sind die Operationen der Russen bei der Offensive an der Kaukasusfront im Winter/Frühjahr 1916 selbst in der entsprechenden historischen Literatur kaum beachtet worden. Das ist angesichts des Ausmaßes des Debakels der Alliierten nicht unverständlich. Die russischen Aktivitäten zeigen aber, dass schon im ersten Weltkrieg erfolgreiche amphibische Operationen durchaus möglich waren.

Angesichts der schlechten Verkehrsverbindungen in Anatolien waren Truppentransporte entlang der Küste durch Transporter und auch durch „Goeben“ und „Breslau“ ein kaum verzichtbares Mittel, Truppenverstärkungen aus dem Westen schnell an die Kaukasusfront zu bringen. Admiral Souchon wies entsprechende Befehle ab Herbst 1916 wegen der Überlegenheit der russischen Flotte im Schwarzen Meer zurück.

Im Januar 1916 begann die russische Offensive gegen Erzurum, am 4. Februar 1916 schloss sich die Offensive entlang der Küste des Schwarzen Meeres an. Diese Offensive wurde durch einen in Batum stationierten Verband der russischen Schwarzmeer-Flotte unterstützt, der aus dem Pre-Dreadnought „Rostislav“, 2 Kanonenbooten und einer Reihe von Torpedobooten bestand. Die Offensive lief sich nach Anfangserfolgen fest. Da ein frontaler Angriff auf die starke türkische Stellung nicht erfolgversprechend erschien, wurden nach direkter Artillerieunterstützung durch den Flottenverband aus zwei speziell ausgerüsteten Transportern und drei flachgehenden Minensuchbooten am 4. März 1916 2100 Mann im Rücken der türkischen Front gelandet, die binnen eines Tages die türkische Stellung unhaltbar machten. Die hier eingesetzten Minensuchboote, nach dem Typschiff der Klasse „Elfidipor-Typ“ genannt, waren aus kleinen, flachgehenden Frachtern für den Einsatz im Asowschen Meer abgeleitet. Für amphibische Einsätze waren sie mit Landungsstegen versehen worden.

Am 5. und 6. März 1916 wurden auf gleiche Weise mit Artillerievorbereitung Truppen jeweils weiter westlich gelandet. In Kombination mit einem frontalen Landangriff gelang es so, die Küste bis westlich Rize zu erobern.

Nördlich der anatolischen Küsten lösten sich drei Kampfgruppen der Schwarzmeer-Flotte aus Sewastopol ab, um den Unterstützungsverband gegen Vorstöße der „Goeben“ und der „Breslau“, die man befürchtete, zu decken.

Nach diesen Erfolgen erfolgte bereits im März die Vorbereitung einer groß angelegten amphibischen Operation zur Weiterführung der Offensive in Richtung Trapezunt. Es wurden weitere Transporter vorbereitet und eine Anzahl „Elfidipor“-Schiffe als Landungsboote ausgerüstet. Gedeckt durch den Dreadnought „Ekaterina II.“, drei Kreuzer, drei Flugzeugmutterschiffe und 13 Zerstörer und Torpedoboote marschierten 36 Transporter von Odessa nach Novorossisk, wo am 4. April die 1. und 2. Brigade der Kosaken-Infanterie, eine Gebirgsartillerie-Abteilung und weitere Truppen eingeschifft wurden. Am 7. April wurden die gesamten Truppen bei Rize binnen neun Stunden gelandet. Am 8. April wurde die 1. Brigade durch „Elfidipor“-Landungsbote nach vorn gebracht und unmittelbar hinter der Front gelandet, um einen türkischen Gegenangriff abzuwehren. Durch diesen Nachschub wurden die Russen zahlenmäßig überlegen. Die Infanterie wurde durch die Pre-Dreadnoughts „Rostislav“ und „Panteleimon“ unterstützt, die mit ihrer 15cm-Mittelartillerie die türkischen Stellungen aus 2000 m direkt beschossen. Den Russen gelang der Durchbruch und am 18. April 1916 fiel Trapezunt.
Auch diese Operation wurde wieder durch eine Kampfgruppe aus Sewastopol gegen Westen gedeckt. Auf dem Rückmarsch begegnete der Dreadnought „Ekaterina II.“ der „Breslau“. Bereits die dritte Salve des Schlachtschiffes lag auf 20000 m deckend, aber die „Breslau“ konnte sich durch die höhere Geschwindigkeit entziehen.

Nach der Eroberung von Trapezunf beschloss man, die dort stationierten abgekämpften Truppen über See deutlich zu verstärken. Zuerst wurden durch 30 Transporter zwischen dem 13. und 23. Mai 1916 die 123. Infanterie-Division, den zwischen dem 28. Mai und dem 4. Juni die 123. Infanterie-Division aus Mariupol direkt hinter die anatolische Front transportiert. Zur Ausschiffung setzte man nun neu konstruierte Landungsboote und Marinefähren ein. Gedeckt wurde diese Operation durch den Dreadnought „Imperatriza Marija“, drei Kreuzer, drei Flugzeugmutterschiffe und mehrere Torpedofahrzeuge.

Eine türkische Gegenoffensive war geplant, doch konnten nunmehr türkische Truppentransporte über See nicht mehr riskiert werden. Eine Heranführung von Truppen über Land war schwierig und sehr langwierig, außerdem waren die Russen weiter im Binnenland inzwischen bis über Erzindjan vorgestoßen. So blieb die Front hier einige dutzend Kilometer westlich Trapezunt stehen, die türkische Gegenoffensive fand nicht statt. Auch die Russen rückten nicht weiter vor, da durch den Rumanien-Feldzug der Mittelmächte sich nun ein weiterer Einsatzschwerpunkt für die russische Flotte im Westen des Schwarzen Meers ergab. 1917 plante der russische Befehlshaber an dieser Front, General Judenitsch, eine neue Offensive, die jedoch durch das beginnende Chaos in Russland unterblieb.

Es ist natürlich nicht zu verkennen, dass die russischen amphibischen Operationen an der anatolischen Schwarzmeer-Küste wegen der relativ schwachen Landabwehr und der russischen Überlegenheit zur See in einem vorteilhaften Umfeld erfolgten. Sie zeigen jedoch eine sehr viel besser funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Heeres- und der Marineführung als an den Dardanellen und auch eine bessere technische und taktische Vorbereitung auf solche Operationen.
 
Hallo,

die Goeben hatte am 08.01.1916 eine ergebnislose Gefechtsberührung mit der Imperatrica Marija. Vom 04.02 - 06.02.1916 überführte die Goeben truppen an die Kaukasusfront.
Ab dem 27.02.1916 war auch die Breslau wieder einsatzbereit, nachdem sie am 18.07 1915 einen schweren Minentreffer erhalten hatte. Dabei wurden zwei ihrer 10,5cm Schnellladekanonen gegen 15cm Kanonen getauscht, um Schlagkräftiger gegen russische Kreuzer zu sein.
Im März und April beförderte die Breslau Truppen zur Landfront ostlich von Trapezunt. Dabei geriet sie immer wieder in Gefechtsberührung mit modernen russischen Einheiten.
Am 03.07.1916 liefen Goeben und Breslau zur Unterstützung der dortigen türkischen Offensive aus, wobei die Goeben am 04.07. die Hafenanlagen von Tuapse beschossen hat.
Nach Informationen von Anwesenheit überlegener russischer Kräfte, zog man sich zurück.
Goeben wurde dannach einer Grundreperatur unterzogen und Breslau wurden die restlichen 10,5er gegen 15er getauscht, sowie eine Ölzusatzfeuerung eingebaut, wegen des Kohlemangels.

Man muß zu den Namen Goeben und Breslau sagen, das diese eigendlich ab dem 16.08.1914 türkische Namen gültig waren, da sie unter türkischer Flagge führen. Goeben hieß dannach Yavuz Sultan Selim (meist nur kurz Yavuz gennant) und Breslau hieß dannach Midilli.

Und die russischen Schiffe konnten schon auf hohe Entfernungen treffgenau Schießen, da sie alle über ein Langbasis-E-Messgerät verfügten. Auch die alten Linienschiffe und somit war Admiral Souchon verwundert über die weitreichende russische Artillerie.
 
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Am 03.07.1916 liefen Goeben und Breslau zur Unterstützung der dortigen türkischen Offensive aus, wobei die Goeben am 04.07. die Hafenanlagen von Tuapse beschossen hat.
Nach Informationen von Anwesenheit überlegener russischer Kräfte, zog man sich zurück.

Türkischer Heeresbericht vom 9. juli 1916

Durch eine Gegenoffensive nahmen wir einige Geländeteile von lokaler Bedeutung, die während der vorerwähnten Angriffe in die Hände des Feindes gefallen waren, wieder und erbeuteten eine große Menge von Munition und Kriegsmaterial. Angriffe an gewissen Stellen des linken Flügels gegen unsere Vorposten wurden mit Verlusten für den Feind leicht zurückgeschlagen.
"Yavus Selim" und "Medilli" griffen eine Abteilung feindlicher Transportschiffe an den Ufern des Kaukasus an, versenkten vier Schiffe und mehrere Segelschiffe, beschossen die neuen Hafenanlagen von Tuabe südöstlich von Noworossisk und verursachten eine Feuersbrunst in einem großen Petroleumdepot sowie in anderen dort befindlichen Gütern. Sie trafen auf ihrer Fahrt kein feindliches Schiff.
Es war zwar für Anfang Juli 1916 eine türkische Gegenoffensive am linken Flügel der Kaukasusfront geplant, doch wurde sie abgesagt, weil es nicht gelang, rechtzeitig entsprechende Truppenverstärkungen an die Front zu bringen. Der Nachschub über See war zu unsicher geworden; "Breslau" hatte zuletzt am 3. April 1916 105 Mann Verstärkung, neben Munition, an die ostanatolische Küstenfront gebracht und wurde danach nicht mehr für solche Zewcke verwendet. So blieb es Anfang Juli von türkischer Seite bei lokalen Aktionen, wie sich auch aus dem türkischen Heeresbericht ergibt. Die Verwendung des Begriffs "Gegenoffensive" hat wohl mehr Propaganda-Charakter. Eine türkische Offensive hat es nach der Eroberung Trapezunt durch die Russen an der Küste nicht mehr gegeben.

Bei der Aktion von "Goeben" und "Breslau" gegen Tuapse und Sotschi Anfang Juli 1916 verpasste Admiral Koltschak, der gerade erst von Vizeadmiral Eberhardt das Kommando über die russische Schwarzmeer-Flotte übernommen hatte, die vielleicht günstigste Gelegenheit, die beiden Kreuzer abzufangen. Die Kampfgruppen 1 mit "Imperatriza Marija" und 2 mit "Ekaterina II." waren rechtzeitig in See und etwa nördlich Eregli plaziert. Das türkische Flottenkommando erkannte jedoch die Bedrohung und konnte seine Schiffe warnen. So umfuhren "Goeben" und "Breslau" die russischen Kampfgruppen nördlich und brachen entlang der bulgarischen Küste zum Bosporus durch. Dort waren zwar die russischen U-Boote "Nerpa" und "Morz" stationiert, aber sie kamen nicht zum Schuss.

(Übrigens: In meinem letzten Beitrag ist ein Zahlenfehler. Zwischen dem 13. und 23. Mai 1916 wurde die 127. (nicht 123.-) Infanteriedivision an der Küste gelandet.)
 
Bei der Aktion von "Goeben" und "Breslau" gegen Tuapse und Sotschi Anfang Juli 1916 verpasste Admiral Koltschak, der gerade erst von Vizeadmiral Eberhardt das Kommando über die russische Schwarzmeer-Flotte übernommen hatte, die vielleicht günstigste Gelegenheit, die beiden Kreuzer abzufangen. Die Kampfgruppen 1 mit "Imperatriza Marija" und 2 mit "Ekaterina II." waren rechtzeitig in See und etwa nördlich Eregli plaziert. Das türkische Flottenkommando erkannte jedoch die Bedrohung und konnte seine Schiffe warnen. So umfuhren "Goeben" und "Breslau" die russischen Kampfgruppen nördlich und brachen entlang der bulgarischen Küste zum Bosporus durch. Dort waren zwar die russischen U-Boote "Nerpa" und "Morz" stationiert, aber sie kamen nicht zum Schuss.

Also rein vom Geschwindigkeitsüberschuß der Goeben, glaube ich kaum, das eines der beiden russischen Großlinienschiffe sie versenken hätte können. Zumal die Panzerung der beiden russischen Schiffe jetzt auch nicht viel stärker war, als die der Goeben. Letztlich zeigte sich aber, das die russischen Schiffe einen großen Knackpunkt hatten der menschlicher Natur war, das fahrlässige Lagern von Munition, was ja auch zum Untergang der Imperatriza Marija führte.
 
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