Die Bedeutung der Römerstraßen bis in die Gegewart

Dion

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Wie wichtig römisches Reich selbst für uns heute war/ist, belegen neue Untersuchungen über das römische Straßennetz – Zitat:

Entlang der Straßen, die die alten Römer in Europa anlegten, gibt es noch heute mehr Reichtum.
 
@Dion das hab ich auch gelesen und irgendwie kommt es mir kurios vor.
Etwa an der Via Emilia sieht man, wie sich entlang einer Römerstraße noch heute Städte wie Perlen an der Schnur reihen. Freilich könnte die Straße eben da angelegt worden sein, wo die Römer natürliche Gegebenheiten als besonders vorteilhaft erkannten. Da setzt wohl der Artikel im Journal of Comparative Economics an; Wo die antiken Karren später von querfeldein laufenden Kamelkarawanen abgelöst wurden, findet sich die Kontinuität der Siedlungsdichte am antiken Straßennetz nicht; wo es sie andererseits gibt, dürften die antiken Straßen dann wohl wirklich ursächlich gewesen sein.
 
Etwa an der Via Emilia sieht man, wie sich entlang einer Römerstraße noch heute Städte wie Perlen an der Schnur reihen. Freilich könnte die Straße eben da angelegt worden sein, wo die Römer natürliche Gegebenheiten als besonders vorteilhaft erkannten. Da setzt wohl der Artikel im Journal of Comparative Economics an; Wo die antiken Karren später von querfeldein laufenden Kamelkarawanen abgelöst wurden, findet sich die Kontinuität der Siedlungsdichte am antiken Straßennetz nicht; wo es sie andererseits gibt, dürften die antiken Straßen dann wohl wirklich ursächlich gewesen sein.
Ist es nicht eher so, dass siedlungsgünstige Plätze immer wieder bzw. dauerhaft Siedler anlocken? Die Straßen verbinden diese Plätze und sorgen natürlich für mehr Prosperität.
 
Wie wichtig römisches Reich selbst für uns heute war/ist, belegen neue Untersuchungen über das römische Straßennetz – Zitat:

Entlang der Straßen, die die alten Römer in Europa anlegten, gibt es noch heute mehr Reichtum.

@Dion das hab ich auch gelesen und irgendwie kommt es mir kurios vor.

Ich habe den von @Dion verlinkten Artikel auch vor einigen Tagen gelesen und war auch irritiert. Das mag an der Kürze der Zusammenfassung liegen. Ich habe allerdings die Untersuchung nicht gelesen. Unter Roman roads to prosperity: Persistence and non-persistence of public infrastructure - ScienceDirect findet sich das Abstract, das inhaltlich nicht über den Artikel hinausgeht, sogar noch weniger bietet. Zum Artikel selber hat man nur über Paywall bzw. Institution Zugang.

Ist es nicht eher so, dass siedlungsgünstige Plätze immer wieder bzw. dauerhaft Siedler anlocken? Die Straßen verbinden diese Plätze und sorgen natürlich für mehr Prosperität.

In diese Richtung ging auch mein Gedanke.

Mich hat allerdings diese Aussage aus dem Artikel in der Süddeutschen ein wenig irritiert:

Die Autoren veranschaulichen das an Lugdunum, einer Gründung der Römer aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Zu dieser Zeit war das rund 30 Kilometer südlich liegende Vienne das politische Zentrum der Region. Der römische Provinzstatthalter entschied sich aber dafür, die neue Kolonie zum Knotenpunkt zu machen - und eine sagenhafte Entwicklung setzte ein. Heute heißt Lugdunum Lyon und ist die drittgrößte Stadt Frankreichs. Vienne ist eine kleine Ortschaft mit rund 30 000 Einwohnern.​

Ich kenne sowohl Vienne als auch Lyon. Das wesentlich kleinere Vienne (mit einer Reihe von römischen Monumenten) liegt genau wie Lyon an der alten Römerstraße (Arles nach Lyon) und an dem wichtigen Wasserweg zum Mittelmeer, der Rhône. Wenn man mit dem Wagen über die Autobahn aus Deutschland Richtung Südfrankreich fährt, kommt man zwangsläufig an beiden vorbei.

Andererseits denke ich an das in der Antike große und bekannte Augustodunum, das heutige Autun. Auch an einer Römerstraße gelegen, steht es heute im Schatten von Dijon, das in der Antike nur ein unbedeutender Ort war. Anderes Beispiel: Lutetia war eine von vielen Römerstädten im heutigen Frankreich, nicht klein, aber auch nicht besonders bedeutend. Lutetia wurde Paris und ist die Metropole in Frankreich. Andere Römerstädte in Nordfrankreich, wie Senlis, Soissons, Laon, Compiègne sind heute im Vergleich vollkommen unbekannt.

Und dann liegt eine Römerstadt zwangsläufig an einer Römerstraße, irgendwie mußte man doch dahinkommen. Aber wie gesagt, ich habe die Untersuchung nicht gelesen. Da müßte man da noch die Untersuchungmethoden anschauen.
 
Das aus dem Artikel-Abstract zu erschließende Hauptargument ist eben, dass es die Siedlungskontinuität dort nicht gab, wo als Transportmittel Räderkarren durch Kamele ersetzt wurden, denn da spielten seitdem die alten Straßen eine geringere Rolle.
 
Das aus dem Artikel-Abstract zu erschließende Hauptargument (...)
Seidenstraße, Bernsteinstraße - das sind Handelswege, die keine Römerstraßen waren, aber dennoch nicht unerheblich zum "Reichtum", zum wirtschaftlichen florieren des römischen Imperiums beitrugen. Und entlang der Seidenstraße dürfte man durchaus Kamele eingesetzt haben ohne zu verarmen...
Die Römerstraßen im heutigen Rumänien, Ungarn, Bulgarien scheinen nutzlos verpufft zu sein...
 
Allerdings können wir (...) auch nicht
den Wohlstand einer Region einzig aus dem Vorhandensein römischer fester Straßentrassen erschließen, denn es gibt mehr als genug lange florierende Gegenden ohne feste Römerstraßen sowie mehr als genug eher ärmliche Gegenden mit festen Römerstraßen.
(@El Quijote du verzeihst mir, dass ich deinen Satz zitierend modifiziert habe)
 
Richtig. Wir können nur feststellen, dass damals siedlungsgünstige Plätze mit einiger Wahrscheinlichkeit auch später siedlungsgünstig waren und ähnliche Bedingungen ähnliche Folgen nach sich zogen. Die sich ausbreitende Trockenheit in den Regionen südlich des Mittelmeers, zu Zeiten der Römer tw. die Kornkammer des Mittelmeers hat hier zur Abnahme der Siedlungsgunst (bis zum Eindringen des modernen Massentourismus*) geführt.

*Der wiederum hat in einer globalisierten Welt die Eigenart, dass Hotels Thomas Cook oder TUI gehören, Bier aus Amsterdam oder dem Sauerland verkauft wird und Gewinne daher nicht im Land verbleiben, sondern wieder herausgezogen werden.
 
Richtig. Wir können nur feststellen, dass damals siedlungsgünstige Plätze mit einiger Wahrscheinlichkeit auch später siedlungsgünstig waren und ähnliche Bedingungen ähnliche Folgen nach sich zogen. Die sich ausbreitende Trockenheit in den Regionen südlich des Mittelmeers, zu Zeiten der Römer tw. die Kornkammer des Mittelmeers hat hier zur Abnahme der Siedlungsgunst (bis zum Eindringen des modernen Massentourismus*) geführt.
Das ist nicht die Idee des Artikels "Roman Roads to Prosperity". Trocken wurde es ja großräumig an der Südküste des Mittelmeers. Trotzdem gab und gibt es da natürlich weiterhin Siedlngsschwerpunkte, aber die liegen (laut Artikel) nicht mehr so eng an den Römerstraßen wie im Norden, eben aus den genannten Gründen.

Das ist halt ein Beispiel für den Versuch, eine Hypothese ("die Entscheidungen über Straßenverläufe von damals haben in Europa noch heute Effekte auf die Raumstruktur") empirisch zu testen. Und der Artikel behauptet ganz bestimmt nicht, dass der Wohlstand einer Region einzig aus dem Vorhandensein römischer fester Straßentrassen erschlossen werden kann.
 
Und der Artikel behauptet ganz bestimmt nicht, dass der Wohlstand einer Region einzig aus dem Vorhandensein römischer fester Straßentrassen erschlossen werden kann.
Eben. Es gibt viele Gründe, warum manche Städte/Regionen prosperierten und andere nicht. Und warum das nicht in jedem Fall so blieb.

In einem anderen Faden habe auf einen Einwand u.a. Folgendes geschrieben: Es geht hier um den Vergleich unter unmittelbar benachbarten Bereichen: Auf der einen Seite die Umgebung der ehemaligen römischen Straßen, und auf der anderen Seite um die von diesen Straßen etwas weiter (60 km?) entfernten Bereiche.

Ähnliches Phänomen war und ist auch später bei der Eisenbahn zu beobachten: Städte/Regionen, die einen Bahnanschluss hatten, prosperierten mehr als jene Städte/Regionen, die das nicht hatten; und noch heute kämpfen die an einer Bahnstrecke benachbarten Städte um ICE Haltebahnhöfe, weil diese Unternehmensansiedlungen erleichtern. Und wenn eine Stadt schon eine bedeutende Industrieansiedlung hat, dann wird gedroht wegzuziehen, wenn der ICE Bahnhof nicht kommt - so geschehen bei Kronach/Lichtenfels.
 
Und der Artikel behauptet ganz bestimmt nicht, dass der Wohlstand einer Region einzig aus dem Vorhandensein römischer fester Straßentrassen erschlossen werden kann.
und was besagen oder gar belegen dann die Römerstraßen im Artikel?

mir drängt sich dazu auf:
welche Römerstraßen sind denn nach der Völkerwanderungszeit weiterhin in Stand gehalten und kontinuierlich genutzt worden?
 
mir drängt sich dazu auf:
welche Römerstraßen sind denn nach der Völkerwanderungszeit weiterhin in Stand gehalten und kontinuierlich genutzt worden?
Im Abstract steht:
Studying channels of persistence, we also identify the emergence
of market towns during the early medieval period and the modern era as a robust
mechanism sustaining the persistent effects of the Roman roads network.

Übrigens sehe ich gerade, dass eine Working Paper-Fassung heruntergeladen werden kann:
https://web.econ.ku.dk/pabloselaya/papers/RomanRoads.pdf
 
Übrigens sehe ich gerade, dass eine Working Paper-Fassung heruntergeladen werden kann:
https://web.econ.ku.dk/pabloselaya/papers/RomanRoads.pdf
Hab es gerade überflogen - die beiden Abbildungen mit Römerstraßen und "Nachtlicht": das Ergebnis wäre dasselbe, wenn statt der Straßen die größeren römischen Siedlungen eingetragen wären (so mein Eindruck) man würde eine pseudokausale Korrelation zwischen römischen Siedlungsschwerpunkten und heutigen Prosperitätsarrealen "sehen"...
 
Hab es gerade überflogen - die beiden Abbildungen mit Römerstraßen und "Nachtlicht": das Ergebnis wäre dasselbe, wenn statt der Straßen die größeren römischen Siedlungen eingetragen wären (so mein Eindruck) man würde eine pseudokausale Korrelation zwischen römischen Siedlungsschwerpunkten und heutigen Prosperitätsarrealen "sehen"...
In dem Artikel wird das Imperium in knapp 700 Gebiete unterteilt und dann gezeigt, dass es in so einem Gebiet einen statistisch signifikanten positiven Zusammenhang gibt zwischen der Dichte der Römerstraßen und der heutigen ökonomischen Aktivität.
Das klappt für die Gebiete südlich des Mittelmeers nicht, und die Begründung ist eben die Aufgabe des Ochsenkarren-Verkehrs. Alternativ müsste man zeigen, dass die muslimischen Eroberer die Bevölkerung aus einem Großteil der alten Siedlungen abgezogen haben (und dass das nicht etwa mit der Zeit von selbst passiert ist, weil die Anbindung ans Straßennetz kein Vorteil mehr war).
 
Das klappt für die Gebiete südlich des Mittelmeers nicht, und die Begründung ist eben die Aufgabe des Ochsenkarren-Verkehrs.
Die Begründung ist dann doch etwas dürftig. Sie unterschlägt nämlich den Raubbau an der Natur im Mittelmeerraum, die Abholzung mediterraner Wälder für den Bau von Flotten und zur Verhüttung von Metall, Nordafrika war noch zu römischen Zeiten bewaldet und landwirtschaftlich prosperierend. Über Generationen haben die Menschen immer weiter Wälder abgeholzt und somit unwissentlich Terraforming betrieben. Irgendwann war es vorbei mit landwirtschaftlicher Prosperität der Kornkammer Roms. Die Verlagerung des Transports vom Ochsenkarren aufs Kamel (wenn man das überhaupt so sagen kann), war eher die Folge desselben Problems, als der Grund für die Veränderung.
 
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