Die DDR - Verklärung oder Unterschlagung

Tib. Gabinius

Aktives Mitglied
Das Thema soll dazu dienen über die DDR und ihren Umgang mit den Bürgern, ihre gute Seiten und schlechten dienen. Da an anderer Stelle derartiges aufkam.

Letztes Beispiel:

Leopold Bloom schrieb:
Ich finde, dass es durchaus Themen gibt, bei denen der DDR ihre Bevölkerung mit Verlaub sch....egal war. Thema "Republikflucht" z.B. oder das gezielte Doping ohne Wissen vieler Sportler mit gleichzeitiger Unkenntnis sämtlicher Spätfolgen....etc....

Viel Spaß bei der Diskussion (so es eine gibt).
 
Ich wills auch gern begründen: Da haben wir einen Staat, der systematisch seine Bürger bespitzelt und schikaniert (ich hab zum Thema "Ausreise" genug gehört, und wenn nur die Hälfte davon stimmt, reichts....)
...wir haben einen Staat der systematisch Wahlen fälscht (übertroffen nur durch Saddams 100%)....ein Einparteiensystem, das rigide alles einschränkt, was entfernt nach Freiheit klingt....
Ich hab dort nie gelebt, aber ich hab genug familienbiographische Verbindungen und genug selbst gesehen (zugegebenermaßen als Heranwachsender) um zu wissen, dass dies keine Alternative sein kann.....
 
"Das war doch ein großer Versuch hier.
Das war doch eine Revolution.
Bei allem Mist, bei aller Dummheit, ihr wart doch dabei.
Das sollte doch eine Welt werden, in der das Geld nicht alle Dinge regelt.
Warum glaubt ihr nicht mehr daran?
Warum glaubt ihr nicht mehr an euch selbst?"

(Die Stille nach dem Schuß)
 
Wir hatten die Diskussion über den Totalitarismus versus angeblicher Demokratie in der DDR hier im Forum schon mal. Ebenso die verblüffenden Ähnlichkeiten bei der "Umerziehung" der
Jugend.
Dinge aus der Vergangenheit werden, dies ist psychologisch erklärbar, leicht verklärt, bzw.
man erinnert sich häufig nur an positive Dinge und Erlebnisse.
Was die Unterschlagung von Leistungen der DDR betrifft, so haben da die Wessis häufig eine selektive Wahrnehmung, weil sie ja die Verhältnisse in der DDR nicht miterlebt haben.
Mir fällt hier z.B. die Förderung der Allgemeinmedizin mit entsprechender Weiterbildung
welche wesentlich besser geregelt war, als im chefarztdominierten Westen, ein.
 
Sicher ist das Modell "DDR" ist an vielen Unzulänglichkeiten gescheitert und hat grundlegende Konstruktionsfehler gehabt, was Menschenrechte, Demokratie und Wirtschaft betraf. Dem gegenüber gab es eine Menge guter Ansätze, die dem System "BRD" weit voraus waren.
Viele ehemalige DDR-Bürger haben sich das System "BRD" gewünscht und die meisten derer, die davon nichts hielten, bzw. skeptisch waren, haben sich im Laufe der Zeit damit arrangiert.
Nur leider scheint jetzt der Punkt angelangt, an dem dieses bewährte System "BRD" nicht mehr so richtig funktioniert, weil es besonders z.B. in Westberlin als hochgezogene Konkurrenz zur DDR aufgebaut wurde. Dies ist nun nicht mehr notwendig und jetzt zeigt das System "BRD" langsam immer stärker sein wahres Gesicht.
Die gleiche Frage, wie zur Zeit der Bürgerrechtsbewegungen in der Wendezeit steht heute aktueller denn je. Wir müssen einen 3. Weg finden, eine Alternative zu reiner Planwirtschaft und reiner Marktwirtschaft. Wir brauchen eine Wirtschaft, die die Interessen aller berücksichtigt.
 
Strupanice schrieb:
Wir müssen einen 3. Weg finden, eine Alternative zu reiner Planwirtschaft und reiner Marktwirtschaft. Wir brauchen eine Wirtschaft, die die Interessen aller berücksichtigt.


Den kann es so aber wohl kaum geben. Vielleicht war der "BRD-Sozialismus bis in die 80er-Jahre hinein" so eine Art "3.Weg"....nur hat das damals keiner gemerkt.....
Ich weiß, dass dies gewiss nicht alle sind und wohl schon gar nicht die Mehrheit, aber den "motzenden" Leuten in den neuen Bundesländern würd ich schon mal gern die Frage stellen, wie es denn in den postsozialistischen Ländern aussieht, die keinen "reichen Bruder" haben, der milliardenweise Geld hineinpumpt. Dabei gehts nun nicht um "Dankbarkeit" o.ä.....nur tut sich die ukrainische oder moldawische Volkswirtschaft ungleich schwerer.....Natürlich mag jetzt dort nicht alles positiv sein und sicher mag es Gründe für Klagen geben....wer sich aber die DDR verklärt, der hat nichts verstanden.....



wthurner schrieb:
Mir fällt hier z.B. die Förderung der Allgemeinmedizin mit entsprechender Weiterbildung

Da kennst du dich wohl besser aus. Mir gehts aber mehr ums Gesamtsystem DDR. Dass es vielleicht einzelne Punkte gegeben haben mag, die durchaus positiv waren, bestreite ich nicht....
 
Was mich interessiert ist, wie war es wirklich in der DDR zu leben. Denn bei uns in der Schule hörte der Geschichtsunterricht bei der Mauer auf. Ich habe zwar eine Freundin aus Ostberlin, die auch sehr viel erzählt hatte, sie meine aber Ostberlin war nicht die DDR. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr unterschiedlich war, je nachdem wo man lebte. Jeder Mensch nimmt ja seine Geschichte anders auf, als wir Aussenstehende.

Was mir aufgefallen ist, das die im Westen immer besser wussten wie man in der DDR gelebt hat, als die welche in der DDR aufgewachsen sind.
 
ursi schrieb:
Was mich interessiert ist, wie war es wirklich in der DDR zu leben. Denn bei uns in der Schule hörte der Geschichtsunterricht bei der Mauer auf. Ich habe zwar eine Freundin aus Ostberlin, die auch sehr viel erzählt hatte, sie meine aber Ostberlin war nicht die DDR. Ich kann mir vorstellen, dass es sehr unterschiedlich war, je nachdem wo man lebte. Jeder Mensch nimmt ja seine Geschichte anders auf, als wir Aussenstehende.

Was mir aufgefallen ist, das die im Westen immer besser wussten wie man in der DDR gelebt hat, als die welche in der DDR aufgewachsen sind.


Das sind die sog. Besserwessis ! Die gibts immer mehr , weil viele von denen nie in der
DDR waren und bis heute die Länder nicht besuchen. :rolleyes:
 
Es gibt auch viele, die denken, den Menschen in der DDR ging es schlecht, da sie keine "Westgüter" (sein es Nahrungsmittel oder Bekleidungsartikel usw.) hatten. Was man allerdings nicht kennt, kann man auch nicht vermissen. :yes:

Ich persönlich habe nicht mehr viel von der DDR mitbekommen, da ich erst 1983 geboren bin. Was ich aber sagen kann ist, dass mir von vielen westlichen Bekanntschaften (entschuldigt den Ausdruck) immer Verwunderung entgegen geschlagen ist, wenn ich erzählt habe, dass wir z.B. auch Bananen hatten (und das öfter als 1 mal im Jahr). Allerdings komme ich aus (Ost-) Berlin. In ländlichen Gegenden war die Versorgung eine völlig andere. Dort lebte man zu einem großen Teil auch vom eigenen Anbau/ Züchtung.
 
Ja nun gut....mag sein....allerdings gibts durchaus auch einen Unterschied zwischen persönlicher (subjektiv positiv empfundener) Geschichte und allgemeiner Geschichtsschreibung. Für die allermeisten, die in der DDR aufgewachsen sind und gelebt haben, mag es eine ganz stinknormale Biographie sein: Sie haben wie (fast) alle anderen Menschen Windeln vollgeschissen, im Sandkasten gebuddelt, sich verliebt, die "falsche" Musik gehört, hatten Liebeskummer, sind in den Urlaub gefahren, haben sich verheiratet und wieder scheiden lassen und sind ihrem Hobby nachgegangen.

So gesehen unterscheidet sich das in keinster Weise zu jetzt und hier und heute.....
 
Muck134 schrieb:
Ich persönlich habe nicht mehr viel von der DDR mitbekommen, da ich erst 1983 geboren bin. Was ich aber sagen kann ist, dass mir von vielen westlichen Bekanntschaften (entschuldigt den Ausdruck) immer Verwunderung entgegen geschlagen ist, wenn ich erzählt habe, dass wir z.B. auch Bananen hatten (und das öfter als 1 mal im Jahr). Allerdings komme ich aus (Ost-) Berlin. In ländlichen Gegenden war die Versorgung eine völlig andere. Dort lebte man zu einem großen Teil auch vom eigenen Anbau/ Züchtung.


Entschuldige, wenn ich kurz in den Humorteil wechsle: Bananen in der Oberlausitz? :rofl: :p :king:
 
Leopold Bloom schrieb:
Entschuldige, wenn ich kurz in den Humorteil wechsle: Bananen in der Oberlausitz? :rofl: :p :king:
*Hust* Nun ja, vielleicht hat es ja einige (klägliche) Versuche gegeben, die gelben Früchte anzubauen ;) :rofl:

Ein Hoch auf die Zweideutigkeit :bet:
 
Einen guten Einblick in das Alltagsleben der Menschen in der "späten" DDR gibt die Diss. von Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herrschaft in der DDR 1971 - 1989. Bonn 1999. (erhältlich auch bei der Bundeszentrale für 2€).

http://www.bpb.de/publikationen/08306124572487435215113173856865,,0,Die_heile_Welt_der_Diktatur.html

"Es war ein dauernder Seiltanz zwischen Anpassung und Aufbegehren: Die Widrigkeiten der Mangelwirtschaft, der politische Druck und die schönen und idyllischen Seiten des DDR-Alltags. Stefan Wolle gelingt es, die widersprüchlichen Bilder einer untergegangenen Welt zusammenzufügen. Er macht deutlich, dass die liebevoll hergerichteten Vorgärten der Datschensiedlungen und die sauber geharkten Todesstreifen an der Staatsgrenze zwei Seiten eines Systems darstellten.

Der Autor erzählt die Geschichte der siebziger und achtziger Jahre der DDR als die kollektive Biografie ihrer Bewohner mit wissenschaftlichem Anspruch, aber gleichzeitig mit dem Mut zu einer radikalen Subjektivität. Die immer wieder gescheiterten Hoffnungen auf einen menschlichen und demokratischen Sozialismus wie auch die Versuche der Menschen, sich geistige Feiräume zu erschließen, lässt weder eine Verklärung noch eine Dämonisierung des SED-Staats zu.

Einige diese Ambivalenz der heilen Welt der Diktatur illustrierende Fotos sowie ein Anhang mit Personenregister, einem Verzeichnis weiterführender Literatur und einer Zeittafel vervollständigen die Monographie."

Zum ewigen Thema Konsum in der DDR:
Annette Kaminsky, Wohlstand, Schönheit, Glück. Kleine Konsumgeschichte der DDR. München 2001. und
Annette Kaminsky, Kaufrausch. Die Geschichte der ostdeutschen Versandhäuser. Berlin 1998.
 
Ich war als Kind häufig in der DDR (Urlaub bei Verwandten) , nervig waren ausser der 2 stündigen Grenzkontrolle, das ständige Melden bei der Polizei. Sonst fand ich sehr immer sehr lustig drüben.
Wundern tu ich mich aber heute noch über das nach Banane schmeckende Speiseeis mit der Konsistenz von Kaugummi (nach dem schmelzen!)
 
Das ewige: was war gut, was war schlecht. Und zum Schluß wird zusammengerechnet. Wieso rechnet keiner das Gute und das Schlechte des Heute in Deutschland zusammen? Über Dinge, die wir nicht zurückhaben wollen, können wir jahrzehntelang aufrechnen und runterrechnen. Und kommen immer zum selben Ergebnis: es war nicht alles schlecht. Oder es war alles schlecht.
Wahlfälschungen, Einparteiensystem, Bespitzelung: das gibts auch heute noch in Deutschland. Das reißt mich nicht vom Hocker.
Und überhaupt: man kann nicht vergleichen mit DDR und BRD. In der DDR gab es Menschen, die sich trauten auf die Straße zu gehen und das System zum Teufel jagten.
Das soll der Westen erst mal nach machen.
 
Hurvinek schrieb:
Das ewige: was war gut, was war schlecht. Und zum Schluß wird zusammengerechnet. Wieso rechnet keiner das Gute und das Schlechte des Heute in Deutschland zusammen? Über Dinge, die wir nicht zurückhaben wollen, können wir jahrzehntelang aufrechnen und runterrechnen. Und kommen immer zum selben Ergebnis: es war nicht alles schlecht. Oder es war alles schlecht.
Wahlfälschungen, Einparteiensystem, Bespitzelung: das gibts auch heute noch in Deutschland. Das reißt mich nicht vom Hocker.
Und überhaupt: man kann nicht vergleichen mit DDR und BRD. In der DDR gab es Menschen, die sich trauten auf die Straße zu gehen und das System zum Teufel jagten.
Das soll der Westen erst mal nach machen.


Wo vermutest Du denn Wahlfälschung und Einparteiensystem. Für so eine Mutmaßung
bräuchte man aber was Verwendbares ! :confused:
 
Nun, selbst wenn es kein Wahlvfälschung und kein Einparteiensystem gibt, so gibt es doch auch eine Scheindemokratie! Genauso wie in den USA!

Mal ehrlich, man hat doch im Prinzip nur die Wahl zwischen CDU und SPD (ich zähl die Kleinen nicht, weil sie nicht genug Stimmen bekommen würden!)! Und welche Partei macht es besser? Gar keine, weil sich beide darauf konzentrieren dem anderen eins auszuwischen! Keine regiert mehr im Sinne des Volkes, sondern nur noch im Sinne der Grounternehmen!
 
Einparteiensystem - auch so eine falsche DDR-Legende.


Die Nationale Front (bis 1973 Nationale Front des Demokratischen Deutschlands) war ein Zusammenschluss aller politischen Parteien und Massenorganisationen wie FDGB und FDJ in der ehemaligen DDR unter der Führung der SED. Dieses Bündnis war für die ideologische Vorbereitung der Wahlen und die Erstellung der gemeinsamen Listen der Wahlkandidaten zuständig.


Folgende Parteien und Organisationen waren zur Nationalen Front zusammengeschlossen:
http://www.calsky.com/lexikon/de/txt/n/na/nationale_front__ddr_.php


Natürlich gab es ein unabänderliches Primat der SED, trotzdem gab es die anderen Parteien und sie waren auch in der Volkskammer vertreten.
Für viele Akademikerberufe war eine Parteimitgliedschaft fast zwingend erforderlich. Alle die aus ideologischen Gründen nicht der SED beitreten wollten, blieb dafür immer noch eine der anderen Parteien, beispielsweise die CDU. Die Ost-CDU war natürlich eine kommunistische Partei (wie alle DDR-Parteien), auch wenn viele die heute noch in der CDU sind das nicht wahrhaben wollen. Stichwort "Blockflöten".
 
Lord Vader schrieb:
Nun, selbst wenn es kein Wahlvfälschung und kein Einparteiensystem gibt, so gibt es doch auch eine Scheindemokratie! Genauso wie in den USA!

Mal ehrlich, man hat doch im Prinzip nur die Wahl zwischen CDU und SPD (ich zähl die Kleinen nicht, weil sie nicht genug Stimmen bekommen würden!)! Und welche Partei macht es besser? Gar keine, weil sich beide darauf konzentrieren dem anderen eins auszuwischen! Keine regiert mehr im Sinne des Volkes, sondern nur noch im Sinne der Grounternehmen!
wo (in zivilisierten ländern) ist es denn nicht so, dass zwei grossparteien abwechslungsweise von der regierungsverantwortung abgewählt werden und dabei mit einigen kleinen koalieren können?
mal abgesehen von der schweiz, aber da ist noch viel mehr "scheindemokratie" vorhanden als irgendwo anders in einem demokratischen land.
 
Lord Vader schrieb:
Nun, selbst wenn es kein Wahlvfälschung und kein Einparteiensystem gibt, so gibt es doch auch eine Scheindemokratie! Genauso wie in den USA!

Mal ehrlich, man hat doch im Prinzip nur die Wahl zwischen CDU und SPD (ich zähl die Kleinen nicht, weil sie nicht genug Stimmen bekommen würden!)! Und welche Partei macht es besser? Gar keine, weil sich beide darauf konzentrieren dem anderen eins auszuwischen! Keine regiert mehr im Sinne des Volkes, sondern nur noch im Sinne der Grounternehmen!


Da unterschlägst Du aber die Grünen z.B. Von denen wurde bei der Gründung ein schnelles Ende erwartet, heute sind sie mit an der Regierung. Es liegt bei jedem Einzelnen sich für eine
Partei oder Richtung zu entscheiden- das ist die Meinungsfreiheit, die in der bisher besten deutschen Verfassung verankert ist. Wenn Du die Verfassungsgeschichte Deutschlands seit der Reichsgründung 1871 verfolgst müßtest Du eigentlich optimistischer sein.
Viele Parteien zu haben ist noch nicht Ausdruck von demokratischem Konsens, wie die Weimarer Republik zeigt.
 
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