Die Erotika Pathemata des Parthenios

Eumolp

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Da ich mich insbesondere für die kulturellen Aspekte der Griechen interessiere und damit auch für ihr erotisches Empfinden, bin ich auf dieses Buch gestoßen: Liebesleiden in der Antike, Die Erotika Pathemata des Parthenios, hrsg von Kai Brodersen. Da es nur 7.90 kostet, gönne ich es mir, auch wenn ich den Parthenios gar nicht kenne. Kennt jemand diese Texte (in der wikipedia ist nur wenig davon zu lesen)?
 
Mittlerweile habe ich das Buch erhalten und beantworte dann am besten selbst meine Frage. Vlt interessiert der Autor ja d(en)(ie) eine(n) oder andere(n).

Parthenios stammte aus oder um Nikaia in Bithynien, einem kleinen hellenistischen Königreich in Nordwestkleinasien, das im frühen 1. Jahrhundert v. Chr. von König Nikomedes IV regiert wurde. Als dieser 74 v. Chr. starb, fiel der im benachbarten Reich von Pontos herrschende König Mithridates VI. über Bithynien her und annektierte es. Rom jedoch nahm dies sogleich zum Anlaß, selbst einzugreifen, und eroberte Nikaia im Jahr 73 v. Chr.
Offenbar in diesem Zusammenhang geriet P. in römische Gefangenschaft und Sklaverei. Als sein Herr erscheint ein gewisser Cinna, der ihn offenbar seiner Bildung wegen aus der Kriegsbeute erwarb. P. wurde der Lehrer des Gaius Helvius, Cinnas Sohnes. Der wurde selbst ein erfolgreicher Dichter, dessen Klein-Epos Zmyrna die hellenistische Dichtungstradition des Kallimachos aufnahm und die Zeitgenossen sehr beeindruckte, darunter Catull.
Wegen seiner Verdienste wurde P. freigelassen. Möglicherweise verließ er die Stadt Rom: Mehrfach ist belegt, daß er ein Lehrer des römischen Dichters Vergil war, der sich seinerzeit vor allem in Neapel aufhielt. Immer wieder wird Parthenios als Dichter bezeichnet, ohne dessen Vermittlung hellenistischer Dichtung nicht denkbar wären.
Überhaupt scheint P. schon zu Lebzeiten zum 'Schulautor' geworden zu sein: In seinem Werk De sententüs medicorum berichtet Galen von einer Anekdote, worin zwei Lehrer über seine Verse streiten.
Auch der spätere Kaiser Tiberius zählte zu den Bewunderern des Parthenios. Wahrscheinlich hat diese Tradition dazu geführt, daß ihm die Suda eine unmöglich lange Lebenszeit attestiert, nämlich bis in die Herrschaftszeit des Tiberius (14-37 n. Chr.) - unmöglich deshalb, weil Parthenios bei der Eroberung von Nikaia 73 v. Chr. bereits gebildet genug war, um als Lehrer eingesetzt zu werden.
Eine Inschrift aus Rom, die anläßlich der Wiedererrichtung von Parthenios' Grab aufgestellt wurde und ein Gedicht - wohl von Kaiser Hadrian selbst - wiedergibt, preist ihn als „immer geehrt von den geehrten Anführern", also den römischen Kaisern. Die gelehrten Mönche des Mittelalters hatten freilich nicht viel übrig für Texte zu so „blinden und widerwärtigen" Dingen wie der Liebe - und so erklärt sich, daß Parthenios' Dichtung fast völlig verloren ist.

Demnächst mehr über die "Liebesleiden" dieses Autors.
 
Es gibt wohl Threads zur Diskussion und solche zur Info. Hier ist der 2. Typus.

Mein Eindruck vom Buch ist: ja, es sind die Texte samt Übersetzung darin, immerhin! Wie gut die Übersetzung ist, kann ich nicht einschätzen, aber was geradezu heraussticht, ist das Fehlen von Anmerkungen! Ich hatte mir den Dialog amatores von Plutarch (Mohr & Siebeck) gekauft --- eine ganz andere Welt! Zu beinahe jedem Begriff eine ellenlange Anmerkung, oftmals in die Tiefe gehend. Hier: nullum! Das ist ein klares Manko, und jeder, der sich wissenschaftlich mit Parthenios auseinandersetzen möchte, ist mit Jane Lightfoots Standardwerk besser bedient.

Ich will aber nicht wissenschaftlich werden, sondern den Interessenten der Heldenepen Material liefern.

Mit wem hatte es Odysseus noch? Mit...

Polymele
(1) Als Odysseus um Sizilien herum und auf dem tyrrhenischen und sizilischen Meer umherirrte, kam er zu Aiolos auf die Insel Meligunis. Aiolos behandelte ihn - den Ruhm seiner Klugheit bewundernd - mit großer Hochachtung, befragte ihn zur Geschichte von der Er-oberung Troias und zu der Weise, auf die den Heimkehrern aus Ilion die Schiffe abhanden gekommen waren, und nahm ihn für eine lange Zeit gastfreundlich auf.
(2) Auch Odysseus selbst war freilich über den Aufenthalt sehr er-freut. Polymele nämlich, eine der Töchter des Aiolos, hatte sich in ihn verliebt und schlief heimlich mit ihm. Als er aber die eingeschlossenen Winde erhalten hatte, segelte er ab. Man fand nun heraus, daß das Mädchen manches aus der Beute von Troia besaß und sich damit unter vielen Tränen abschleppte.
(3) Da verwünschte Aiolos den Odysseus, auch wenn dieser nicht mehr anwesend war; auch hatte er vor, Polymele zu bestrafen. Doch wie Tyche es wollte - war ihr Bruder Diores in sie verliebt, der für sie eintrat und den Vater dazu bewog, sie ihm zur Frau zu geben.
(Dies) erzählt Philitas im„ Hermes".

Und was geschah, als der Schlingel Odysseus glücklich mit seiner Penelope vereint war? Er buhlte mit...

Euhippe
(1) Nicht nur bei Aiolos verging sich Odysseus, sondern schändete auch noch nach seiner Irrfahrt, als er die Freier getötet hatte und dann wegen bestimmter Orakelsprüche nach Epeiros gekom-men war, die Tochter des Tyrimmas, Euhippe. Tyrimmas hatte ihn freundlich empfangen und mit allem Wohlwollen gastfreundlich aufgenommen. Einen Sohn also bekam Odysseus von Euhippe: Euryalos.
(2) Diesen schickte die Mutter, als er herange-wachsen war, nach Ithaka und gab ihm be-stimmte Erkennungszeichen mit, die in einem Heft versiegelt waren. Wie Tyche es wollte, war Odysseus gera-de nicht anwesend, doch Penelope erkann-te dies - sie hatte bereits auf anderem Wege von der Liebschaft mit Euhippe erfahren - und bewog Odysseus nach seiner Rückkehr - noch bevor er etwas davon erführe, wie es sich damit verhalte - dazu, Euryalos zu töten, da ihm jener nach dem Leben trachte.
(3) Odysseus also wurde aufgrund seiner Un-beherrschtheit und auch sonst keineswegs milden Art zum Mörder seines Sohnes. Und nicht lange, nachdem er dies getan hatte, kam er, durch seine eigene Nachkommenschaft vom Stachel eines Meerrochens verwundet, selbst ums Leben.
(Dies) erzählt Sophokles im „Euryalos".

So wissen wir also endlich, dank Parthenios, wie Od. ums Leben kam.
 
Noch nie was von Parthenios gehört, hört sich interessant an.

Der Titel alleine schreibt Bände...
Die erotischen Leiden/Erlebnisse des Jungfräulichen =)

Parthenios = Der jungfräuliche
 
Es gibt wohl Threads zur Diskussion und solche zur Info. Hier ist der 2. Typus.

Mach dir nichts draus, ich habe hier auch schon mal Selbstgespräche geführt. Doch anhand der Hits sah ich, dass zumindest einige Gäste durch google auf das Thema stießen, und es nicht umsonst war.
Also am besten weitermachen.:winke:
:yes:
 
Noch nie was von Parthenios gehört,
Nach der Biographie soll er ja im 1.Jhr. v + nChr ein "Klassiker" gewesen sein, der in der Schule gelehrt wurde. So schnell transit gloria mundi! Wer kennt zB heute noch Gustav Freytag, der Ende 19.Jrh berühmt und hochgeehrt war? Oder Joris Huysmans, den Erfinder der Literatur der Decadence?
Parthenios = Der jungfräuliche
*lol* Erinnert mich an Madonna.

Mach dir nichts draus, ich habe hier auch schon mal Selbstgespräche geführt. Doch anhand der Hits sah ich, dass zumindest einige Gäste durch google auf das Thema stießen, und es nicht umsonst war.
Also am besten weitermachen.
Mach ich. Die Hits sind wichtig, denn zur Selbstbefriedigung soll's auch nicht dienen. - Denn mal wieder eine Geschichte rund um die Ilias.


Peisidike (Hochverrat aus Liebe)

(1) Man erzählt auch, daß Achilleus auf seiner Fahrt, während er die dem Festland nahen Inseln verwüstete, in Lesbos gelandet sei; hier habe er jede von den Städten angegriffen und geplündert.

(2) Als aber die Bewohner von Methymna mit aller Kraft Widerstand leisteten und er in große Verlegenheit geraten war, weil er die Stadt nicht einnehmen konnte, habe eine gewisse Peisidike aus Methymna, die Tochter des Königs, Achilleus von der Mauer aus erblickt und sich sogleich in ihn verliebt. So habe sie ihre Amme zu ihm geschickt und die Übergabe der Stadt versprochen, wenn er sie zur Ehefrau nehmen würde.

(3) Er willigte zwar vorerst ein, als er sich aber der Stadt bemächtigt hatte, befahl er aus Empörung über das Tun des Mädchens seinen Soldaten, es zu steinigen. Dieses Leiden erwähnt auch der Verfasser der „Gründung von Lesbos" in folgenden Versen:

Dort erschlug der Peleide den Heros Lampetos,
Hiketaon sodann, den Sohn des edlen Lepetymnos
und der Methymna, der alle an Wehrhaftigkeit überragte,
den leiblichen Bruder des Helikaon in der Heimat
Hypsipylos, den so großen (Lücke im Text)
die blühende Kypris stürzte sie alle.
Betörte für Aiakos' Sohn sodann die Sinne des Mädchens,
Peisidikes: Als sie ihn sah bei den Helden Achaias
strahlend im Schlachtengewühl, erhob in die Luft sie, die feuchte,
oftmals betend die Hände empor, sich Liebe erflehend.

(4) Und ein wenig weiter unten:
Sie aber nahm sogleich das achansche Heer in der Heimat
die Jungfrau, indem sie die Schlösser der Tore entriegelt',
und sie ertrug es, mit eigenen Augen zu sehen die Eltern,
wie sie vom Erze durchstoßen, die Sklavenfesseln der Frauen
zu den Schiffen geschleppt, weil Achilleus dies hatte versprochen:
Nur um der glänzenden Thetis Schwiegertochter zu werden,
um mit dem Stamm des Aiakos sich zu verschwägern, in Phthias
Häusern zu wohnen als ehrbare Frau des Helden, auch wenn er
sich weigerte, lachte sie über den schnöden Verrat ihrer Heimat.
So nun war sie in unsel'ger Ehe vereint mit des Peleus
Sohn; durch die Hände argivischer Krieger starb sie im Unglück:
Eifrig warfen sie riesige Steine auf sie, ihr zum Tode.
 
...Man erzählt auch, daß Achilleus auf seiner Fahrt, während er die dem Festland nahen Inseln verwüstete, in Lesbos gelandet sei; hier habe er jede von den Städten angegriffen und geplündert.

(2) Als aber die Bewohner von Methymna mit aller Kraft Widerstand leisteten und er in große Verlegenheit geraten war, weil er die Stadt nicht einnehmen konnte, habe eine gewisse Peisidike aus Methymna, die Tochter des Königs, Achilleus von der Mauer aus erblickt und sich sogleich in ihn verliebt. So habe sie ihre Amme zu ihm geschickt und die Übergabe der Stadt versprochen, wenn er sie zur Ehefrau nehmen würde.

(3) Er willigte zwar vorerst ein, als er sich aber der Stadt bemächtigt hatte, befahl er aus Empörung über das Tun des Mädchens seinen Soldaten, es zu steinigen.

Und wer von beiden hat nun den größere Verrat begangen?
 
Und wer von beiden hat nun den größere Verrat begangen?

Ich denke, darum geht es hier.

Archaische Moralvorstellungen haben nichts, aber auch gar nichts dagegen, eine fremde Stadt einzunehmen, die Männer zu töten und Frauen und Kinder in die Sklaverei zu schicken. <= Das war sogar ein echter Standardsatz, den man bei Homer oder Hesiod sehr häufig liest. Auch Hinterlist und Verrat sind durchaus adäquate Mittel, den Feind zu besiegen.

Begeht man aber Verrat an der eigenen Stadt um der schnöden Liebe, d.h um ein privates Gefühl, willen, rief das Empörung hervor.
 
Ich denke, darum geht es hier.

Archaische Moralvorstellungen haben nichts, aber auch gar nichts dagegen, eine fremde Stadt einzunehmen, die Männer zu töten und Frauen und Kinder in die Sklaverei zu schicken.[...] Begeht man aber Verrat an der eigenen Stadt um der schnöden Liebe, d.h um ein privates Gefühl, willen, rief das Empörung hervor.

Aber was macht Achilles dann später als er vor Troja liegend seine Dienste verweigert, weil ihm seine frisch erbeutete Sklavin weggenommen wurde? So richtig verliebt war Achilles wahrscheinlich nicht, eher im Stolz verletzt, aber dennoch hat er wegen einer Frau die gemeinsame Mission gefährdet und seine Kameraden im Stich gelassen. Die Folgen kennen wir: Patroklos und Hektor mussten dafür mit dem Leben bezahlen - Achilles erst am Ende als sein Werk heldenhaft vollbracht und der kampf um Troja gewonnen war...
 
Ja klar, aber das ist ja der ganze ungeheure Vorgang, weswegen die Ilias geschrieben wurde. Selbst die Götter empören sich über den Helden, den "Göttergleichen", und am Ende muss Hermes persönlich den Leichenfrevel verhindern, den Achill sich anmaßt.

Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus,
Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte,
Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Aïs
Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden,
Und dem Gevögel umher. So ward Zeus Wille vollendet:
[...]
Wer hat jene der Götter empört zu feindlichem Hader?

Zum Trojanischen Krieg passt ebenso der Raub der Helena, gewissermaßen als Kontrast: Paris hatte der Schönheit der Helena nicht widerstehen können und so einen großen Krieg ausgelöst.

Paris und Achill freveln beide für ihre Liebe bzw Stolz, daher müssen beide ehrlos sterben: Achill durch Paris' Hinterlist, Paris selbst stirbt wegen seiner Liebe zu Helena ebenfalls qualvoll.
 
Ich kann zwar nicht viel zum "Liebesleben" beitragen, aber gerade bei der Ilias sollte man nicht vergessen, dass wohl auch, zumindest für die Homerische Zeit, politische Abläufe und Grundregeln dargestellt werden. So ist das griechische Heer ja nicht ein geschlossener Staat der vor Troja aufkreuzt sondern die Summe mehrerer Einzelherrscher die dem vermeindlich mächtigsten (Agamemnon) folgen. Diese Entscheidung war aber wohl freiwillig und daher "bockt" Achill weil er sich eben nicht dem Agamemnon untergeordnet sieht.
Die Bindung an die eigene Heimatstadt dürfte durchaus groß gewesen sein, ob man aber direkt die Tötung mit dem Verrat an der Stadt in Verbinung setzen sollte weiß ich nicht. Vielmehr scheint mir die grausame Art Achills als "Kriegsmaschine" im Vordergrund zu stehen. Aber kann mich da auch täuschen, da ich nicht so bewandert bin in griechischer Dichtkunst ;)
 
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