Die größten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches – Subjektiv und objektiv

Es gibt ja sogar noch heute namhafte Historiker (E. Hlawitschka, Jahrzehnte lang Ordinarius in München), die ernsthaft die Gründung des Deutschen Reiches (großgeschrieben!) auf zwischen 900 und 920 datieren, obwohl es zeitgenössisch keinerlei Hinweis auf solch eine Benennung gibt.
Ich habe mich mit der Materie Ost-/Westfranken bzw. Deutschland/Frankreich mal während einer Seminararbeit beschäftigt. C. Brühl scheint mir da die sinnigste Begründung geliefert zu haben (Deutschland - Frankreich. Die Geburt zweier Völker, 2. Aufl., Köln, Wien 1995). Er tendierte laut eigener Aussage früher (1972) zu Heinrich II. d. Hl. als "mit Einschränkungen" ersten deutschen König, legte sich aber im Alter eher auf Ende des 11. Jahrhunderts fest, wobei er im Tode von Heinrich III. (1056) und Heinrich I. (1060) bereits ein einschneidendes Ereignis sieht. Spätestens 1124 beim drohenden Krieg Heinrichs V. gegen Ludwig VI. müsse man von "Deutschland" und Frankreich sprechen.
Das ist auch wieder so eine relativ sinnlose Diskussion. Die Herausbildung "Deutschlands" war nun einmal ein fließender Prozess, bei dem auch kein "Staat" im heutigen Sinn entstand, schon gar kein Nationalstaat, da ein konkretes "Gründungsdatum" festzulegen schafft eine Zäsur, die so nicht existierte.
 
Und noch bis 1803 nannten sich die Würzburger Bischöfe "Dux Franconiae orientalis", gemeinhin als "Herzog in/von Franken" übersetzt. Da überlebte der Begriff "Ostfranken" also fast bis zum Reichsende.
 
Das ist auch wieder so eine relativ sinnlose Diskussion. Die Herausbildung "Deutschlands" war nun einmal ein fließender Prozess, bei dem auch kein "Staat" im heutigen Sinn entstand, schon gar kein Nationalstaat, da ein konkretes "Gründungsdatum" festzulegen schafft eine Zäsur, die so nicht existierte.
Na ja. So sinnlos, daß sich namhafte Historiker im In- und Ausland damit Jahrzehnte lang beschäftigten.
Natürlich tendiere ich auch zu einem fließenden Prozeß. Aber die Tatsache, daß sich noch heute Vertreter der eigentlich überholten These, Heinrich I. wäre der erste Deutsche König (absichtlich großgeschrieben) oder gar Deutsche Kaiser (da gibt es ja auch diese Behauptung, er wäre nach dem Sieg über die Ungarn dazu ausgerufen worden) gewesen, gibt, erstaunt mich immer wieder.
Vermutlich wollen diese Historiker einfach nicht sehen, daß es vom "König der (Ost-)Franken) zum "Römischen König" überging. Ein Titel "König der Deutschen" o. ä. ist im 10./11. Jh. m. W. nirgendwo belegt. Erst Maximilian I. führte anläßlich der Annahme des Kaisertitels im Jahre 1508 den Titel "König in Germanien" ein [vgl. Erlaß Maximilians I. über den Kaisertitel (Auszug) - 1508, Febr. 8., in: ZEUMER, Karl (Hrsg.): Quellensammlung z. Gesch. d. Dt. Reichsverfassung in Mittelalter u. Neuzeit, 2., verm. Aufl., Tübingen 1913, Nr. 178].
 
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Aber die Tatsache, daß sich noch heute Vertreter der eigentlich überholten These, Heinrich I. wäre der erste Deutsche König (absichtlich großgeschrieben) oder gar Deutsche Kaiser (da gibt es ja auch diese Behauptung, er wäre nach dem Sieg über die Ungarn dazu ausgerufen worden) gewesen, gibt, erstaunt mich immer wieder.
Vermutlich wollen diese Historiker einfach nicht sehen, daß es vom "König der (Ost-)Franken) zum "Römischen König" überging. Ein Titel "König der Deutschen" o. ä. ist im 10./11. Jh. m. W. nirgendwo belegt.

Vermutlich unterscheiden diese Historiker einfach zwischen einem geführten Titel, und der tatsächlichen Einflusssphäre der Könige. "Deutscher König" oder "deutscher Kaiser" kann man getrost als Eigenschaftswort nehmen, wo "römischer König" und "römischer Kaiser" nicht eindeutig zuordenbar sind. Merkwürdigerweise gibt es so einen kleinlichen Bezeichnungskrieg bei den "byzantinischen Kaisern" überhaupt nicht.

Was das HRR angeht, so kann man wohl lange nach einem Gründungsdatum suchen, da es sich ja streng genommenum eine Idee handelte: die Idee, dass das antike römische Reich niemals untergegangen ist. So gesehen, sind weder Karl, Heinrich, Otto oder Barbarossa Gründer dieses "Reiches", sondern lediglich markante Persönlichkeiten, die den Reichsgedanken beeinflusst haben.
 
Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob ich von einem deutschen König oder von einem Deutschen Kaiser Otto dem Großen spreche. Gerade im späten 19. Jh. hat man das ja gern in einen Topf geworfen und selbst Könige, die nie Kaiser wurden (Konrad III., Konrad IV., Rudolf I., Wenzel, Ruprecht usw.), als solche bezeichnet ("Die Deutschen Kaiser" von 1888, von Karl d. Gr. bis Wilhelm II., etwa). Ist schon deutscher König (kleingeschrieben) schwammig, so ist Deutscher Kaiser (groß geschrieben) eindeutig falsch.
Gerade Otto d. Gr. führte ja nicht mal einen "Stammesbezug" im Kaisertitel. Er nannte sich schlicht "Imperator Augustus". Erst Otto II. nannte sich dann "Romanorum Imperator", und der Titel blieb bis 1806 erhalten. Bis Maximilian I., wie gesagt, gab es dahinter nicht mal einen "germanischen" Königstitel, erst ab 1508.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht hier ja nicht um das HRRDN sondern um das"HRR".
Und das hat m.E. KdG "begründet" , in dem er sich einmal als Nachfolger der weströmischen Kaiser einführen ließ und in dem er sich zum Schutzherr der römischen Kirche machte/machen ließ. Auch wurde er in beiden Positionen auch außerhalb seines Reiches anerkannt.
Richtig "wasserdicht" gemacht hat die Sache dann Otto mit seiner Hochzeit.
Der Zusatz romanorum zu Imperator augustus ist nicht nötig, denn es gab nur einen, und zwar für die"ganze" Welt, nicht nur für die Römer.
 
Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob ich von einem deutschen König oder von einem Deutschen Kaiser Otto dem Großen spreche.

Für einen Ulrich von Hutten war der Unterschied anscheinend nicht so sehr groß...

Bis Maximilian I., wie gesagt, gab es dahinter nicht mal einen "germanischen" Königstitel, erst ab 1508.

Den Italienischen und Burgundischen meines Wissens ebensowenig. Man hielt es anscheinend nicht für notwendig dem Königstitel einen territorialien oder nationalen Anstrich zu geben, solange man über die höhere römische Würde verfügte. Abseits der offiziellen Titulator wurde aber dennoch vom "deutschen König" gesprochen.
 
Zugegeben: Wir diskutieren das heute wohl auf dem Niveau der Reichskanzlei. Dem normalen Adligen, Bürger oder gar Bauern war dergleichen wohl oft nicht bewußt. Im Volksmund wird man wohl vom deutschen Kaiser gesprochen haben, das ist schon möglich. Es soll auch eine Münze des Reichsstadt Nürnberg geben, wo ausdrücklich deutscher Kaiser draufsteht (spätes 18. Jh.).
 
je nun, deutscher König waren die meisten ja nun auch.

'Ansonsten sprach man wohl vom Kaiser. nicht vom deutschen, römischen oder so.
Nur vom Kaiser, es gab ja nur einen. Naja, gab auch schon mal mehr, aber dann gabs auch nur einen rechtmäßigen, die anderen waren dann falsche Kaiser. Da gingen dann die Meinungen sehr weit auseinander. Zu FriedrichII und OttoIV Zeiten konnte denn schon mal die Stadtwache den Kaiser aus 2 Richtungen melden :).
 
Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob ich von einem deutschen König oder von einem Deutschen Kaiser Otto dem Großen spreche.

Das ist sogar ein gewaltiger Unterschied. Staatsrechtlich war er der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, des Sacrum Imperium Romanum, das im Jahr 1512 erstmals offiziell in der Präambel des Reichstagsabschieds in Köln den Zusatz Nationis Germanicae erhielt.

Gerade Otto d. Gr. führte ja nicht mal einen "Stammesbezug" im Kaisertitel. Er nannte sich schlicht "Imperator Augustus". Erst Otto II. nannte sich dann "Romanorum Imperator", und der Titel blieb bis 1806 erhalten. Bis Maximilian I., wie gesagt, gab es dahinter nicht mal einen "germanischen" Königstitel, erst ab 1508.

Auch die Bezeichnung des Reichs weist zu Zeiten Ottos des Großen noch unmittelbar auf seine Herkunft vom Frankenreich hin, denn es hieß weiterhin Regnum Francorum orientalium oder kurz Regnum Francorum.
 
Stimmt, Dieter, erst 1512 war der Zusatz "Deutscher Nation" erstmals in einem Reichsgesetz, obwohl er schon im 15. Jh. vorkam, etwa bei dem Aufruf gegen die burgundische Bedrohung durch Karl den Kühnen 1473 ff., was beinahe schon nationale Züge hatte ("Heyliges Römisches Reich vnd Tewtscher nacion").
Man sollte diesem Zusatz wohl nicht allzu viel Bedeutung beimessen, dann es findet sich doch auch danach mehrheitlich eher die alte Bezeichnung ohne "Nationis Germanicae", etwa auf Münzen "S[acri]. R[omani]. I[mperii]. Princeps" bei Reichsfürsten usw.

Auch der Hinweis mit dem (Ost-)Fränkischen Reich ist richtig.
Ich glaube, es hieß ab Konrad II. erstmals "Imperium Romanum", 1034, wenn ich mich nicht täusche. 1157 dann "Sacrum Imperium", 1254 "Sacrum Romanum Imperium".
Wieso man das HRR heute also gerade 962 starten läßt, ist zumindest fragwürdig, da gebe ich euch schon recht.

Wobei wir uns langsam vom eigentlichen Thread-Titel wegbewegen. Gefragt waren ja die größten Kaiser des HRR. ;)
 
Ich weiß nicht, ob es ein Zeichen von politischer Größe ist, aber wie man hört, war Heinrich III. der König und Kaiser, der mit einer Machtvollkommenheit regiert hat, die vor- und nachher nicht mehr erreicht wurde.
 
naja, der größte Kaiser von ....
dann muß erstmal von ..... definiert sein.
Römisches Reich ist klar als "weströmisches Reich". Heilig ist auch klar-> Kirche/Christentum.
Beide verbunden hat KdG, für die endgültige Anerkennung des Titels auch durch Ostrom hat Otto I gesorgt und ja, Heinrich III , der das Papsttum "für das Reich" organisierte
 
Wieso man das HRR heute also gerade 962 starten läßt, ist zumindest fragwürdig, da gebe ich euch schon recht.

Nur noch kurz dazu, weil es eine mit politischen Ideologien eng verzahnte Sache ist:

Um die Daten für den Prozess des Herauswachsens aus dem Frankenreich bzw. die Etablierung einer eigenen staatlichen Identität ist viel gestritten geworden, wobei die Daten 843, 911, 919 und 925 genannt wurden. Manche sahen einen gestreckten Prozess bis zu Otto I. (936), andere setzten das Datum 911 (Ende der Karolinger, Nichtanerkennung des westfränkischen Karolingers) und 919 (Heinrich I. als "erster deutscher König" (!). Andere schlagen einen späteren Ansatz vor unter dem Gesichtspunkt, dass die Ottonen nicht das "Deutsche Reich" vorgefunden, sondern erst geschaffen haben. Im allgemeinen ist die Forschung heute der Ansicht, dass ein deutsches Bewusstsein kaum vor 1000, voll erst im 11. und 12. Jh. einsetzt.
 
Ich habe nichts anderes behauptet: Es gab keine italienischen Reichsfürsten ...
Schon klar. Mein Punkt war, daß es auch im Hochmittelalter (als das Reich in Italien am stärksten war) keine italienischen Reichsfürsten gab. Deren Fehlen auch später ist also kein Indiz für Machtverschiebungen.

Man muss doch sehen, dass das Reich seit den Staufern keine realen Eingriffsmöglichkeiten mehr in Italien besaß ...
Wir sind uns schon einig, daß der Einfluß drastisch reduziert war. Aber "keine" wäre doch zu weitgehend.

PlusUltra hat ja weiter oben ausgeführt, wie sehr die Spanier nach der Habsburger Teilung versucht haben, das Reichsvikariat über Italien in die Hand zu bekommen. Das wäre nicht ein so großes Thema gewesen, wenn es um einen reinen Titel gegangen wäre - da hingen durchaus noch Macht und Einfluß dran.
Nur ein Beispiel: Die Sforza haben es sich viel kosten lassen, für das (faktisch schon längst beherrschte) Mailand auch die offizielle Investitur vom Kaiser zu bekommen.

Auch im deutschen Teil des Reichs war es ja nicht so, daß der Kaiser außerhalb seiner eigenen Gebiete noch viele direkte Durchgriffsmöglichkeiten hatte. Mehr als in Italien, aber letztlich war die Amtsstellung des Kaisertums mit dem Untergang der Staufer generell ziemlich geschwächt worden.
 
Es gibt ja sogar noch heute namhafte Historiker (E. Hlawitschka, Jahrzehnte lang Ordinarius in München), die ernsthaft die Gründung des Deutschen Reiches (großgeschrieben!) auf zwischen 900 und 920 datieren, obwohl es zeitgenössisch keinerlei Hinweis auf solch eine Benennung gibt.
Ich finde diese Position nicht falsch!
In dieser Periode hat sich ein staatliches Gebilde etabliert, das später "Deutsches Reich" genannt wurde. Es ist durchaus normal, daß Benennungen wechseln, man aber die gebräuchlichste (meist längstgebrauchte oder letzte) Bezeichnung für das komplette Gebilde verwendet.

Um mal ein Beispiel zu nehmen: Richard Löwenherz wurde 1157 geboren. Das kann man so sagen, obwohl man ihn erst Jahre später "Löwenherz" nannte.
 
mom, das "deutsche Reich" entstand, als dauerhaft ein anderer König im ostfränkischen Reich als im westfränkischen Reich gewählt wurde. Wie gesagt, Richard Löwenherz wurde nicht als Löwenherz geboren oder getauft. Allerdings hat das deutsche Reich nichts anderes mit dem HRR zu tun, als das es Teil dieses Reiches war. Das seine Könige oft Kaiser waren .........
steht auf einem anderen Blatt
 
Auch im deutschen Teil des Reichs war es ja nicht so, daß der Kaiser außerhalb seiner eigenen Gebiete noch viele direkte Durchgriffsmöglichkeiten hatte. Mehr als in Italien, aber letztlich war die Amtsstellung des Kaisertums mit dem Untergang der Staufer generell ziemlich geschwächt worden.

Er hatte sie nicht im deutschen Reichsteil und im italienischen schon gar nicht. Was dem Kaiser an Rechten in Italien blieb, hatte mit der realen politischen Wirklichkeit nichts mehr zu tun.
 
Was dem Kaiser an Rechten in Italien blieb, hatte mit der realen politischen Wirklichkeit nichts mehr zu tun.
Was genau ist hier mit "realer politischer Wirklichkeit" gemeint?
Vor allem: Ist das ein geeigneter Maßstab?

Eigentlich konnte der Kaiser "real politisch" überhaupt nur wenig wirken. Er konnte im Reich (auch im deutschen Teil) keine Anweisungen erteilen, er konnte nur fallweise lehnsrechtliche Vorbehalte geltend machen (meist nur in speziellen Situationen) oder reagieren, wenn irgendwo einzelne Rechtstitel der Reichs betroffen waren. Das war in Italien letztlich nicht anders, auch wenn dort die Rechte eben viel spärlicher waren.

Um das Beispiel der Sforza zu nehmen: Die hatten sich gewaltsam im Reichslehen Mailand etabliert. Der Kaiser hatte nicht die politische Macht, einen neuen Lehnsmann eigener Wahl dort zu etablieren. Wie er das auch in Deutschland nicht wirklich hatte.

Aber trotzdem hatte er den lehnsrechtlichen Anspruch immer noch in der Hand. Die Sforza waren "nicht wirklich" Herren von Mailand, lebten immer in einer gewissen Unsicherheit in ihrer usurpierten Position. Und waren am Ende zu großen Zugeständnissen bereit, um von Kaiser die Investitur zu bekommen. Das Lehnsrecht des Kaisers in Mailand war also nicht "real politisch" durchsetzbar, und trotzdem wichtig und nützlich. Und in Italien hatte er eben solche Rechte und in anderen Regionen nicht - deswegen ist eben eine Reichsangehörigkeit Italiens bis zum Schluß festzustellen.
 
Kleiner Nachtrag:
Ich habe jetzt die alte Diskussion zum Thema gefunden
http://www.geschichtsforum.de/f303/reichsitalien-der-fr-hen-neuzeit-21716/

Da finden sich einige Beispiele für Reichsrechte in Italien:

Z. B. bringt Brissotin das Beispiel, daß die Toskana noch im 18. Jahrhundert Reichstruppen stellte.

1713 konnte der Kaiser Mantua als erledigtes Reichslehen einziehen
retro|bib - Seite aus Meyers Konversationslexikon: Italien (Geschichte: 17. und 18. Jahrhundert)

Und Repo erwähnt reichsunmittelbare Kleinadlige in Norditalien, sogar eine ganze Menge:
Lesebuch Altes Reich - Google Bücher

Trotzdem natürlich alles nur Brösel im Vergleich zu den Herrscherrechten anderswo. In der damaligen Diskussion waren wir uns ja auch einig, daß man den Status Reichsitaliens kartographisch nur durch sehr abgeschwächte Versionen (Schraffur, Außenlinie) darstellen könnte.
Hat mir auf jeden Fall viel Spaß gemacht, diese Diskussion noch einmal zu lesen ...
 
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