Die haarsträubendsten Historienromane

Brissotin

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Ich liebe ja sehr Trash. Das können schlecht gemachte Piraten- oder Mantel- und Degenfilme aber auch andere Formate sein. Denn bei Trash kann man sich schwerlich über Details aufregen, wenn die Ausstattung und das Gesamtbild doch wieder ein zumindest in sich stimmiges Ganzes ergibt.

Habt ihr irgendwelche literarischen Schmankerl, wo ihr meint, an dem Historienroman stimmt einfach mal Garnichts? Oder zumindest sehr wenig?

Wie bin ich auf das Thema gekommen?

Nun, ich lese normalerweise keine Historienromane, da die meisten einfach so langweilig sind. Autoren müssen sich akribisch an irgendwelche Vorlagen halten. Sklavisch werden Aspekte einer Zeit herunter deklamiert... Wofür ich aber immer schon eine Schwäche habe sind diese Jugendromane aus der DDR-Zeit. Diese Schmöker wurden sogar damals in den Geschichtslehrbüchern des Volk- und Wissen-Verlags im Anhang zur Lektüre empfohlen(!!!). Das war auch so bei folgendem Meisterwerk über das ich mich dieser Tage amüsiere.
Ich habe es irgendwo in einem Karton an der Straße gefunden. Für sowas braucht man kein Geld ausgeben. In den 1990ern wurde das Zeug von den Stadtbibliotheken aussortiert. Gefühlt müssen die Bücher eine beträchtliche Auflage erreicht haben. Denn sogar bei meinem Freund in ehem. West-Berlin lag so ein Buch (Der schwarze Jäger aus Sachsen) herum.

Das nachfolgende Buch strotz vor historischen und vollkommen offensichtlichen Fehlern, dass man zweifeln mag, ob der Autor sich überhaupt die Mühe machte auch nur Ansatzweise zu recherchieren.

Gotthold Gloger: "Meine Feder für den König"
Kinderbuchverlag, Berlin, 1985 - empfohlen ab 13 Jahren, 191 Seiten

Äußere Gestalt: Hardcover aus Pappe wie für ähnliche Bücher damals üblich. Durchweg "illustriert" von Peter Muzeniek. Muzeniek hat einen karikierenden Stil, der eher verstörend wirkt, da praktisch alle Figuren als Fratzen dargestellt werden, auch wenn sie im Text als schön oder anziehend geschildert werden. Er kümmert sich nicht um historische Vorlagen, sondern zeichnet sehr frei, manchmal auch kolorierte Zeichnungen wie in der Jugendbuchausgabe zu "Der Lotse" von Cooper.

Gloger versucht sich szenenhaft dem Leben des Dichters Ewald Christian von Kleist von 1739 bis zu seinem Tod 1759 zu nähern. Viele Szenen sind dabei offensichtlich frei erfunden. Der Fokus liegt auf Kleist und seine Beziehung zu Wilhelmine von der Golz und später seinem weiteren dichterischen Werdegang. Gleims poetischer Einfluss auf Kleist wird eigentlich nicht widergespiegelt wie Gloger überhaupt kaum Ahnung von der Poesie der Zeit zu haben scheint. Die Dialoge von denen es in dem Buch wimmelt, sind oft grobschlächtig und unbeholfen.

Welche konkreten Fehler fallen aber ins Auge?
Gleich am Anfang bekommt man den Eindruck, Gloger verwechsle August II. mit August III., wobei Ersterer 1739 bereits tot war(S.6-7 und S.20 "Dresdner Hurenstall"). Das kann aber auch täuschen.
Herr von der Goltz (nicht wie bei Gloger ohne "t") wird als sächs. Offizier der Garde charakterisiert (tatsächlich dienten viele von der Goltz in Preußen und im polnischen oder sächs. Heer). Dubios wird die Uniform, die als "weiß-grüne, mit Goldlitzen" bezeichnet wird(S. 10). Zwei Gardeeinheiten kommen in Frage. Das Garde du Corps, das allerdings außer Dienst offensichtlich rote Uniformen mit blauen Rabatten und Aufschlägen trug oder die berühmte und ungleich größere Leibgrenadiergarde mit roten Uniformen und gelben Unterzeug und Rabatten etc.. Recht abwegig vielleicht das Regiment Garde zu Fuß, das weiß mit roten Aufschlägen und Unterzeug ausgestattet war.
Kleist treffen wir dann endlich in Kopenhagen. Gloger kennt Kopenhagen offenbar nicht und ihm fällt als Handlungsort nur das Residenzschloss Christiansborg ein (S.17). Warum soll dort Kleist sein? Hier soll hier beim Regiment Folkersam dienen. Er habe eine "einen Sponton in der Hand ..." und sei schmuck in seiner "weißen Uniform mit den roten Aufschlägen"(16). Dummerweise sind wir aber exzellent über die dänische Armee der 1730er durch Gudenus zeitgen. Tafeln von 1734 informiert und diese waren sowohl bei der Kavallerie als auch der Infanterie rot*.
Wieder in Preußen geht dann offensichtlich mit Gloger die Fantasie durch. Friedrich II. bekommt von ihm "einen hellblauen mit Silbertressen besetzten Rock"(S. 39). Die Uniformen der preußischen Generale waren keine Fantasiegespinste der Träger sondern entsprachen überwiegend den Einheiten deren Inhaber sie waren. Friedrich II. trug überwiegend den Rock von IR 15 "Regiment Garde", dem er schon 1740 seit einer geraumen Zeit angehörte. Die auch späterhin erwähnten elaborierten und auffälligen Generalsuniformen hat es bei den Preußen nie gegeben. Im Gegenteil: bis auf Ordensschärpen und ein wenig Plumage im Hut unterschieden sich die Generäle nicht signifikant von den normalen Regimentsoffizieren.
Ganz obskur wird es, als Gloger Friedrich sagen lässt: "Das grelle Blaurot ihrer Uniformen wird Coco erschrecken. Hole Er grüne Truppen heran!..." Grüne Truppen? Da gab es unter Friedrich II. immerhin beispielsweise die Jäger zu Pferd oder aber erst 1744 gegründet und daher nicht passend die Jäger zu Fuß. Nicht aber das hier genannte "Regiment von Lestwitz" (S.40). Das natürlich auch eine blaue Uniform hatte.
Gloger hat offensichtlich fast keine Ahnung der Schlacht bei Mollwitz. Friedrich II. erreicht hier garnicht das Schlachtfeld, sondern biegt zuvor mit seiner Kutsche ab(S.49-50). Überhaupt alle Charaktere tragen bei Gloger Perücken - seine Quelle mögen Historienschinken aus DDR-Zeiten sein.
Bei der Belagerung von Prag geht mit Gloger wieder die Fantasie durch. So schöne Zeilen wie:
"Die Kanonen standen auf weißen, mit Schwarzblech beschlagenen Lafetten und reckten ihre Mäuler nach der Goldenen Stadt." (???) Weiße Lafetten? Bei Preußen? Macht aber nichts, denn die preußische Generalität zeigt sich auch "Herausgeputzt wie Hochzeiter" während der Belagerung (S.84).
Erstaunlich, dass Kleist bei Gloger offenbar so doof ist und nichtmal die Geschichte der Familie Calas kennt. Hier bei Gloger ist sie nur angeblich in den 1740ern geschehen (S.77-78, S. 112-114) und nicht in den 1760ern. Kein Wunder dann vielleicht... Kleist ist allerdings auch literarisch wenig bewandert, da er 1751 oder 52 (jedenfalls kurz vor Kleists Schweiz-Aufenthalt) Lessing begegnet ohne von den bis dahin bereits zahlreichen Stücken zu wissen(S. 119-125).
Obwohl er damit vor seinem König erscheinen soll, hat Kleist angeblich frei über seine Uniform bestimmt "Mit blanken Knöpfen und Silberlitzen hatte sein Schneider nicht gespart..."(S. 126). Natürlich waren die Uniformen in Preußen nach einem gewissen Muster und man konnte von daher weder sparen noch zuviel für Knöpfe ausgeben, weil diese einfach dem Regiment entsprechen mussten, dem man angehörte. Kleist soll bei Gloger nach anderen Einheiten einem "fünfunddreißigsten Grenadierregiment" angehören(S. 81). Es gab natürlich keine 35 Grenadierregimenter. Gemeint ist das IR 35 - ein FÜSILIERregiment.
Noch abstruser dann aber, wenn es politisch wird. Die Truppen "der britannischen Majestät in Hannover" sind "ausschließlich Elitetruppen" (what?). Man höre und staune: "Jedes Regiment ist mit einer Artillerie-Abteilung verstärkt." Ja, aber Bataillonsgeschütze sind doch nix besonderes. Hatten die Hannoveraner und viele andere Nationen damals schon ewig. Dann sind die Briten, obwohl wie gesagt nur "Elite" so blöd, dass sie "Instrukteure für den Kampf der englischen Krone gegen Frankreich in den Kolonien" brauchen(S. 104). Watt denn jetzt? Elite oder zu doof sich allein die Schuhe zu binden? Spielt dann aber auch keine Rolle, weil ja selbst "der russische Zar" sich 1756 mit den Österreichern verbündet habe (S. 129). Dass es 1756 eine Zarin war (Elisabeth) ist nicht verwunderlich. Es leben halt auch Geister oder Kleist kann in die Zukunft reisen wie ins "Großherzogtum Mecklenburg" (S. 28)** oder das "Königreich Sachsen"(S. 130)***. Aber auch biographisch geht's mal daneben. So schickt Gloger den armen Kleist erst 1757 zurück nach Preußen(S.131). Der Aufenthalt in Freienwalde zur Kur und die Rückkehr über Schaffhausen 1753 wird unterschlagen.

Was sind eure Lieblingsromane dieses Genres?

Gibt es noch mehr solche Perlen?

* siehe: Dr. Hans Bleckwenn: "Reiter, Husaren und Grenadiere - Die Uniformen der Kaiserlichen Armee am Rhein 1734 ..." Harenberg Kommunikation, Dortmund, 1979
** gegründet 1815
*** Erhebung in napoleonischer Zeit 1806
 
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Spontan fallen mir die Romane "Alexander" und "Alexander in Asien" von Gisbert Haefs über Alexander den Großen ein.

Grundsätzlich sind sie nicht schlecht geschrieben. Im Mittelpunkt der Handlung steht nicht Alexander selbst, sondern mehrere teils reale, teils fiktive Personen aus seinem Umfeld, die im Zuge von Alexanders Werden und Wirken ihre eigenen Geschichten erleben. Dieser Ansatz war für mich als Leser zwar überraschend, aber nicht grundsätzlich schlecht.

Nur leider hat der Autor in seinen Alexander-Roman Elemente des antiken und mittelalterlichen sog. "Alexanderromans" gemengt, nämlich die (angebliche) ägyptische Herkunft Alexanders (vom ägyptischen Pharao Nektanebos II.) Sie ist nicht nur unsinnig, sondern auch chronologisch unmöglich und wurde schon in der Antike von keinem seriösen Alexander-Historiker behauptet. (Auch der "Pfaffe Lamprecht" hat sie in seinem mittelhochdeutschen Alexanderlied, das ansonsten dem Alexanderroman folgt, verworfen.) Dazu dann noch ein großer Schuss Esoterik.

Es ist natürlich alles Geschmackssache, aber ich fand diesen Mix ziemlich unbekömmlich.
 
Spontan fallen mir die Romane "Alexander" und "Alexander in Asien" von Gisbert Haefs über Alexander den Großen ein.
Vielen Dank für das Beispiel. Sowas meinte ich auch. Ich bin halt nur unbewandert in dem Genre. Wenn ich ein Buch geschenkt bekomme, lese ich es auch, selbst wenn es mich anödet oder Fehler enthält.
 
Ich habe mir mal ein Buch gekauft, bei dem der Verfasser ein wenig mit historischen Dokumenten spielt, vor allem Abbildungen und Karten, gewissermaßen eine Verschwörungstheorie in Romanform, mit einem Augenzwinkern. Aber es ist eines der wenigen Bücher, die nach der Lektüre nicht in den Bücherschrank gewandert sind, sondern in die Hände meiner verkaufswütigen Frau.
Die Fiktion: auf einer Belagerungsszene sieht man, wie ein Mann einen Schatz vergräbt, dieser Schatz sei nie gehoben worden und läge mittlerweile in einem Stausee. Vom 16. bis ins 20. Jhdt. wird die Erinnerung an den Schatz immer wieder in Darstellungen der Stadt gezeigt. Die Karten und Stadtansichten sind alle echt, nur eben, dass Verfasser und Verlag da jeweils eine Szene in die Darstellungen stilecht reingefälscht haben. Die Idee schien mir im Ansatz ganz interessant zu sein, aber entweder hat der Verfasser die nicht gut umgesetzt oder sie trägt einfach nicht. Ich fühlte mich am Ende des Buches um mein Geld gebracht.
 
Auch die Klassiker des Genres sind ja schon entweder haarsträubend oder augenzwinkernd.

Scheffels 'Ekkehard' (1855) - angeblich ja der erfolgreichste Deutsche Roman im 19. Jahrhundert; über den St. Galler Mönch Ekkehard II. - beginnt gleich damit, dass das Licht dunkler war als heute, weil das Mittelalter ja ein dunkles Zeitalter war. Neben der Ausschlachtung der Casus Sti Galli bleibt natürlich die 'Ungarnschlacht' in Erinnerung, für die ein totgeglaubter, längst greiser Kaiser aus seinem Eremitendasein in schimmernder Rüstung wieder auftaucht. Dank der ironischen Grundhaltung und des Themas der unglücklichen Liebe ist es auch heute noch lesbar.

Den Vogel an unpassender Einlage hat aber wohl schon Dahn in 'Ein Kampf um Rom' (1876) abgeschossen, als er am Ende Wikinger ("Nordvolk") anfahren lässt, um die geschlagenen Goten in die 'germanische Heimat' "Thule" abzutransportieren. Aber auch er lässt sich gleich am Anfang einen Scherz nicht nehmen: Die zum nächtlichen Schwur vor Meister Hildebrand erscheinenden Protagonisten sind alle nach den unterschiedlichen Vorstellungen, die in der Entstehungszeit des Romans kursierten, verschieden gekleidet.
 
Aber gerade das ist doch ein Grund, dass der Roman noch immer gerne gelesen wird. (Nur offen zugeben darf es niemand, sonst …);)
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Alexander Dumes: Die Bartholomäusnacht

Der Grund für die Bartholomäusnacht und weitere Aktionen, Katharina von Medici wurde prophezeit, dass einst Heinrich von Navarra die König von Frankreich wird. Das will sie unbedingt verhindern, also versucht sie Heinrich ermorden zu lassen.

1. Versuch: Bartholomäus-Nacht, eine Menge tot, aber Heinrich ist noch am Leben,
also ein weiterer Versuch, geht wieder schief, und ein dritter Versuch … Hm, immerhin ist die gute Katharina sehr einfallsreich, doch leider ist der Autor kreativ genug, um die originellen Anschläge jedes Mal ebenfalls originell scheitern zu lassen
Tja, historisch?
Auf jedem sehr unterhaltsam, auch wenn ohnehin klar ist, dass es einen König Heinrich IV. gegeben hat, also ...
 
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