Die Industrielle Revolution - Made in Germany

Schini

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Der Amerikaner Earl D. Howard hat 1907 festgestellt, dass "der Großteil des technischen Fortschritts in Deutschland (...) ein Ergebnis geduldiger und sorgfältiger wissenschaftlicher Forschungen war. (...) Deutschland - das zwei Drittel des Jahrhunderts rückständig und wenig fortschrittlich war, während sein Hauptkonkurrent England sich entwickelte und die industrielle Fertigung weltweit dominierte - hat sich in den letzten Jahrzehnten derart schnell entwickelt, dass es nun zusammen mit England und den USA eine der führenden Industriemächte der Welt ist." Leitindustrien waren damals die chemische und die Elektroindustrie, aber auch Konsumgüter "Made in Germany" erfreuten sich großer Beliebtheit.

Bildung alleine kann es ja nicht gewesen sein, oder doch? Der deutsche Zollverein wurde bereits 1834 gegründet. Waren seine Auswirkungen erst so spät zu spüren? Beförderte etwa die deutsche Einigung das wirtschaftliche Wachstum, oder war es nicht sogar umgekehrt: Sicherte der Einfluß auf die Kohlevorkommen die Vormachtstellung Preussens?

Welche Bedingungen und Ereignisse könnten die außergewöhnliche Aufholjagd Deutschlands am Ende des 19. Jahrhunderts noch beeinflußt haben?
 
Dankeschön an Titus für die Links...

Doch werfen gerade diese o.g. Texte die Frage neu auf: Warum so plötzlich? Viele der genannten Bedingungen herrschten in einigen europäischen Ländern, aber gerade Deutschland legte einen phänomenalen Start hin...

Auf der juristischen Seite etwa:
Das römische Rechtssystem kann es alleine nicht gewesen sein, denn im Vorreiterstaat England herrscht das Common Law vor. Welchen Einfluß hatte außerdem der Code Civil? Nach der deutschen Einigung kam es außerdem zu einer intensivierten Wirtschaftslegislatur, die im Kgr. Preussen vorbereitet wurde...

Aus aktuellem Anlass am interessantesten erscheint mir aber die Frage nach der deutschen Einigung als Motor des Wirtschaftswachstums...
 
Ich denke, dass da vieles zusammenkommt.

Zunächst mal kann man einen rasanten Anstieg in der wissenschaftlichen Forschung seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts beobachten. Die Namen alle aufzuzählen, würde sehr lange dauern. Zutun hat das wahrscheinlich mit dem recht guten deutschen (preußischen) Bildungssystem, wie es während der Zeit der Napoleonischen Kriege in Preußen entstand. Eine zeitliche Verzögerung von 30 - 40 Jahren scheint mir da realistisch. Wenn man bedennkt, dass aus der ersten Schüler Generation, dann eine gute Lehrergeneration und dann eine gute Generation von Wissenschaftlern wird...

Der wisenschaftliche Aufschwung beflügelt den technischen Aufschwung. Spin-offs (wie man heute so schön sagt) wie etwa die Siemens-Werke und andere sind dann eine logische Konsequenz.

Dann der Rüstungswettlauf. Mag jetzt nicht populär sein, aber die Schwerindustrie, Kohel, Stahl, hat sicher gewaltig von der Aufrüstung der deutschen MArine usw. profitiert.

Und dann natürlich die Reicheinigung. Wobei ich die eher mit der Gründung der EWG, als mit der heutigen Wiedervereinigung vergleichen würde. Also ein Zusammenschluss starker, in etwa gleichberechtigter Partner und nicht diese Hinzunahme eines bankrotten und maroden Staates.

Der große Wirtschaftsraum hat sicher den Binnenhandel beflügelt. Genauso wie die langsame Verbesserung der sozialen Stellung der unteren Schichten in Folge der Sozialgesetzgebung den Konsum angekurbelt haben wird.

Wahrscheinlich gibt es noch viel mehr...
 
Schini schrieb:
Aus aktuellem Anlass am interessantesten erscheint mir aber die Frage nach der deutschen Einigung als Motor des Wirtschaftswachstums...
Um wenigstens einen kleinen Unterschied zu benennen: Was 1990 fehlte, war der warme Geldregen aus dem Ausland. Die Kosten der Einheit von 1871 mußte Frankreich bezahlen.
 
hyokkose schrieb:
Um wenigstens einen kleinen Unterschied zu benennen: Was 1990 fehlte, war der warme Geldregen aus dem Ausland. Die Kosten der Einheit von 1871 mußte Frankreich bezahlen.
Doch wohl eher die Kosten des Krieges, oder? Wielange ist Geld von Farnkreich nach Deutschland geflossen und wieviel?

In jedem Fall besaßen die deutschen Einzelstaaten damals doch nicht alle marode Wirtschaften, die alle nicht mehr lebens- und konkurenzfähig waren, oder?
 
manganite schrieb:
Doch wohl eher die Kosten des Krieges, oder? Wielange ist Geld von Farnkreich nach Deutschland geflossen und wieviel?

In jedem Fall besaßen die deutschen Einzelstaaten damals doch nicht alle marode Wirtschaften, die alle nicht mehr lebens- und konkurenzfähig waren, oder?

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Die 5 Milliarden Francs Kriegsentschädigung wurden bereits 1873 getilgt. Die boomende franz. Wirtschaft hatte der Regierung Thiers schnell genug Kredit gegeben,
um die besitzsichernde Ordnung wiederherzustellen nach den Ereignissen der Kommune.
1873 war Frankreich also frei von Besetzung, abgesehen von Elsaß-Lothringen.

Der schnelle Geldtransfer überhitzte die deutsche Wirtschaft und führte 1873 zu
der ersten Gründerzeit- Wirtschaftskriese mit verheerenden sozialen Folgen.... :rolleyes:
 
manganite schrieb:
Nur mal aus Interesse: Was waren 5 Milliarden Farnces damals wert? War das viel oder sehr viel?
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Hab ich leider noch nicht rausgekriegt. Vielleicht gibts hier jemanden der das endlich mal klären kann :motz:
Zum Vergleich kann ich Dir nur anbieten, daß ich gelesen habe der Bau der Maginot-Linie hätte auch 5 Milliarden Goldfrancs gekostet. :rolleyes:
 
Ein wenig kann ich weiterhelfen:
Die franz. Reparationsleitungen in Höhe von fünf Milliarden Frs. entsprachen 4,2 Mrd. Goldmark oder 1.4 Mrd. preussische Thaler.
1873 betrug das durchschn. jährl. Einkommen eines Industriearbeiters 620 Mark.
(Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1849-1914)
 
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