Die Kultur des Rauchens im 17./18.Jh.

ning:
D'accord. Und danke für das Auffüllen der Jahrhunderte.
Kann man also sagen?: Das Rauchen als Zeichen bürgerlicher Emanzipation steht zuerst ab 1600 in Holland (vergleichsweise schon weniger in England) da und verbreitet sich solcherart, als symbolischer Kult, ab Aufklärung und Revolution 1789 ins weitere Europa und dabei auch hinein in biedere deutsche Lande.
Frauen wagen sich an dieses Symbol der Eigenmächtigkeit in Person einer Katharina der Großen noch eher solitär, als Symbol der bürgerlichen Emanzipation - wieder war eine Revolution gerade im Gange gewesen (1848) - schon verbreiteter mit einer Georges Sand (auch von Lola Montez las ich derlei), aber erst die übernächste weibliche Salongeneration erlaubt sich allgemein, gerollte Tabakblätter an einen Zigarettenspitz zu stecken und debattiert dabei über Frauenwahlrecht. Da gehen die 18ooer Jahre schon zu Ende.

Parallel dazu gesellt sich das Rauchen als Appetitzügler für die Soldateska (ebenfalls ab 1600), für arme Leute .. und davon wüsst ich gerne mehr

Genauso sehe ich das.
Bei dem Rauchen fällt mir noch und das ist ganz passend zum 18.Jh. eine trommelnde Frau im Carneval in Paris ein. http://imagecache2.allposters.com/i...-Carnival-in-the-Streets-of-Paris-Posters.jpg
Rauchende Frauen waren im 18.Jh. nichts so ungewöhnliches, galten aber als kleine Sensation und wollten sich wohl auch als eine solche sehen lassen.
 
Ich denke, die Verbreitung des Tabaks hat viel mit der des Kaffees gemeinsam, beide waren sowohl "absinkendes" wie "aufsteigendes Kulturgut. Sie waren in Adelspalästen, wie in Bürgerhäusern zu finden. Ich würde allerdings ganz gerne die Diskussion noch etwas breit angelegter führen und z.B auch den Scnupftabak berücksichtigen. Im Zusammenhang mit dem Schnupftabak gab es einen ausgefeilten Kulturcode. Den Umgang mit der Tabatiere mußte ein Mann von Welt erlernen, so wie man heute in die Tanzstunde geht. Da gab es Codes, wie man einer Dame nur durch Gesten mit dem Taschentuch Avancen machen konnte.
Schnupftabakdosen konnten als ID cards verwendet werden. Die Jakobiten verwendeten ein bestimmtes Design als Erkennungsmerkmal. Dann gab es natürlich auch profaneres. Tabatieren als transportable Pornosammlung. So hatte August der Starke eine Tabatiere, die auf der Außenseite das Portät einer seiner Mätressen trug. Auf der Deckelinnenseite befand sich dann ein Aktbild daß dieselbe Dame zeigte, nachdem sie gerade befriedigt wurde. Es gab auch einen verfeinerten Kulturcode für erotische Abenteuer. Nur an der Haltung des Taschentuschs konnte ein Kavalier erkennen, ob eine Dame für ein erotisches Abenteuer empfänglich war.

So vorsichtig man mit solchen Verallgemeinerungen auch sein muß, denke ich, daß Schnupftabak eher ein "absinkendes Kulturgut" war, daß zuerst von der Aristokratie benutzt wurde, während der Rauchtabak eher ein "aufsteigendes Kulturgut" war, daß zuerst von Soldaten, Seefahrern und Handwerkern benutzt wurde und sich an europäischen Höfen durchsetzte, die eher einen "bürgerlichen", als einen aristokratischen Lebensstil pflegten.
Ich denke dabei an Zar Peter, der das Rauchen in der Deutschen Vorstadt kennenlernte und den Gebrauch des "gottlosen Krauts" in Rußland legalisierte. Tabak war dann auch ein fester Bestandteil von Peters "Saufsynode".
Ganz ähnlich ging es im Tabakskollegium des Soldatenkönigs zu.
Ein interessantes Thema in diesem Zusammenhang" sind natürlich auch der Schmuggel und Konsumverbote.
 
Schnupftabakdosen konnten als ID cards verwendet werden. Die Jakobiten verwendeten ein bestimmtes Design als Erkennungsmerkmal. Dann gab es natürlich auch profaneres. .

Dann gibt es noch die Tabaksdose von FdG mit Kugel, gezeigt in der Schatzkammer der Burg Hohenzollern. Tabaksdose als Kugelfang, ist doch sinnvoller, als irgendwelcher "Schweinskram" ........

....so die Geschichte dann wahr ist. Woran ich ehrlich gesagt leicht, ganz leicht zweifle.Immerhin scheint es ja mehrere dieser "beschossenen" Dosen des großen Friedrichs zu geben.

Grüße Repo
 
Meines Wissens wurde in Preußen des 18.Jh. der Preis für den Tabak stets recht erschwinglich gehalten, da er zu den Grundbedürfnissen der einfachen Leute zählte. Es wurde durchaus viel, vor allem Drinnen geraucht.
 
Die Tabakdose des Preußenkönigs habe ich auch gesehen. Er muß unglaublich viele Tabatieren verschenkt haben, in Sanssoucci findet man heute leider keine mehr. Der generöseste Schnupfer aber war Napoleon. Er bewahrte seinen Tabak lose in den Taschen oder in einer Tabatiere, die aus dem Huf seines Pferdes Marengo angefertigt wurde. Er hatte allerdings immer mehrere Dosen bei sich, die er verschenkte. Schnupfen a` la Napoleon bedeutet, daß man die Tabatiere gleich behalten durfte, aber er konnte es sich ja leisten.
Es schnupften übrigens auch die Damen. Im Gegensatz zu Rauchtabak war Schnupftabak verhältnismäßig teuer. Sorten wie Spaniol, Straßburger, St. Omer waren Exportware. Es wurde nicht lose verkauft, sondern kam in Form von festgepressten Karotten auf den Markt. Man brauchte Accessoires: eine Schnupftabakraspel, eine Tabatiere und mindestens zwei Taschentücher.
Eine Tonpfeife und eine Zunderbüchse waren da schon erschwinglicher. Wirklich schöne und auch erschwingliche Sammlerstücke findet man heute noch in Bayern, in der Oberpfalz und im bayrischen Wald. Brasilflaschl oder Schmalzerglasl nennt man die Dinger. Ludwig Thoma schreibt in seinen Filserbriefen, daß man Neugeborenen ein Schmalzerglas und einen Rosenkranz in die Wiege legt, damit es gute Katholiken und Oberpfälzer werden
 
Rauchende Frauen

Frauenzimmerlexikon (Leipzig 1715):
Toback rauchen
Ist zwar sonst insgemein nur ein männlicher Zeitvertreib, doch aber auch dem Frauenzimmer in Engelland und Holland, auch Franckreich sehr gebräuchlich und bekandt, da sie nehmlich den Toback aus denen darzu gemachten und gebraßten Pfeiffen durch vorhergeschehene Anbrennung dieses dürren Krauts schmauchen und trincken. Die so genannte Madame Leucorande hat in ihrem herausgegebenen gründlichen Bericht sich sehr bemühet dem Frauenzimmer, so Toback rauchet, die Brücke zu treten.
 
Den Umgang mit der Tabatiere mußte ein Mann von Welt erlernen, so wie man heute in die Tanzstunde geht. Da gab es Codes, wie man einer Dame nur durch Gesten mit dem Taschentuch Avancen machen konnte.
Hast du zu beidem direkte Quellen. Wo wurde dergleichen gelehrt? Gab es Lehrbücher?

Bei der legendären Fächersprache gibt es genau für das 18.Jh., dem diese Art der Kommunikation auch nachgesagt wird, eben auch nur grobe Hinweise in der Primiärliteratur. So fanden wir schonmal im "Spectator", einer Ausgabe aus dem 3. Viertel des 18.Jh. einen kleinen Hinweis, dass eine Form der Kommunikation über den Fächer möglich war. Wie der Herr darauf antworten sollte, bleibt fraglich. (aus dem 19.Jh. existieren hingegen genaue Anleitungen, wie die Dame mit dem Fächer umzugehen hatte.

Den beständig mit dem Schnupftuch herum hantierenden Edelmann kennt man dann auch eher aus den ganz schlechten Filmen... was nicht heißt, dass es nicht seine Bedeutung hatte. Der Bräutigam bekam eines bei der Hochzeit von der Braut zum Bsp..

Das wäre ganz interessant, wenn erwünscht auch in einem eigenen Thread zu erörtern.
 
Brissotin@
Ich hatte vor etlichen Jahren mal einen Band zur Kulturgeschichte des Tabaks in der Hand, der von Reemtsma herausgegeben wurde und habe auf dem Flohmarkt in München so eine Brasilflasche und ein "Buch vom Schnupftabak" gekauft, was recht gut war, ich weiß aber nicht mehr, wer der Verfasser war und hab die Schwarte auch nicht mehr. Vielleicht findet man in Rausch und Realität Bd 1 etwas. Das war ein Buch zu einer Ausstellung 1982 oder so im Rautenstrauch Jost Museum in Köln.
 
Das wäre ganz interessant, wenn erwünscht auch in einem eigenen Thread zu erörtern.

Bitte nicht noch eine Unterteilung. :winke:
Und da Du mich, lieber Brissotin, an dieser Stelle des Forums -wie ich erst jetzt nachgelesen habe- augenzwinkernd in die Beteiligungspflicht genommen hast, bezieht mein Bürokratenherz hiermit die Eingangsfrage- u. bemerkungen ein.

Recht interessant erscheint mir Quixotens kurzer Einwurf, der der nordamerikanischen-indianischen Herkunftstheorie die Pfeifen der Alhambra in den Weg legt. (Bitte vom Beiwort zu den Pfeifen dabei abzusehen.)
Ich frage mich (und die, denen dazu mehr Wissen zur Verfügung steht), ob denn dieser "unserer europäischen Rauchkultur ab dem 17. Jh." nicht viel mehr schon der orientalische (als Überträger also der muslimische) Kulturkreis Pate stand. Dazu müsste es doch ausführliche Literatur geben - oder haben wir da eine große Brache für allfällige Diplomarbeiten?
 
Ja, zum Umgang mit Rauch und Pulver fällt mir auch noch etwas ein:
Brissotin@ ... Wie der Herr darauf antworten sollte....

Es ist die Dame, die antwortet. Winkt sie dir mit ihrem Taschentuch zu, auch die Damen schnupften, freundlich zu, gibt sie dir einen Korb.
läßt sie ihr Taschentuch durch die Finger gleiten, hast du gute Karten, denn sie signalisiert Interesse auf einen Flirt, nichts muß, aber alles kann passieren.
Wenn sie ihr Taschentuch an die Wange drückt, steht einem One Night Stand nichts mehr im Wege.
Zum Umgang mit der Tabatiere, habe ich noch folgendes gefunden:

Vor Öffnen der Tabatiere klopfen sie daran, damit der Tabak lockerer wird!
Öffnen sie die Tabatiere!
Bieten Sie der Gesellschaft eine Prise an!
Nehmen Sie eine Prise und führen Sie sie zur Nase!
Schnupfen Sie sauber und ohne eine Grimasse zu ziehen!
Niesen, husten und spucken Sie aus!
Bis auf Letzteres könnte das heute noch Gültigkeit haben, nur niesen, husten und ausspucken wird ein Schnupfer nie tun.
Frag L. B, die kommt doch aus dem Freistaat, sogar aus Regensburg.
 
Also kommunizierten, da beide Geschlechter Schnupften auch beide über ihre Tabatieren? Es bleibt wohl fraglich wie verbreitet diese Unterhaltung über Tabatieren war, wohl ähnlich wie die Zeichen mit den Fächern (deswegen meine Anspielung darauf). Als schicklich galt Rauchen oder Schnupfen bei den Frauen wohl kaum (siehe mein Zitat von 1715) zumindest nicht für die Allgemeinheit. Ich stelle mir eine gepuderte Dame des Rokoko vor, die tabakverschmiert ist.
Allerdings handelt es sich ja um eine Geheimsprache, die sonst ja nicht interessant wäre, wenn sie jeder beherschen würde. Gibt es Belege von Damen, die bedeutend sind, dass sie geraucht oder geschnupft haben, so in der Kategorie bzw. Gesellschaftsschicht wie die Marquise de Pompadour oder Julie de Lespinasse (die einen der bedeutensten Salons von Paris unterhielt - http://fr.wikipedia.org/wiki/Julie_de_Lespinasse )?
 
Brissotin@I
Ich stelle mir eine gepuderte Dame vor, die tabakverschmiert ist.

Da ist sicher nach unseren Vorstellungen manches dran, ein paar Krümel Tabak fielen sicher ins Dekollte´, zumal wenn man den Tabak zwischen zwei Finger nahm.
Jedenfalls scheint man an schnupfenden Damen keinen Anstoß genommen zu haben.
Eine bekannte Schnupferin war z. B.Frau Rath Goethe. Von einer Fürstin de Aquaviva ist eine Anekdote überliefert: Sie war auf Audienz bei Benedikt XIII., als der Papst nach seiner Tabatiere griff, diese aber leer fand. Die Fürstin half ihm aus der Verlegenheit und bot ihm ihre eigene an. Offenbar war man in Kreisen der Aristokratie bereit, Frauen auf diesem Gebiet die gleichen Rechte zuzubilligen. Einen Beleg dafür, daß man schnupfende Damen anstößig fand, habe ich nicht gefunden. Offenbar empfand man es sogar als ein Zeichen vollendeter höfischer Manieren, wenn Damen da mittaten.

Rauchende Frauen dagen galten als etwas exotisches, fast anstößiges. Schlimm genug, wenn Vagantinnen oder Marketenderinnen so etwas taten, für eine bürgerliche Frau oder eine Aristokratin geziemte sich so etwas nicht.


Ich möchte noch einen anderen Strang in die Diskussion einschieben, den Tabakanbau. Schon Ende des 17. Jahrhunderts gab es vereinzelten Tabakanbau. Tabak gedieh auf sandigen Böden, er konnte auf der Brache angebaut werden, wo er neben dem unmittelbaren Nutzen noch einen "für die Reinigung der Felder nützlichen Zweck erfüllte." die Gründe für den Tabakanbau hatten zei verschiedene Profile. Einerseits versuchten die Obrigkeiten, das Rauchen auszunutzen, indem sie Monopole erließen. Das hatte einen lukrativen Schmuggel zur Folge, so daß man den Markt schließlich freigab. Wie man weiß, gibt es in Mitteleuropa durchaus brauchbaren Tabak. Bekannte Anbaugebiete waren und sind Baden, das Elsaß und auch Franken. Der um Nürnberg im 18. ahrhundert gezogene Tabak hatte einen guten Ruf und galt als fast so gut, wie der aus Maryland. Der Tabakanbau war durchaus ein lukratives Geschäft, denn die meisten Zeitgenossen konnten sich teure Importware nicht leisten. in der gegend um Schwabach und Roth in Franken machte der Tabakanbau einen beträchtlichen Wirtschaftszweig aus. Das Kraut was da auf fränkischen Feldern gezogen wurde, war aber ein übler Knaster. Hast du, Brissontin@ vielleicht Informationen, wie das in Baden war?
 
He, he ich wohne in Vorderösterreich, nicht in Baden!
Freiburg -> Sitz des Präsidenten von Vorderösterreich im 18.Jh.
Leider weiß ich vom badischen Tabakanbau nicht viel. Die Böden in der Rheinebene sollten recht geeignet sein.

Ebenso wie die brandenburgischen Böden. Ich komme gebürtig aus dem Oderbruch, wo schon damals Tabak angebaut wurde, ebenso in der Gegend um Schwedt.

Insgesamt soll der deutsche Tabak von der Pflanze her, ich weiß es gab unterschiedliche Arten, eklatant anders geschmeckt haben, als in Frankreich und England, wo eine modernere Art eingeführt wurde. Genaues weiß ich nicht dazu, müsste man ergoogeln, wozu ich derzeit keine Zeit habe.

Eigentlich kann man feststellen, dass sich um die meisten Residenzstädte in Deutschland im 17./18.Jh. ein lebhafter Tabakanbau entwickelt hat. Zur Pfalz kann ich eventuell Informationen beisteuern.

In England wurde, meines Wissens, der Tabak aus Virginia bevorzugt.

Ich schau mal, ob ich heute Abend Zeit zum nachschlagen habe.
 
Brissotin@
In England wurde der Tabak aus Virginia bevorzugt
das hat sich ja bis heute auf vielen Gebieten erhalten.
Bis nach dem Krieg gab es auf dem europäischen Kontinent etliche Orientzigarettenmarken. Mein Großvater rauchte diese flachen ägyptischen Stäbchen, Nil. Ich habe früher sehr gerne Finas, Fre`reKyriazi geraucht, bis dann vor ein paar Jahren dank EU Politik die wenigen noch vorhandenen Orientzigaretten ganz vom Markt verschwanden.
Die Virginia- und Burleytabake, die heute den Markt dominieren, sind ein Relikt der Besatzungszeit. "Gib mir ne Stange Chesterfield, dann wird meine Schwester wild, hat mein Opa immer gesagt. Vor 1945 war auch die Zigarettenspitze noch verbreiteter, die sich wohl aus der Pfeife entwickelt hat.

Bei schnupftabak zieht sich im Grunde quer durch Deutschland eine Grenze, die wohl noch aus der Zeit der Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich resultieren. Die Briten setzten auf ihren geliebten Virginia und Maryland, die Spanier auf dunkle Südamerikanische Tabake, die stark mit Aromastoffen versetzt waren.
noch heute bevorzugt man im protestantischen Norden den hellen, sehr trockenen Snuff im englischen Stil, während südlich des Weißwurstäquators der dunkle, feuchte Brasil, Schmalzler wie die Bayern sagen, besser geht.
 
Daß in Brandenburg Tabak angebaut wurde, hab ich heute zum ersten Mal gehört. Aber auf dem sandigen Boden müßte sich die Tabakpflanze eigentlich heimisch gefühlt haben.

Interessant finde ich auch die Geschichte des Tabaks in Rußland, im Zusammenhang mit der Öffnung nach Westen.
Die orthodoxe Kirche bannte den Gebrauch des "gottlosen Krauts" und Zar Michail I. erließ drakonische Gesetze gegen den Tabakkonsum, die bis zur Todesstrafe gingen, genützt hat es allerdings schon damals nichts. Zar Alexei hat dann die Verbote gelockert und Peter I., begeistert von europäischen Innovationen hat schon als 15 ähriger geraucht. Während der Großen Gesandschaft traf Peter einen englichen Adeligen, Lord Carmathan, dem er die Tabakregie für ganz Rußland gegen teures Geld verkaufte.
 
Für die Pfalz habe ich folgendes gefunden, nämlich dass schon Kurfürst Carl Ludwig (1632/48-80) den Tabakanbau und -verarbeitung förderte. Durch seinen (Zwangs-)Aufenthalt in den Niederlanden, vor allem in Haag, wird ihm dieser als gewinnbringender aufkeimender Wirtschaftszweig aufgefallen sein. Schon seit den 1650ern lässt sich eine Tonpfeifenproduktion in Mannheim und Frankenthal archäologisch nachweisen.
Das finde ich höchst interessant, da somit die Pfalz innerhalb des Reiches (bis auf den Teil der Niederlande, der noch zum Reich gehörte, eine Vorreiterrolle im Tabakkonsum scheinbar darstellte, war dieser während des Großen Krieges noch unter den Zivilisten als Gehabe der Soldaten bisweilen sehr verpönt.

Nachdem die Stadt Gouda in den Niederlanden am Beginn des 17.Jh. von primiärer Bedeutung gewesen war, gewann um 1700 die Pfeifenbäckerei im Westerwald umfangreich an Bedeutung.

Aber auch die Pfeifenherstellung in dem Zentrum der Pfalz wirkte bereits überregional. 1743 bestätigte Carl Theodor auf 12 Jahre bspw. das Privileg des Kaffeehausbesitzers Johann Jacob Liebreich bezüglich der Pfeifenproduktion in seiner Fabrik.

Die großen, namenhaften Städte wie Gouda mit Pfeifenfabriken wurden auf den Pfeifen auch mit Marken gekennzeichnet, die allerdings schon im 18.Jh. nachgeahmt wurden. Ein Markenschutz bestand scheinbar noch nicht.

Quelle: "Lebenslust und Frömmigkeit..." (Katalog erschienen in Regensburg)
 
Interessant, das würde meine These bestätigen, daß der Rauchtabak eher ein "aufsteigendes Kulturgut" war, das bevor es sich an Höfen wie dem preußischen des Soldatenkönigs oder dem Zar Peter I. durchsetzte, bereits in Bürger- und auch in Bauernhäusern im Gebrauch war. Der Schnupftabak aber eher ein "absteigendes Kulturgut" war, das zuerst an Fürstenhöfen kultiviert wurde und dann vom Bürgertum nachgeahmt wurde.

In Franken war der Tabakanbau ebenfalls bereits im 16. Jahrhundert ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Der um Nürnberg angebaute Tabak genoß guten Ruf, ein Kameralwissenschaftler schrieb um 1700, daß er dem Maryland von allen heimischen Sorten am ehesten gleichkam.

Interessant scheint mir auch, daß wo sich der Tabakanbau verbreitete, er Surrogate wie den Hanf verdrängte. Das würde dafür sprechen, das der europäische Hanf tatsächlich nicht allzu viel THC enthalten haben dürfte.

Im karibisch-amerikanischen Raum war den Schwarzen der Gebrauch von Alkohol, aber auch der Tabakanbau verboten. Die Sklaven pflanzten daher Hanf. Die weißen Herrenmenschen scheinen das auch geduldet zu haben. In Nordamerika besaß der Hanf daher das Image als "Nigger weed", den Ausdruck habe ich bei Mark Twain gefunden. M.E. kann man sagen, daß sich der Hanf diesmal als "aufsteigendes Kulturgut" erst mit der Prohibitionszeit und der Jazzmusik unter weißen Amerikanern etablierte.
 
Als Shisha-Raucher würde mich interessieren, wei der Tabak in den Orient gekommen ist, und sich dort weiterntwickelt hat. So hat ja typischer Wasserpfeifentabak (nicht das trockene Zeug mit dem ihr armen Hunde in Deutschland auskommen müsst) eine ganz andere Konsistenz und Zusammensetzung als herkömmlicher Virginia Tabak oder diverse karibische Ziggarrentabake. Weiß jemand mehr dazu?
 
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