Die Lusitania - ein Hilfskreuzer?

Die Diskussion um das Rechtfertigen einer Versenkung eines Schiffes im 1. Weltkrieg hat ein großes Grundproblem. Der 1. Weltkrieg war der erste große Krieg zwischen den Völkern, daß bedeutet, das nicht der Sieg von Schlachten zwischen den Armeen oder Schiffen entschied, sondern das bedingungslose niederringen einer ganzen Nation war entscheidend. Wichtig für diese Art Krieg zu führen waren natürlich die technologischen Voraussetzungen, die wiederum eine Nation abhängig von der Wirtschaft machten.

Somit konnten im Vorfeld geschlossen Richtlinien, wie in einem Krieg zu verfahren sei, mit diversen Situationen, vor allem im Bezug auf die Zivilbevölkerung wohl nur noch schwer umgesetzt werden.

Das Uboot stellte eine relativ neue Waffe dar und war zu Beginn des Krieges gerade mal 8 Jahre Bestandteil der kaiserlichen Marine. Die taktischen Möglichkeiten dieser Waffe waren bei bis zum Beginn des Krieges nicht klar und können im Bezug auf die Haager Konventionen eigentlich gar nicht berücksichtigt werden.
Das Uboot stelle in den Augen der Admiralität eine defensive Waffe dar, die allenfalls zu Aufklärung dienen sollte oder einen direkten Angriff auf ein Kriegsschiff.

Dabei stellt der Überraschungsmoment und das „nicht entdeckt“ werden, durch einen Unterwasserangriff die offensive Kraft des Ubootes dar. Doch der Handelskrieg bzw. der Kampf gegen Zufuhr- und Ausfuhrlinien einer Nation wurde im Hinblick auf den Einsatz von Überwasserkriegsschiffen in diverse Regel gelegt.

Da aber nun der Krieg nicht mit einzelnen Schlachten zu gewinnen war, wie noch 1871 z.B. wurde aus dem Krieg, auch ein Wirtschaftskrieg. Großbritannien legt mit der Fernblockade vor, sowie daß halbwegs Unrechtmäßige Vorgehen gegen Neutrale Zivile Schiffe im Bezug auf den Verdacht der Konterbande. Dies ist natürlich noch nicht vergleichbar mit dem Versenken eines Schiffes, bei dem auch Leib und Leben auf dem Spiel steht. Aber die Fernblockade war ein Mittel, daß wohl nicht ohne Grund von den Briten genutzt wurde.
Mr. Runciman und Mr. Hurst, Justitiar im Foreign Office, haben Kröller erklärt, daß Deutschland ausgehungert werden müsse und wenn der Krieg drei Jahre dauert.Carl Gneist, 3.September 1914

Daraufhin entdeckte man bei der deutschen Marineführung, daß der Einsatz eines Ubootes nicht nur gegen Kriegsschiffe erfolgreich sein kann, sonder das der Handelskrieg mit Ubooten effektiver ist, als mit Zerstörern oder Kreuzern.

Doch das Uboot stellte keine in der alten Seefahrt noch so wichtige Ehrbarkeit dar, denn der Kampf eines Ubootes erfolgte unerkannt aus dem Hinterhalt unter Wasser. Doch genau dies ist der einzige offensive Moment, den das Uboot hat. Alles andere war Unsinn, denn ein Uboot kann nicht Überwasser offensiv eingesetzt werden.

Natürlich würde man auf der Gegnerseite versuchen, diese neue Waffe, für die es zu diesen Zeitpunkt keine wirksame Gegenwehr gab, auf einen anderen Wege unschädlich zu machen. Und hier trifft die Tradition der Seefahrt wieder auf die moderne der Technologien zu dieser Zeit.
15 Jahre später werden solche Fragen in der Situation des Krieges nicht mehr gestellt, weder von Nazideutschland, noch von den Alliierten.

Der 1.Weltkrieg war kein Kabinettkrieg mehr, doch dies erkannten damals die Menschen erst nach dem Krieg. Dies bezog sich auch auf den Seekrieg und zeigte um so deutlicher, das ein Wirtschaftskrieg wichtiger war, als ein auf das Militär beschränkter Schlagaustausch.

Somit Frage ich Euch, was diese Diskussion um Handelschiffe die Kriegsschiffe sind und Uboote die nicht Unterwasser angreifen dürfen heute noch bezwecken soll. Wollen wir uns jeweils Rechtfertigen, dass die Tat des jeweiligen Gegners die richtige Handlungsweise darstellt, indem wir nach Fehlern suchen, bei denen der ein oder andere gegen Richtlinien verstoßen hat, die zu einer Zeit erstellt wurden, als die Voraussetzungen im späteren Krieg noch gar nicht vorhanden waren?

Es war der erste totale Volkskrieg und jeder der sich nicht an Regeln hielt, wollte diesen Krieg gewinnen. Die Diplomatie versuchte immer wieder dem gegenzusteuern, doch das Anwenden neuer Waffen und Taktiken war zu Interessant für die Militärs, wie das man sich hätte in Verhandlungen einigen können.
 
Lusitania wurde 1913 mit Panzerplatten, ... ausgestattet, also alles Voraussetzungen für einen bewaffneten Hilfskreuzer.


Über den Hinweis bin ich auch in der Baubeschreibung gestolpert. Tatsächlich hatte die Lusitania eine Art "Seitenpanzerung", die allerdings der Rumpfversteifung/Gewichtsoptimierung für die projektierte Geschwindigkeit und dem Wellendruck auf den Schiffskörper diente, platt gesagt: dafür sorgte, dass das Schiff nicht mittig durchbrechen konnte.

Diese Art "Panzerung" hatte nichts mit etwaigen Verwendung als Hilfskreuzer zu tun. In die gleiche Kategorie gehört die These von den "Decksverstärkungen", die angeblich zum Tragen von Geschützen vorsorglich vorgesehen waren.

Tatsächlich hatten sämtliche Arrangements im Kern statische Gründe, wie die folgenden Abbildungen zeigen [interessant ist, dass auch vor 1913 bereits die Versteifungen auf Hilfskreuzereigenschaft hinterfragt wurden - schon damals wurde darauf hingewiesen, dass das strukturelle Arrangement ähnlich dem der "Great Eastern" geplant wurde, die nun nicht als Hilfskreuzer vorgesehen war]:
 

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Diese Art "Panzerung" hatte nichts mit etwaigen Verwendung als Hilfskreuzer zu tun. In die gleiche Kategorie gehört die These von den "Decksverstärkungen", die angeblich zum Tragen von Geschützen vorsorglich vorgesehen waren.

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Über eine Panzerung weiss ich nichts. Ich meine jedoch vor etlichen Jahren gelesen zu haben (in einem englischen Buch) dass alle großen Schiffe der Cunard Line beim Bau eine Decksverstärkung zur eventuellen Montage eines Schnellfeuergeschützes bekamen.
 
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Über eine Panzerung weiss ich nichts. Ich meine jedoch vor etlichen Jahren gelesen zu haben (in einem englischen Buch) dass alle großen Schiffe der Cunard Line beim Bau eine Decksverstärkung zur Montage eines Schnellfeuergeschützes bekamen.

Das war nur das Fundament für den Geschützbereich, vermutlich einige verlegte Stahlplatten auf dem Shelter-Deck. Das Deck war - siehe Zeichnung 1 - bereits zum Tragen von Geschützen in der Lage, weil es nämlich als Versteifung für die konstruktive Wasserverdrängung von 37.000 Tonnen (bei normalem tiefgang) diente. Die versteifende Verstärkung durch HT-Stahl ist in den beiden ersten Zeichnungen gut sichtbar.
 
Zu der ganzen Thematik ist mir ein interessanter Gedanke gekommen.

Wir diksutieren über Seerecht und Handelsschifffahrt im 1.WK. Wann durften Schiffe aufgepracht werden, wann galten diese Schiffe als Kriegs- oder Handelsschiffe, um hier eine rechtfertigung gegen den Handelskrieg zu finden, um diesen für Völkerrechtswidrig zu erklären, um etwaige Schuldfragen zu erhärten.

Aber wie wäre wohl die Royal Navy mit deutschen Handels-Ubooten, die offiziell nun eigendlich keine Kriegsschiffe waren, umgegangen?
 
Ich lese gerade das von Gandolf in Beitrag #26 erwähnte Buch -Die Lusitania- von O´Sullivan.

Dabei ist mir auf der Rückseite eine interessante Frage zu dem ganzen ins Auge gefallen:

Hat Winston Churchill die Beweise mainpulieren lassen, um seine Karriere als erster Lord der Admiralität zu retten?
 
Jellicoe, Churchills Stab Flottenchef, informierte am 30.April Churchill darüber, das U 35, U 36, U 39 und U 41 Helgoland am 29.04. verlassen hätten. Voraussichtliches Ziel, Fair Isle, mit Angabe der Durchschnittsgeschwindigkeit wurden ebfalls von Jellicoe mitgeteilt. Das Auslaufen zwei weiterer Boote, nämlich U 20 und U 27, die am 30.04. und 07.05. ausgelaufen waren, hat Churchills Stab nicht weitergemeldet. Die Zielgebiete dieser beiden Boote, Irische See bzw. Bristolkanal waren auh hier bekannt und trotzdem wurden die zuständigen Kommandobehörden der Navy nicht informiert. Zur gleichen Zeit wurden die britischen Kriegsschiffe, der Kreuzer Gloucester und die Linienschiffe Jupiter und Orion gewarnt. Die neutrale Handelsschiffahrt erhielt wie die Lusitania, die direkt in das Operationsgebiet von U 20 des St.George Kanals fuhr, ebenfalls keine Warnung.

Als U 20 im St.Georges Kanal zwei Dampfer versenkt hatte und der verständlicherweise schwer beunruhigte Chef der Cunard-Linie bei der Navy vorstellig geworden war, ging ein entsprechender Funkspruch ab. Ob die Lusitanie aber diesen erhalten hat, ist unklar. Der ausgelaufene Kreuzer Juno, der der Lusitanie geleitschutz geben sollte, wurde von der Admiralität nach Queenstown zurückgepfiffen. Auch hat die britische Admiralität den Kapitän der Lusitania nicht darüber informiert, das die sicherere Liverpool-Route entlang der Nordküste Irlands wieder minenfrei und damit natürlich auch befahrbar war.

Wenn die Admiralität der Lusitania tatsächlich auch noch den Befehl gegeben haben sollte, statt Liverpool Queenstown anzulaufen, dann wäre das wohl ziemlich heftig. Es gibt entsprechende Aussagen von Zeugen, das auf der Lusitania nämlich schon alle Vorkehrungen für ein Anlaufen von Queenstown getroffen worden waren.

Schröder, Die UBoote des Kaisers
 
Wenn ich das richtig aus der Literatur in Erinnerung habe, hielt sich Churchill zur Zeit des Untergangs in Frankreich auf, wo er auf einen Posten im Landkrieg schielte. Außerdem waren da waren noch die Dardanellen, die etwas mehr Bedeutung als Fiasko entwickelten.

Aber wie dem auch sei, ich sehe eigentlich nicht, wie die militärischen Dispositionen nur Besonderheiten aufweisen. Schließlich war man nicht im Jahr 1943, bzgl. der Qualitäten der U-Boot-Abwehr. HMS Juno war veraltet, eine "sitting duck", ungeeignet zur U-Boot-Abwehr. Auch alle anderen Fehler kann man genauso unter Pleiten, Pech und Pannen und auch mangelnde Erfahrung im U-Boot-Krieg verbuchen. Sie stechen jedenfalls nicht sonderlich aus dem Seekriegsdunst 14-18 hervor.

Von daher bin ich skeptisch, wenn in der Literatur von verschwundenen oder gar beseitigten Beweisen die Rede ist. Wer in der Literatur von einer, sagen wir mal billigend in Kauf genommenen oder sogar erwünschten, Versenkung der Lusitania ausgeht, kann reichlich über "Ungereimtheiten" fündig werden.

Daher ist der Kontext wichtig: Improvisation, Hysterie, Unerfahrenheit in der U-Boot-Abwehr. Eine Auflistung der "Mysterien" findet sich hier:
RMS Lusitania - Wikipedia, the free encyclopedia

Seit ich mal ein Buch über die "Titanic-Verschwörung" gelesen habe (Inhalt klang spannend), und dort von einem gigantischen Versicherungsbetrug die Rede war (gesunken ist tatsächlich das Schwesterschiff, die havarieträchtige und schadensanfällige Olympic, nicht die Titanic), halte ich Spekulationen über solche Ereignisse für nicht begrenzbar.:D
 
Und so ein Pott soll dann Geleitschutz gegen deutsche Boote geben. Ich fasse es nicht.

Man hatte zu der Zeit nichts Geeignetes. Außerdem waren moderne Schiffe sonstwo eingesetzt. U-Boot-Abwehr wurde improvisiert, selbst Handfeuerwaffen wurden an Handelsschiffe ausgegeben, und Fischkutter als Beobachtungsposten eingesetzt.
 
Neues vom Lusitania-Fall:

Der Arbeitskreis "Krieg zur See 1914-18" hat in seiner neusten Ausgabe vom Marine-Nachrichtenblatt (MNB 8, Januar 2012) Angaben zur Biographie von Karl Vögele (Charles Voegele) gemacht.

Der Name wird vielen nichts sagen, aber es soll sich dabei um das Mitglied der Mannschaft von U20 gehandelt haben, das angeblich eine "Meuterei" bzw. Widerstand gegen das Abfeuern von Torpedos kurz vor der Versenkung der Lusitania angezettelt haben soll. Die Geschichte kursiert seitdem als festeer Bestandteil der "Versenkungsgeschichte" im Internet und in der Fachliteratur, siehe zB
http://www.geschichtsforum.de/437627-post348.html
RMS Lusitania ? Wikipedia

Wie nun anhand der Akten der Deutschen Dienststelle WASt (Akten der Militärangehörigen) ermittelt wurde, befand sich Vögele nie auf U20 (anders als zB Diana Preston vermutete, die die Geschichte allerdings bereits anzweifelte). Die Geschichte wurde offenbar erfunden.
 
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Neues vom Lusitania-Fall:

Der Arbeitskreis "Krieg zur See 1914-18" hat in seiner neusten Ausgabe vom Marine-Nachrichtenblatt (MNB 8, Januar 2012) Angaben zur Biographie von Karl Vögele (Charles Voegele) gemacht.

Der Name wird vielen nichts sagen, aber es soll sich dabei um das Mitglied der Mannschaft von U20 gehandelt haben, der angeblich eine "Meuterei" bzw. Widerstand gegen das Abfeuern von Torpedos kurz vor der Versenkung der Lusitania angezettelt haben soll. Die Geschichte kursiert seitdem als festeer Bestandteil der "Versenkungsgeschichte" im Internet und in der Fachliteratur, siehe zB
http://www.geschichtsforum.de/437627-post348.html
RMS Lusitania ? Wikipedia

Wie nun anhand der Akten der Deutschen Dienststelle WASt (Akten der Militärangehörigen) ermittelt wurde, befand sich Vögele nie auf U20 (anders als zB Diana Preston vermutete, die die Geschichte allerdings bereits anzweifelte). Die Geschichte wurde offenbar erfunden.

Interessant ist die Behauptung einer "Meuterei" oder deren Versuch, bei den Ubooten der Hochseeflotte mit dem Hintergrund, daß gerade die Besatzungen und Offiziere der Uboote bei allen Unruhen und Meutereien ab 1917 innerhalb der kaiserlichen Marine zu den treuen "Gefolgsleuten" der Admiralität gehörten. Ich möchte nur an dem Umstand zur Niederschlagung einer Meuterei auf dem Linienschiff Thüringen hinweisen. Hier wurde die Aufgabe der Meuterei durch ein Uboot und Torpedoboote mit geladenen Torpedoren erzwungen.

Die Frage ist etwas OT, aber gab es eigendlich je einen Fall von Meuterei auf einen Uboot, daß sich im Kampfeinsatz befand?
 
Die Fälle 1917/18 hatten ja politische Hintergründe.

Befehlsverweigerungen, Unerlaubtes Entfernen etc. dürften keine Seltenheit darstellen. Mir fehlen ad hoc Angaben zur Kaiserlichen Marine, aber zB in den Beatty-Papers finden sich Detailangaben zu den britischen Schiffen. Danach war zB "unerlaubtes Entfernen" von den Schiffen recht häufig, einzelne Schiffe "verloren" zeitweise 3-5% ihrer Besatzung im Hafen während der Liegedauer (Angaben betrafen die Schlachtkreuzer). Man führte Statistiken über das Aufgreifen dieser Mannschaften, die dann wieder auf die Schiffe verfrachtet wurden.

Führt aber hier vom Thema weg. Mir ging es nur um den Hinweis bzgl. der Geschichte um Karl Vögele.
 
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