Die Macht des "Simplicissimus"

Arne

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Der SIMPLICISSIMUS war vermutlich die populärste Satirezeitschrift des Kaiserreiches.
Das Deutsche Historische Museum schreibt zu diesem Stichwort:

Die deutsche satirische Wochenzeitschrift "Simplicissimus" (lat. "der Einfältigste") erschien ab 1896 in München unter der Leitung von Albert Langen (1869-1909) und war ein bürgerlich-demokratisches Kampfblatt allerdings ohne formuliertes politisches Programm. Seinen großen Erfolg - 1897 erschien die Auflage in 15.000 Exemplaren, 1904 bereits in 85.000 - verdankte der "Simplicissimus" sowohl seiner geistvoll streitbaren politischen Aktualität als auch der künstlerischen Qualität seiner Zeichnungen und Literaturbeiträge. Thomas Theodor Heine gehörte mit zu den besten Zeichnern: Seine angriffslustige, gefährlich dreinschauende, zähnefletschende und ihre Ketten sprengende rote Bulldogge - ein Zeichen des Protestes gegen Kaiser und Junker, Militär und Klerus, Imperialismus und Preußentum, Beamten- und Philistertum - war das Wappentier und Symbol des "Simplicissimus". Auch die Auseinandersetzungen mit der Zensur und Justiz, Gerichtsverhandlungen, Geld- und Haftstrafen erhöhten die Popularität.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs gab der "Simplicissimus" seine oppositionelle Haltung auf und öffnete sich Nationalismus und Chauvinismus. Er wurde noch bis 1944 herausgegeben, doch den Erfolg der Vorkriegszeit hat er nicht mehr erreichen können.
Quelle:http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/simplicissimus/

Einer der Mitarbeiter war auch Frank Wedekind ("Frühlings Erwachen"), der 1899 sogar wegen Majästätsbeleidigung in der besonders scharfen "Palästina-Nummer" ( 3 Jg., Nr. 31., Oktober 1898) verurteilt wurde. Die Nummer wurde sogar verboten - ein Grund, warum die Ausgabe heute um die 300 Euro kostet.

Wenn ich versuche das in heutige Zeiten zu übertragen, finde ich es recht bemerkenswert, wie "nervös" damals auf Beiträge in einer Satire-Zeitschrift reagiert wurde. Gut, die Verhältnisse waren damals anders als heute, wo sich ein Kanzler kaum darum schert, wie er in den Medien verulkt wird. Aber meines Wissens wurde der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung in der Regel nicht konsequent verfolgt, sondern man ließ da auch viel durchgehen. Hat da jemand andere Informationen?

Es scheint erklärbar, wenn man schon damals die Zeitschrift nicht nur als Satire gesehen hat, sondern als eine Art "Ventil" von Oppositionellen ihre Unzufriedenheit mit dem herrschenden System auszudrücken. :grübel:

Was wisst ihr über die tatsächliche "Macht" des Simplicissimus, also wie haben seine Bilder und Texte tatsächlich in der Bevölkerung gewirkt?
Oder war das alles nur Wut und Ärger über den ätzenden Dorn im Fleisch bei den Regierenden?
 
Arne schrieb:
Der SIMPLICISSIMUS war vermutlich die populärste Satirezeitschrift des Kaiserreiches.
Das Deutsche Historische Museum schreibt zu diesem Stichwort:

Die deutsche satirische Wochenzeitschrift "Simplicissimus" (lat. "der Einfältigste") erschien ab 1896 in München unter der Leitung von Albert Langen (1869-1909) und war ein bürgerlich-demokratisches Kampfblatt allerdings ohne formuliertes politisches Programm. Seinen großen Erfolg - 1897 erschien die Auflage in 15.000 Exemplaren, 1904 bereits in 85.000 - verdankte der "Simplicissimus" sowohl seiner geistvoll streitbaren politischen Aktualität als auch der künstlerischen Qualität seiner Zeichnungen und Literaturbeiträge. Thomas Theodor Heine gehörte mit zu den besten Zeichnern: Seine angriffslustige, gefährlich dreinschauende, zähnefletschende und ihre Ketten sprengende rote Bulldogge - ein Zeichen des Protestes gegen Kaiser und Junker, Militär und Klerus, Imperialismus und Preußentum, Beamten- und Philistertum - war das Wappentier und Symbol des "Simplicissimus". Auch die Auseinandersetzungen mit der Zensur und Justiz, Gerichtsverhandlungen, Geld- und Haftstrafen erhöhten die Popularität.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs gab der "Simplicissimus" seine oppositionelle Haltung auf und öffnete sich Nationalismus und Chauvinismus. Er wurde noch bis 1944 herausgegeben, doch den Erfolg der Vorkriegszeit hat er nicht mehr erreichen können.
Quelle:http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/simplicissimus/

Einer der Mitarbeiter war auch Frank Wedekind ("Frühlings Erwachen"), der 1899 sogar wegen Majästätsbeleidigung in der besonders scharfen "Palästina-Nummer" ( 3 Jg., Nr. 31., Oktober 1898) verurteilt wurde. Die Nummer wurde sogar verboten - ein Grund, warum die Ausgabe heute um die 300 Euro kostet.

Wenn ich versuche das in heutige Zeiten zu übertragen, finde ich es recht bemerkenswert, wie "nervös" damals auf Beiträge in einer Satire-Zeitschrift reagiert wurde. Gut, die Verhältnisse waren damals anders als heute, wo sich ein Kanzler kaum darum schert, wie er in den Medien verulkt wird. Aber meines Wissens wurde der Straftatbestand der Majestätsbeleidigung in der Regel nicht konsequent verfolgt, sondern man ließ da auch viel durchgehen. Hat da jemand andere Informationen?

Es scheint erklärbar, wenn man schon damals die Zeitschrift nicht nur als Satire gesehen hat, sondern als eine Art "Ventil" von Oppositionellen ihre Unzufriedenheit mit dem herrschenden System auszudrücken. :grübel:

Was wisst ihr über die tatsächliche "Macht" des Simplicissimus, also wie haben seine Bilder und Texte tatsächlich in der Bevölkerung gewirkt?
Oder war das alles nur Wut und Ärger über den ätzenden Dorn im Fleisch bei den Regierenden?

Ludwig Thoma, der mit den Lausbubengeschichten, war auch Mitarbeiter des Simplicissimus, wenn ich mich richtig erinnere wurde der sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, und hat diese abgesessen!
Muss mal nachlesen, um welchen Artikel es konkret ging.

Grüße Repo
 
Repo schrieb:
Ludwig Thoma, der mit den Lausbubengeschichten, war auch Mitarbeiter des Simplicissimus, wenn ich mich richtig erinnere wurde der sogar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, und hat diese abgesessen!

Mit Frank Wedekind saß Thomas Theodor Heine damals wegen Majestätsbeleidigung sechs Monate in Festungshaft (Festung Königstein in Sachsen).

Ludwig Thoma kam im März 1900 als Redakteur zum Simplicissimus. Bis 1921 schrieb er für den "Simpl" 832 Artikel, Gedichte und Geschichten.
(Quelle: http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_IV/Germanistik/gajek/thoma.htm)

Von einem Verfahren wegen Majestätsbeleidigung finde ich da auf die Schnelle nichts, aber etwas anderes:
"Am 6. März 1905 erhebt die Königliche Staatsanwaltschaft Stuttgart bei der Strafkammer I des Königlichen Landgerichts Stuttgart Anklage gegen den „Simplicissimus"-Redakteur Julius Linnekogel und den Schriftsteller Ludwig Thoma wegen „eines gemeinschaftlich ausgeführten Vergehens der Beleidigung und der öffentlichen Beschimpfung einer Einrichtung der christlichen Kirche mittels Presse und zwei rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne des § 185, 196, 47, 200 RSTGB, in Verbindung mit § 20 des Reichspressegesetzes vom 7. Mai 1874 und Artikel 12 des Württembergischen Ausführungsgesetzes . . .

Gemeint ist hiermit die Veröffentlichung des Gedichtes „An die Sittlichkeitsprediger in Köln am Rheine" das anlässlich des „Internationalen Kongresses zur Bekämpfung der unsittlichen Literatur" vom 2. bis 4. Oktober 1904 in Köln, von Ludwig Thoma unter seinem Pseudonym „Peter Schlemihl" verfasst wurde."

Quelle: [Quelle: Sich fügen - heisst lügen : 80 Jahre deutsches Kabarett / [Hrsg.: Dt. Kabarett-Archiv Reinhard Hippen. Red.: Reinhard Hippen ; Ursula Lücking]. -- Mainz : Schmidt und Bödige, 1981. -- ISBN 3-88193-011-6]
 
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