Die Neolithische Revolution in Europa - Wie und warum?

Der Stand der Genforschung ist allerdings, dass die Ackerbauern nur in geringer Größenordnung (10-20 %) zur DNA-Ausstattung der heutigen Europäer beigetragen haben, die Mehrheit von uns stammt von also von Cro Magnon & Co ab.

Tut mir leid, Genforschung und deren Erkenntisse sind nichts, von dem ich viel Ahung habe.
Aber ein "Gen-Anteil" von 10-20% erscheint mir recht viel, wenn man bedenkt, wie viele Einwanderungswellen danach noch Europa verändert haben.
Oder heißt Deine Aussage, dass "wir" zu 80 bis 90 % definitiv von Menschen abstammen, die vor Einwaderung der Bandkeramiker schon hier lebten? Das würde mich sehr überraschen (aber, wie gesagt, ich bin bei dem Tehma planlos).

Bei der Ausbreitung geht man von einem Wechselspiel aus und vermutet sowohl eine expandierende Bauernbevölkerung als auch eine Kulturtrift, die lediglich die Kenntnis des Akckernaus an eine mesolithische Bevölkerung weitergab. Diese Übernahme der Sesshaftigkeit und des Ackerbaus durch die mesolithische Sammler-, Jäger- und Fischerbevölkerung kann durchaus innerhalb kurzer Zeitspannen erfolgt sein.

Dem Werk Deutschland in der Steinzeit von Ernst Probst zufolge lebten mesolithische Jäger/Sammler über Jahrhunderte hinweg neben den eingewanderten neolithischen Bauern; dies kann natürlich damit erklärt werden, dass diese frühen Bauern besonders fruchtbare Böden brauchten, um überhaupt überleben zu können. (Lössboden wie z.B. in der Gegend um Magdeburg.) In weniger fruchtbaren Gebieten wären die Menschen weiterhin auf die überkommene Lebensweise angewiesen.

ad Dieter: Gibt es Beweise oder aussagekräftige Indizien für eine Kulturtrift oder eine schnelle Übernahme des Ackerbaus durch Vorgängerkulturen? Ich habe bisher eher Dinge gelesen, die das Gegenteil naheliegend erscheinen lassen.
Eine Übernahme der neuen Wirtschaftsweise nach längerer Zeit (Jahrhunderte) ist unstrittig.

Wo fängt bzw. hört bei Dir Norddeutschland auf?

Gute Frage, die Du selbst beantwortest:

In Südniedersachsen z. B. lebte man bereits im 6. Jahrtausend im Neolithikum, im norddeutschen Tiefland setzt man den Beginn in die 2. Hälfte des 5. Jahrtausend mit der in Nordeuropa und im nördlichen Mitteleuropa sogen. "Erteböllekultur" (nach einem Fundort in Jütland).

Diese von Dir erwähnte Grenze war gemeint.

Die Möglichkeit, dass die Ausbreitung der ersten Bauern vor allem von der Bodenqualität abhing (auf fruchtbaren Böden konnte Ackerbau sinnvoll gelingen, auf weniger fruchtbaren nicht), ist gegeben (s.o.).

Argumente, die die obigen Thesen stützen, werden gerade gesammelt und aufgearbeitet. Kann sich nur noch um Stunden/Tage/Jahre handeln... ;)
 
Pope schrieb:
Bei der unteren Grafik ist erkennbar, wie selten die Bandkeramiker auf Jagdwild zurückgriffen.

@ Pope: das halte ich für einen enorm wichtigen Punkt. Diese Beobachtung - dass Jagdwild nur noch einen sehr geringen Anteil an der Ernährung ausmacht, obwohl das "Angebot" vorhanden war, lässt sich nämlich auch bei anderen vor- und frühgeschichtlichen Siedlungen, z.B. Germanischen, beobachten. Dass, wie andere geschrieben haben, Ernährung aus der Jagd biologisch gesehen nicht schlechter und eventuell sogar weniger schädlich war, ist nicht ganz falsch. Ich denke eher, dass es der hohe Zeitaufwand und die geringere Planbarkeit der Jagd waren, die letztlich dazu führte, dass die sesshafte Lebensweise gegenüber der Jagd bevorzugt wurde.
 
Wenn man sich die Karte zur Ausbreitung der Bandkeramiker ansieht, dann fällt auf, dass die nordeuropäischen Küstenstriche erst spät landwirtschaftlich erschlossen wurden. Da stellt sich die Frage, ob das zusätzliche maritime Nahrungsangebot die Einführung der Landwirtschaft verzögerte.

Coastal Shell Middens and Agricultural Origins in Atlantic Europe

Mir dünkt, dass der "südosteuropäische Beitrag" (LW-Technologien, domestizierte Tiere und Pflanzen) an der Neolithisierung Europas von den Mitteleuropäern herzlich begrüßt wurde. Und dass Mitteleuropa in einer Umbruchphase steckte, weil die altbewährte Lebensweise die Menschen nicht mehr ausreichend ernähren konnte. Und in just dieser Zeit kommen diese neue Menschen mit neuen Ideen, die den europäischen Mesolithikern Hoffnung auf ein besseres Leben machen.
 
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Bezugnehmend auf These 2 hier #16:

Wie beweist man eine Ablehnung einer neuen Lebensweise aus jener Zeit?

Das ist eine gute Frage, und beweisen lässt sich meine Behauptung wohl nicht. Dennoch hier einige Argumente.

Die mesolithische Bevölkerung führte, den Funden zufolge, kein schlechtes Leben. Regelmäßige Versorgungsengpässe lassen sich nicht feststellen, diese gab es wohl nur in langen oder harten Wintern, wenn die Nahrungsreserven aufgebraucht oder verdorben waren.
abei ist anzumerken, dass die Ackerbauern im Durchschnitt bis zu 10cm kleiner waren als ihre wildbeuterischen Vorgänger.

Es lassen sich Behausungen dieser Jäger/Sammler nachweisen, die (zumindest im Winter) einen geschützten Unterschlupf boten, Hütten und Zeltkonstruktionen, die wahrscheinlich aus Holzstangen und Rentierfellen bestanden; der Rand wurde mit Steinen am Boden festgehalten (diese wurden gefunden). Also auch wenn hier eine nomadische Lebensweise herrschte, muss von festen, nicht oder schwer transportablen Winterquartieren ausgegangen werden, die dann auch eine Art Vorratshaltung möglich und wahrscheinlich werden lassen.

Entscheidend ist die völlig andere Lebensweise. Der Unterschied zwischen der mesolithischen und neolithischen Bevölkerung könnte kaum größer sein (Nomaden-Seßhafte, Jäger & Sammler-Viezüchter & Bauern). Auch das Geistesleben und die Gedankenwelten dürfte grundsätzlich anders gewesen sein, und tatsächlich lässt sich beim Übergang von der Wildbeuterei zum Ackerbau anhand Beerdigungssitten, Kult- und Kunstgegenständen ein Kulturwandel feststellen.
Und wann in der Menschheitsgeschichte wäre ein solch grundlegender Wandel der Lebens-, Denk- und Wirtschaftsweise einfach von statten gegangen bzw. wann wäre eine solch entscheidend andere Lebensweise einfach übernommen worden?

Ich denke eher, dass es der hohe Zeitaufwand und die geringere Planbarkeit der Jagd waren, die letztlich dazu führte, dass die sesshafte Lebensweise gegenüber der Jagd bevorzugt wurde.

Besonders das mit dem Zeitaufwand der Jagd sehe ich anders. Alles, was ich bisher über diese Frage gelesen habe, widerspricht dieser Aussage (vor allem ethnologische Quellen). Eine aneigenende Wirtschaftsweise ist natürlichweise weniger zeitintensiv als eine produzierende, da man sich nicht um die Bestellung des Bodens bzw. die Aufzucht des Viehs kümmern muss. Erst unter Bedingungen, die nur noch Jagd auf Kleintiere zulässt, könnte dies ändern, aber solch schlechte Bedingungen herrschten damals nicht, das lässt sich anhand der Knochenfunde nachvollziehen. (Um 100 Hasen zu jagen braucht man ev. mehr Zeit, als ein Rind aufzuziehen; aber die Jagd auf ein Hirsch dürfte hier weniger Zeit in Anspruch nehmen, selbst wenn einem das Biest das eine oder andere mal entkommt.)

Die Planbarkeit des Jagderfolges ist tatsächlich ungewiss. Ich möchte aber daran erinnern, dass auch und gerade die frühe Landwirtschaft von den Launen des Wetters abhing und Missernten bestimmt nicht selten waren.

Als das zusammen mit der Tatsache, dass es noch lange mesolithische Wildbeuter gab, während in den fruchtbaren Tälern bereits Ackerbauern aus Südosteuropa/Orient siedelten bringt mich zu dem Schluss, dass die mesolithische Bevölkerung gerne bei ihrer angestammten Lebensweise geblieben wäre und diese nicht freiwillig aufgab, wie hier vermutet:

Mir dünkt, dass der "südosteuropäische Beitrag" (LW-Technologien, domestizierte Tiere und Pflanzen) an der Neolithisierung Europas von den Mitteleuropäern herzlich begrüßt wurde. Und dass Mitteleuropa in einer Umbruchphase steckte, weil die altbewährte Lebensweise die Menschen nicht mehr ausreichend ernähren konnte. Und in just dieser Zeit kommen diese neue Menschen mit neuen Ideen, die den europäischen Mesolithikern Hoffnung auf ein besseres Leben machen.

Das Leben der neolithischen Ackerbauern war nicht besser, sondern eher härter, wenn man die verrichteten Arbeiten betrachtet.

Um gleich noch die Vorteile aufzuzeigen, die ich natürlich auch sehe (immerhin hat sich die Landwirtschaft ja durchgesetzt):

Der erste und wichtigste Punkt ist die größere mögliche Bevölkerungsdichte. Die Ertäge der Landwirtschaft lassen sich steigern, indem mehr Boden urbar gemacht und bestellt wird. Dies ist einer wildbeuterischen Gesellschaft nicht möglich. Ein bestimmtes Revier bietet einer bestimmten Zahl Menschen ein Auskommen; mehr Menschen müssen die Ressourcen überstrapazieren und damit das Revier auf Dauer schädigen.

Damit verbunden ist eine komplexere soziale Struktur, dass Entstehen der hierarchischen, spezialisierten Gesellschaft. Das das ein reiner Vorteile für die sind, die in einer solchen Struktur leben halte ich allerdings nicht für gesagt. Die Linienbandkeramsiche Kultur kannte kämpferische Auseinandersetzungen mit Toten und Verletzten, und sie kannte rituelle Menschenopfer im Zusammenahng mit kannibalischen Ritualen. (Ich will allerdings nicht behaupten, den Mesolithiker wäre so etwas fremd gewesen.)

Zum Abschluss noch ein Wort zur Ertböller-Kultur: Diese ordne ich eher dem Meso- denn dem Neolithikum zu, da Ackerbau und Viehzucht (als produzierende Wirtschaftsformen) eher eine Nebenrolle spielten. Im Vordergrund standen aneignende Wirtschaftsformen, vor allem Fischfang und andere Meerstiere (Muscheln!). Nur unter diesen Bedingungen konnte eine solche Mischung aus alten und neuen Formen entstehen. Dabei ist anzumerken, dass ergiebige Quellen auch im Mesolithikum eine seßhafte Lebensweise ermöglichten.
Hier, beeinflusst von den nahrungsreichen Küstengebieten, konnte sich also eine Mischkultur entwickeln, da die mesolthische Urbevölkerung die Möglichkeit hatte, einige Aspekte der neolithischen Revolution zu rezipieren und zu übernehmen, ohne gänzlich díe angestammte aneignende Lebensweise aufzugeben.
 
ad Dieter: Gibt es Beweise oder aussagekräftige Indizien für eine Kulturtrift oder eine schnelle Übernahme des Ackerbaus durch Vorgängerkulturen? Ich habe bisher eher Dinge gelesen, die das Gegenteil naheliegend erscheinen lassen.

Natürlich gibt es keine "Beweise", sondern angesichts der Fundsituation lediglich Hypothesen. Prähistoriker und Archäologen diskutieren noch immer darüber, wie stark wohl der Anteil der vom Balkan her expandierenden Bauern gegenüber der einheimischen Bevölkerung war, die dann in unbekannten Zeiträumen den Ackerbau und die Sesshaftigkeit übernahm. Zuweilen wurde sogar die Auffassung vertreten, dass überhaupt nur die Kenntnis des Ackerbaus vermittelt wurde, eine Hypothese, die heute kaum noch vertreten wird. Das "Lexikon Geschichte" schreibt dazu::

Die unter dem Begriff "Bandkeramiker" zusammengefasste Bevölkerung zählt zu den ersten Ackerbauern Europas. Die Bauern siedelten vorwiegend auf Lößböden und bewohnten hallenartige Langhäuser von etwa 30 m Länge und 8 m Breite. Die Grundrisse dieser Häuser konnten Archäologen anhand der Pfostenspuren bestimmen, welche die in den Boden gerammten Hauspfosten hinterließen. In der Regel handelt es sich dabei um kleine weilerartige Siedlungsplätze mit etwa 10-15 Langhäusern, in denen vermutlich Großfamilien wohnten.

Diese Siedlungen waren freilich keine dauerhaften Einrichtungen ... Die bandkeramische Bevölkerung bestand aus Wanderbauern, die ihr Dorf verließen, sobald der durch Brandrodung fruchtbar gemachte Boden erschöpft war. Der Rhythmus mag etwa 10-15 Jahre betragen haben ...

Strittig ist bis heute, ob es sich dabei um wandernde Bauerngruppen oder lediglich um Kulturströme handelte, die auf eine altansässige Bevölkerung einwirkten. Die meisten gehen heute davon aus, dass man sich ein Wechselspiel beider Komponenten mit unterschiedlicher Stärke innerhalb der einzelnen Siedlungsgebiete vorstellen muss.

(Dieter Bode, Lexikon Geschichte, Braunschweig 2001, S. 51 f.)
 
Zuletzt bearbeitet:
ad Dieter: Ja, der Begriff "Beweis" ist in diesen hoch spekulativen Zusammenhängen fehl am Platze.

Indizien, Argumente oder Hinweise für eine Kulturtrift bzw. die zeitnahe Übernahme des Ackerbaus durch die mesolithische Bevölkrung Mitteleuropas sehe ich bisher nicht (kaum), wie gesagt eher das Gegenteil.

Aber ich bin auf Gegenargumente sehr gespannt. ;)
 
Indizien, Argumente oder Hinweise für eine Kulturtrift bzw. die zeitnahe Übernahme des Ackerbaus durch die mesolithische Bevölkrung Mitteleuropas sehe ich bisher nicht (kaum), wie gesagt eher das Gegenteil.

Ob die Übernahme des Ackerbaus nun "zeitnah" oder "zeitfern" war und in welchem Zeitrahmen sich das überhaupt abgespielt hat, lässt sich heute nicht mehr zuverlässig entscheiden.

Wenn man sich jedoch anschaut, wie kontinuierlich sich der Ackerbau vom Balkan her nach Mitteleuropa und weiter nach West- und Nordeuropa ausgebreitet hat, so ist zu vermuten, dass die mesolithische Bevölkerung den Ackerbau wohl im Verlauf weniger Jahrhunderte übernommen hat. In Mitteleuropa herrscht jedenfall nach üblicher Epocheneinteilung im 5. Jahrtausend nicht mehr das Mesolithikum, sondern das Neolithikum.

Es lässt sich also höchstens sagen, dass die alteingesessene Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt den Ackerbau übernahm. Dieser Prozess mag vielfach sehr unterschiedlich abgelaufen sein, d.h. es mag konservativ-beharrende mesolithische Inseln gegeben haben, und es mag Regionen gegeben haben, wo sich die Alteuropäer schneller von den Vorzügen der produzierenden Lebensweise überzeugen ließen.

Präzisere Angaben sind kaum zu machen und wären hochspekulativ.
 
Die mesolithische Bevölkerung führte, den Funden zufolge, kein schlechtes Leben. Regelmäßige Versorgungsengpässe lassen sich nicht feststellen, diese gab es wohl nur in langen oder harten Wintern, wenn die Nahrungsreserven aufgebraucht oder verdorben waren.
abei ist anzumerken, dass die Ackerbauern im Durchschnitt bis zu 10cm kleiner waren als ihre wildbeuterischen Vorgänger.

[...]

Besonders das mit dem Zeitaufwand der Jagd sehe ich anders. Alles, was ich bisher über diese Frage gelesen habe, widerspricht dieser Aussage (vor allem ethnologische Quellen). Eine aneigenende Wirtschaftsweise ist natürlichweise weniger zeitintensiv als eine produzierende, da man sich nicht um die Bestellung des Bodens bzw. die Aufzucht des Viehs kümmern muss.

[...]

Der erste und wichtigste Punkt ist die größere mögliche Bevölkerungsdichte. Die Ertäge der Landwirtschaft lassen sich steigern, indem mehr Boden urbar gemacht und bestellt wird. Dies ist einer wildbeuterischen Gesellschaft nicht möglich. Ein bestimmtes Revier bietet einer bestimmten Zahl Menschen ein Auskommen; mehr Menschen müssen die Ressourcen überstrapazieren und damit das Revier auf Dauer schädigen.

Das ist meines Erachtens der "Knackpunkt".

Die Größe einer jungpaläolithischen Jägerfamilie war stets abhängig vom nachhaltigen Fleischangebot. Solange eine Familie 2-3 Kinder in die Welt setzte, konnte sie sich und das natürliche Gleichgewicht aufrechterhalten. Als die Eiszeit zuende ging und die großen Herden verschwanden, zogen einige an die neuen Küsten Nordeuropas und deckten zunehmend mit Meeresfrüchten ihren Kalorienbedarf. Die Wälder im Inneren des Kontinents waren nur noch spärlich besiedelt, denn man brauchte gewaltige Jagdreviere, um Nahrung zu beschaffen. Neue Methoden, wie die Jagd mit mikrolithischen Pfeilspitzen, das Fallenstellen und die Haltbarmachung von Nahrung sichern diesen Gruppen das Überleben. Ebenso wird der Wolf wird zum Jagdgefährten. Aber an Wachstum ist nicht zu denken, denn würde die Gruppe erheblich größer, könnte das Land sie nicht mehr ernähren.

Anders die Bauern, die im 6. Jahrtausend v.Chr. die Donau hinauf wandern. Je mehr Kinder sie haben, umso mehr können sie am Ort produzieren und ihren Hof differenzieren. Arbeit gibt es genug, um den Ertrag des Hofes steigern zu können. Roden, Bewässern, Pflanzen, Hüten, Melken, Ernten, Bauen, Nähen, Flechten, Töpfern, Sammeln, Kochen, usw..

D.h. einer Jäger- und Sammlergemeinschaft würde eine zusätzliche Arbeitskraft keine Ertragssteigerung bringen. Egal ob 5 oder 10 Familienmitglieder, das 2 Tagesmärsche umfassende Land ließ nur 2 Wildschweine, 3 Rehe und 8 Hasen pro Monat zu. Die Bauern hingegen konnten mit jedem zusätlichen Familienmitglied ihren Hof ergiebiger bewirtschaften. Es gab immer irgendetwas, was man noch tun konnte.

Auch wenn es den Landwirten sichtbar schlechter ging, als den mesolithischen Nachbarn, schafften sie es größere Familien zu unterhalten. Und das wird ein entscheidender Faktor gewesen sein. So mancher 50-jähriger Jäger wird miterlebt haben, wie in seiner Nachbarschaft aus einer zugewanderten Bauernfamilie innerhalb von zwei Generationen drei neue Höfe entstanden, während seine Familie nicht wuchs.

Fruchtbarkeit, Wachstum, Ausdehnung und Fortschritt auf der Seite der Bauern, während die Jäger sich mit dem begnügen mussten, was das Land hergab. Noch heute schwärmen stolze Groß- und Urgroßeltern davon, wie viele Enkel sie haben. Einem mesolithischer Opa käme der Gedanke wohl nicht. Für ihn war es ein Segen, dass die Familie weiter bestand und das Leben weiter gehen konnte.
 
Sehr anschaulich geschildert!

So oder ähnlich muss man sich den Siegeszug der produzierenden Wirtschaftsweise wohl vorstellen. Denn bei allen Argumenten, die für die Jäger, Fischer und Sammler sprechen: Letztlich setzten sich die Ackerbauern mit ihrer sesshaften Lebensweise durch, was nur verständlich wird, wenn man annimmt, dass für ihre jagenden Nachbarn schließlich die Vorteile überwogen. Dass sie das Wirken der schuftenden Bauern erst eine geraume Zeit ansahen, bevor sie sich selbst an die neue Lebensweise wagten, darf man ruhig annehmen.
 
Es lassen sich Behausungen dieser Jäger/Sammler nachweisen, die (zumindest im Winter) einen geschützten Unterschlupf boten, Hütten und Zeltkonstruktionen, die wahrscheinlich aus Holzstangen und Rentierfellen bestanden; der Rand wurde mit Steinen am Boden festgehalten (diese wurden gefunden). Also auch wenn hier eine nomadische Lebensweise herrschte, muss von festen, nicht oder schwer transportablen Winterquartieren ausgegangen werden, die dann auch eine Art Vorratshaltung möglich und wahrscheinlich werden lassen.

Entscheidend ist die völlig andere Lebensweise. Der Unterschied zwischen der mesolithischen und neolithischen Bevölkerung könnte kaum größer sein (Nomaden-Seßhafte, Jäger & Sammler-Viezüchter & Bauern).
Eine dauerhaft seßhafte Lebensweise, die einem im Winter statt Zelten Hütten bietet, ist auf Dauer imho bestimmt stressärmer, was ein weiteres Argument für den Ackerbau darstellt.
 
ad Pope: Hübsch formuliert und entscheidende Dinge auf den Punkt gebracht.

Eine dauerhaft seßhafte Lebensweise, die einem im Winter statt Zelten Hütten bietet, ist auf Dauer imho bestimmt stressärmer, was ein weiteres Argument für den Ackerbau darstellt.

Nun wurden auch aus dem Mesolithikum Spuren von Hütten (Pfostenlöcher) gefunden; die daraus entstandenen Rekonstruktionen sehen allerdings weit weniger stabil aus als die späteren, von Dieter hier 25 erwähnten Hütten mit einer Länge von bis zu 30 m, zugegeben...

Die Aufgabe der nomadischen Lebensweise kann aber auch mehr Streß bedeuten (in diesem Zusammenhang übrigens ein passendes Wort); die fehlende Möglichkeit, bei Katastrophen (Überschwemmung, Brand oder was auch immer) oder Verschlechterung der Versorgung einfach weiterzuziehen, also das Gebundensein an einen Platz, kann auch mehr Sorgen und Nöte hervorrufen.

Ich habe meine Argumente These 2 betreffend dargelegt; eine abschließenden Beweis kann es tatsächlich (noch) nicht geben.

Interessant fände ich es, noch näheres zu den genauen Lebensumständen der ersten Ackerbauern zu erfahren (soweit es hierrzu Spuren gibt). Hier einige Punkte, die ich interessant bzw. erwähnenswert fand:

1. Die Jagd spielte nur noch eine ausgesprochen geringe Rolle; zu schließen ist das aus den seltenen Funden von Pfeilspitzen und aus dem geringen Anteil von Wildtierknochen gegenüber Haustierknochen. Wundert mich sehr, da die Jagd eben eine relativ einfache Methode ist, an hochwertige Nahrungsmittel zu gelangen; Erklärungen könnten mE sein:

- geringe Übung in Herstellung und Umgang mit Jagdwaffen
- Ein Nebeneinander von Bauern und Wildbeutern, bei denen die Wildbeuter die besten Jagdgebiete für sich reklamierten
- nicht nachzuprüfende religiöse Vorstellungen (das Gummiargument sozusagen ;))

2. Die Landwirtschaft (besonders der Ackerbau) befinden sich in einem der frühesten Stadien.
Die Ausbeute beträgt nur 200 bis 300 % (also auf ein Korn, das geesäät wird, kommen nur zwei bis drei geerntete Körner; davon musste natürlich die Hälfte bis ein Drittel als Saatgut aufgehoben werden...).
Es konnten nur kleine Felder urbar gemacht werden; dies geschah durch Brandrodung, oder durch einschlagen eines Ringes in die Rinde, in dessen Folge der Baum in den nächsten Jahren abstirbt.
Auf den so entstandenen Feldern wurden mit Grabstöcken und Hacken zwischen den nicht zu entfernenden Baumstümpfen Getreide (Emmer, Einkorn, Gerste) und Hülsenfrüchte (Linsen, Bohnen, Erbsen) gezogen. Dünger gab es nicht (außer die Holzasche der Brandrodung), daher war ein Feld nach kurzer erschöpft, und ein neues musste angelegt werden.Zeit (Dieter erwähnte 10 bis 15 Jahre).

So weit zunächst, Forts. folgt.
 
Interessant fände ich es, noch näheres zu den genauen Lebensumständen der ersten Ackerbauern zu erfahren (soweit es hierrzu Spuren gibt).

Solche Spuren gibt es zuhauf, sodass man das Leben der frühen Akcherbauern ausgezeichnet rekonstruieren kann.

Wie bereits erwähnt, siedelten die Bauern der bandkeramischen Kultur vorwiegend auf Lößböden. Sie bewohnten sehr charakteristische große Langhäuser von etwa 30 m Länge und 8 m Breite. Entsprechende Grundrisse wurden zahlreich aufgedeckt, wobei Pfostenspuren und andere Bodenverfärbungen wichtige Informationen boten. Die Siedlungen selbst waren sehr klein, etwa 10-15 Langhäuser, in denen vermutlich Großfamilien wohnten. Man hat daraus eine Becölkerung von etwa 80-100 Menschen erschlossen.

An Getreide pflanzten die Bauern Emmer, Einkorn, Weizen, Gerste und Hirse an, an Hülsenfrüchten kamen Erbsen, Bohnen und Linsen hinzu. Zahlreiche Knochenreste ergaben, dass die Bauern als Haustiere Rind, Schwein, Schaf, Ziege und Hund hielten. Daneben ging man immer noch zur Jagd, was Reste vom Ur, Wisent, Reh und Bär bewiesen.

An Geräten fanden die Archäologen neben geschliffenen und durchbohrten Steinbeilen andere Steingeräte wie Klingen, Schaber, Spitzen usw. Ferner Knochendolche, Pfeile, Speere, Hacken, hölzerne Spaten, Grabstöcke, Tongefäße, Handmühlen mit Reibsteinen, Spinnworteln, Handwebstühle und anderes.

Aus all diesen Überresten kann man sich heute ein recht gutes Bild von der Lebensweise der frühen Ackerbauern machen. Natürlich variierten innerhalb der verschiedenen neolithischen Kulturen z.B. die Hausformen oder die Form und Verzierung von Geräten oder Keramik. Die Lebensweise jedoch blieb über mehrere tausend Jahre - in Europa von etwa 6500-2000 v. Chr. - im wesentlichen gleich.
 
Die Siedlungen dürften überwiegend sehr klein gewesen sein; größere Anlagen inklusive Palisaden, Gräben u.ä. werden für gewöhnlich als zentrale Kultanlagen gewertet, da sie nicht das Werk einer einzelnen Siedlung gewesen seien können. (Für die Palisade einer solcher Anlagen müssen zwischen 10.000 und 20.000 Bäume gefällt worden sein, und das mit primitiven Steinäxten!)
Für die Archäologen ergibt sich das Problem, dass häufig eine große Anzahl Hütten gefunden werden (bzw. deren Reste, vor allem Gruben, wenn die Häuser vertieft angelegt waren, und Pfostenlöcher). Es handelt sich dann aber um mehrere "Generationen" einer Siedlung; da die Häuser nicht länger als eninige Jahrzehnte standen und dann in der Nähe neu erbaut wurden ist nur schwer feststellbar, wieviele dieser Bauwerke zu einer Zeit existierten, und damit auch, wieviele Menschen hier zeitgleich lebten.
 
Detaillierte Kenntnisse über Hausformen hat man vom Fundplatz Rosdorf-Mühlengrund im Ldkr. Göttingen, wo 52 Gebäude nachgewiesen werden konnten. Die Maße betrugen bis zu 35,5 m Länge und 5 – 7 m Breite, also so wie Dieter bereits geschrieben hatte. Es gab sowohl die 3-teiligen Langhäuser, als auch 2-teilige Gebäude und kleine Gebäude mit einem Raum.

Diese Häuser standen nicht alle zur gleichen Zeit, wie sehr richtig erwähnt wurde. Man vermutet, dass eine Gehöft-Einheit ca. alle 30 Jahre erneuert wurde und zwar über einen Zeitraum von mehreren hundert Jahren, so dass zwar der Siedlungsplatz recht groß wirkt, es sich aber trotzdem nur um Gehöft-Gruppen handelte, nicht mal um Dörfer im heutigen Sinne.

Die Häuser wurden nicht vertieft angelegt, sondern es handelt sich um „hausbegleitende Gruben“ (Grubenhäuser). Die gängige Meinung ist, dass sie der Lehm-Entnahme für das „Verputzen“ der Wände dienten, somit der Wandbewurf nicht hergeschleppt, sondern an Ort und Stelle entnommen wurde. Die Gruben dienten oft anschließend als Abfallgrube.

Häßler vermutet, dass Gräben und Palisaden sehr wohl dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung gedient haben wie später die Fluchtburgen. Im Helmstedter Braunkohlegebiet wurde ein doppeltes Grabensystem gefunden, bei Schöningen ein Palisadengraben in der Nähe eines Hauses. Im Ldkr. Hildesheim gibt es die Beusterburg mit noch erhaltener Wall- und Grabenanlage.

Die Landschaft wurde in dieser Zeit erstmals durch das Abholzen des Waldes für Hausbau und Palisaden verändert. Natürlich geht das Fällen von Bäumen mit Steinäxten nicht so schnell wie heute mit der Motorsäge oder auch modernen Äxten. Leider habe ich die genauen Zeiten im Vergleich zu heutigen Äxten nicht behalten von der Museums-Führung im NLM, aber dass man die Wirkung damaliger Werkzeuge nicht unterschätzen soll, wurde deutlich. Man hat es getestet. Für diese Palisaden wurden ja nicht dicke Bäume gefällt, sondern „Bäumchen“. M. E. dürften die nicht dicker als 25 – 30 cm gewesen sein. Für den Hausbau hat man ganz andere „Kaliber“ mit den primitiven Steinäxten geschlagen.
 
In mühevoller Arbeit ist am Donnerstag (9. September) eine 120 Jahre alte Eiche in einem Waldstück nahe des Wasserschlosses Werdringen mit einem Steinbeil gefällt worden.

Sprichwörtlich Hand angelegt hat dabei der Kölner Archäologe Dr. Johann Tinnes, der nach jahrelangen Forschungen diese alte Technik wieder entdeckt hat.[...]

Der mehr als einen halben Meter starke Stamm der gefällten Eiche wird künftig im neu errichteten Museum für Ur- und Frühgeschichte im Wasserschloss Werdringen seinen Platz finden.[...]

Noch einmal 5 Stunden waren letztlich nötig, um besagten Baum damit zu fällen.

Archäologe fällt 120 Jahre alte Eiche mit der Steinaxt - Nachrichten aus Hagen
 
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Noch einmal 5 Stunden waren letztlich nötig, um besagten Baum damit zu fällen.

Eiche ist aber auch so ziemlich das härteste Holz. Kenne ich aus eigener Erfahrung vom Sägen und Hacken. Die Palisaden dürften nicht unbedingt aus Eichenstämmen bestanden haben und die verwendeten Stämme im Durchmesser auch nicht einen 1/2 m gewesen sein. Und ich denke, dass die Männer zu der Zeit auch wesentlich trainierter waren im Baumfällen. Aber trotzdem sind die 5 Stunden durchaus ein Orientierungswert. Eine Palisade wurde auch gewiß über einen längeren Zeitraum errichtet. Terminvorgaben zur Fertigstellung wie heute beim Bau dürfte es kaum gegeben haben.
 
Die Siedlungen dürften überwiegend sehr klein gewesen sein; größere Anlagen inklusive Palisaden, Gräben u.ä. werden für gewöhnlich als zentrale Kultanlagen gewertet.

Altäre für Opfergaben u.ä. befanden in Häusern innerhalb der neolithischen Siedlungen. Das hat jedenfalls die bekannte Archäologin Marija Gimbutas ermittelt, die über Jahre hinweg neolithische Siedlungen im Balkanraum ausgegraben hat. Es gab keine aufwändig gebauten "Tempel", wie das in späteren Epochen der Fall war.

Zentrale Kultanlagen für mehrere Siedlungen scheiden in der Regel schon deshalb aus, weil die kleinen Siedlungen der frühen Ackerbauern wie Inseln inmitten von Urwäldern und Sümpfen lagen. Angesichts der äußerst geringen Bevölkerungsdichte waren sie zudem weit voneinander entfernt, sodass zentrale Kultmittelpunkte eher eine Ausnahme darstellten - sofern es sie überhaupt gab!
 
Anfänge der Landwirtschaft

Dieses Thema möchte ich noch von einer anderen Seite beleuchten. Vergangenes Jahr verbrachte ich meinen Urlaub auf Zypern und bei der Gelegenheit besichtigte ich ein Dorf mit dem heutigen Namen Choiroitika. Dieses Dorf ist heute ein Freiluftmuseum, denn es wurde vor 9.000 Jahren gebaut - also im Neolithikum.

Damals und dort lebten die Menschen im Übergang. Sie hatten bereits in geringem Umfang Nutzpflanzen und Nutztiere und parallel dazu gingen sie auf die Jagd und sammelten in der Natur essbare Pflanzen. Wir sprechen von der neolithischen Revolution und revolutionär waren damals zwei Dinge.

Die Landwirtschaft war zunächst eine geistige Herausforderung. Die Jäger und Sammler kannten nur eine Art der Fortpflanzung und das war ihre eigene. Ein erfolgreicher Landwirt muss auch die Fortpflanzung von Pflanzen und Tieren verstehen können. Dazu gehört die Erkenntnis, dass aus einem kleinen Samenkern einmal ein großer Baum wird.

Bevor die Menschen das notwendige Wissen hatten, konnten sie nur experimentieren. Ein Experiment kann auch einmal schief gehen und dieses Risiko können sich nur Menschen leisten, denen es wirtschaftlich gut geht. Hunger scheidet als Motiv aus, denn ein hungriger Mensch würde so ein Risiko nicht eingehen. Außerdem kann er nicht warten, bis aus dem Samen endlich mal ein Apfelbaum wird. Am Anfang bestand nämlich das Risiko, dass es im schlimmsten Fall nichts zu essen gibt.

In Choiroitika lebten die Menschen unter Bedingungen, die nach Maßstäben des Neolithikums beneidenswert waren. Der erste Umgang mit Pflanzen und Tieren begann wahrscheinlich spielerisch. Beim Sammeln essbarer Pflanzen fielen auch Samenkerne zu Boden und vielleicht waren es gerade die neugierigen Kinder, welche interessiert beobachteten, wie sich daraus ein Keimling bildet. Oder ein Jäger fing einmal ein ganz junges Tier und brachte es nicht über das Herz, so ein Baby zu töten. Dann wuchs es unter menschlicher Obhut auf und beide Seiten konnten sich daran gewöhnen. Solchen Luxus konnten sich nur ganz wenige leisten, doch diese wenigen waren für den weiteren Verlauf entscheidend. Sie schufen nämlich das Wissen, dass sie später an andere weitergaben. Nur ein paar Glückliche waren Urheber der Landwirtschaft. Die meisten Bauern fingen erst viel später damit an und waren Nachahmer. So auch in Deutschland. Seit den ersten Versuchen auf Zypern dauerte es noch runde 5.000 Jahre, bis auch unsere Vorfahren etwas von der Landwirtschaft gehört hatten. Solange sie dieses Metier nicht kannten, hatten sie keinen Vergleich und auch kein Motiv, um Äcker zu bestellen. Dagegen waren die Urheber Schlüsselfiguren im weiteren Verlauf der Geschichte.

Choiroitika ist vor allem bekannt, weil dort die ältesten Steinhäuser der Menschheit stehen. Noch ältre Häuser aus Stein sind der Wissenschaft nicht bekannt. Im Vergleich zu Holzhütten, wie sie noch im Mittelalter üblich waren, erfordert der Bau eines Steinhauses sehr viel mehr Arbeitszeit. Es gab ja nur Natursteine, die erst mühselig behauen werden mussten. Die ersten Äcker und Weiden lagen ganz in der Nähe der Wohnung und im Vergleich zum Jäger hatte der Bauer den Vorteil kurzer Wege. Die Jäger und Sammler mussten nämlich weite Wege laufen und damit ging viel Zeit weg. Nachdem nun Nahrungsmittel in der Nähe angebaut werden konnten, folgte der nächste Schritt und das war die berufliche Arbeitsteilung. Schon die ersten Bauern hatten ihren Beruf und es folgten die Steinmetze und Maurer. Ich habe mir die Häuser aus der Nähe angeschaut und auf Anhieb würde ich mir den Bau solch eines Hauses nicht zutrauen. Kein Wunder: ich bin ja auch nicht Maurer. Gerade die berufliche Arbeitsteilung war ja die wichtigste Voraussetzung dafür, dass technischer Fortschritt erst möglich wurde. Eigentlich war das eine Revolution mit Verzögerung. Im Neolithikum werden die Menschen ihre bescheidene Landwirtschaft nicht als revolutionär gesehen haben und es war ja auch keine politische Revolution. Es viel später ergaben sich daraus Konsequenzen, die eine tief greifende Umwälzung bewirkt haben.

Nun möchte ich noch einige Meinungen aufgreifen, die ich in diesem Thread gelesen habe. Die Eiszeit erklärt gar nichts, denn Zypern war ja nicht von der Eiszeit betroffen. Der viele Wald beweist eher das Gegenteil, denn Zypern war spärlich bewaldet und dort mussten die Menschen nicht erst mühselig roden. Solche Rodungen gab es erst viel später. Zuerst fingen die Menschen dort an, wo man einfach nur den Boden umgraben musste.

Auch das Bild vom glücklichen Jäger beweist nichts. Noch bis hinein in die jüngste Zeit gab es Naturvölker, die sich hauptsächlich von Jagd und Fischfang ernährten. Sie waren jedoch nicht in der Lage, den Fortschritt aufzuhalten.

Es stimmt, dass sich nur bestimmte Pflanzen und Tiere domestizieren lassen. Da waren die Menschen auf Zypern im Vorteil, denn sie kannten solche Arten. In Mitteleuropa kannte man sie nicht und deshalb kam die Landwirtschaft bei uns viel später.

Die sesshafte Lebensweise war nur punktuell von Bedeutung. Als die Menschen mit der Landwirtschaft noch experimentierten, war es sicherlich von Vorteil, wenn eine Gruppe von Menschen über mehrere Generationen hinweg am gleichen Ort blieb. Auch auf Zypern dürfte sich der Lernprozess über einig hundert Jahre erstreckt haben. Vorher waren die Menschen nicht zwangsläufig Nomaden. Solange die Natur ausreichend Nahrung bot, gab es auch Jäger und Sammler, welche sesshaft an einem Ort lebten. Ein Beispiel waren die Neandertaler. Warum hat man gerade im Neandertal so viele Überreste von ihnen gefunden?

Umgekehrt entwickelten sich Wanderhirten oder Nomaden gerade aus der Viehzucht. Das kam zwar später, doch danach war Sesshaftigkeit auch nicht zwingend.

Zum Schluss noch ein Tipp. Wer hier liest, der ist wohl an der Frühgeschichte interessiert. Falls Euch der Weg mal nach Zypern führt, dann versäumt nicht Choiroitika. Es lohnt sich! Nur der geschriebene Name ist ein Zungenbrecher. Gesprochen wird es “Choritika”. Ich gebe aber die amtliche Schreibweise wieder, denn so steht es auf dem Verkehrsschild und wer das nicht lesen kann, der fährt achtlos vorüber und weiß nicht, was er versäumt hat. Übrigens zählt dieser Ort zum Weltkulturerbe der UNESCO.
 
Nette Empfehlung, aber auf Zypern können allenfalls Schafe und Ziegen domestiziert worden sein (Gibt es dort echte Wildschweine ?). Nein, die neolithische Revolution ist aus der Not im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und dem Aussterben (besser Ausrotten) der Megafauna am Ende des Pleistozäns einzuordnen. Für den Menschen war die Umstellung eine Möglichkeit, trotzdem die Bevölkerungsdichte zu steigern. Für den Einzelnen aus gesundheitlicher Sicht eine Katastrophe (Karies, Mangelerscheinungen, Seuchen, z.T. durch engen Kontakt mit Tieren). Die mesolithischen Jäger waren wesentlich größer, kräftiger und gesünder als ihre neolithischen Nachfahren, das kann jeder Archäologe bestätigen. Nur, um Jared Diamond zu zitieren, 10 schlecht genährte Bauern werden im Konfliktfall immer noch mit einem fitten Jäger fertig. Das ist das ganze Geheimnis...
 
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Nichts für ungut

Liebe Balticbirdy,

ich möchte dir nicht zu nahe treten, doch mit einigen deiner Antworten bin ich nicht einverstanden.
Nette Empfehlung, aber auf Zypern können allenfalls Schafe und Ziegen domestiziert worden sein (Gibt es dort echte Wildschweine ?).

off topic. Sehr wahrscheinlich gab es dort eher Schafe und Ziegen und wohl weniger Schweine. Dabei halte ich den Genuss von Schweinefleisch für eine persönliche Geschmackssache. (Ja, mir schmeckt es, doch hat das nichts mit dem Neolithikum zu tun).

Nein, die neolithische Revolution ist aus der Not im Zusammenhang mit Klimaveränderungen und dem Aussterben (besser Ausrotten) der Megafauna am Ende des Pleistozäns einzuordnen.

Diese Aussage folgt der Theorie "Not macht erfinderisch". Dazu off-topic: auf Reisen in Ländern der Dritten Welt bin ich auch mit bettelarmen Menschen zusammengekommen und diese sind alles andere als kreativ. In der Not ißt der Mensch immer noch das, was er kennt. Nein, im Gegenzug - die Wohlhabenden sind kreativ und erfinderisch. Vielleicht sind sie deshalb zu Wohlstand gekommen, weil sie eben kreativ waren.

Für den Menschen war die Umstellung eine Möglichkeit, trotzdem die Bevölkerungsdichte zu steigern. Für den Einzelnen aus gesundheitlicher Sicht eine Katastrophe (Karies, Mangelerscheinungen, Seuchen, z.T. durch engen Kontakt mit Tieren). Die mesolithischen Jäger waren wesentlich größer, kräftiger und gesünder als ihre neolithischen Nachfahren, das kann jeder Archäologe bestätigen. Nur, um Jared Diamond zu zitieren, 10 schlecht genährte Bauern werden im Konfliktfall immer noch mit einem fitten Jäger fertig. Das ist das ganze Geheimnis...

Das mag zwar sein, doch dabei darf nicht übersehen werden, dass Jäger auch im Gebrauch von Waffen besser geübt waren. Als es noch Pfeil und Bogen gab, konten Jäger damit zielsicher treffen. Ein Bauer konnte das nicht. Es mag schon sein, dass ein Jäger imstande war, 10 Bauern zu töten. Waren sie deshalb schon die "besseren" Menschen? Ich schreibe das Wort bewusst in Anführungszeichen, damit du darüber nachdenkst.
 
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