Die Pest von 1348

Sissi

Mitglied
Die Pest von 1348 und ihre Folgen. Wirtschaftlich hat sich Europa sehr verändert, Städte, die vorher ihre Glanzzeit hatten stiegen herab (zB Siena), andere stiegen auf...

Meint ihr, man könnte sagen, Europa hat sich in einer spätmittelalterlichen Krise befunden? Und wie kann man die Krise von damals definieren?

LG Sissi
 
Keine rhetorische Frage, die war schon ernst gemeint ;-)

Ich hab den Aufsatz von Peter SChuster zur spätmittelalterlichen Krise gelesen und Frage mich nun, ob man die Zeit nun wirklich als Krise ansehen kann udn wie man die Krise von damals eben definiert...

Bevor ich witer wiederhole, wünsch ich lieber nen schönen Abend :)

LG Sissi
 
Wenn du dich auf den Aufsatz in der Historischen Zeitschrift beziehst, dann wird auch mir die Frage klarer: Denn Schuster scheint das Epistem eines Krisenmodells in Frage zu stellen. (Ich habe nur eine Rezension gelesen, Mitternachts komme ich nicht mehr in die Uni...). Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist ein erkenntniskritischer Ansatz - nämlich ein Denk- und Analysemodell in Frage zu stellen - höchst sinnvoll.

Dies vor allem deshalb, da man zuerst Krise als Konzept denken können muß, bevor man sie quasi mit Hilfe einer "Krisenbrille" sehen kann. Dahinter steht vermutlich ein Geschichtsmodell, dass von Brüchen und Krisen im Zeitablauf ausgeht und darüber hinaus auf eine bestimmte Perspektive (z.B. Kaiserreich) fokussiert. Selbstverständlich kann man sich Geschichte auch anders vorstellen, etwa als kontinuierlichen Prozeß. Denn ebenso, wie die Erforschung der Geschichte Antworten auf aktuelle Fragen geben sollte, ist auch die Sicht auf die Historie nicht unbeeinlußt vom Jetzt. Foucault würde sogar darüber hinaus gehen und meint, dass die Ordnung der Dinge, die Epistem und Denksysteme abhängig von ihrer Zeit sind und damit auch die diskursive Formation der Auseinandersetzung mit einem Forschungsgebiet - sei es die Biologie oder die Geschichtswissenschaft.

Kurz: Wir sehen mitunter, was wir sehen wollen - auch in der hehren Wissenschaft.

So, aber jetzt ist es wirklich schon spät. Ich würde mich jedoch noch gerne darüber unterhalten, jedoch sollte ich mir vorher den Aufsatz besorgen...
 
Pest 1348

...wow, ...hoffentlich kommen die Beiträge demnächst nicht auf Lateinisch, ... möchte mich natürlich nicht in euren Diskurs drängen,-mir fallen nur ein paar Anmerkungen zum Thema ein;
Die besagte Krise bezieht sich sicherlich nicht "nur" auf die Pestfolgen in med. Hinsicht, sondern auch auf soziale und psychische Auswirkungen der Bevölkerung auf dem Lande und in den dichtbes.Städten z.B Italiens (Boccacio:Decamerone)
Die Einheit von Staat und Religion war zerbrochen, Klimaveränderungen ,europaweite Missernten und dann auch noch die Pest. Da muss einer Schuld dran sein .Schwere Judenprogrome und massenpsychotische Erscheinungen wie die Geisslerzüge treten auf. ..nur ein paar Stichwörter zwar,aber die habe ich im o.g. Beitrag der" Hist.Zeitschrift" vermisst.
 
Ok, wahrscheinlich nerv ich schon mit disem thema, aber das müßt ihr jetzt auhalten :D
Ich versteh den Schuster einfach nicht. Im PRinzip sagt er doch ncihts neues und bezieht sich die ganze Zeit nur auf irgendwelche Thesen, die schon vorher von anderen aufgestellt wurden, versuht sie dann aber wieder mit anderen zu widerlegen (versteht ihr das?!?)... was ist denn nun eine Krise des mittelalters, und hat es sie nun wirklich gegeben, oder ist es, wie Schuster so schön sagt, nur eine Erfindung im Spiegel der Gegenwart? Leider muß ich darüber eine HA schreiben und finde das echt ätzend, obwohl das thema ja ganz nett ist.
Noch ne Frage: Schuster bezieht die Krise nur auf die Gesellschaft des 14. Jh. , also quasi auf das Kollektiv. Aber kann man die Krise nicht auch individuell sehen? Au feinen einzelnen Bauern bezogen? Und ist es nicht dann wirklich eine Krise?

LG Sissi :)
 
Sissi schrieb:
Ok, wahrscheinlich nerv ich schon mit disem thema, aber das müßt ihr jetzt auhalten :D
Wir werden dir den Kopf abreissen... :p


Ich versteh den Schuster einfach nicht. Im PRinzip sagt er doch ncihts neues und bezieht sich die ganze Zeit nur auf irgendwelche Thesen, die schon vorher von anderen aufgestellt wurden, versuht sie dann aber wieder mit anderen zu widerlegen (versteht ihr das?!?)...
Um es genau zu vestehen, müßte ich mir den Aufsatz durchlesen. Prinzipiell ist es durchaus legitim, den aktuellen Forschungsstand kritisch darzustellen, und Widersprüche in den Forschungsergebnissen anderer aufzuzeigen. Das kann in der Synthese eine neue Aussage ergeben und ist sogar außerordentlich wichtig, wenn es darum geht, einen Forschungsansatz kritisch zu hinterfragen oder gar ganz in Frage zu stellen. Ich habe nur momentan sehr wenig Zeit, deswegen muß ich dich um ein wenig Geduld (2 Wochen) bitten, bis ich den Aufsatz durchgelesen habe.

was ist denn nun eine Krise des mittelalters, und hat es sie nun wirklich gegeben, oder ist es, wie Schuster so schön sagt, nur eine Erfindung im Spiegel der Gegenwart?
Du wirst darauf keine klare Antwort finden, sondern nur Meinungen, die sich aus den Forschungsansätzen ergeben. Die Frage, ob es eine Krise des Spämittelalters gab, kann nämlich nicht nur geschichtswissenschaftlich beantwortet werden, sondern auch auf der Meta-Ebene der Wissenschaftstheorien und -modelle der Geschichtswissenschaft.

Vielleicht helfen dir folgende Fragen: Überzeugen dich Schusters Argumente? Gibt es Gegenmeinungen? Was versteht er unter eine Krise? Welche Kriterien für deren Existenz stellt er auf? Für welche Zeiträume kann man überhaupt von Krisen sprechen, sind nicht vielleicht 100 Jahre zuviel, ist das dann nicht schon eine Rezessive Entwicklung? Was sagen andere Autoren zur Frage, ob es wirklich eine Krise des Spätmittelalters gegeben hat? In welchen Bereichen? Wo ist sie definitiv (ev. auch nach Schuster) nachzuweisen, wo gibt es nur einzelne Indizien? Was ist die Standardlehre in der Geschichtswissenschaft? Nimmt Schuster vielleicht sogar eine herätische Position ein?

Fallen dir noch Fragen ein?


Aber kann man die Krise nicht auch individuell sehen? Auf einen einzelnen Bauern bezogen? Und ist es nicht dann wirklich eine Krise?
Eine individuelle Krise eines Bauern kann vielleicht als Illustration der Krisenthorie oder eines Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten der Krise gesehen werden. Aber sie wird wohl nie als aussagekräftiger Beweis für "die Krise" akzeptiert werden, da es sich um einem singulären Induktionsschluß handeln würde. Schließlich handelt es sich - sofern überhaupt Aufzeichnungen vorhanden sind - um ein individuelles Lebensschicksal. Und das macht keine gesellschaftliche Krise.

Scheint dich ja wirklich zu beschäftigen... ich hoffe nur, dass ich dir mit meinem wissenschaftstheoretischen Ausschweifungen helfen konnte. Wie lautet denn das Thema deiner Hausarbeit genau und was hat es mit dem Schuster-Aufsatz zu tun?
 
Hey, danke für Deine ausfürhliche Antwort :bussi: werd mich jetzt wirklich erst mal nen Fragenkatalog erstellen :)
Das Thema der Hausarbeit steht noch nicht fest. Unser Prof meinte, wir sollten den Aufsatz bewerten, dann meitne er wir sollten ihn mit anderen Thesen vergleichen, dann sollten wir eine Gegenmeinung erstellen und nun sollen wir ihn auf ein Thema aus dem Seminar beziehen. Das ist der aktuelle Stand, Änderung wie immer vorbehalten...
Tja, und nun hab ich mich eben dazu entschlossen, Schuster auf die individuelle und Kollektive Angst beziehen, weil das ein Thema ist, wovon unser Prof selbst keine Ahnung hat, oder zumindest so tut als ob, vielleicht kann ich da ein wenig herumschwafeln.
Und nun muß ich nur noch den Aufsatz richtig deuten :teach: Mal sehen, was dabei rum kommt :rofl:

LG Sissi
 
Pass nur auf, wie du den Zugang über die Angst gestaltest, Psychologisieren ist normalerweise in der Geschichtswissenschaft nicht gerne gesehen. Ich an deiner Stelle würde die Finger davon lassen, aber da muß jeder das tun, was er oder sie für richtig hält.

Vielleicht eine Inspiration, auch für deine weitere Beschäftigung mit der Geschichte ist das "Interpretationskapitel" in Johann Gustav Droysens "Historik". Ist zwar ein alter Hadern, zeigt aber die Problematik sehr gut auf (finde ich zumindest). Für alle neueren Zugänge müsstest du dich eh durch die einzelnen Schulen durcharbeiten.

Aber das mit dem Thema aus dem Seminar klingt doch gut. Da kannst du dir die neueren Aufsätze und Ansichten zu einem eingeschränkten Themenbereich zusammensuchen und deren Thesen und Ansätze gegenüberstellen.

Langsam bin ich auf den Schuster-Aufsatz gespannt...
 
Mal wieder eien nervige Frage von mir: Welche sozioökonomischen Folgen hatte die PEst? Das nun mehr Leute das frei gewordene Land sich aneignet konnten, was noch? DAnke für Tips. LG Sissi
 
als folgen kann man eine steigerung des wertes von arbeitskraft sehen. gleiche menge an land zu bestellen--> weniger arbeitskräfte --> die wenigen arbeiter können mehr lohn verlangen.
in england ist in der zeit das lohnniveau ehrheblich gestiegen was zu einer steigerung des selbstwertgefühls der bauern geführt hat.
als folge dieser krisenzeit kann man den englischen bauernaufstand 1381 betrachten, wo sich die auswirkungen dieses preisverfalls und den folgenen bemühungen der obrigkeit dem entgegenzuwirken entladen
 
z3st schrieb:
als folgen kann man eine steigerung des wertes von arbeitskraft sehen. gleiche menge an land zu bestellen--> weniger arbeitskräfte --> die wenigen arbeiter können mehr lohn verlangen.
in england ist in der zeit das lohnniveau ehrheblich gestiegen was zu einer steigerung des selbstwertgefühls der bauern geführt hat.
als folge dieser krisenzeit kann man den englischen bauernaufstand 1381 betrachten, wo sich die auswirkungen dieses preisverfalls und den folgenen bemühungen der obrigkeit dem entgegenzuwirken entladen
Das Lohnniveau steigt und die Bauern proben wegen des Preisverfalls den Aufstand? Ökonomisch kann das nicht zusammengehen, genausowenig wie man im 14. Jahrhundert eins zu eins mit heutigen makroökonomischen Kausalzusammenhängen argumentieren kann.

In der Kürze macht es nämlich keinen Sinn...

Die Arbeitslöhne stiegen an, jedoch war nur ein kleiner Teil der damals lebenden Menschen "Lohnarbeiter". Den Lohn - und damit auch den Preisanstiegen versuchte man ab 1348 mit einer "Arbeitsgesetzgebung entgegenzusteuern, die "Arbeitszwang verfügte, Mobilität steuerte, gerechte Verteilung von Arbeitskraft anstrebte Vergeudung der Arbeitskraft zu unterbinden suchte und Preise sowie Löhne auf dem Niveau von Normaljahren der Pest festschrieb." (LexMA) Eine mittelbare Folge der Pest war die Hinwendung zu wenig lohnintensiven Wirtschaftszweigen wie der Schaftzucht. Die Peasant's Revolt hatte ihre Ursache (die Pest spielt natürlich auch mit, aber das alleine ist zuwenig) vor allem in der Unzufriedenheit mit Krone und Kirche und ihre Auslöser wohl in den Steuererhöhungen...
 
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Hatte Venedig nicht nach der Pest besondere Verordnungen herausgegeben, um den Handel und Wirtschaft wieder anzukurblen?


Weshalb das psychologisieren in der Geschichtsforschung schräg angesehen wird, kann ich nicht begreifen!
Schließlich ist Geschichte das dokumentierte Verhalten von Menschen, wieso sollte man es nicht deuten dürfen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ah, wie ich dieses Thema liebe :)
Wir im Geschichts-LK haben über die Prozesse die zum Ende des Mittelalters führten eine Kursarbeit geschrieben, ein sehr interessantes Thema, wie ich finde.
Wir haben gelernt, dass im Spätmittelalter eine Reihe von Zerfallsprozessen stattfanden. Diese waren politischer Natur, zu nennen wäre hier das Interregnum und die Stärkung der Partikulargewalten, kirchlicher Natur, Stichwort "Dunkles 14. Jahrhundert der Kirche" und wirtschaftlich und sozialer Natur, sprich Pest und Agrarkrise. Die Pest war also meiner nach ein Faktor, aber eben nur einer von mehreren.
Bemerkenswert finde ich auch immer wieder die Geißlerzüge die immer zu großen Pestjahren (z.B. 1260-1261, 1334, 1340, 1349) auftreten, denke das wäre auch mal einen Thread wert, muss ich doch gleich mal die suchfunktion nutzen :)
 
"Bemerkenswert finde ich auch immer wieder die Geißlerzüge die immer zu großen Pestjahren (z.B. 1260-1261, 1334, 1340, 1349) auftreten"

die auch immer wieder schön zur ausbreitung der pest beigetragen haben.
 
Ja, ich weiß, deshalb sollte man auch näheres darüber wissen, schließlich zeigt es extremen fanatismus, ein abschreckendes beispiel in der geschichte...also ich für meinen teil finde das thema interessant, da man auch sieht wie sich solch ein fanatismus ausbreiten kann
 
Die Pest allein hat ja nicht den Beginn der Neuzeit eingeleitet, das dauerte ja noch ein wenig.
Die angebliche Krise, die die Pest audgelöst haben soll, kann mana uch solche nicht bezeichnen. Schließlich gab es in der Geshcichte schon mehrere erschreckende Seuchen und auch die PEst trat ja schon früher auf. Aber dadurch, dass die Menschen keine "Geschichtsschreibung" in unserem Sinne kannten, konnten sie sich auch an solche Katastrophen nicht erinnern. Jedoch wird das in der Wissneschaft noch ziemlich hart umstritten, und auf einen Nenner wird man wohl in nächster Zeit nicht kommen (hab mich durch eine Seminararbeit damit beschäftigt, und das ist alles sehr wage was die Herrn Professoren usw von sich geben)...
Geißlerzüge finde ich auch ein interessantes Thema, die Bestrafung seiner selbst für die Sünden. Jedoch muß ich (dem) Meister ;) zustimmen, dadruch wurde die PEst weiter verbreitet. Interessant wäre jetzt zu wissen, in wie weit sich diese Geißlerzüge verbreiteten, welche Schichten sich ihnen angeschlossen haben und wie lange sie bestanden. Vielleicht gab es auch zu anderen schlimmen Zeiten geißlerzüge, und nicht nur die berühmten zur Pest...
Liebe Grüße
 
Also Geißler gab es eigentlich schon ewig, es gab sogar richtige Geißlergesellschaften.
Allerdings sind nicht nur Geißler Geißler die sich selbst bestrafen (das sind dann Flagellanten) sondern man gilt auch als Geißler wenn man sich von anderen strafen lässt (Poenitenten).
Berühmte Geißler sind zum Bsp. der heilige Paradulph, der heilige Romuald und Rudolf von Eugubio.
Ein Bsp. von großen Geißleraktivitäten außerhalb der Pest:
Die Bianchi, sie "wüteten" in Italien, das ganze begann mit 18 Männern und setzte quasi das halbe Land in Bewegung. Grund hierfür war die verzweifelte Stimmung m Lande aufgrund der Sittenverderbtheit, der Kriegsgräuel und der politischen Lage (laut Wrede).
Wie gesagt gab es auch Geißlergesellschaften, die allerdings auch andere Gründe als die Buße hatten, zumindest teilweise:
Die Disciplina gynopygia, bei der im Prinzip nur ein notgeiler Geistlicher sich daran erfreut hat Frauen zu schlagen, die dachten sie müssen dies zur Buße tun.
 
Terra_di_nadie schrieb:
Wir haben gelernt, dass im Spätmittelalter eine Reihe von Zerfallsprozessen stattfanden.
Da wäre ich nun vorsichtig. "Zerfall" ist ein Begriff, der nur eine Richtung, nämlich abwärts, kennt. Aber, wenn ich das richtig sehe, kommt da auch neues. Das bedeutet, man spricht besser von Ablösungsprozess.
Fingalo
 
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