Die Sache mit der Nachhaltigkeit - eine historische These

zaphodB.

Premiummitglied
Hallo,oh Forianer
Nachhaltigkeit ist ein Begriff der in aller Munde ist,so oft,daß man ihn fast nicht mehr hören kann.Nun habe ich dazu eine interessante These gelesen:

"Je mehr Nachkommen eine erfolgreiche Gesellschaft bekam, desto höher war der Druck, den eigenen Zugang zu Ressourcen auszuweiten - und Gewalt gegen andere auszuüben sowie die vorhandenen Ressourcen rücksichtslos auszubeuten. In diesem Umfeld, wären auf Nachhaltigkeit bedachte Stämme schnell von Konkurrenten überfallen und ausgelöscht worden. Mit anderen Worten - die Menschen konnten es sich nicht leisten, auf die Natur zu achten, sie hätten es nicht überlebt."
Süddeutsche.de: Jede Kultur verändert die Natur

Da s klingt auf den ersten Blick nicht unlogisch .Lasst uns also mal an Hand historischer Beispiele und Gegenbeispiele diskutieren, was da dran ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Tja , da bekommt man in Diskussionen oft die nordamerikanischen Indianer als Beispiel angepriesen ,welche aufgrund ihrer Naturreligion angeblich besonders sorgsam mit Ressourcen umgegangen seien. Also nur soviel Bisons / Jagdwild erlegt , wie Bedarf da war : Ich kenne mich da nicht gut aus - vielleicht sagt Ingeborg was dazu. Auf jeden Fall haben die dort auch blutige Kriege gegeneinander geführt - um was gings da ? Um Gebietsansprüche ,soviel ich weiß - also wiederum Ressourcen ...
 
Hallo,oh Forianer
Nachhaltigkeit ist ein Begriff der in aller Munde ist,so oft,daß man ihn fast nicht mehr hören kann.Nun habe ich dazu eine interessante These gelesen:

"Je mehr Nachkommen eine erfolgreiche Gesellschaft bekam, desto höher war der Druck, den eigenen Zugang zu Ressourcen auszuweiten - und Gewalt gegen andere auszuüben sowie die vorhandenen Ressourcen rücksichtslos auszubeuten. In diesem Umfeld, wären auf Nachhaltigkeit bedachte Stämme schnell von Konkurrenten überfallen und ausgelöscht worden. Mit anderen Worten - die Menschen konnten es sich nicht leisten, auf die Natur zu achten, sie hätten es nicht überlebt."

Da s klingt auf den ersten Blick nicht unlogisch .Lasst uns also mal an Hand historischer Beispiele und Gegenbeispiele diskutieren, was da dran ist.
Auf den zweiten Blick würde ich sagen: Ist unlogisch. Teil 1 passt noch: wem Kram und Fresschen daheim nicht reichen, der geht außer Haus suchen. Aber warum sollten nachhaltig wirtschaftende Gesellschaften solcher Aggression langfristig zwingend zum Opfer fallen? Sie brauchen sich die not leidenden Aggressoren ja nur so lange vom Hals zu halten, bis die sich gegenseitig aufgefressen haben oder ihre Gesellschaft kollabiert...
Auf der anderen Seite können Gesellschaften, auch solche, die nachhaltig wirtschaften, aber wehrlos sind, durchaus von anderen Gesellschaften angegriffen, geplündert und ausgelöscht werden, die selber gar nicht so große Not leiden, sondern einfach nur noch mehr wollen. Eine meiner Hobbythesen ist ja, dass mehr Kriege von solchen vom Zaun gebrochen werden, denen es zu gut geht, als von solchen, die Not leiden. Aber das wäre ein anderer Thread.
Die kleine Lösung wäre, dass Gesellschaften, die nicht nachhaltig wirtschaften, in irgendeine Richtung - geographisch, technologisch oder woanders hin expandieren oder kollabieren müssen. Damit müssen sie erheblich dynamischer sein, als nachhaltig wirtschaftende, die es sich leisten können, sehr viel statischer zu sein. Das wären aber isolierte Betrachtungen ohne jedwede Rücksicht auf externe Faktoren.
Spontan fiele mir kein Konflikt ein, der in erster Linie durch den Gegensatz "Nachhaltig versus nicht nachhaltig gewirtschaftet" getrieben worden wäre. Darüber hinaus würde ich die Unterscheidung auch nicht diskret / digital betreiben wollen, sondern kontinuierlich / analog. Wann genau handelt ein Stamm denn "nachhaltig" oder nicht?
Interessant wäre es, den Zusammenhang zu kennen, aus dem Du die These ger...ettet hast :pfeif:
 
Hallo,oh Forianer
Nachhaltigkeit ist ein Begriff der in aller Munde ist,so oft,daß man ihn fast nicht mehr hören kann.Nun habe ich dazu eine interessante These gelesen:

"Je mehr Nachkommen eine erfolgreiche Gesellschaft bekam, desto höher war der Druck, den eigenen Zugang zu Ressourcen auszuweiten - und Gewalt gegen andere auszuüben sowie die vorhandenen Ressourcen rücksichtslos auszubeuten. In diesem Umfeld, wären auf Nachhaltigkeit bedachte Stämme schnell von Konkurrenten überfallen und ausgelöscht worden. Mit anderen Worten - die Menschen konnten es sich nicht leisten, auf die Natur zu achten, sie hätten es nicht überlebt."

Da s klingt auf den ersten Blick nicht unlogisch .Lasst uns also mal an Hand historischer Beispiele und Gegenbeispiele diskutieren, was da dran ist.

@zaphodB

Irgendwie habe ich ein gewisses Unbehagen bei diesem Zitat. Lassen wir dabei den Umgang mit der Natur außen vor, letzter Halbsatz; erscheint er als biologistischer Erklärungsansatz für Aggression. Vertausche einmal das verwandte Wort "Ressourcen" mit "Lebensraum".

Nur so als Ansatz.

M. :winke:
 
Tja , da bekommt man in Diskussionen oft die nordamerikanischen Indianer als Beispiel angepriesen ,welche aufgrund ihrer Naturreligion angeblich besonders sorgsam mit Ressourcen umgegangen seien. Also nur soviel Bisons / Jagdwild erlegt , wie Bedarf da war : Ich kenne mich da nicht gut aus - vielleicht sagt Ingeborg was dazu. Auf jeden Fall haben die dort auch blutige Kriege gegeneinander geführt - um was gings da ? Um Gebietsansprüche ,soviel ich weiß - also wiederum Ressourcen ...

Kurz nach dem Erscheinen der Indianer vo ca. 14000 Jahren verschwand ein Grossteil der grossen Saeugetiere auf dem Kontinent. Am wahrscheinlichsten erscheint eine Ausrottung durch den (modernen) Menschen -->Overkillhypothese.
Aehliches passierte auch in den Kaltsteppen Eurasiens, in Australien und Neuseeland.
Ob Naturvoelker prinzipiell tatsaechlich so nachhaltig wirtschaften wage ich daher zu bezweifeln.
Vielmehr erscheint mir es so, dass sich nach einiger Zeit ein natuerliches Gleichgewicht herauskrisallisiert hat, was aber nichts mit einem bewussten nachhaltigen Wirtschaften zu tun hat.

Auch bei Ackerbaukulturen kam es (--> Zweistromland) immer wieder zur Erschoepfung der Boeden.


Meine Erklaerung: Erst kommt das Fressen dann die Moral. Das Lebensrecht eines Mammuts ist zweitrangig wenn die eigenen kinder vor Hunger schreien.
 
Lasst uns also mal an Hand historischer Beispiele und Gegenbeispiele diskutieren, was da dran ist.

Eigentlich wäre es erst einmal interessant, ob die These durch das Finden von Gegenbeispielen zu falsifizieren ist.

Der Mensch gehört ja zu den wenigen Lebewesen, die Terraforming betreiben (auch Herdentiere betrieben Terraforming: Elefanten, Schafe etc.) und sich die Landschaft teils radikal seinen Bedürfnissen anpasst. Der Mensch gehört auch zu den wenigen Lebewesen, die in der Lage sind, ein Territorium völlig auszubeuten. Während die meisten Lebewesen von einem relativ eng umgrenzten Nahrungsangebot abhängig sind und sich danach das Überleben der Nachkommen bemisst, kann der Mensch seine Nahrung variieren und beim Ausfall eines Nahrungsbestandteils auf einen anderen ausweichen, sprich, er kann länger in einer Region verweilen als etwaige Nahrungskonkurrenten, was dann wiederum verhindert, dass das Nährmittel - sei es Tier oder Pflanze - sich erholen kann und die Population wieder dichter wird.
Wenn der Mensch aber ein Bewusstsein dafür hat, dass die Natur endlich ist, dann kann er sie auch pflegen. Um das mal an der unterschiedlichen Wirtschaftsweise von Papierfabriken in Westeuropa und Kanada zu verdeutlichen. Kanada hat scheinbar unendliche Wälder, Papierfabriken ziehen von Standort zu Standort, roden die Wälder, verarbeiten sie zu Papier und wenn sie weiterziehen, hinderlassen sie i.d.R. chemieverseuchte Gewässer.
In Westeuropa fehlt der unbesiedelte Raum, Papierfabrikanten hier haben ein Interesse daran, nachhaltiger zu wirtschaften und zwar in vielfachem Sinne: Die Wälder sind endlicher, d.h. aus dem Blickwinkel eines hiesigen Papierfabrikanten ist für jeden gefällten Baum ein neuer zu pflanzen, so, dass auch noch in 30 Jahren derselbe Wald ausgebeutet werden kann. Gleichzeitig ist der Raum dauerhafter Siedlungsraum und nicht nur für den Papierfabrikanten selber, sondern auch für seine Kundschaft, d.h. er wird auch nachhaltiger mit dem Wasser wirtschaften. Zuletzt sind hierzulande Wälder auch Naherholungsgebiete. D.h. es fällt auf, wenn plötzlich ganze Landstriche gerodet sind. Auch deshalb, wird der Papierfabrikant hier nachhaltiger wirtschaften, als sein kanadischer Konkurrent.

Was nun den Menschen angeht, so steigt sein Bedarf ja mit dem gesellschaftlichen Wachstum. Wenn die Gesellschaft immer gleich bliebe, also eine gleiche Altersverteilung bei einer gleichen Anzahl von Personen, dann würde auch der Bedarf nicht steigen, weder an - um das mal auf "primitive" Gesellschaften herunterzubrechen - Nahrungsmitteln, noch an Brenn- und Baumaterialien oder Raum. Steigt aber die Individuenanzahl, steigt der Bedarf an Brenn- und Baumaterialien, Nahrung und Raum*. Kann ein Gebiet X eine Gruppe von 100 Individuen gut versorgen, weil sich die Population der Beutetiere etc. gut erholen kann, muss das bei einem Anwachsen der Gruppe auf 150 Individuen nicht mehr so sein.

Und wie halten wir es eigentlich, die wir tagtäglich vor unseren Rechnern sitzen, Auto fahren, Kühlschränke, Fernseher, Lampen etc. benutzen, täglich unsere Kleidung wechseln, uns duschen etc.? Sehen wir nicht die drohende Katastrophe und ändern unser Verhalten trotzdem nicht?

*und gerade beim Raum im mehrfachen Sinne: Der Bewegungsraum der Person, das Jagd- und Sammelrevier und die Anbaufläche...
 
Zuletzt bearbeitet:
"Je mehr Nachkommen eine erfolgreiche Gesellschaft bekam, desto höher war der Druck, den eigenen Zugang zu Ressourcen auszuweiten - und Gewalt gegen andere auszuüben sowie die vorhandenen Ressourcen rücksichtslos auszubeuten. In diesem Umfeld, wären auf Nachhaltigkeit bedachte Stämme schnell von Konkurrenten überfallen und ausgelöscht worden. Mit anderen Worten - die Menschen konnten es sich nicht leisten, auf die Natur zu achten, sie hätten es nicht überlebt."
Süddeutsche.de: Jede Kultur verändert die Natur


Das historische Gegenbeispiel wäre die erfolge in der Züchtung und anderer Entwicklungen der Menschen, der jungsteinzeitliche Bauer konnte nicht mal im Leben davon Träumen 5-6 Tonnen Weizen pro Tonne zu bekommen.
 
Ich frage mich ob fruehe Kulturen ueberhaupt nachhaltig wirtschaften konnten. Der Begriff der Nachhaltigkeit setzt doch Kenntnisse natuerlicher Kausalzusammenhaenge vorraus, die in der Fruehzeit noch gar nicht vorhanden waren. Kann man von einer Gruppe Steinzeitlicher Jaeger erwarten, dass sie erkannten, dass bestimmte Formen der Jagd ueber langere Zeit und von vielen Gruppen durchgefuehrt zum Verschwinden einer Tierart fuehren konnten.? Ich glaube nicht.
Das gleiche gilt den Ackerbau. Versalzung, Erosion, Bodenverarmung usw.: Ursachen und Wirkungen mussten doch erst muehsam erlernt werden.
Und selbst wenn: Nachhaltiges Wirtschaften macht dann keinen Sinn wenn eigene oder benachbahrte Stammesgenossen sich ohne Sanktionen befuerchten zu koennen darueber Hinwegsetzen koennen.
Fuer mich heisst das dasn nachhaltiges Wirtschaften erst durch eine groessere Zusammenballung von Macht ueberhaupt erst moeglich wurde.
 
"Nachhaltigkeit" ... über diesen Begriff muss man sich generell erst Gedanken machen, wenn man mit künstlichen Mitteln mehr erwirtschaften möchte, als die Natur von sich aus hergibt.

Sei es der Anbau von Feldfrüchten oder die Erschließung von alternativen Energien.

Ich möchte an dieser Stelle behaupten, dass sich unsere Vorfahren um Nachhaltigkeit keine Sorgen machen mussten/gemacht haben, weil die Natur noch genug hergegeben hat, um eine in einem bestimmten Landstrich lebende Population zu ernähren, bzw. die Möglichkeit gegeben war, auf eine andere Gegend auszuweichen.

Spätestens ab dem Moment, wo künstliche Dünger, Pestizide, spezielle Züchtungen und genetisch veränderte Pflanzen angebaut wurden/werden, oder ein Ende bestimmter Ressourcen absehbar ist, entsteht überhaupt ein Rahmen für den Gedanken der Nachhaltigkeit, und auch das erst, wenn die Bevölkerung so weit angestiegen ist, dass es schlicht keine Ausweichmöglichkeit mehr gibt.

Immerhin MACHT man sich heute solche Gedanken - soviel haben wir immerhin von älteren und anderen Kulturen gelernt. Ob es allerdings ausreicht, dass wir die Natur nicht derart ausbeuten, dass jede Notbremse zu spät kommt, ist die Frage. Die Maori auf den Osterinseln haben sich ja auch erst darüber Gedanken gemacht, wie sie wieder zu Bäumen kommen, als die letzten gerodet waren...
 
In Westeuropa fehlt der unbesiedelte Raum, Papierfabrikanten hier haben ein Interesse daran, nachhaltiger zu wirtschaften und zwar in vielfachem Sinne: Die Wälder sind endlicher, d.h. aus dem Blickwinkel eines hiesigen Papierfabrikanten ist für jeden gefällten Baum ein neuer zu pflanzen, so, dass auch noch in 30 Jahren derselbe Wald ausgebeutet werden kann. Gleichzeitig ist der Raum dauerhafter Siedlungsraum und nicht nur für den Papierfabrikanten selber, sondern auch für seine Kundschaft, d.h. er wird auch nachhaltiger mit dem Wasser wirtschaften. Zuletzt sind hierzulande Wälder auch Naherholungsgebiete. D.h. es fällt auf, wenn plötzlich ganze Landstriche gerodet sind. Auch deshalb, wird der Papierfabrikant hier nachhaltiger wirtschaften, als sein kanadischer Konkurrent.

Interessant im Sinne von zaphods Frage wird das Szenario, wenn es nicht um Papierfabrikanten geht, sondern Holz für den Bau von (Kriegs-) Schiffen benötigt wird. Kann es sich eine Seemacht (im Zeitalter der Holzschiffe) leisten, die Ressource Holz nachhaltig zu bewirtschaften, wenn ein Konkurrent bzw potentieller Gegner es darauf anlegt, einen Vorteil in einem Rüstungswettlauf zu erringen?

In eine ähnliche Richtung geht übrigens das "Dilemma der Allmende". Wie können Ressourcen, die in einer Gesellschaft allen zur Verfügung stehen, nachhaltig bewirtschaftet werden? Profitieren nicht immer die, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung setzen, da die langfristigen Folge eh alle gleichermaßen tragen?

Es gibt hier sicherlich keine "Automatik" o.ä., aber die Frage ist hochinteressant; nicht nur geschichtlich/historisch, sondern auch für evolutionäre Frage, in der Soziologie und besonders in der Spieltheorie.

Tragik der Allmende ? Wikipedia
 
In eine ähnliche Richtung geht übrigens das "Dilemma der Allmende". Wie können Ressourcen, die in einer Gesellschaft allen zur Verfügung stehen, nachhaltig bewirtschaftet werden? Profitieren nicht immer die, die auf kurzfristige Gewinnmaximierung setzen, da die langfristigen Folge eh alle gleichermaßen tragen?

Es gibt ja durchaus so etwas, wie eine Corporate Identity. Ich habe nun schon häufiger gehört, dass Manager - in wie weit das empirisch gesichert ist, sei dahingestellt, vielleicht handelt es sich nur um eine häufiger kolportierte Hypothese - die in einem Unternehmen von Grund auf gelernt haben, deren Lebensweg auf das engste mit dem Unternehmen verbunden ist - ganz anders wirtschaften, als solche, die sich in erster Linie den Aktionären und den Dividenden verpflichtet fühlen, also auf schnelle Gewinne setzen. Man denke nur an den Verkauf der Karstadt-Immobilien, um diese dann teuer anzumieten. Möglicherweise wird Silesia mich für eine etwaige Milchmädchenrechnung schlachten, aber mit gesundem Menschenverstand würde ich behaupten, dass man kein Wirtschaftsstudium hinter sich gebracht haben muss, um zu erkennen, dass der Verkauf von Immobilien, um sie dann zu mieten, wirtschaftlich horrender Blödsinn ist und es sich daher nur um kurzfristig angelegte Zahlenkosmetik handeln kann.

Ich denke auch, dass einem Jäger in der Steinzeit klar war, dass die Reproduktion von Großwild sehr lange dauert und dass man gerade bei der Großwildjagd ressourcenschonend vorgehen musste. Den frühen Ackerkulturen dürfte selbiges, was die Bodengüte anging, dagegen nicht gleichermaßen offenbar gewesen sein.

Ich frage mich ob fruehe Kulturen ueberhaupt nachhaltig wirtschaften konnten. Der Begriff der Nachhaltigkeit setzt doch Kenntnisse natuerlicher Kausalzusammenhaenge vorraus, die in der Fruehzeit noch gar nicht vorhanden waren. Kann man von einer Gruppe Steinzeitlicher Jaeger erwarten, dass sie erkannten, dass bestimmte Formen der Jagd ueber langere Zeit und von vielen Gruppen durchgefuehrt zum Verschwinden einer Tierart fuehren konnten.? Ich glaube nicht.
Das gleiche gilt den Ackerbau. Versalzung, Erosion, Bodenverarmung usw.: Ursachen und Wirkungen mussten doch erst muehsam erlernt werden.
Und selbst wenn: Nachhaltiges Wirtschaften macht dann keinen Sinn wenn eigene oder benachbahrte Stammesgenossen sich ohne Sanktionen befuerchten zu koennen darueber Hinwegsetzen koennen.
Fuer mich heisst das dasn nachhaltiges Wirtschaften erst durch eine groessere Zusammenballung von Macht ueberhaupt erst moeglich wurde.
 
Es gibt hier sicherlich keine "Automatik" o.ä., aber die Frage ist hochinteressant; nicht nur geschichtlich/historisch, sondern auch für evolutionäre Frage, in der Soziologie und besonders in der Spieltheorie.

Mein bischen "Spieltheorie" - Wissen habe ich aus dem Buch "Superfreakonomics".
Dort scheint es einfach zu sein:

"Asis" werden schnell fuer ihr Verhalten bestraft. Glauben sich die Probanden aber unbeobachtet und befuerchten keine negativen Sanktionen verhalten sie sich schnell selbst wie "Asis".

Ohne ordnende und sanktionierende Instanz scheint es nicht zu gehen.
 
Ich denke auch, dass einem Jäger in der Steinzeit klar war, dass die Reproduktion von Großwild sehr lange dauert und dass man gerade bei der Großwildjagd ressourcenschonend vorgehen musste. QUOTE]

Aber genau das haben sie doch nicht gemacht.
Siehe das Artensterben in Amerika, Nordeurasien, Australien, Madagaskar und Neuseeland.
Damit will ich ja auch keine Bosheit unterstellen: sie wussten es eben nicht besser.

Spaeter war man da aufgeklaerter: Die Begrenzung des Jagdrechts auf den Adel in vielen mittelalterlichen Laendern zeigt diese Einsicht an. Uebrigigens nicht immer zum Gefallen der Untertanen !
 
Immerhin MACHT man sich heute solche Gedanken - soviel haben wir immerhin von älteren und anderen Kulturen gelernt. Ob es allerdings ausreicht, dass wir die Natur nicht derart ausbeuten, dass jede Notbremse zu spät kommt, ist die Frage. Die Maori auf den Osterinseln haben sich ja auch erst darüber Gedanken gemacht, wie sie wieder zu Bäumen kommen, als die letzten gerodet waren...

Jetzt sollte man nicht übertreiben, die Erde hat einen Kometeneinschlag überlebt, den Menschen wird sie auch überleben.

Desweiteren haben neue Technolgien ja Abhilfe geschafft, sauberer als heute waren die Flüsse seitdem der Mensch sesshaft geworden ist, fast nie.
 
Jetzt sollte man nicht übertreiben, die Erde hat einen Kometeneinschlag überlebt, den Menschen wird sie auch überleben.

Desweiteren haben neue Technolgien ja Abhilfe geschafft, sauberer als heute waren die Flüsse seitdem der Mensch sesshaft geworden ist, fast nie.


Im Uebrigen gibt es auf den Osterinseln keine Maoris.
Die Maoris haben auf Neuseeland fast alle flugunfaehigen Voegel ausgerottet. Eine grosse Adlerart gab es dann auch nicht mehr - vermutlich war auch er an den Voeglen interessiert.
 
Ich denke auch, dass einem Jäger in der Steinzeit klar war, dass die Reproduktion von Großwild sehr lange dauert und dass man gerade bei der Großwildjagd ressourcenschonend vorgehen musste.

Aber genau das haben sie doch nicht gemacht.
Siehe das Artensterben in Amerika, Nordeurasien, Australien, Madagaskar und Neuseeland.
Damit will ich ja auch keine Bosheit unterstellen: sie wussten es eben nicht besser.

Spaeter war man da aufgeklaerter: Die Begrenzung des Jagdrechts auf den Adel in vielen mittelalterlichen Laendern zeigt diese Einsicht an. Uebrigens nicht immer zum Gefallen der Untertanen!

Ja, da habe ich mich unklar ausgedrückt. Aussageabsicht war Folgendes: Die Kenntnis der Zusammenhänge, bedeutet ja nicht, dass man die Erkenntnis handlungsrelevant werden lässt.
Siehe auch zwei vorherige Beiträge von uns beiden:


Erst kommt das Fressen dann die Moral. Das Lebensrecht eines Mammuts ist zweitrangig wenn die eigenen Kinder vor Hunger schreien.

Und wie halten wir es eigentlich, die wir tagtäglich vor unseren Rechnern sitzen, Auto fahren, Kühlschränke, Fernseher, Lampen etc. benutzen, täglich unsere Kleidung wechseln, uns duschen etc.? Sehen wir nicht die drohende Katastrophe und ändern unser Verhalten trotzdem nicht?
 
Ja, da habe ich mich unklar ausgedrückt. Aussageabsicht war Folgendes: Die Kenntnis der Zusammenhänge, bedeutet ja nicht, dass man die Erkenntnis handlungsrelevant werden lässt.
Siehe auch zwei vorherige Beiträge von uns beiden:

Und da habe ich mich auch schlecht ausgedrueckt:

Gemeint war nicht, dass der Fruehmensch sich unmoralisch verhalten haette, sondern dass er, mangels Einsicht und vom taeglichen Ueberlebenskampf vereinnahmt, gar keinen Begriff von Moral entwickeln konnte - jedenfalls nicht in Hinsicht auf ein oekologisch vertraegliches Handeln.
 
Es gibt ja durchaus so etwas, wie eine Corporate Identity. Ich habe nun schon häufiger gehört, dass Manager - in wie weit das empirisch gesichert ist, sei dahingestellt, vielleicht handelt es sich nur um eine häufiger kolportierte Hypothese - die in einem Unternehmen von Grund auf gelernt haben, deren Lebensweg auf das engste mit dem Unternehmen verbunden ist - ganz anders wirtschaften, als solche, die sich in erster Linie den Aktionären und den Dividenden verpflichtet fühlen, also auf schnelle Gewinne setzen.

Das ist ein guter Hinweis, und selbiges habe ich auch gehört; genauere Untersuchungen kenne ich leider nicht. Allerdings sagt es wenig über Ressourcen, die dem Unternehmen frei zur Verfügung stehen. Deren Verbrauch* oder nachhaltige Nutzung wird auch von der langfristigen Bindung an ein Unternehmen (oder jede andere spezifische Gruppe) nicht beeinflusst. Hierzu bedarf es schon einer "World identy", und daran arbeiten Kosmopoliten ja seit echt einer langer Zeit. ;)

* Dabei fällt mir ein, dass Jared Diamond deutlich darauf hinweist, dass alle "nachwachsenden Ressourcen" verbraucht werden, also so genutzt werden können, dass sie irgendwann weg sind und nichts mehr nachwächst. Aussterbendes Jagdwild, verschwindende Wälder, ausgelaugte oder erodierte Böden, das Weltklima...

Man denke nur an den Verkauf der Karstadt-Immobilien, um diese dann teuer anzumieten. Möglicherweise wird Silesia mich für eine etwaige Milchmädchenrechnung schlachten, aber mit gesundem Menschenverstand würde ich behaupten, dass man kein Wirtschaftsstudium hinter sich gebracht haben muss, um zu erkennen, dass der Verkauf von Immobilien, um sie dann zu mieten, wirtschaftlich horrender Blödsinn ist und es sich daher nur um kurzfristig angelegte Zahlenkosmetik handeln kann.

Vermutlich muss man BWL studiert haben, um dass nicht zutiefst absurd zu finden... :still:

Ich denke auch, dass einem Jäger in der Steinzeit klar war, dass die Reproduktion von Großwild sehr lange dauert und dass man gerade bei der Großwildjagd ressourcenschonend vorgehen musste. Den frühen Ackerkulturen dürfte selbiges, was die Bodengüte anging, dagegen nicht gleichermaßen offenbar gewesen sein.

Selbst beim Jagdwild ist das schwierig abzuschätzen; das letzte Mammut der Gegend umzubringen scheint unklug, ist es aber nicht, da es dann eh zu spät ist. Zu erkennen, dass eine Tierpopulation langsam zurückgeht, ist schwieriger, und genau zu ermitteln, wann der "point of no return" erreicht ist übersteigt selbst die Möglichkeiten heutiger Biologen.

Nochmal Jared Diamond: Der stellt sich in einem Kapitel über die Osterinseln die (etwas höflicher formulierte) Frage, wie die Menschen dort so unmöglich dämlich sein konnten, alle Palmen zu fällen, die ihnen Schatten und Nahrung spendeten, deren Holz sie für hochseetüchtige Kanus und damit zum Fischfang brauchten und die den Boden festhielten und Erosion verhinderten; nur letztes ist wirklich schwierig zu erkennen, erstere Segnungen der Palmpflanze sind offensichtlich. Warum also?

Seine Antwort: Auch das war ein langsamer Prozess, den Menschen schlecht überblicken können. "Stimmt, vor zehn Jahren war da noch Wald, wo jetzt das Feld von Familie A ist. Und auf dem Feld von Fam. B hab ich als Kind noch im Wald gespielt. Und Opa hat erzählt, dass er unser Land gerodet hat." Daraus auf einen Prozess zu schließen, der irgendwann sowohl äußerst schädlich und andererseits unumkerbar ist, und dann aufgrund eines solchen Schlusses eine gesellschaftliche Änderung zu erreichen, um mit seit langem "normalen" Verhaltensweisen und Traditionen zu brechen, ist sehr schwierig, da sind diverse Gesellschaften dran gescheitert; Wildbeuter, Landwirte, und die Industriegesellschaften machen sich bislang auch nicht wirklich gut...

EDIT

Mein bischen "Spieltheorie" - Wissen habe ich aus dem Buch "Superfreakonomics".
Dort scheint es einfach zu sein:

"Asis" werden schnell fuer ihr Verhalten bestraft. Glauben sich die Probanden aber unbeobachtet und befuerchten keine negativen Sanktionen verhalten sie sich schnell selbst wie "Asis".

Ohne ordnende und sanktionierende Instanz scheint es nicht zu gehen.

Ich bedaure ja zutiefst, kein Experte im Thema Spieltheorie zu sein (nicht ironisch, ich halte das Thema tatsächlich für so interessant und wichtig wie kaum ein zweites auf der Welt), denn: So einfach ist es beileibe nicht; wirklich. ;)

Beim Thema "Großwildarten fallen aus paläobiologischer Sicht in Amerika und Australien wie auf Befehl tot um, sobald sich die ersten Spuren von menschlicher Besiedlung zeigen" geb ich Dir Recht.
Jetzt sollte man nicht übertreiben, die Erde hat einen Kometeneinschlag überlebt, den Menschen wird sie auch überleben.

Die Erde ja, was das Rumgekreufel auf selbiger angeht siehts schon jetzt anders aus. Für die Geschwindigkeit, mit der zur Zeit biologische Arten aussterben, müssen Paläontologen sonst Meteoriteneinschläge oder gigantischen Vulkanismus annehmen, oder Sinfluten. ;)
 
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nun, es gibt die Fälle,wo in indischen Dörfern knapp vor der Aussaat das Saatgut gegessen wurde ...
Warum? Verhungert nutzt einem ne aufgelaufene Saat auch nix

Nachhaltigkeit ist ja ganz schön, denkt jeder, wenn der andere so wirtschaftet.
Ich glaube, niemand läßt seine Kinder halbverhungern, damit Nachbarskinder nicht ganz verhungern.
 
Nun, das Problem ist,wie es ELQ oben bereits angedeutet hat, daß eine Gesellschaft, sobald sie ein einigermaßen gutes Auskommen hat (zumindest galt das in Prae-Pille-Zeiten) durch geringere Sterblichkeit und höherer Geburten.und Überlebensrate zahlenmäßig expandiert. Und in dem Moment haben wir bei einer begrenzten Menge Rohstoffe das Problem ,daß die irgendwann selbst dann nicht mehr ausreichen ,wenn das einzelne Individuum sein "Konsumverhalten nicht verändert. Eine nachhaltig agierende Gesellschaft müßte also nicht nur nachhaltig wirtschaften sondern dürfte auch nicht zahlenmäßig zu sehr expandieren.
Wenn die Gesellschaft aber zahlenmäßig nicht expandiert entsteht mittelfristig ein demographisches Problem, das dazu führen kann, daß die Gesellschaft verschwindet.Historisch gesehen haben erfolgreiche Gesellschaften immer expandiert.
Das Auffangen des Ressourcenproblems bei wachsender Bevölkerung durch technologischen Fortschritt war auch nicht immer die Lösung,wie das Anazazibeispiel zeigt.
Die knappen Ressourcen bei einer wachsenden Gesellschaft wurden dort zunächst durch Intensivierung der Landwirtschaft und Installation eines Bewässerungssystems aufgefangen,was zu noch größerer Expansion führte.. in der Folge kam es durch die damit Verbundene Abholzung und schnellerer Abführung des Oberflächenwassers zu Austrochknung,Bodenerosion,Missernten und schließlich zum Untergang der Kultur.
Hätte die Kultur aber stattdessen nicht expandiert sondern nachhaltig agiert,wäre sie in kürzerer Zeit von den einwandernden halbnomadischen Hirtenkulturen der Navajo,Ute, Apachen etc aufgerieben woren.
 
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